Einstellung LEBEN SIE IN DER ZUKUNFT ODER IN DER VERGANGENHEIT? WARUM ARNOLD SCHWARZENEGGER, WARREN BUFFET UND CO. NICHT ZURÜCKBLICKEN 8 www.erfolg-magazin.de . <strong>Ausgabe</strong> <strong>01</strong>/<strong>2023</strong> . ERFOLG magazin
Einstellung Bilder: IMAGO / STAR-MEDIA, Malte Paulmann, Thomas Schweigert Im September 2022 reiste ich nach Vietnam, um meine Bücher vorzustellen und Vorträge in vier Universitäten zu halten. Bei Vietnam denken in Europa und den USA die meisten Menschen zuerst an den Vietnamkrieg. 1946 bis 1954 fand der erste Indochinakrieg statt, in dem die vietnamesische Befreiungsbewegung Việt Ming gegen die französische Kolonialmacht kämpfte; nur kurz nach dem Ende dieses Krieges begann der zweite Indochinakrieg, in dem China und die Sowjetunion das kommunistische Nordvietnam sowie die Befreiungsfront in Südvietnam unterstützten und die USA die Regierung von Südvietnam. Man spricht auch vom Zweiten Indochinakrieg. 1965 befahl der US-Präsident Lyndon B. Johnson eine Verstärkung der Luftangriffe. Die USA setzten das Entlaubungsmittel »Agent Orange« ein, ein Pflanzenvernichtungsmittel, das die Reisfelder zerstörte und Wasserreservoirs vergiftete. Die chemischen Massenvernichtungswaffen trafen nicht nur die kommunistische Befreiungsarmee, sondern hauptsächlich die Zivilbevölkerung. Auch Napalmbomben der Amerikaner richteten große Verluste unter der zivilen Bevölkerung an. Alleine die Südvietnamesen hatten Verluste von 1,5 Millionen Menschen zu beklagen, darunter auch 300.000 tote Zivilisten. Die Amerikaner verloren 58.200 Soldaten und weitere 300.000 wurden verwundet. Die zivilen Verluste Nordvietnams fielen im Vergleich zum Süden weit geringer aus, dafür verloren sie weit mehr Soldaten. Im Norden wurden die Hauptindustriezentren und fundamentalen Infrastrukturen zerstört. Sämtliche Industriebetriebe wurden vernichtet. Drei der sechs größten Städte, zwölf von 29 Provinzhauptstädten. Zwei Drittel der Dörfer waren zerstört. Total zerstört waren auch sämtliche Elektrizitätswerke, Bahnhöfe, Häfen, Brücken, Straßen und das gesamte Bahnnetz. Im Süden waren ebenfalls zwei Drittel der Dörfer zerstört, fünf Millionen Hektar Wald wurden vernichtet und 20 Millionen Bauern verloren ihre Häuser. Vietnamesen mögen die USA – trotz des Krieges Angesichts dieser Zerstörungen und all des Leides, das die Menschen erlitten, wäre es nicht verwunderlich, wenn es gerade in Vietnam einen starken Antiamerikanismus gäbe. Doch der Antiamerikanismus ist in weiten Teilen der Welt größer als in Vietnam. Nicht nur in arabischen Ländern oder in Russland, auch in vielen europäischen Ländern wird man mehr Antiamerikanismus finden als in Vietnam. Dr. Dr. Rainer Zitelmann bei einer Buchvorstellung in Hanoi, 2022 Ich habe weder bei meiner Exfreundin und ihrer Familie (die aus Vietnam kam) noch bei anderen Vietnamesen, die ich traf, Antiamerikanismus angetroffen. Dinh Tuan Minh, ein Wissenschaftler von einem liberalen Thinktank, den ich in Hanoi traf, meinte: »Wir Vietnamesen schauen nicht zurück in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. Wir haben, anders als mit China, mit den USA keine territorialen Differenzen. Viele Vietnamesen schätzen es auch, dass die Arbeitsbedingungen in amerikanischen Firmen, die bei uns investieren, oftmals besser sind als in asiatischen Firmen, die in Vietnam investieren. Außerdem wissen die Menschen in Vietnam, dass die USA für uns heute das wichtigste Exportland sind.« In der Tat exportierte Vietnam 2020 so viel in die USA wie China und Japan, die an zweiter und dritter Stelle stehen, zusammen. Auch mit Xuân Nguyễn sprach ich über das Thema. Sie ist Gründerin der Audiobook-Firma Fonos und ich traf sie auf ungewöhnliche Art: Sie klopfte an meiner Tür, weil sie in Hanoi im gleichen Hotel wie ich übernachtete. Sie wohnt eigentlich in Saigon. »Ich bin 1987 geboren, als der Krieg schon zwölf Jahre zu Ende war«, erzählte sie mir. »Meine Eltern und Großeltern haben zwar davon erzählt, wie schrecklich der Krieg war, aber sie haben nie ein negatives Wort über die USA und die Amerikaner gesagt. Im Gegenteil: Sie haben mir gesagt: Du musst Englisch sprechen lernen, ziehe dich an wie Amerikaner, iss, was die Amerikaner essen und, vor allem, lerne zu denken, wie die Amerikaner denken. Dann wirst du erfolgreich sein.« Doch der Antiamerikanismus ist in weiten Teilen der Welt größer als in Vietnam. In einer 2<strong>01</strong>4 von dem Pew Research Center durchgeführten Umfrage erklärten 76 Prozent der Vietnamesen, dass sie eine positive Sicht auf die USA haben, bei den besser gebildeten Vietnamesen waren es sogar 89 Prozent und auch bei den Der Autor Dr. Dr. Rainer Zitelmann veröffentlichte als weltweit erfolgreicher Autor zuletzt sein 25. Buch: »ICH WILL. Was wir von erfolgreichen Menschen mit Behinderung lernen können«. ERFOLG magazin . <strong>Ausgabe</strong> <strong>01</strong>/<strong>2023</strong> . www.erfolg-magazin.de 9