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Ausgabe 205

Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur – vier Mal jährlich mit bis zu 175 Seiten Österreich.

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Ausg. Nr. 205 • 19. Dez. 2022

Das unparteiische, unabhängige Magazin

für Österrei cherInnen in aller Welt mit dem

Schwerpunkt „Österreich, Europa und die

Welt“ erscheint vier Mal im Jahr

http://kiosk.oesterreichjournal.at

© Jacqueline Godany / ÖAW

Nobelpreisträger Prof. Anton Zeilinger

Der Nobelpreis für Physik krönt die Laufbahn des oberösterreichischen Quantenphysikers,

der für seine wissenschaftlichen Durchbrüche auf diesem Gebiet zahlreiche nationale

wie internationale Auszeichnungen und Ehrungen erhielt. Wir gratulieren! (ab der Seite 124)

Wir sind strategischer Partner des »Dachverbands aller österreichisch-ausländischen Gesellschaften - PaN«


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022 2

Die Seite 2

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Landsleute,

mit großer Freude dürfen wir einen neuen Rekord an Zugriffen auf unsere

Magazine vermelden: die Ausgabe 204 vom 19. September 2022 zählt mit

dem Erscheinen der nun vorliegenden 430.000 LeserInnen – und wir hoffen,

daß wir auch künftig mit derartigem Interesse rechnen dürfen. Unser Dank gilt

auch Yumpu, worüber wir seit vielen Jahren unsere Magazine veröffentlichen.

Nun wünscher wir Ihnen und den Ihren wunderschöne, fröhliche Weihnachten

und alles erdenklich Gute für ein hoffentlich friedvolleres Neues Jahr!

Liebe Grüße aus Wien

Michael Mössmer

Bundespräsidentenwahl 2022 99

Der Inhalt der Ausgabe 205

Aus der Hofburg 3

Aus dem Parlament 12

Aus dem Bundeskanzleramt 26

Aus dem Außenministerium 39

Maori-Delegation übernahm

Überreste ihrer Vorfahren 60

Plus 45 % bei Einbürgerungen 62

Aus den Bundesländern 63

Ötzi starb am Schnee,

nicht am Fundplatz 73

Internationale Auszeichnung

für Virtual Anatomy 75

Artemis – Nachrichten vom Mond 77

ÖBB: Neue Gesellschaft in China 78

70 Jahre Internationale

Chopin-Gesellschaft 79

Aus dem Dachverband PaN 85

Bundespräsidentenwahl 99

Parlament: Proben für den

Echtbetrieb 104

IHS: Herbst-Prognose der österr.

Wirtschaft 2022–2023 105

Hohe Inflation und schwache

Konjunktur 108

Konjunkturausblicke bleiben

mehrheitlich skeptisch 110

Oö Innovationskaiser 2022 111

Oberösterreich feiert

seine Landeshymne 114

Stille Nacht, heilige Nacht 115

Das Digital Skills Barometer 117

Himmlische Einblicke auf Graz 119

Gault&Millau Guide 2023 120

Bierkulturbericht 2022 122

Physik-Nobelreisträger

Prof. Anton Zeilinger 124

Christiane Hörbiger † 130

Karl Merkatz † 131

US-Preis für Quantenphysiker

Hannes Pichler 132

Beziehungen zu den Orient-

Christen vertiefen 133

75 Jahre Evangelische

Superintendenz Steiermark 135

70 Jahre Evangelische Superintendenz

Niederösterreich 136

300 Jahre Erzdiözese Wien 138

Zisterzienser aus Vietnam

besuchen Stift Heiligenkreuz 139

Sensationsfund in Ephesos 140

Luftmassentransport bei

El Niño-Phänomen 143

Die Ur-Wien und die Ur-Liesing

in Wien-Landstraße 144

Weltrekord bei Quantenverschränkung

in Glasfaser 145

Grüner Wasserstoff aus Wien 146

Schiffe mit Robotern inspizieren

und reinigen 148

Babys besitzen größere

Vorstellungskraft … 149

Nationalbibliothek erwirbt

Nachlaß von Thomas Bernhard 150

Den Schreibern des Mittelalters

auf der Spur 153

15. Bibliophiler Salon 155

Ruth Baumgarte – Africa:

Visions of Light and Color 157

Die Heidi Horten Collection 161

Tilla Durieux – Eine Jahrhundertzeugin

und ihre Rollen 166

Kaiserschild Walls of Vision 170

Menschheitsdämmerung

Malerei der Zwischenkriegszeit 172

Der Weltkünstler Gustav Klimt

ist online 173

Neues Wienerlied-Magazin 174

Video: Der Japanische Garten

im Schloßpark Schönbrunn 175

Ötzi starb am Schnee… 73

Sensationsfund in Ephesos 140

ONB erwirbt Thomas Berhards Nachlaß 150

Ruth Baumgarte in der Albertina 157

Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich

Journal Verlag, A-1130 Wien, Dr. Scho ber-Str. 8/1;

alleiniger Eigentümer, für den Inhalt verantwortlicher

Her ausgeber und Chefredakteur: Michael

Mössmer. Unternehmensgegenstand: regelmäßige

Herausgabe einer Zeitschrift für unsere Landsleute

im Ausland. Fotos Seite 2: Fabi Sackl/Lukas Kafenda;

Südtiroler Archäologiemuseum/EURAC/Samadelli/

Staschitz; ÖAW-ÖAI/Niki Gail; Öst. Nationalbiblio -

thek/ Harry Weber; Kunststiftung Ruth Baumgarte

In Zusammenarbeit mit PaN – Partner aller Nationen http://www.dachverband-pan.org/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Bundespräsident bei der

UNO-Generalversammlung

3

Auf dem Programm standen u.a. Gespräche mit seinem türkischem Amtskollegen

Recep Tayyip Erdoğan und UN-Generalsekretär António Guterres.

Foto: HBF / Peter Lechner

Bundespräsident Alexander Van der Bellen

reiste am 20. September nach New

York, wo er er im Rahmen der UNO-Generalversammlung

ein 48-stündiges Marathon-

Programm am internationalen Polit-Parkett

absolvierte. Länderübergreifende Kooperation

ist angesichts der aktuellen Herausforderungen

besonders wichtig, wie der Bun -

despräsident im Vorfeld seiner Reise betonte.

Er hat in New York daher eine Reihe von

bilateralen Gesprächen geführt, die den russischen

Angriffskrieg in der Ukraine sowie

dessen Folgen zum Thema hatten. So traf er

neben UNO-Generalsekretär António Guterres

auch Staatsoberhäupter von Ländern, die

eine wesentliche Rolle als Vermittler spielen,

wichtige Energieproduzenten sind, oder die

von den Auswirkungen des russischen An -

griffskriegs auf die Ukraine als direkte Nach -

barn besonders betroffen sind. Dem Bundespräsidenten

ist es wichtig, mit den internationalen

Verantwortungsträgern im engen

Bei der UN-Generalversammlung in New York (v.l.): Bundeskanzler Karl Nehammer,

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister Alexander Schallenberg

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Austausch zu bleiben und ihnen die österreichische

Position zu vermitteln.

Im Anschluß an eine hochrangige „Welcome

Reception“, gegeben von UNO-Generalsekretär

Antonio Guterres für die angereisten

Staatsoberhäupter, stand die Eröffnung

der 77. Generalversammlung der Vereinten

Na tionen auf dem Programm. Direkt im An -

schluß traf der Bundespräsident den kasachischen

Präsidenten Kassym-Jomart Tokayev

sowie Moldaus Präsidentin Maia Sandu zu

bilateralen Gesprächen.

„Kasachstan ist der größte Öllieferant

Österreichs – so haben wir uns heute neben

Möglichkeiten der Konfliktlösung im Ukraine-Krieg

auch intensiv darüber unterhalten,

wie wir die Versorgungssicherheit aufrecht

erhalten können“, ließ Van der Bellen im An -

schluß an sein Gespräch mit Tokajew wissen.

Österreich pflege eine gute Beziehung

zu Kasachstan, „vor allem im Wirtschaftsbereich“,

so Van der Bellen. „Das haben Präsident

Tokajew und ich bei unserem Gespräch

erneut bekräftigt.“ Der zentralasiatische Staat

liegt am Kaspischen Meer. Die Grenze zu

Ruß land ist die einzige Nordgrenze des Landes

und über 7.600 Kilometer lang.

Nach dem Treffen mit Sandu hielt der

Bundespräsident fest: „Die Republik Moldau

kann sich weiterhin der ungebrochenen Un -

terstützung und Solidarität Österreichs in der

derzeit herausfordernden Situation angesichts

der Auswirkungen des Krieges in der

Ukraine sicher sein.“ Moldau sei als Nachbarland

ja besonders stark von den Auswirkungen

der russischen Aggression in der

Ukraine betroffen. „Wir tun als europäischer

Nachbar weiterhin, was wir können, um un -

terstützend zur Seite zu stehen. Zusammenhalt

ist aktuell wichtiger denn je“, versprach

Van der Bellen.

Am 21. September traf der Bundespräsident

den 77. Präsidenten der UNO-Generalversammlung,

Csaba Körösi. Anschließend


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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wurde die auf österreichische Initiative zu -

rückgehende Hochrangige Veranstaltung zu

Minderheiten im UNO-Hauptquartier eröffnet.

Nach der Eröffnung durch Guterres hielt

Van der Bellen dort als erster Staatenvertreter

eine Rede: „Wir stehen zu sammen gegen

diesen illegalen und brutalen russischen An -

griffskrieg und gegen die Grau samkeiten, die

begangen wurden und begangen werden“,

erklärte Van der Bellen. Mos kau setze mit

der neuerlichen Drohung mit Nuklearwaffen

und den geplanten Schein-Referenden weitere

bewußte Eskalationsschritte. „Ein Ende

des Krieges rückt damit in weitere Ferne. Die

Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden

ist das Respektieren und Einhalten der internationalen

Regeln, die wir uns als Weltgemeinschaft

gemeinsam gegeben haben“, er -

klärte der Bundespräsident. „Eine gute welt -

weite Entwicklung unseres Wohlstands wird

es nur geben, wenn wir die se gemeinsamen

Regeln als unsere gemeinsame Basis sehen

und sie gemeinsam verteidigen.“

Österreich und die EU würden ihre Un -

terstützung insbesondere im humanitären Be -

reich für die Ukraine weiter fortsetzen, be -

kräftigte Van der Bellen. „Wir sind ein sicherer

Ort für Menschen aus der Ukraine, und

wir sollten es auch sein für Russinnen und

Russen, die gezwungen sind, jetzt ihre Heimat

zu verlassen.“

Van der Bellen ist auch mit dem türkischen

Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu -

sammengetroffen. „Die bilateralen Beziehungen

zwischen Österreich und der Türkei ha -

ben sich in diesem Jahr sehr positiv entwikkelt“,

resümierte er. „Es gilt diese Dynamik

aufrecht zu erhalten.“ Er habe Erdogan für

seinen Einsatz gedankt, „im Konflikt zwischen

Rußland und der Ukraine nach Lö -

sungsansätzen zu suchen“, ließ der Bundespräsident

wissen. „Die aktuelle Entwicklung

ist allerdings sehr ernst zu nehmen. Jetzt geht

es umso mehr um internationale Geschlossenheit

und Entschlossenheit.“

Die Türkei pflegt sowohl zur Ukraine als

auch zu Rußland enge Beziehungen und sieht

sich als Vermittler zwischen beiden Parteien.

Unter Vermittlung der Vereinten Nationen

und der Türkei hatten sich beide Kriegsparteien

im Frühsommer darauf geeinigt, die

Ausfuhr von Getreide aus drei blockierten,

ukrainischen Häfen wieder aufzunehmen.

Die Stimmung zwischen Wien und Ankara

war längere Zeit frostig gewesen, insbesondere

in der Außenminister- und Kanzler-Zeit

von Sebastian Kurz. In den vergangenen Wo -

chen kam es aber zu mehreren bilateralen

Begegnungen, auch auf Regierungsebene.

Foto: HBF / Peter Lechner Foto: HBF / Peter Lechner Foto: HBF / Peter Lechner

Der Bundespräsident traf den kasachischen Präsidenten Kassym-Jomart Tokayev …

… Moldaus Präsidentin Maia Sandu …

… sowie seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan zu bilateralen Gesprächen.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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Foto: HBF / Peter Lechner

v.l.: Bundeskanzler Karl Nehammer, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister Alexander Schallenberg

„Die bilateralen Beziehungen zwischen

Österreich und der Türkei haben sich in diesem

Jahr sehr positiv entwickelt“, resümierte

Van der Bellen. „Es gilt diese Dynamik aufrecht

zu erhalten. Deshalb war es mir wichtig,

im Rahmen meines New York-Besuchs

auch den türkischen Präsidenten zu treffen.“

Er habe Erdogan für seinen Einsatz ge -

dankt, „im Konflikt zwischen Rußland und

der Ukraine nach Lösungsansätzen zu su -

chen“, ließ der Bundespräsident wissen.

„Die aktuelle Entwicklung ist allerdings sehr

ernst zu nehmen. Jetzt geht es umso mehr um

internationale Geschlossenheit und Entschlossenheit.“

Gemeinsame Pressekonferenz mit

Bundeskanzler und Außenminister

Auch wenn die Entwicklungen im Ukraine-Krieg

die Themen der UNO-Versammlung

beherrschen, dürfen andere Ziele wie

die Bekämpfung der Klimakrise nicht aus

den Augen verloren werden. Diese Forderung

erhob Bundespräsident Alexander Van

der Bellen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz

mit Bundeskanzler Karl Nehammer

und Außenminister Alexander Schallenberg.

„Wir haben die Auswirkungen der Klimakrise

in diesem Sommer erlebt“, erklärte

Van der Bellen und nannte vernichtete Ernten

oder gefährliche Unwetter und Überschwemmungen

als Beispiele. Bei einem ge -

meinsamen Gespräch habe UNO-Generalsekretär

António Guterres „rasche Schritte aus

der Klima- und Nahrungsmittelkrise“ gefordert,

berichtete der Bundespräsident. „Ich

schließe mich zu 100 Prozent an.“

Van der Bellen erwähnte in diesem Zu -

sammenhang auch, daß der russische An -

griffskrieg in der Ukraine die Abhängigkeit

Österreichs von russischem Öl und Gas aufgezeigt

habe. Rußlands Präsident Wladimir

Putin versuche „zu erpressen“, meinte der

Bun despräsident und zog die Schlußfolgerung:

„Wir müssen raus aus fossilen Energien

und an erneuerbaren Energien und an

Energieeffizienz arbeiten.“

Zu der damaligen Ankündigung Putins,

daß es in Rußland eine Teilmobilmachung ge -

be, unterstrich Van der Bellen bereits früher

getätigte Stellungnahmen. Das russische Re -

gime setze mit dieser Ankündigung und der

Drohung mit Nuklearwaffen und Scheinreferenden

„weitere Eskalationsschritte“. Ein

Ende des Kriegs rücke in weite Ferne, so

Van der Bellen, der dies aufs Schärfste verurteilte.

Bundeskanzler Nehammer warnte angesichts

des Ukraine-Konflikts: „Wir sind nicht

davor gefeit, daß daraus ein Weltkrieg werden

kann.“ Rußland versuche, in der EU Un -

einigkeit und Zwietracht zu säen. Umso mehr

brauche es seitens der Europäischen Union

eine enge Abstimmung und „klare Botschaften“.

Trotz aller Widrigkeiten müsse es das

Ziel sein, den Krieg mit Verhandlungen zu

beenden. Österreich bemühe sich, „eine konstruktive

Rolle zu spielen, damit dieser

Krieg aufhört“. Auch er habe bei diversen

bilateralen Gesprächen – etwa mit Delegationen

aus Pakistan, dem Irak oder Serbien –

versucht, wichtige Themen abseits des

Ukraine-Krieg anzusprechen, meinte Neham -

mer und nannte als Schwerpunkt insbesondere

den Bereich „irreguläre Migration“.

(siehe ab Seite 26)

Außenminister Schallenberg konstatierte,

daß der Ukraine-Krieg und all seine Folgen

wie Energie- oder Nahrungsmittelkrise oder

Teuerungen bei der UNO-Vollversammlung

für eine „düstere Stimmung“ gesorgt habe.

Gerade nach den jüngsten Ankündigungen

Putin gelte es aber „Nerven und Augenmaß“

zu bewahren. Daß Putin diese ausgerechnet

während der UNO-Session in News geäußert

habe, sei „ja kein Zufall“, diagnostizierte

Schallenberg. Zwar scheue Putin, der nicht

nach New York gekommen war, den direkten

Kontakt, der russische Präsident versuche

aber, von der „Seitenlinie“ aus, „Angst und

Ner vosität“ zu säen. Putin nehme eine Verlängerung

des Kriegs in Kauf. Da gelte es

aber auch seitens der EU „klare Kante“ zu

zei gen.

Anschließend fand ein Treffen des

Bundespräsidenten – in Begleitung von

Nehammer und Alexander Schallenberg –

mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres

statt. Auch gab es ein Treffen mit dem Mitte

September ernannten neuen UNO-Hochkommissar

für Menschenrechte, dem Österreicher

Volker Türk.

»High Level Meeting« zum

Thema »Rights of Minorities«

Der Bundespräsident sieht Südtirol in Italien,

aber auch die slowenische Minderheit

in Österreich, als beispielhaft für die „erfolgreiche

Umsetzung von Minderheitenrechten“

an. Bei einer Rede im Rahmen eines „High

Le vel Meetings“ zum Thema „Rights of Mi -

norities“ betonte er, daß „Förderung und

Schutz von Minderheitenrechten“ zur politischen

und sozialen Stabilität von Staaten bei -

tragen würden.

Van der Bellen bezeichnete dies als die

„positive Seite der Minderheitenrechte“. In

der vor 30 Jahren verabschiedeten „Erklärung

über die Rechte von Personen, die einer Grup -

pe nationaler, ethnischer, religiöser oder

sprachlicher Zugehörigkeit angehören“, an

die im UN Head Quarter am Hudson River

erinnert wurde, erzählte Van der Bellen, er

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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könne aus persönlicher Erfahrung bestätigen,

daß positiv gelebte Minderheitenrechte

„auch zur Stärkung der Freundschaft und Zu -

sammenarbeit zwischen Völkern und Staaten

beitragen können“.

„Als Tiroler mit der Geschichte der

deutschsprachigen Minderheit in Südtirol in

Italien im Hinterkopf, liegen mir Minderheitenfragen

seit jeher am Herzen“, betonte der

Bundespräsident. „Nach einer langen und

schwierigen Geschichte ist die Autonomie

Südtirols heute ein Vorbild für die erfolgreiche

Umsetzung von Minderheitenrechten“,

erinnerte er an die entsprechenden Entwick -

lungen seit dem Ersten Weltkrieg.

Vor zwei Jahren habe er sich als Bundespräsident

bei den Angehörigen der slowenischsprachigen

Minderheit für das erlittene

Unrecht und für die Versäumnisse der Vergangenheit

entschuldigt, erinnerte Van der

Bellen. „Denn ich bin überzeugt: Wir müssen

uns unserer Geschichte und unseren Fehlern

der Vergangenheit stellen, um heute und

in Zukunft voranzukommen. Diese beiden

Minderheiten, die früher, wie so oft, der Zank -

apfel zwischen den Nachbarländern waren,

haben mittlerweile eine Brückenfunktion

übernommen, die Österreich mit seinen

Nachbarn in besonderer Weise verbindet.“

Diese Ergebnisse seien in jeder Hinsicht

positiv, freute sich der Bundespräsident. Des -

halb lege Österreich auch ein besonderes

Au genmerk auf den Unterricht in den Minderheitensprachen.

„In den zweisprachigen

Schu len in Kärnten lernen österreichische

Kinder der slowenischen Minderheit mit

ihren deutschsprachigen Nachbarn und mit

Kindern aus Slowenien. Sie lernen gemeinsam.

Und sie lernen von einander. Das macht

mich zuversichtlich. Durch sie wächst die

Welt näher zusammen, wird friedlicher. So

stelle ich mir unsere Zukunft vor!“

In vielen Ländern gebe es noch erhebliche

Lücken beim Schutz der Minderheitenrechte.

„Weltweit hat sich die Zahl der ge -

waltsamen Konflikte in den vergangenen

zehn Jahren verdreifacht – in der überwiegenden

Mehrheit mit ethnischer, religiöser,

kultureller oder sprachlicher Begründung“,

bedauerte Van der Bellen und unterstrich in

diesem Konnex einmal mehr: „Österreich

verurteilt auf das Schärfste den illegalen und

unprovozierten brutalen Angriffskrieg, den

Rußland gegen die Ukraine führt, einschließlich

der Instrumentalisierung von Min -

derheitenfragen.“

Seinen 48stündigen New York-Marathon

beendete der Bundespräsident bei ei nem

Empfang von US-Präsident Joe Biden. n

Foto: HBF / Peter Lechner Foto: HBF / Peter Lechner Foto: HBF / Peter Lechner

Der Bundespräsident bei seinemTreffen mit dem Mitte September ernannten neuen UNO-

Hochkommissar für Menschenrechte, dem Österreicher Volker Türk…

… bei seiner Rede im Rahmen eines „High Le vel Meetings“ zum Thema „Rights of Mi norities“…

… und bei seinem Zusammentreffen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres gemeinsam

mit Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Besuch aus Lettland

Der Bundespräsident traf seinen lettischen Amtskollegen, Eglis Levits, in Wien

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Foto: HBF / Peter Lechner und Paul Kulec

Bundespräsident Alexander Van der Bellen (r.) hat seinen lettischen Amtskollegen Egils Levits in Wien zu einem Gespräch getroffen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen

hat am 30. September seinen lettischen

Amtskollegen Egils Levits in Wien ge -

troffen. Hauptthema des Gesprächs war der

russische Angriffskrieg gegen die Ukraine

und dessen wirtschaftliche Folgen. Die da -

mals geplante „Aufnahme“ der okkupierten

Gebiete in Rußland sei „eine illegale Annexion,

die wir nie akzeptieren können“, be -

tonte Alexander Van der Bellen.

Die Annexion der Gebiete ist „ein weiterer

schwerwiegender Angriff auf die Souveränität

und territoriale Integrität der Ukraine“,

erklärte Bundespräsident Van der Bellen

weiter. Die zuvor „durchgeführten Scheinreferenden

in den durch Rußland besetzten

ukrainischen Gebieten waren eine völkerrechtswidrige

Maßnahme des russischen Re -

gimes und eine reine Farce. Sie sind auf das

Schärfste zu verurteilen“.

Der lettische Staatspräsident Egils Levits bei seiner Rede am Verfassungstag 2022

Bundespräsident Alexander Van der Bellen

nahm gemeinsam mit seinem Amtskollegen

Eglis Levits am Festakt zum „Verfassungstag“

in Wien teil. Dabei sprach der lettische

Staatspräsident über die Bedeutung der

Rechtsstaatlichkeit in Europa. Levits wurde

vom Verfassungsgerichtshof eingeladen. Er

war 15 Jahre Richter am Europäischen Ge -

richtshof und zehn Jahre am Europäischen

Gerichtshof für Menschenrechte sowie in

den 1990er-Jahren Botschafter in Wien.

Auch wenn die Verfassungen der Mitgliedsländer

zwar ähnlich, aber nicht ident

lich sein. Dies betonte Lettlands Staatpräsident

Egils Levits als Festredner am Verfassungsgerichtshof

in Wien.

Am Verfassungstag, am 1. Oktober, erin -

nert der VfGH alljährlich an den Beschluß

des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Konstituierenden

Nationalversammlung am 1. Ok -

tober 1920. VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter

konnte Bundespräsident Van der

Bellen, Bundeskanzler Nehammer, National -

ratspräsidentin Bures und zahlreiche weitere

Ehrengäste begrüßen.

kön ne. Die Tatsache aber, daß dann allein

per Mehrheitsentscheid entschieden werde,

führe dazu, daß andere fundamentale Werte

der EU wie die Wahrung der Menschenrechte

oder die Gleichheit vor dem Gesetz ausgehebelt

werden könnten. „In einigen EU-Mitgliedsländern

wird der Rechtsstaat zurückgedrängt“,

stellte Levits fest. Aufgabe der na -

tionalen Verfassungsgerichte sei es, die je -

weilige Verfassung zu schützen. Aber „wenn

ein nationales Verfassungsgericht das nicht

tut, kommt der Europäische Gerichtshof ins

sind: Die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit

Der lettische Präsident betonte, daß es Spiel.“

n

müssen in der gesamten EU einheit-

zwar Demokratie ohne Rechtsstaat geben Quellen: https://www.bundespraesident.at ,

https://www.vfgh.gv.at/

Foto: VfGH / Achim Bieniek

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Besuch aus Ungarn

Der Bundespräsident traf die Präsidentin von Ungarn, Katalin Novák, in Wien

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Foto: HBF / Peter Lechner

Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing Ungarns Präsidentin Katalin Novák mit militärischen Ehren am Inneren Burghof.

Ungarn freut sich über ein stärkeres En -

gagement Österreichs in Zukunft bei

der Bekämpfung der illegalen Migration. Das

sagte Staatspräsidentin Katalin Novák am

27. Oktober in Wien. Sie verwies dabei auf

eine zu dieser Zeit laufende Serie von Treffen

zwischen Ungarn, Serbien und Österreich,

bei denen eine Verbesserung der Kooperation

in diesem Bereich vereinbart werden soll.

Die Präsidentin wies in diesem Zusam -

men hang darauf hin, daß angesichts der zu -

letzt verstärkten Migrationsbewegungen auf

der Balkanroute eine Stärkung des Schutzes

der serbisch-nordmazedonischen Grenze von

großer Bedeutung sei. Der serbische Präsident

Aleksandar Vučić hatte Anfang Oktober

in Budapest bei einem Treffen mit Bundeskanzler

Karl Nehammer und Ungarns Regierungschef

Viktor Orbán im Prinzip eine Än -

derung der Visaregelungen seines Landes

zu gesagt. (siehe Seiten XX und XX)

Durch die Visafreiheit waren über Belgrad

in den vergangenen Monaten etwa deutlich

mehr indische oder tunesische Migranten

illegal nach Österreich eingereist als zu -

vor. Innenminister Gerhard Karner hatte

angekündigt, daß Österreich den Grenzschutz

an der serbisch-nordmazedonischen

Foto: HBF / Peter Lechner

Grenze mit Drohnen und anderen technischen

Geräten unterstützen will. Novák be -

tonte, eine Unterscheidung zwischen „Flücht -

lingen, legalen Wirtschaftsmigranten und

illegalen Einwanderern“ sei unbedingt notwendig.

„Die Aufnahme von Flüchtlingen ist

unsere humanitäre Aufgabe“, so die Präsidentin

vor allem mit Verweis auf die Kriegsflüchtlinge

aus der Ukraine. „Die legale Einwanderung

ist das Recht souveräner Staaten,

wenn auch nicht der Weg Ungarns.“ Das

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Auftreten gegen illegale Migration sei hingegen

sehr wichtig.

Bezüglich des Ukraine-Kriegs verurteilte

Novák die russische Aggression gegen ein

souveränes Land: „Wir erkennen die annektierten

Gebiete nicht als Teil Rußlands an

und stehen hinter der Ukraine.“ Sie bezeichnete

die bisher acht EU-Sanktionspakete

gegen Rußland als „guten Kompromiß“.

Auch Bundespräsident Alexander Van

der Bellen dankte Ungarn für die Versorgung

von Flüchtlingen aus der Ukraine und verwies

dabei auch auf die Situation der ungarischen

Minderheit in der ukrainischen Region

Transkarpatien. Der Krieg im Nachbarland

sei für Ungarn „von besonderer Bedeutung“,

auch angesichts „des ukrainischen Verhaltens

gegenüber Minderheiten, die – sagen wir

mal so – vor Kritik nicht gefeit ist“. Zwischen

den beiden Nachbarländern hatte es in den

Jahren vor dem Krieg verstärkte Spannungen

ge ge ben, nachdem Kiew die verpflichtende

Verwendung der ukrainischen Sprache

auf im mer mehr Lebensbereiche ausgeweitet

hat te.

Es war dies der erste Besuch von Staatspräsidentin

Katalin Novák bei Van der Bellen

seit ihrem Amtsantritt im Mai. n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Bundespräsident bei

Klimakonferenz in Ägypten

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Die erste Auslandsreise von Alexander Van der Bellen

nach der Wiederwahl führte ihn zur Weltklimakonferenz

Foto: HBF / Peter Lechner

Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Rede zur Eröffnung der Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheihk …

Mit gemischten Gefühlen ging Bundespräsident

Alexander Van der Bellen in

die Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen

Sharm el-Sheihk. Angesichts der bisherigen

ungenügenden oder ungenügend um -

gesetzten Ergebnisse vorangegange ner Klimagipfel

ist Optimismus „nicht leicht – aber

notwendig“, meinte er am 7. November am

Tagungsort. „Wo sonst sollen solche Verhandlungen

stattfinden? Die UNO ist die ein -

zige weltweite Plattform, die wir haben.“

Auf seiner ersten Auslandsreise nach seiner

Wiederwahl – „wenn es zu einer Stichwahl

gekommen wäre, dann säße ich heute

nicht hier“ – hat der Bundespräsident im

Rahmen eines Treffens der Staatsoberhäupter

und Regierungschefs über die Bewältigung

der Klimakrise gesprochen und am

Rand des Gipfels auch mehrere bilaterale Ge -

spräche geführt – vor allem auch mit UNO-

Generalsekretär Antonio Guterres.

Guterres ist es auch, dem Alexander Van

der Bellen großen Respekt für sein Engagement

im Kampf um Maßnahmen gegen den

Klimawandel zollt: „Es ist ein historischer

Glücksfall, daß Guterres, der nicht aus einer

Foto: HBF / Peter Lechner

… und im Gespräch mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres

Grünen Partei kommt, als UNO-Generalsekretär

wiederbestellt worden ist.“ Der portugiesische

Sozialdemokrat ist „der inzwischen

heftigste, engagierteste Kämpfer gegen den

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Klimanotstand, den man sich nur wünschen

kann“.

Wie für den UNO-Generalsekretär ist auch

für Bundespräsident Van der Bellen klar, daß


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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das Ziel des Pariser Klimavertrags von 2015,

die Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts

möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, „mit

den derzeitigen Maßnahmen nicht zu erreichen

ist, sondern wir eher bei 2,5 bis 4 Grad

landen“.

Wobei sich Alexander Van der Bellen klar

darüber ist, wie schwierig es ist, dieses The -

ma angesichts eines gerade erlebten Oktobers

zu vermitteln, der allgemein als angenehme

Verlängerung des Spätsommers empfunden

wurde – bei Temperaturen, die um

rund zehn Grad über dem langjährigen Oktoberdurchschnitt

lagen. „Was ist, wenn das

gleiche im März, April passiert, im Juli, ohne

Regen? Was passiert mit der Landwirtschaft,

überhaupt mit der Natur?“ Es gehe darum,

zu vermitteln, „daß es nicht wurscht ist, sondern

daß jedes Zehntelgrad, nicht nur irgendwo

in Afrika, sondern speziell auch bei uns

in den Alpen eine große Rolle spielt, wo die

Erhitzung ungefähr doppelt so schnell vorangeht

als im Rest der Welt.“

In diesem Zusammenhang traf der Bun -

despräsident in Sharm El-Sheikh auch mit

einer Delegation österreichischer Jugendli -

cher zusammen: „Die jungen Leute haben

we sentlich dazu beigetragen, daß die Sensibilität

und die Aufmerksamkeit für das The -

ma gestiegen ist, angefangen bei Greta Thun -

berg – aber nicht nur.“

Seine persönlichen Erwartungen an den

Gipfel waren pragmatisch: „Versucht wird

je denfalls, im Bereich der Finanzierung und

im Bereich der Verantwortung für das, was

schon passiert ist und – auch bei Erreichen

des Eineinhalb-Grad-Ziels – noch passieren

wird, weiterzukommen.“ Hier erwartet der

„harte Auseinandersetzungen, letztlich um

Geldfragen, aber auch um Moral und Verantwortung.

Die Industriestaaten zögern, diese

Verantwortung anzunehmen und der globale

Süden wird – mit recht – nicht müde, darauf

hinzuweisen. Wobei nicht alles, was im globalen

Süden passiert, dem Verhalten der In -

dustrieländer zuzuschreiben sein wird.“

Rede des Bundesrpäsidenten zur Eröffnung

der Weltklimakonferenz in Sharm El-Sheik

Sehr geehrter Herr Präsident El-Sisi,

sehr geehrter Herr UNO-Generalsekretär

Guterres, Exzellenzen, sehr geehrte Vertreterinnen

und Vertreter der Zivilgesellschaft!

2015 haben wir bei der Weltklimakonferenz

das Pariser Klimaabkommen beschlossen.

Ein gemeinsames Ziel für die Begrenzung

der Erderhitzung auf 1,5 Grad. Doch

so ehrlich müssen wir sein, wir sind nach

wie vor weit davon entfernt, das 1,5 Grad

Foto: HBF / Peter Lechner

Der Bundespräsident traf auch mit einer Delegation österreichischer Jugendlicher zusammen.

Ziel zu erreichen. Das Gegenteil ist der Fall:

Die globalen Emissionen steigen nach der

Pandemie wieder. Weltweit spüren wir die

verheerenden Auswirkungen der Klimakata -

s trophe.

Wir befinden uns heute hier in einem afrikanischen

Land. Große Teile des globalen

Südens sind besonders stark von den Auswirkungen

der Klimakrise betroffen. Zu recht

pochen diese Länder auf finanzielle Un ter -

stützung bei Anpassungsmaßnahmen und

klimabedingten Verlusten und Schäden.

Wir Länder im globalen Norden sind für

einen großen Teil der CO 2 Emissionen verantwortlich.

Österreich wird dieser Verantwortung

nachkommen. Wir werden das Budget

für die internationale Klimafinanzierung

deutlich erhöhen. Für die kommenden Jahre

– bis 2026 – wird das Klimaschutzministerium

zusätzlich 220 Millionen Euro für in -

ternationale Klimafinanzierung zur Verfügung

stellen. Das ist eine signifikante Erhöhung

der Mittel. Daß Österreich hier durch

einen höheren Beitrag Solidarität zeigt, war

auch mir als Bundespräsident wichtig.

Damit können wir unseren Teil dazu beitragen,

daß wir unsere Regenwälder vor

dem Verschwinden retten, daß unsere Meere

wieder voller Leben sind, die Menschen im

globalen Süden sich besser gegen Flutkatastrophen

schützen können und mit den

dadurch entstehenden Schäden nicht alleine

gelassen werden.

Gleichzeitig warne ich davor, daß wir uns

nur auf Fragen der Finanzierung beschränken.

Denn eines ist klar: Wir können uns von

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

der Klimakrise nicht freikaufen. Geld alleine

macht unsere Luft nicht sauberer, Geld alleine

stoppt die Erderhitzung nicht, und es läßt

die Gletscher nicht aufhören zu schmelzen.

Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis

2040 klimaneutral zu sein. Viele andere Staa -

ten haben ähnliche Ziele. Diese Ziele müssen

jetzt rasch mit konkreten Taten untermauert

werden. Sonst sind sie nur bla bla bla, wie

Greta Thunberg sagen würde.

Wenn wir uns den letzten UNEP Report

ansehen, wird klar: Es gibt noch viel zu viel

bla bla bla und viel zu wenige Taten im Klimaschutz.

Ich verstehe Gretas Kritik an den

Weltklimakonferenzen. Ich verstehe, daß der

Jugend – aber nicht nur der Jugend – die

Geduld ausgeht. Es liegt an uns, alles dafür

zu tun, um das Vertrauen zurück zu gewinnen.

Durch konkrete Taten und durch Verbindlichkeit.

Österreich wird seinen Beitrag leisten.

Wir bauen die Erneuerbaren Energien stark

aus. Wir beenden Schritt für Schritt das Heizen

mit Kohle, Öl und Gas. Wir investieren

Rekordsummen in den öffentlichen Verkehr.

Das ist gut. Aber wir müssen noch besser

werden.

Wir alle, egal welchem Land wir kommen,

welcher Partei oder welcher Institution

wir angehören, müssen uns jeden Tag die

Frage stellen, wie wir noch wirksamer im Kli -

maschutz werden können.

Ich appelliere an Sie: Tun wir gemeinsam

alles dafür, daß zukünftige Generationen auf

einem lebenswerten Planeten zuhause sein

können. Vielen Dank!

n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Besuch in Slowenien

Offizieller Besuch des Bundespräsidenten bei seinem Amtskollegen

Borut Pahor – Abschiedstreffen zwischen »persönlichen Freunden«

11

Foto: HBF / Peter Lechner

Borut Pahor empfing Alexander Van der Bellen mit militärischen Ehren auf dem Kongressplatz im Zentrum Ljubljanas.

Bilaterale Beziehungen, Westbalkan und

der Krieg in der Ukraine sind im Fokus

des letzten Treffens zwischen Bundespräsident

Alexander Van der Bellen und seinem

scheidenden slowenischen Amtskollegen

Borut Pahor gestanden. Alexander Van der

Bellen war am 9. Dezember als letztes ausländisches

Staatsoberhaupt bei Pa hor zu Gast,

bevor dieser am 23. Dezember sein Amt an

Nataša Pirc Mu sar übergibt.

Borut Pahor empfing Alexander Van der

Bellen mit militärischen Ehren auf dem Kon -

greßplatz im Zentrum Ljubljanas. Er bereitete

dem Bundespräsidenten einen ebenso be -

tont herzlichen Empfang wie bei Alexander

Van der Bellens Antrittsbesuch im Jahr 2017.

Auch diesmal kam eine Gruppe von Kindergartenkindern

auf den Kongressplatz, um

slo wenische, österreichische und europäische

Fähnchen zu schwenken.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz be -

tonte Borut Pahor, es sei eine „große Ehre“,

kurz vor seinem Amtsende den österreichischen

Präsidenten, den er als „persönlichen

Freund“ bezeichnete, beim offiziellen Besuch

in Ljubljana begrüßen zu dürfen. Ein Treffen

zwischen Bundespräsident Van der Bellen

und der designierten Präsidentin Pirc Musar,

die ebenfalls informell zusammenkamen,

sieht Borut Pahor als Zeichen, daß die beiden

Staatschefs auch künftig ausgezeichnete

Foto: HBF / Peter Lechner

Van der Bellen bei seinem Treffem mit der designierten Staatspräsidentin Nataša Pirc Musar

persönliche Beziehungen pflegen werden.

Auch Alexander Van der Bellen dankte Bo -

rut Pahor – den er ebenfalls als Freund be -

zeichnete – für seinen Einsatz bei der Stärkung

der bilateralen Beziehungen.

Als ein wichtiges Thema besprachen die

beiden Staatsoberhäupter die Lage der slowenischen

Minderheit in Österreich. „Manche

Dinge sind nicht so, wie man sie gerne

hätte“, sagte Borut Pahor mit Blick auf die

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Enttäuschung der slowenischen Volksgruppe,

weil bestimmte Minderheitenrechte nicht

so schnell wie gehofft umgesetzt wurden. Er

lobte Alexander Van der Bellen allerdings

für seine Rede beim Gedenken an den 100.

Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung und

bezeichnete sie als einen Wendepunkt in der

Bemühung um die Umsetzung der Rechte

der Minderheit.

n

https://www.bundespraesident.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Aus dem Parlament

12

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Österreichische Delegation mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (4. v.l.) und Anthony Rota (5. v.l.), Speaker des House of Commons

Nationalratspräsident Sobotka

zu Besuch in Kanada

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

hielt sich Ende September im Rahmen

eines offiziellen Besuchs in Kanada auf. An -

laß für die Reise war der 70. Jahrestag der

Aufnahme von diplomatischen Beziehungen

mit dem nordamerikanischen Land. Auch die

Parlamentsumbauten in beiden Ländern bildeten

den Gegenstand eines regen Erfahrungsaustausches.

In Ottawa traf Sobotka un -

ter anderem mit dem Sprecher des kanadischen

Unterhauses, Anthony Rota, und dem

Spre cher des kanadischen Senats, George

Furey, zusammen. Ebenso fanden Gespräche

mit Abgeordneten und Senatoren, den Projektleitern

des Parlamentsumbaus und den

Sicherheitsverantwortlichen des Parlaments

statt. In Toronto stand ein Austausch mit dem

Präsidenten und CEO der United Jewish

Appeal-Federation of Greater Toronto,

Adam Minsky, zum Thema Antisemitismus

auf dem Programm.

Sobotka: Weitere Stärkung der bilateralen

Wirtschafts- und Handelsbeziehungen

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Treffen mit Deputy Speaker of the House of Commons Chris D'Entremont

Im Gespräch mit dem Sprecher des kanadischen

Unterhauses, Anthony Rota, hob So -

botka die 70 Jahre diplomatischer Beziehungen

zwischen Kanada und Österreich als

vielseitiges Band hervor, das die beiden Länder

verbindet. Er bezeichnete diesen Anlaß

als Chance zur weiteren Stärkung der bilateralen

Wirtschafts- und Handelsbeziehungen

und ging auch auf die wissenschaftliche Zu -

sammenarbeit bzw. den Austausch der beiden

Länder ein. Was den Bereich der parlamentarischen

Kooperationen betrifft, beeindrucke

das kanadische Parlament durch sei -

ne Expertise in internationalen Kooperationen,

so der Nationalratspräsident. Zum kanadischen

„Parliamentary Officers‘ Study Programme“

sei hohe internationale Resonanz

wahrzunehmen. Sobotka unterstrich, daß es

auch auf der Verwaltungsebene ein großes

Interesse am Austausch gebe und bot umgekehrt

an, bei einem Besuch des kanadischen

Parlaments in Wien die vielfältigen Angebote

der Demokratievermittlung des österreichischen

Parlaments zu präsentieren. Auch

der Erfahrungsaustausch über die Renovierungen

der Parlamentsgebäude in Kanada

bzw. in Österreich brachte viele Parallelen zu -

tage, unter anderem das Anliegen einer stärkeren

Öffnung der Parlamente für die Bevölkerungen,

als auch die Modernisierung der

Gebäude bei gleichzeitigem Erhalt der historischen

Strukturen.

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Mit dem Sprecher des kanadischen Se -

nats, George Furey, tauschte sich Sobotka

unter anderem über die Einschätzung der

der zeitigen Lage im Krieg in der Ukraine

aus. Von österreichischer Seite würden keine

Waf fen geliefert, zumal das nicht vereinbar

mit der militärischen Neutralität wäre, zu der

sich Österreich verpflichtet hat.

Was die Sank tionen gegen Rußland

betrifft, trage Österreich diese in Abstimmung

mit der EU voll mit und stehe dahinter,

unterstrich der Nationalratspräsident.

Auch die kanadische Seite bekräftigte

ihre Unterstützung für die Ukraine, unter

anderem, ebenso wie Österreich, durch die

Aufnahme von Vertriebenen. Ge sprächs -

thema war auch die Energiekrise in Europa

und die Möglichkeiten der EU, Zu gänge zu

alternativer Energiebeschaffung zu eröffnen.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

13

Ein wichtiger Gegenstand der Erörterung mit den GesprächspartnerInnen

im kanadischen Parlament sowie mit dem Exekutivdirektor

des „Information Integrity Lab“ der Universität Ottawa, Serge

Blais, waren auch die Gefahren der Digitalisierung, durch die Verbrei -

tung von Desinformation und vor al lem Hass im Netz auf sozialen

Plattformen. In beiden Ländern haben diese Phänomene, nicht zu -

letzt durch die COVID-19-Pandemie, in den letzten Jahren stark zu -

genommen und stellen eine große Herausforderung für die demokratischen

Systeme und Gesellschaften dar. Sobotka betonte, daß diesen

Gefahren nur durch gemeinsame Maßnahmen auf internationaler

Ebene, auch zusammen mit kanadischen Partnern, begegnet werden

könne.

Sobotka reiste von Ottawa weiter nach Toronto, wo er unter an -

derem mit dem Präsi denten und CEO der UJA Federation of Greater

Toronto, Adam Minsky, zusammentraf. Gesprächsthema war die Sicht

der jüdischen Community in To ronto auf die Situation mit Anti se mi -

tis mus in Kanada. Geplant war auch Treffen mit VertreterInnen des

Regionalparlaments und mit dem Wirtschaftsminister von Ontario. n

Eintrag ins Gästebuch mit dem Speaker of the Senate George J. Furey

Minister of Economic Development, Job Creation and Trade der

Provinz Ontario Victor Fedel

Präsident und Geschäftsführer der UJA Federation of Greater

Toronto, Adam Minsky

Alle Fotos: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Treffen mit dem Speaker der Legislative Assembly of Ontario Ted Arnott

Lieutenant Governor of Ontario Elizabeth Dowdeswell O.C.

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

14

Besuch des Vizepräsidenten des

indonesischen Repräsentantenhauses

Die Beziehungen zwischen Österreich

und Indonesien, der Ukraine-Krieg und

die Vermittlerrolle des südostasiatischen Lan -

des zwischen Rußland und der Ukraine standen

im Mittelpunkt des Gesprächs zwischen

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und

Sjarifuddin Hasan. Der Vizepräsident des Re -

präsentantenhauses der Republik Indonesien

traf am 29. September im Rahmen seines

Wien-Besuchs mit Sobotka zusammen.

Der Besuch ermögliche es, die guten Be -

ziehungen zwischen den beiden Ländern auch

auf parlamentarischer Ebene zu pflegen, so

der Nationalratspräsident. Österreich habe

großes Interesse am Ausbau der wirtschaftlichen

Beziehungen mit Indonesien, der viel

Potential vor allem im Bereich der erneuerbaren

Energien sieht. Hasan zeigte sich

ebenso bemüht, die Zusammenarbeit zwischen

dem indonesischen und dem österreichischen

Parlament zu intensivieren.

Im Zentrum des Gesprächs stand einmal

mehr der Ukraine-Krieg. Die Vermittlungsbemühungen

Indonesiens zwischen Kiew und

Moskau seien begrüßenswert, so der Nationalratspräsident.

Er unterstrich erneut, daß

alles getan werden müsse, um die territoriale

Integrität der Ukraine zu wahren und die Ein -

haltung des Völkerrechts einzufordern. Es

gel te, alle Initiativen zu ergreifen, um den

Krieg zu einem Ende zu bringen. Die Bestrebungen

von Indonesien, Rußland und die

Ukraine im Rahmen des G20-Gipfels im No -

vember auf Bali an den Verhandlungstisch

zu bringen, unterstütze Österreich daher

nachdrücklich.

Weil in Indonesien gerade an einer No -

velle der Verfassung gearbeitet wird, zeigte

Hasan großes Interesse an der österreichischen

Verfassung und ihrem Schöpfer Hans

Kelsen. Das österreichische Parlament sei

bereit, den Dialog zu diesem Thema insbesondere

auf Ebene der Parlamentsverwaltung

zu intensivieren, so Sobotka. In diesem

Zusammenhang berichtete er von Kooperationen

mit den Parlamenten des Westbalkans,

die von Österreich auf ihrem Weg zur

Europäischen Union unterstützt werden. n

Besuch des vietnamesischen

Außenministers Bui Thanh Son

Für den Ausbau der wirtschaftlichen Be -

ziehungen zwischen Österreich und Viet -

nam plädierte Nationalratspräsident Wolfgang

Sobotka am 29. September bei einem

Gespräch mit dem vietnamesischen Außenminister

Bui Thanh Son, in Wien. Dazu soll

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka begrüßt den Vizepräsidenten der Nationalversammlung

von Indonesien, Sjarifuddin Hasan …

… und dem Außenminister der Sozialistischen Republik Vietnam, Bui Thanh Son

auch das von der EU mit Vietnam abgeschlossene

Investitionsschutzabkommen bei -

tragen. Ein weiterer Gesprächspunkt war der

Krieg in der Ukraine. Es gehe darum, alle

Möglichkeiten auszunützen, um den russischen

Präsidenten zum Einlenken zu bringen,

so Sobotka.

„Der 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer

Beziehungen zwischen Österreich

und Vietnam ist ein würdiger Anlaß, um die

wirtschaftliche und politische Annäherung

beider Länder voranzutreiben“, betonte der

Nationalratspräsident gegenüber dem vietnamesischen

Außenminister. Vietnam sei ein

bedeutender Markt für österreichische Un -

ternehmen, das würde auch das Handelsvolumen

von rund 1,4 Mrd. € zeigen.

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Sobotka sprach in diesem Zusammenhang

das Investitionsschutzabkommen zwischen

der EU und Vietnam an. Er geht von einer

baldigen Ratifizierung durch Österreich aus.

Grundsätzlich gebe es ein weites Feld der

wirtschaftlichen Kooperationsmöglichkeiten.

Österreich habe etwa im Bereich der nachhaltigen

Industrieentwicklung, in der Ab fall -

wirtschaft sowie in der Wasseraufbereitung,

Unternehmen mit Weltruf vorzuweisen.

„Wir müssen international alle Möglichkeiten

ausnutzen, um Putin zum Einlenken

zu bringen“, hielt Sobotka zur Situation in

der Ukraine fest. Er ersuchte den vietnamesischen

Außenminister um seine Unterstützung

in dieser Sache. Die russische Aggression

sei ein klarer Verstoß gegen das Völker-


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

15

recht, gleichzeitig müsse das diplomatische

Wort immer Vorrang vor dem Einsatz von

Waffen haben, so Sobotka weiter. Das sah Bui

Thanh Son ähnlich. Die Achtung des Völkerrechts

sowie die Souveränität jedes Landes

hätten für Vietnam höchste Priorität. Vietnam

sei zur Unterstützung bei der Konfliktlösung

bereit.

Was die damit in Zusammenhang stehenden

hohen Energiepreise betrifft, sei die Re -

duzierung der Abhängigkeit von russischem

Gas bei gleichzeitigem Ausbau der erneuerbaren

Energien für Österreich entscheidend,

ergänzte der Nationalratspräsident. n

Afghanistans starke

Frauen im Parlament

Seit der neuerlichen Machtübernahme der

Taliban in Afghanistan vor einem Jahr

kämpfen insbesondere Frauen und Mädchen

dort um ihre Freiheit und Rechte. Einige dieser

Kämpferinnen standen im Mittelpunkt

der Veranstaltung „Afghanistans starke Frauen:

Ein Jahr Widerstand gegen die Taliban-

Herrschaft“, zu der Zweite Nationalratspräsidentin

Doris Bures gemeinsam mit dem

Thinktank Vienna Institute for International

Dialogue and Cooperation (VIDC) und der

NGO „Frauen ohne Grenzen“ / „Women

without Borders“ (WwB) am 3. Oktober ins

Parlament eingeladen hatte. Die Frauen ga -

ben Einblicke in ihre aktuelle Situation in

ihrer Heimat und im Exil und berichteten von

ihrem Widerstand.

Die Machtübernahme der Taliban im

August 2021 sei für viele, insbesondere für

Frauen, die Wiederholung eines Albtraums

gewesen, sagte Parlamentsvizedirektorin Su -

sanne Janistyn-Novák, die die Zweite Nationalratspräsidentin

Doris Bures vertrat. Trotz

allem gebe es mutige, willensstarke, solidarische

Frauen, die nicht aufgeben und durch

ihr Wirken anderen Hoffnung geben. Sie

würden trotz ihrer Bedrängnis alles in ihrer

Macht Stehende tun, um für die Frauen in

ihrem Land zu kämpfen. Um die Situation

von Frauen in Afghanistan zu verbessern,

brauche es aber auch Engagement, Beistand

und Beharrlichkeit der internationalen Staatengemeinschaft.

„Wir lassen nicht zu, daß

Frauen in Afghanistan unsichtbar werden.

Wir schauen hin, erheben mit ihnen und für

sie unsere Stimmen“, so Janistyn-Novák.

Es sei nicht selbstverständlich, daß man

auf die Situation von Frauen am anderen

Ende der Welt blicke, sagte Sybille Straubinger,

Direktorin des Vienna Institute for International

Dialogue and Cooperation (VIDC).

Das mediale Scheinwerferlicht richte sich

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Begrüßung durch Parlamentsvizedirektorin Susanne Janistyn-Novák

Edit Schlaffer Vorsitzende Women without Borders, Michael Fanizadeh Projektkoordinator,

Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation

leider schnell auf die nächste Krise. Deshalb

sei es Teil ihrer Arbeit, die Situation in Af -

ghanistan nicht in Vergessenheit geraten zu

lassen, „denn die Frauen Afghanistans geben

Hoffnung, machen Mut und sie gehören ge -

hört“, so Straubinger.

Für Laura Kropiunigg, Executive Director

von Women without Borders (WwB), sind

die Frauen in Afghanistan „politische Gefangene

eines Systems, das ihnen einen einzigen

Vorwurf macht: Sie sind Frauen“. Sie sprach

von einer Gender-Apartheid, die mit Gewalt

durchgesetzt werde. Frauen, die Wider stand

leisten, werden verfolgt, verschleppt, vergewaltigt

oder getötet, so Kropiunigg.

Die Machtübernahme der Taliban betreffe

alle Menschen in Afghanistan, sagte die

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Botschafterin der Islamischen Republik Af -

ghanistan in Österreich, Manizha Bakhtari,

in ihren Grußworten. Besonders aber seien

Frauen und Mädchen betroffen, deren Rechte

vor ihren Augen verschwinden. Die Diskriminierung

trete jeden Tag auf, etwa wenn

Frauen nicht in die Schule oder zur Arbeit

gehen dürfen oder sich an strenge Kleidungsvorschriften

halten müssen. Protesten

begegne das Regime mit Gewalt. Doch die

Afghaninnen seien weiterhin stark, so Bakhtari,

die die internationale Gemeinschaft aufrief,

die Frauen in Afghanistan zu unterstützen.

Die Botschafterin nutzte ihre Rede auch

für eine Schweigeminute in Gedenken an die

Opfer eines Anschlags auf eine Schule in

Ka bul am 30. September.

n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

16

Besuch der kosovarischen

Außenministerin Gërvalla-Schwarz

Für eine rasche Heranführung der sechs

Staaten des Westbalkans an die EU sprach

sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

am 12. Oktober bei seinem Zusammentreffen

mit der kosovarischen Außenministerin

Donika Gërvalla-Schwarz in Wien aus.

Neben den Auswirkungen des Ukraine-Krieges

standen zudem der Dialog mit Serbien,

die aktuellen Gefahren für die Demokratie

sowie die Sensibilisierung von jungen Menschen

für politische Prozesse im Mittelpunkt

der Aussprache.

Österreich pflege seit vielen Jahren eine

Partnerschaft mit den Ländern des Westbalkans,

unterstrich Sobotka, und führte dabei

sicherheitspolitische, wirtschaftspolitische

und demokratiepolitische Gründe an. Man

müsse gerade jetzt alles unternehmen, damit

es zu keinen weiteren Spannungen in der

gesamten Region komme. Eine weitere Heranführung

des Kosovo an die Europäische

Union sowie an den Europarat werde von

österreichischer Seite unterstützt.

Der Nationalratspräsident hob die guten

bilateralen Beziehungen hervor und verwies

dabei unter anderem auf die Einrichtung

einer Demokratiewerkstatt im kosovarischen

Parlament nach österreichischem Vorbild. In

einer Zeit, in der die Demokratie besonders

auf dem Prüfstand stehe, sei es sehr wichtig,

junge Menschen für politische Fragen zu sen -

sibilisieren und ihnen die Gesetzgebungsprozesse

näher zu bringen. Große Herausforderungen

stellten sich derzeit vor allem durch

autoritäre Bestrebungen und ein verstärktes

Anwachsen des Antisemitismus dar. Erneut

machte sich Sobotka dafür stark, rechtliche

Rahmenbedingungen für die großen Online-

Plattformen zu schaffen.

Die neue Regierung des Kosovo setze

sehr stark auf einen Anti-Korruptionskurs,

der von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung

unterstützt werde, erklärte Gërvalla-Schwarz.

Was den Dialog mit Serbien betrifft, so regte

sie an, VertreterInnen der Zivilgesellschaften

noch stärker einzubinden, um die demokratischen

Kräfte zu stärken und warnte zudem

vor den Auswirkungen des Krieges in der

Ukraine, der sich destabilisierend auf die

ganze Region auswirken könne. Auch wenn

etwa die Wahlen in Bosnien-Herzegowina

nun geschlagen seien, müsse man die weiteren

Entwicklungen im Land genau beobachten.

Angesichts der vielen Falschinformationen

und Propaganda, die derzeit verbreitet

werden, trete sie daher ebenso für eine stärkere

Regulierung der Online-Plattformen ein.

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

Foto: Parlamentsdirektion / Matthias Matuschek

Besuch der stellvertretenden Premierministerin und Außenministerin der Republik Kosovo,

Donika Gërvalla-Schwarz, in Wien

Da sie selbst in zwei Diktaturen aufgewachsen

sei bzw. gelebt habe, sei ihr die Vermittlung

von demokratischen Werten ein sehr

großes Anliegen, betonte Gërvalla-Schwarz.

Sie werde sich daher persönlich stark dafür

einsetzen, daß möglichst viele Jugendliche

im Kosovo die Demokratiewerkstatt besuchen

können.

n

145. IPU-Versammlung in Ruanda

Bei der von 11. bis 15. Oktober abgehalte -

nen 145. Versammlung der Interparlamentarischen

Union (IPU) standen Fragen der Ge -

schlechtergerechtigkeit im Mittelpunkt der Be -

ratungen. Gastgeber der weltweit größten Ver -

sammlung von ParlamentarierInnen war das

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Parlament in Ruanda. Es hat mit über 60 Prozent

weltweit den höchsten Anteil an Frauen.

An der IPU-Versammlung nahmen Delegationen

aus mehr als 120 Ländern teil. Auch der

Krieg in der Ukraine stand im Zentrum der

Gespräche – wie bereits beim letzten Treffen.

Die österreichische Delegation bestand aus

Reinhold Lopatka (ÖVP), Petra Bayr (SPÖ),

Gerhard Deimek(FPÖ), Ewa Ernst-Dziedzic

(Grüne) und Nikolaus Scherak (NEOS).

Die Generaldebatte der IPU-Versammlung

stand unter dem Titel „Gender equality

and gender-sensitive parliaments as drivers

of change for a more resilient and peaceful

world“ (Anm.: Gleichstellung der Geschlechter

und geschlechtersensible Parlamente als

Österreichische Delegation (v.l.): Nikolaus Scherak (NEOS), Petra Bayr (SPÖ), Reinhold

Lopatka (ÖVP), Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Gerhard Deimek (FPÖ)


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

17

Foto: Parlamentsdirektion / Matthias Matuschek

Die Österreichische Delegation unter der Leitung von Reinhold Lopatka bei der Kranzniederlegung in der Genozid-Gedenkstätte in Kigali

Motor des Wandels für eine widerstandsfähigere

und friedlichere Welt). Dabei einigten

sich die ParlamentarierInnen auf die Annahme

der Kigali-Deklaration. Darin wird die

Vor reiterrolle von Parlamenten zur Förderung

der rechtlichen, politischen sowie ge -

sellschaftlichen Gleichstellung betont. Zu -

dem verurteilte die IPU-Versammlung in

einer gemeinsamen dringlichen Resolution

die russische Invasion in der Ukraine.

Österreichs Delegierte zur

Geschlechtergleichstellung

„Wir leben in einer Zeit multipler Krisen,

die alle starke geschlechtsspezifische Dimen -

sionen beinhalten“, unterstrich Delegationsleiter

Reinhold Lopatka in seiner Re de vor

der IPU-Versammlung. „Lassen Sie uns die

Dynamik des Wandels nutzen, um die

Gleichstellung der Geschlechter für eine bes -

sere Zukunft voranzutreiben!“, erklärte der

ÖVP-Mandatar.

Bei einer Veranstaltung der Weltgesundheitsorganisation

zur Rolle von ParlamentarierInnen

beim barrierefreien Zugang zu se -

xuellen und reproduktiven Rechten plädierte

die SPÖ-Mandatarin Petra Bayr dafür, diese

Grundrechte nicht mehr als ideologische

Fragen zu sehen: „Un abhängig von fortschrittlich

oder konservativ, von links oder

rechts, von religiös oder nicht, ist der Zu -

gang zu Serviceangeboten in diesem Bereich

eine Frage von grundlegenden Menschenrechten,

Selbstbestimmung und der Menschenwürde.“

Grünen-Mandatarin Ewa Ernst-Dziedzic

betonte, daß die weltweiten Konflikte nicht

ursächlich für die Ungleichheit seien, Kriege

aber zu einer Verschlimmerung von deren

Folgen führten. Die gleichberechtigte Repräsentanz

von Frauen in einflußreichen politischen

Positionen bedeute nicht nur Gerechtigkeit,

„sondern sie ist ein Schritt auf dem

Weg zu mehr Sicherheit und Frieden in der

Praxis“.

NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak erklärte

in der IPU-Versammlung: „Gerade in Zeiten

wie diesen ist es wichtiger denn je, daß

sich Parlamentarier aus der ganzen Welt treffen

und gemeinsam nach Lösungen für die

vielfältigen Probleme unserer Zeit suchen.

Genau dafür sind Parlamente da: den Dialog

zu fördern und aufrechtzuerhalten.“

Dringliche Resolution zum Ukraine-Krieg

In einer gemeinsamen dringlichen Resolution

verurteilte die IPU-Versammlung die

russische Invasion, Besetzung und die Annexion

von Teilgebieten in der Ukraine sowie

die Menschenrechtsverletzungen, die in den

Regionen KiewCharkiw, Sumy, Tschernihiw

und anderen begangen werden. Sie fordert

die Wiederherstellung der territorialen Integrität

des Landes in seinen international an -

erkannten Grenzen und unterstützt Untersuchung

und Verfolgung von Kriegsverbrechen.

In der Resolution werden auch die wirtschaftlichen

und humanitären Auswirkungen

des Krieges angesprochen. Die UNO sowie

sämtliche Regierungen und Parlamente der

Welt werden aufgerufen, sozialpolitische

Pro gramme zu implementieren, um den Folgen

steigender Preise für Nahrung, Treibstoff

und Düngemittel entgegenzuwirken.

„Österreich ist ein neutrales Land – Öster -

reich kann aber niemals neutral sein, wenn

Völkerrecht gebrochen und die Souveränität

und territoriale Integrität eines Staates verletzt

wird“, sagte Lopatka in seiner Wortmeldung

bei Annahme der Resolution durch die

Versammlung.

Österreichische Delegation

besucht Genozid-Memorial in Kigali

Am Rande der Konferenz besuchten die

österreichischen Abgeordneten die Genozid-

Gedenkstätte in Kigali, an der ca. 250.000

Opfer des Völkermords an der Tutsi-Minderheit

beerdigt sind, und legten einen Kranz

nieder. Dem Völkermord fielen im Jahr 1994

eine Million Menschen zum Opfer, auch

viele Angehörige der Hutu-Mehrheit, die sich

nicht am Morden beteiligt hatten. Dabei traf

die Delegation mit zwei ÖsterreicherInnen

zu einem Austausch zusammen, die bei der

Ge denkstätte ihren Friedensdienst leisten.

Weiters präsentierte Reinhold Lopatka in

der geopolitischen 12plus-Gruppe den

UNOCT-Koordinierungsmechanismus (United

Nations Office of Counter-Terrorism) für

Parlamentarische Versammlungen zur Terrorismusbekämpfung

und Prävention von ge -

walttätigem Extremismus, dessen Vorsitz er

im Rahmen der Parlamentarischen Versamm -

lung der OSZE seit Juni 2022 innehat. Der

Schwerpunkt liegt dabei auf der Sahelregion.

Das deckt sich mit dem Fokus der hochrangigen

Beratergruppe zur Bekämpfung von

Ter rorismus und gewalttätigem Extremis mus

der IPU, in der Lopatka aktives Mitglied ist.

Als internationale Vereinigung von Parlamenten

ist die 1889 gegründete IPU ein welt -

weites Forum für parlamentarischen Dialog

in enger Kooperation mit den Vereinten Na -

tionen. Ihre Ziele sind Friedenssicherung,

Wahrung der Menschenrechte und Förderung

des Demokratieverständnisses. Derzeit

umfaßt die IPU 178 Mitgliedsparlamente und

14 assoziierte Mitglieder. n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

18

Foto: Parlamentsdirektion / Anna Rauchenberger

Besuch des Präsidenten des Bundesparlaments von Somalia, Sheikh Adan Mohamed Nur

Präsident des Bundesparlaments von

Somalia Sheikh Adan Mohamed Nur

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

tauschte sich am Nachmittag des 13.

Oktober in Wien mit dem Präsidenten des

Bundesparlaments von Somalia, Sheikh Adan

Mohamed Nur aus. Themen waren die bilateralen

Beziehungen, Migration, die humanitäre

und sicherheitspolitische Lage in Somalia

sowie die politische Situation in der Re -

gion.

Illegale Migration – nicht zuletzt aus afrikanischen

Staaten – sei für Österreich eine

große Herausforderung, erklärte Sobotka. So -

malische StaatsbürgerInnen befanden sich

im Jahr 2021 an vierter Stelle der Asylstatistik.

Sobotka begrüßte die guten bilateralen

Beziehungen zwischen Österreich und So -

malia. Er stimmte mit seinem Amtskollegen

überein, daß es wichtig sei, Somalia auf seinem

Weg zur Stabilisierung und Demokratisierung

des Landes zu unterstützen.

Somalia sei mit großen Herausforderungen

konfrontiert, erklärte Sobotka. Österreich

sei sich der angespannten humanitären Lage

in Somalia aufgrund der kriegerischen Konflikte,

der Dürre und nicht zuletzt wegen der

schleppenden Getreideimporte aufgrund des

Ukraine-Krieges bewußt. Die EU sei bereits

einer der zentralen politischen und humanitären

Akteure im Land, versicherte Sobotka

die weitere Unterstützung Österreichs und

der EU bei der Bewältigung für mehr Frieden

und Sicherheit. Insbesondere im Kampf

gegen Terrorismus und die organisierte Kriminalität

spiele Somalia eine Schlüsselrolle

am Horn von Afrika, erkundigte sich Sobotka

nach dem aktuellen Stand im Kampf ge -

gen die Terror-Miliz Al-Shabaab. n

Aktuelles Arbeitsprogramm

der EU-Kommission

Aktuelle europapolitische Fragestellungen,

die von den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs

bis zur Bewältigung der Energiekrise

reichten, standen am 20. Oktober im

Mit telpunkt des Austausches zwischen dem

Leiter der Vertretung der Europäischen

Kommission in Österreich, Martin Selmayr,

und Nationalratsabgeordneten fast aller

Fraktionen. Der 24. Februar 2022 habe eine

Zeitenwende eingeleitet, deren Auswirkungen

auf allen Ebenen sichtbar seien, meinte

Selmayr. Alle 27 Mitgliedsstaaten der Union

seien sich darin einig, daß nach dem An -

griffskrieg von Putin auf die Ukraine nicht

einfach zur Tagesordnung übergegangen

werden könne. In dieser Auseinandersetzung

zwischen Autokratie und Demokratie dürfe

man nicht „einknicken“, appellierte er, zumal

die Ressourcen Rußlands auch nicht unbegrenzt

seien. An der Aussprache nahmen die

ÖVP-MandatarInnen Reinhold Lopatka,

Georg Strasser und Carmen Jeitler-Cincelli,

Michel Reimon von den Grünen sowie die

Abgeordneten Petra Steger (FPÖ) sowie Ni -

kolaus Scherak (NEOS) teil.

Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser

Aussprache mit dem Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich (v.l.): die Nationalratsabgeordneten Nikolaus Scherak (NEOS), Carmen

Jeitler-Cincelli (ÖVP), Petra Steger (FPÖ), Reinhold Lopatka (ÖVP), Martin Selmayr, Michel Reimon (GRÜNE) und Georg Strasser (ÖVP)

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

19

Neben den Folgen des Krieges in der

Ukraine werden auch die vor kurzem präsentierten

Vorschläge der EU-Kommission zur

Bewältigung der Energiekrise auf dem derzeit

in Brüssel stattfindenden EU-Gipfel der

Staats- und Regierungschefs erörtert werden,

informierte Selmayr. Man habe allerdings

schon im Frühjahr Maßnahmen beschlossen,

die unter anderem dazu geführt haben, daß

93,65 Prozent (zum damaligen Zeitpunkt,

Anm.d.Red.) der Gasspeicher in Europa ge -

füllt seien. Weiters setze die Kommission

auf Solidaritätsvereinbarungen zwischen den

EU-Staaten sowie auf die Diversifizierung

des Angebots. Dadurch konnte der Anteil der

europäischen Gasimporte, die aus Rußland

stammen, von ursprünglich 40 auf 7,5 Prozent

gesenkt werden. Um auch für den Winter

im nächsten Jahr gerüstet zu sein, schlägt

die Kommission für einen gewissen Zeitraum

die koordinierte gemeinsame Beschaffung

von rund 15 Prozent des erforderlichen

Gasvolumens am Weltmarkt vor, wie dies be -

reits im REPower-Plan auf freiwilliger Basis

enthalten war. Ein Erfolg konnte bereits bei

der Reduktion der Nachfrage erzielt werden,

da es schon jetzt gelungen sei, 15 Prozent

des Gasverbrauchs einzusparen. Der schwierigste

Punkt betreffe die Änderung des Preismechanismus,

da dies in einem liberalisierten

Markt nicht „auf Knopfdruck“ erfolgen

kön ne. Derzeit würde es innerhalb der EU-

Länder keine Mehrheit für die Einführung

eines Gaspreisdeckels geben. Das aktuelle Ar -

beitsprogramm der Kommission sehe je den -

falls im Sinne des Green Deals vor, da0

generell die Abhängigkeit von fossilen Energien

verringert und der Ausbau der erneuerbaren

Energien vorangetrieben werden müs -

se.

Bezüglich einer Frage des Abgeordneten

Nikolaus Scherak (NEOS) zur Weiterentwicklung

der Gemeinsamen Außen- und

Sicherheitspolitik vertrat Selmayr die Meinung,

daß dieser Bereich durch die Beitrittsansuchen

von Schweden und Finnland zur

Nato einen „Boost“ erfahren habe. Er sehe

Österreich auch nicht als „Trittbrettfahrer“ in

dieser Frage, da jeder Staat etwas zur GASP

beitragen könne. Was die Sanktionen gegenüber

Rußland betrifft, so merkte er in Richtung

der Abgeordneten Petra Steger (FPÖ)

an, daß diese sehr wirksam seien. Außerdem

werde das bereits beschlossene Ölembargo

über den Seeweg erst Anfang Dezember in

Kraft treten.

Im Gegensatz zu den ökonomischen Problemen

in Rußland weise der Euro-Raum

nicht nur ein Wachstum von 3,1 Prozent auf,

sondern auch die niedrigste Ar beitslosenrate

aller Zeiten. Dem Abgeordnetem Georg

Strasser (ÖVP) gegenüber hob Selmayr hervor,

daß die Gemeinsame Agrarpolitik sehr

gut funktioniere und sich Österreich dabei

auch immer stark eingebracht habe. Er

stimmte mit ihm überein, daß es da bei oft

um Themen gehe, die im Spannungsfeld

zwischen Klimaschutz und Aufrechterhaltung

der landwirtschaftlichen Strukturen in

den jeweiligen Ländern stehen würden. n

Treffen der Internationalen

Krimplattform in Zagreb

Der russische Angriffskrieg ist auch ein

Krieg gegen unsere demokratischen

Prinzipien und Werte – wobei Parlamente

das Herzstück jedes demokratischen Systems

darstellen“, betonte Nationalratspräsident

Wolfgang Sobotka in seiner Rede im Rahmen

des Ersten Parlamentarischen Gipfels

der Internationalen Krimplattform. Die Konferenz

fand von 24. bis 25. Oktober auf Einladung

der ukrainischen und kroatischen

Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk

und Gordan Jandroković in Zagreb statt.

Die 2021 von der Ukraine gegründete Ini -

tiative versteht sich als beratendes und koordinierendes

Format, mit dem Ziel, die volle

völkerrechtlich legitimierte Souveränität der

Ukraine über die Krim wiederherzustellen.

Nach den bisherigen zwei Treffen auf Regierungsebene

fanden in der kroatischen Hauptstadt

nun hochrangige Beratungen auf internationaler

parlamentarischer Ebene statt.

Insgesamt nahmen über 40 VertreterInnen

von nationalen Parlamenten, des Europäischen

Parlaments, der IPU sowie der parlamentarischen

Versammlungen der OSZE,

des Europarats und der NATO in Zagreb teil.

Ergebnis des Treffens war die Verabschiedung

einer gemeinsamen Erklärung, in der

das Engagement aller TeilnehmerInnen für

die Souveränität, Unabhängigkeit und territo -

riale Integrität der Ukraine bekräftigt sowie

die rechtswidrige Annexion der Krim verurteilt

wird.

„Parlamente müssen all ihre Möglichkeiten

nutzen, um die Ukraine bestmöglich zu

unterstützen. Deshalb ist das heutige Treffen

von großer Bedeutung“, hielt Sobotka vor

seinen AmtskollegInnen fest. Dies beinhalte

etwa, vereint gegen falsche russische Narrative

aufzutreten.

„Die Ukraine kämpft nicht nur für ihre

eigene Souveränität und Unabhängigkeit, sie

verteidigt auch unsere gemeinsamen Werte,

zu denen wir uns als demokratische Institution

verpflichtet haben“, so der Nationalratspräsident.

Österreich sei zwar militärisch

neutral, „wir sind aber niemals politisch neutral,

wenn es um die Einhaltung von internationalem

Recht und der territorialen Unversehrtheit

von Staaten geht“.

Der Nationalratspräsident nutzte das

internationale Treffen auch für bilaterale Ge -

spräche mit seinen ukrainischen, kroatischen,

slowenischen, schwedischen, moldawischen

und georgischen AmtskollegInnen. Zudem

tauschte er sich mit dem kroatischen Staatspräsidenten

Zoran Milanović, mit Premierminister

Andrej Plenković sowie mit Außenminister

Gordan Grlić Radman aus. n

© Croatian Parliament

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Personalia

20

Simon-Wiesenthal-Preis an Liliana

Segre in Mailand verliehen

Im Rahmen eines Empfangs im österreichischen

Generalkonsulat in Mailand übergab

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

am Nachmittag des 3. November den Simon-

Wiesenthal-Preis an die Preisträgerin und

Zeitzeugin Liliana Segre.

Mit ihrem vielfältigen Engagement im

Kampf gegen Antisemitismus mache Liliane

Segre Mut, ihrem Beispiel zu folgen. Es müs -

se allen DemokratInnen ein Anliegen sein,

die Erinnerung an die Shoah zu ehren und

die eigene Stimme zu erheben, wenn Antisemitismus

in Erscheinung tritt, so Sobotka.

Sobotka zeigte sich erfreut, Liliane Segre den

Simon-Wiesenthal-Preis für ihr Lebenswerk

persönlich in Mailand überreichen zu dürfen.

Der Hauptpreis des Simon-Wiesenthal-

Preises ging dieses Jahr neben Liliana Segre

an Lily Ebert, Zwi Nigal sowie Karl Pfeifer

und damit an alle vier nominierten ZeitzeugInnen

gemeinsam. Liliana Segre stammt aus

Mailand und wurde 1944 mit 13 Jahren als

eines von 776 italienischen Kindern nach

Auschwitz deportiert – nur 25 von ihnen

überlebten. Bis heute ist sie als Zeitzeugin in

Fernsehen, Theatern und Schulen sowie im

italienischen Parlament aktiv. Sie ist damit

eine der wichtigsten moralischen Instanzen

in Italien, betonte Sobotka. Wegen dieses be -

sonderen Engagements ist sie 2018 auch von

Präsident Sergio Mattarella zur Senatorin

auf Lebenszeit ernannt worden.

Der Simon-Wiesenthal-Preis wurde 2022

zum zweiten Mal ausgeschrieben und wird

Anfang 2023 schließlich vergeben. Einreichungen

und Nominierungen waren bis Mit -

te September möglich. Der Preis wurde 2021

auf Initiative von Nationalratspräsident Wolf -

gang Sobotka und nach Beschluß im Nationalrat

ins Leben gerufen, um zivilgesellschaftliches

Engagement gegen Antisemitis -

mus zu ehren. Die Vergabe des Simon-Wiesenthal-Preises

erfolgt in den zwei Kate -

gorien zivilgesellschaftliches Engagement

gegen Antisemitismus (7.500 €) sowie zivilgesellschaftliches

Engagement bei der Aufklärung

über den Holocaust (7.500 €). Dar -

über hinaus wird ein Hauptpreis als Auszeichnung

für besonderes zivilgesellschaftliches

Engagement gegen Antisemitismus und/

oder in der Aufklärung über den Holocaust

vergeben, der mit 15.000 € dotiert ist.

© Parlamentsdirektion / Clemens Mantl © Parlamentsdirektion / Clemens Mantl

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit Preisträgerin Senatorin Liliana Segre …

… und dem Präsidenten der Region Lombardei, Attilio Fontana

Treffen mit dem Präsidenten der

Region Lombardei Attilio Fontana

Sobotka traf auch mit dem Präsidenten der

Region Lombardei, Attilio Fontana, zusammen.

In einem Gespräch thematisierten sie

die bilateralen Beziehungen. Die re gionale

Kooperation der Bundesländer mit den italienischen

Regionen spiele dabei eine zentrale

Rolle, hob Sobotka hervor. Auch

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tauschten sich beide über die aktuelle innenpolitische

Lage in Italien sowie europapolitische

Themen aus, über den Um gang mit der

Teuerung, die Einspeicherung von Gas und

der Wassermangel in der Lombardei. n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

21

Kosovarische Staatspräsidentin

Vjosa Osmani-Sadriu in Wien

Aktuelle außenpolitische Themen, insbesondere

die Situation am Westbalkan

und die europäische Perspektive des Kosovo,

waren Gegenstand eines Treffens zwischen

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und

der Präsidentin des Kosovo Vjosa Osmani-

Sadriu am 17. November.

Die Gesprächspartner unterstrichen die

guten bilateralen Beziehungen zwischen den

beiden Ländern und erörterten Möglichkeiten

zur weiteren Intensivierung der Zusam -

menarbeit. Die Präsidentin hob unter anderem

die engen Wirtschaftsbeziehungen hervor

und bekräftigte die Bereitschaft, diese

noch weiter zu verstärken. Auch im Bildungs-

und Kulturbereich bestehe Potential

für weitere Kooperationen. Als frühere Präsidentin

des kosovarischen Parlaments be–

tonte die Staatspräsidentin auch die Wichtigkeit

der parlamentarischen Diplomatie.

Gerade vor dem Hintergrund des Krieges

in der Ukraine hob Sobotka hervor, wie wich -

tig eine europäische Perspektive des Westbalkans

ist sowie die Gewährleistung von Si -

cherheit und Stabilität in der Region. Er verwies

auf die langjährige Partnerschaft Österreichs

mit den Ländern des Westbalkans und

die Wichtigkeit einer engen sicherheits-,

wirtschafts- und demokratiepolitischen Ab -

stimmung. Man müsse gerade jetzt alles unter -

nehmen, damit es zu keinen weiteren Spannungen

in der Region komme. Der Dialog

zwischen Kosovo und Serbien sei ein zentraler

Bestandteil dieser Bemühungen. Eine wei -

tere Heranführung des Kosovo an die Europäische

Union sowie an den Europarat wer -

de von österreichischer Seite unterstützt.

Die Präsidentin bekräftigte das Bekenntnis

ihres Landes zum europäischen Integrationsprozeß

und unterstrich, daß der Kosovo,

auch ohne Kandidatenstatus zu haben, seinen

Rechtsbestand bereits weitgehend an den

EU-Acquis angepaßt habe. Für die Bevölkerung

sei es wichtig, eine klare Perspektive zu

haben, damit die Akzeptanz für die mit dem

Prozeß einhergehenden Kompromisse erhalten

bleibe. Dies gelte auch für den Dialog mit

Serbien. So sei es wichtig, daß bereits ge trof -

fene Vereinbarungen umgesetzt und laufende

Verhandlungsprozesse zügig fortgeführt

werden.

n

Nationalratspräsident auf

Arbeitsreise in Ostasien

Zukunftsthemen und Gedenken gingen

beim Besuch von Nationalratspräsident

Wolfgang Sobotka in Südkorea Hand in

Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bei der Begrüßung der Staatspräsidentin der Republik

Kosovo, Vjosa Osmani, im Parlament in Wien

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit Parlamentspräsident Kim Jin-Pyo

Hand. Bis 25. November absolvierte er ein

dichtes Arbeitsprogramm in dem ostasiatischen

Land. Neben Terminen im südkoreanischen

Parlament, bei der Handelskammer so -

wie Treffen mit VertreterIinnen von Wirtschaft,

Wissenschaft und Kultur besuchte

Sobotka auch die demilitarisierte Sicherheitszone

zwischen Nord- und Südkorea, in

der von 1951 bis 1953 das Ende des Koreakrieges

verhandelt wurde. Eine engere Zu -

sammenarbeit in den Bereichen Bildung und

Tourismus sowie eine kontinuierliche Ko -

operation auf parlamentarischer Ebene sind

Anliegen des Besuchs.

Bei einem Arbeitstreffen mit dem Präsidenten

der Nationalversammlung Südkoreas,

Kim Jin-pyo, verurteilte der Nationalratspräsident

die jüngsten Raketentests Nordkoreas.

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Angesichts der jahrzehntelangen diplomatischen

Beziehungen zwischen Österreich und

Südkorea sprach er sich zudem für die Vertiefung

der bilateralen Beziehungen in Um -

setzung der im Vorjahr abgeschlossenen strategischen

Partnerschaft beider Länder aus.

Korea zähle zu den innovativsten Ländern

Asiens und sei für Österreich bereits heute

ein bedeutender Export- und Handelspartner

sowie zweitwichtigster Tourismusmarkt auf

diesem Kontinent. Als wichtiger Partner Ös -

terreichs und demokratisches Land im ostasiatischen

Raum werde auch eine weitere

Vertiefung der Kooperation auf parlamentarischer

Ebene mit Südkorea angestrebt. Die

beiden Parlamentspräsidenten stimmten

überein, daß gerade in Zeiten multipler, globaler

Konflikte die Zusammenarbeit der na -


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

22

Mitglieder der österreichischen Delegation, Österreichischer Botschafter in Südkorea Wolfgang Angerholzer

(4.v.l.), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (5.v.l.) und Parlamentspräsident Kim Jin-Pyo (5.v.l.)

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zintionalen

Parlamente immer mehr an Bedeutung

gewinne. Neben dem Gespräch mit

Kim Jin-pyo tauschte sich Sobotka auch mit

dem ehemaligen Parlamentspräsidenten, Park

Byeong-seug, der Sobotka bei einem Treffen

im Rahmen der Fünften IPU-Weltkonferenz

der ParlamentspräsidentInnen in Wien im

September 2021 zu dem Besuch nach Südkorea

eingeladen hatte, über die aktuelle La -

ge in Ostasien, das Verhältnis zu Nordkorea

sowie die Beziehungen Südkoreas zu den

USA bzw. zu China und Russland aus. Auch

der Krieg in der Ukraine war wichtiger

Gegenstand der Gespräche.

Zudem traf Sobotka mit dem früheren

UNO-Generalsekretär, Ban Ki-moon, zu

einem Austausch zusammen. Dabei wurden

insbesondere globale Herausforderungen

wie der Klimawandel und der Einsatz Ban

Ki-moons für die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele

(SDGs) erörtert.

Im Hauptquartier der südkoreanischen

Han delskammer – Federation of Korean In -

dustries (FKI) – erörterte der Nationalratspräsident

mit CEO Kwon Tae-shin die künftige

Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation

Österreichs mit Südkorea, insbesondere

im Technologiebereich. Praxiseinblicke

in die Wirtschaftskraft des asiatischen Staats

erhielt er im Technologiekonzern NAVER

und im Hyundai Motor Studio. Zudem traf er

Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Höflichkeitsbesuch beim ehemaligen VN-Generalsekretär Ban Ki-Moon.

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weitere Persönlichkeiten aus den Bereichen

Wissenschaft und Wirtschaft, darunter den

Präsidenten der Seoul National University

(SNU), Oh Se-Jung, sowie den früheren

stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater

und nunmehrigen Senior Research Fellow

am Institut der Zukunftsstrategie der

SNU, Kim Hyoung-zhin. Eine weitere Un -

terredung fand mit Kang Chul-ho statt, der

das Komitee für die Bewerbung von Südkoreas

zweitgrößter Stadt Busan für die Weltausstellung

2030 leitet.

Weitere Programmpunkte waren ein Ge -

denken an die Opfer der Massenpanik vom

29. Oktober 2022 bei Halloweenfeiern in

Itaewon und ein Besuch der nationalen Ge -

denkstätte an den Korea-Krieg.

An der Deutschen Schule Seoul hielt

Sobotka einen Vortrag über Demokratie und

Parlamentarismus.

n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

23

Präsident der Großen Nationalversammlung

der Türkei in Wien

Am 29. November empfing Nationalratspräsident

Wolfgang Sobotka den Präsidenten

der Großen Nationalversammlung der Türkischen

Republik, Mustafa Şentop, zu einem

Gespräch. Die Bedeutung der parlamentarischen

Diplomatie und des Dialogs, insbesondere

vor dem Hintergrund des Kriegs in

der Ukraine, war zentrales Thema im Austausch

der Parlamentspräsidenten. Sobotka

unterstrich, daß die derzeitige Lage in der

Ukraine betroffen mache. Es sei von großer

Bedeutung, alles zu unternehmen, um zu -

mindest das Leid der Bevölkerung zu lindern.

Vor diesem Hintergrund sprach Sobotka der

Türkei Anerkennung für ihren Einsatz als

Vermittlerin im Konflikt aus. Dank des türkischen

Engagements sei es etwa gelungen,

die Getreideausfuhr aus der Ukraine weiter

zu gewährleisten. Von seinem Amtskollegen

wollte er wissen, wie dieser die Lage und das

Potential diplomatischer Bemühungen ak -

tuell einschätze und wieso die Türkei keine

Sanktionen gegen Rußland verhängt habe.

Die Türkei habe wiederholt betont, daß der

russische Angriffskrieg auf die Ukraine

internationalem Recht widerspreche, so Şen -

top. Sein Land werde sich weiterhin bemühen,

zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln

und auf eine Waffenruhe hinzuwirken.

Es gelte, die Dialogkanäle weiterhin of -

fenzuhalten, zeigte er sich überzeugt.

Als weiteres Thema sprach der türkische

Parlamentspräsident den Beitrittsprozeß seines

Landes zur Europäischen Union an. Für

die Türkei sei es von zentraler Bedeutung,

daß dieser vorangetrieben werde, sagte Şen -

top. Angesichts der engen wirtschaftlichen,

politischen und kulturellen Verflechtung

Europas mit der Türkei sprach Sobotka sich

für eine Intensivierung der Beziehungen aus.

Einig zeigten sich die beiden Parlamentspräsidenten

darin, daß die Region des Westbalkans

bedeutend für die Sicherheit und Stabilität

ganz Europas ist. Für Sobotka ist es

daher bedeutend, daß die Türkei ebenso wie

Österreich die EU-Perspektive der Balkanstaaten

unterstütze. Er sprach in diesem Zu -

sammenhang auch das Westbalkan-Stipendienprogramm

und die Demokratiewerkstatt

des österreichischen Parlaments an.

Thema im Gespräch waren auch die bilateralen

Beziehungen zwischen Österreich und

der Türkei. Sobotka bezeichnete es als wichtig,

den direkten und offenen Dialog fortzusetzen.

Aus seiner Sicht leisten die verstärkten

parlamentarischen Kontakte in den vergangenen

Jahren einen wichtigen Beitrag da -

Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf

@ European Union 2022 - Source : EP / Daina le Lardic

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka begrüßt den Präsidenten der Großen Nationalversammlung

der Republik Türkei, Mustafa Şentop in Wien

zu. Insbesondere die Bilaterale Parlamentarische

Gruppe Türkei-Österreich bringe hier

positive Impulse, waren sich die beiden Parlamentspräsidenten

einig. Diese könnte sich

künftig auch verstärkt mit Projekten auseinandersetzen,

die das gute Zusammenleben mit

der türkischen Gemeinschaft in Österreich

weiter fördern, so Sobotka.

n

Sobotka im Austausch mit

EU-SpitzenvertreterInnen

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

hat am 5.Dezember im Rahmen seines

Besuchs in Brüssel mehrere Gespräche mit

hochrangigen VertreterInnen der EU-Institutionen

geführt. Er traf EU-Parlamentspräsidentin

Roberta Metsola, die Vizepräsidenten

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des EU-Parlaments Othmar Karas und Nicola

Beer und die EU-Kommissare Johannes

Hahn und Vera Jourova sowie die Koordinatorin

der Europäischen Kommission zur Be -

kämpfung von Antisemitismus, Katharina

von Schnurbein.

Die Intensivierung parlamentarischer Be -

ziehungen mit dem EP, die Auswirkungen

von Desinformation und Haßreden online

auf die Demokratien sowie das Thema Be -

kämpfung von Antisemitismus standen im

Zentrum des Gesprächs mit der EU-Parlamentspräsidentin.

Auch die Wiedereröffnung

des österreichischen Parlaments war Gegenstand

des Austausches.

Sobotka trat dafür ein, daß strafrechtliche

Inhalte idealerweise nicht auf sozialen Platt-

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

24

@ European Union 2022

Katharina von Schnurbein

formen verbreitet werden können. Der Digital

Services Act wurde als erster Schritt zur

Bekämpfung dieser Phänomene begrüßt.

Wirksame Maßnahmen zur Verfolgung strafrechtlicher

Inhalte sowie eine effektive

Rechtsdurchsetzung seien zentral, auch zum

Schutz der Demokratien.

Die Bekämpfung antisemitischer Tendenzen

war auch mit der Koordinatorin der Eu -

ropäischen Kommission zur Bekämpfung

von Antisemitismus, Katharina von Schnurbein,

und der Vizepräsidentin des EP, Nicola

Beer, Gesprächsthema.

„Antisemitismus ist eine Bedrohung für

uns alle – für unsere Demokratie, für unsere

Werte sowie für die Vielfalt in der Gesellschaft

– es muß unser gemeinsames Ziel sein,

dem Kampf gegen Antisemitismus in Österreich

und ganz Europa unbedingte Priorität

einräumen“, betonte der Nationalratspräsident.

„Es muß selbstverständlich sein, daß

sich Menschen jüdischen Glaubens in unserer

Gesellschaft frei und sicher fühlen können.“

Das österreichische Parlament verstehe

sich als wichtiger Ort der Gedenk- und Er -

innerungskultur und fördere seit Jahren Maß -

nahmen und Projekte, „um unserer gemeinsamen

historischen Verantwortung gerecht

zu werden“, hielt Sobotka gegenüber von

Schnurbein fest.

Bei den Treffen mit der Vizepräsidentin

der EU-Kommission und Kommissarin für

die Themen Werte und Transparenz, Věra

Jourová, mit EU-Kommissar Johannes Hahn

sowie mit den beiden VizepräsidentInnen

des EU-Parlaments, Nicola Beer und Othmar

Karas, kamen auch die Themen Rechtsstaatlichkeit

und Verteidigung der europäischen

Werte zur Sprache.

n

@ European Union 2022 / Jennifer Jacquemart @ European Union 2022 / Aurore Martignoni @ European Union 2022 - Source : EP / Alexis Haulot

Nationalratspräsident Sobotka mit EU Parlaments-Vizepräsident Othmar Karas …

… mit der Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für die Themen Werte und

Transparenz, Věra Jourová …

… und mit dem aus Österreich stammenden EU-Kommissar Johannes Hahn

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

25

»Niemals wieder« heißt,

Verantwortung zu übernehmen

Vergiß nie, daß du ein jüdisches Kind

bist“ lautet der Titel des Buchs von Anna

Wexberg-Kubesch, das den sogenannten

„Kindertransporten“ in den Jahren 1938/39

ge widmet ist. Er stand auch über der Ge -

denkveranstaltung, zu der Bundesratspräsi -

den tin Korinna Schumann am 13. Dezember

ins Palais Epstein eingeladen hatte. Der

Abend erinnerte an jene Gruppe jüdischer

Kinder in Europa, die auf unterschiedlichste

Weise den Holocaust überlebten, während

rund 1,5 Millionen ihrer Altersgenoss:innen,

die dem mörderischen NS-Regime zum

Opfer fielen.

Die Bundesratspräsidentin betonte in ihren

Eröffnungsworten die Wichtigkeit einer aktiven

Erinnerungspolitik für die Bewahrung

des kollektiven Gedächtnisses. Die Forderung

„Niemals wieder!“ bedeute, sich der

Vergangenheit zu stellen und Verantwortung

für die Gegenwart zu übernehmen. Das ös -

terreichische Parlament trage in diesem Sin -

ne mit regelmäßigen Veranstaltungen und

Gedenkfeiern zur Erinnerungskultur bei. Dies -

mal erinnere man an das Schicksal der Kinder,

die dem so genannten „Großdeutschen

Reich“ 1938 und 1939 aufgrund des Engagements

von britisch-jüdischen Hilfsorganisationen

entfliehen konnten. Auch sie müssten

ihren Platz in der kollektiven Erinnerung er -

halten, sagte Schumann.

Viele der Kinder, deren Familien versuchten,

sie mit einem „Kindertransport“ vor

der Verfolgung zu retten, stammten aus

Wien. Auch wenn sie oberflächlich betrachtet

zu den „Glücklichen“ gehören würden,

sei ihnen allen die Erfahrung der Entwurzelung

und das Trauma der Flucht gemeinsam.

Das offizielle Österreich habe nach 1945

auch dieser Gruppe gegenüber zu lange versäumt,

seine Verantwortung wahrzunehmen

und ein Angebot der Wiedergutmachung

aus zusprechen. Erst 2019 sei vom Parlament

ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz auf den

Weg gebracht worden, das sich auch an die

Nachkommen von Menschen richte, die

einen Anspruch auf die österreichische

Staatsbürgerschaft hatten. Dieses Gesetz sei

wichtig als ein später und kleiner Versuch,

geschehenes Unrecht wiedergutzumachen,

meinte Schumann.

Serloth: Eine beispiellose Hilfsaktion

Die Politikwissenschaftlerin Barbara Serloth

führte aus, wie es dazu kam, daß eine

kleine Gruppe von Kindern durch die Aktion

„Kindertransport“ gerettet werden konnte.

Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser

v.l.: Anna Wexberg-Kubesch, Autorin von „Vergiß nie, daß du ein jüdisches Kind bist“, Vizepräsidentin

der IKG Claudia Prutscher, Mili Segal, Museum zur Erinnerung „Für das Kind“,

Bundesratspräsidentin Korinna Schumann und Moderatorin Barbara Serloth

Ausgangspunkt und Hauptziel der beispiellosen

Hilfsaktion war Großbritannien, führte

Serloth aus. Jüdische Hilfsorganisationen re -

agierten auf den Novemberpogrom 1938,

indem sie sich an offizielle Stellen wandten

und erreichten, daß die strengen Visabestimmung

für Kinder und Jugendliche im Alter

von 4 bis 17 Jahren gelockert wurden. In

Zusammenarbeit vieler Stellen gelang es,

10.000 bis 12.000 Kinder aus verfolgten Fa -

milien von Dezember 1938 bis August 1939

in mehreren Gruppen ohne ihre Eltern aus

dem Gebiet bzw. dem Einflußbereich des

Großdeutschen Reichs herauszubringen. In

Großbritannien wurden sie von Pflegefamilien,

Heimen und karitativen Einrichtungen

aufgenommen. Viele von ihnen sahen die

Familienmitglieder, die sie zurücklassen hatten

müssen, nicht wieder.

Entwurzelung als nachwirkendes Trauma

Serloth diskutierte in weiterer Folge mit

zwei Wissenschafterinnen auf dem Gebiet

der Erinnerungskultur. Anna Wexberg-Ku -

besch und Milli Segal berichteten über ihre

Erfahrungen mit Menschen, die als Kinder

vor den Nationalsozialisten gerettet werden

konnten. Die Erfahrung der Kindertransporte

hat demnach bei aller Unterschiedlichkeit

der Einzelschicksale eine Gruppenidentität

geschaffen. Bis heute bezeichnen sich die

Menschen, deren Flucht auf diese Weise

organisiert wurde, als „Kinder“. Segal er -

innerte daran, daß nicht nur die Entwurzelung

der Flucht eine prägende und nachwirkende

Erfahrung war. Die Kinder hätten be -

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

reits vorher traumatische Erfahrungen durch -

machen müssen. Sie waren ZeugInnen des

NS-Terrors und erlebten, wie sich praktisch

über Nacht NachbarInnen und FreundInnen

von ihnen abwandten. Wexberg-Kubesch

meinte, eine Rückkehr nach Österreich hätte

1945 vermutlich nur für Einzelne eine Op -

tion dargestellt, da nach sieben Jahren in

Großbritannien die Kinder bereits in ihre neue

Heimat integriert waren. Österreich hätte

aber den Überlebenden gegenüber sehr viel

früher ein Angebot als alte Heimat machen

sollen, meinte sie. Hier sei vieles versäumt

worden, das nun nicht mehr nachgeholt werden

könne.

Mit Blick auf die Gegenwart thematisierte

Bunderatspräsidentin Schumann die Verantwortung

von Politik und Zivilgesellschaft

im Umgang mit der Vergangenheit. Dem

weltweit zu beobachtenden Wiedererstarken

des Antisemitismus dürfe keinesfalls mit

Wegschauen und Verharmlosung begegnet

wer den, sondern man müsse ihm aktiv entgegentreten,

mahnte die Bundesratspräsidentin.

Man riskiere sonst, daß demokratiefeindliche

Kräfte den Diskurs und das kollektive

Gedächtnis in ihrem Sinne manipulieren

können. Eine solche Relativierung und

Verleugnung der Vergangenheit nicht zuzulassen,

das schulde man auch den aus Österreich

geflüchteten Kindern.

n

https://www.parlament.gv.at/

Quelle: Parlamentskorrespondenz

https://www.millisegal.at/

Siehe auch den Beitrag in:

https://kiosk.oesterreichjournal.at/ausgabe-187/62772364/37


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Aus dem Bundeskanzleramt

26

Bundeskanzler Karl Nehammer bei einer Rede in der UNO in New York

Zusammenarbeit im Rahmen der

UNO hat an Bedeutung gewonnen

Durch den Angriffskrieg Rußlands auf

die Ukraine und seine Auswirkungen

hat die internationale Zusammenarbeit im

Rah men der Vereinten Nationen noch weiter

an Bedeutung gewonnen“, hielt Bundeskanzler

Karl Nehammer im Vorfeld seines

Aufenthalts in New York fest. „Gerade die

Er folge, die durch die Bemühungen von UN-

Generalsekretär Antonio Guterres und seinem

Team durch die Einrichtung grüner Kor ridore

zum Export der ukrainischen Getreideernte

für die weltweite Ernährungssicherheit er -

reicht wurden, zeigen das einmal mehr.“

Friede und Sicherheit seien für Europa

keine Selbstverständlichkeit mehr. „Die Si -

cherheitsarchitektur unseres Kontinents hat

sich verändert. Wir müssen noch viel stärker

auf mögliche Konfliktherde achten und jede

Möglichkeit zum Dialog nützen“, so der

österreichische Regierungschef, der in New

York unter anderem an der offiziellen Eröffnung

der 77. UN-Generaldebatte und an

einem bilateralen Treffen mit UN-Generalsekretär

Antonio Guterres teilnahm.

Ebenso stand eine Rede des Bundeskanzlers

beim „Transforming Education Summit“

auf dem Programm. „Bildung und Digitalisierung

sind in unserer globalisierten

Welt wichtige Themen, um uns für die Zu -

kunft unserer Kinder zu rüsten, nachdem die

Pandemie den Schulalltag massiv beeinträchtigt

hat“, erläuterte Nehammer. Zusam -

menarbeit in der Aus- und Weiterbildung

über die Landesgrenzen hinweg gewinne im -

mer mehr an Bedeutung. „Die Herausforderungen

für unsere Bildungssysteme und vor

allem Lösungsansätze hochwertiger Bildung

im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele sollen

Fotos: BKA / Dragan Tatic

Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) traf in New York den Premier des Irak Mustafa Al-Khademi…

… und den Präsidenten von Serbien, Aleksandar Vučić

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

27

daher bei diesem Gipfel diskutiert werden“, betonte Bundeskanzler

Karl Nehammer.

Wir müssen in dieser ernsten Situation besonnen reagieren

Er nahm auch zur Bekanntgabe der Teilmobilmachung in der Russischen

Föderation Stellung. Er verurteilte diese klar, da sie eine Verschärfung

der Lage bedeute und „einen eindeutigen Schritt zur weiteren

Eskalation im Angriffskrieg gegen die Ukraine“ darstelle. „Das

ist eine ernste Situation, in der es jetzt umso wichtiger ist, besonnen

zu agieren und nicht in die Kriegslogik Putins einzusteigen. Denn die

russische Strategie beruht auch darauf, Angst zu verbreiten, andere

Länder zu destabilisieren und Europa zu spalten“, so der Kanzler.

Um Frieden zu schaffen und Sicherheit zu gewährleisten, müsse die

internationale Staatengemeinschaft alles tun, damit untereinander

wieder Gespräche stattfinden. „Unser aller Ziel muß sein, daß der

Krieg so bald wie möglich am Verhandlungstisch beendet wird. Dazu

braucht es eine klare Linie der Europäischen Union“, hielt Karl

Nehammer fest.

Bereits davor hatte sich der Bundeskanzler zu den gegenüber Ruß -

land verhängten Sanktionen geäußert: „Sanktionen sind die friedlichste

Form, um gegen Krieg und Leid zu protestieren. Sie dürfen uns

nicht mehr schwächen als jene, denen sie gelten sollen. Es geht

darum, sie zu evaluieren und zu schauen, ob sie treffsicher sind. Ziel

muß es sein, daß man die Möglichkeit eines Waffenstillstands findet.

Man muß also Brücken bauen, damit die Kriegsparteien wieder miteinander

sprechen. Die UN-Vollversammlung ist für solche Avancen

prinzipiell ein guter Ort“, erläuterte Nehammer.

Er traf zu bilateralen Gesprächen mit den Staats- und Regierungschefs

aus dem Irak, Pakistan sowie Norwegen und Serbien zusammen.

Ein Fokus der Gespräche richtete sich auf die Migration. „All

jene, die kein Bleiberecht in Österreich haben, müssen in ihre Heimatländer

zurückgeführt werden. Das kann aber nur mit einer guten

Kooperation und starken bilateralen Beziehungen funktionieren.

Das Gespräch mit dem irakischen Premierminister war dazu ein

wichtiger Schritt in diese Richtung“, sagte er nach seinem Treffen

mit dem irakischen Premier Mustafa Al-Kadhimi. Das Thema Migration

dominierte auch das Gespräch mit Serbiens Präsident Aleksandar

Vučić. Nehammer ortete eine enorme „Steigerung der Asylantragszahlen

aus sicheren Herkunftsstaaten bei Nationalitäten wie

Indien und Tunesien“. Menschen aus diesen Ländern würden le gal in

Serbien einreisen und sodann ihre Reise mit Hilfe von Schleppern in

Richtung der Europäischen Union fortsetzen. Österreich müsse sich

hier „selbst helfen“, so Nehammer. Serbien sei ein wichtiger Partner

bei der Bekämpfung der illegalen Migration und bereit, Österreichs

Karl Nehammer mit dem Schweizer Bundespräsidenten Ignazi Chassis

… mit dem Bürgermeister von New York, Eric Adams,

… mit dem Sultan Al Jaber, Industrieminister

der Vereinigten Arabischen Emirate,

Alle Fotos: BKA / Dragan Tatic

… mit dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger,

… mit dem Premier von Norwegen, Gahr Store,

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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Interessen zu unterstützen. Aus diesem Grund kündigte er an, auch

Anfang Oktober nach Ungarn reisen zu wollen, um mit Ministerpräsident

Viktor Orbán und Präsident Vučić die weitere Vorgehensweise

zu besprechen.

Mit Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif besprach der Kanzler

vor allem die Folgen der massiven Überschwemmungen durch an -

haltenden starken Monsunregen. „Selbstverständlich helfen wir Pakistan

aufgrund der Überschwemmungen in dieser schwierigen humanitären

Notsituation“, beteuerte Nehammer.

Im Gespräch mit Norwegens Premierminister Jonas Gahr Støre

war eine stärkere Kooperation mit Norwegen bei der Energieversorgungssicherheit

Thema. „Norwegen ist darüber hinaus ein wichtiger

Partner Österreichs, was die Gasversorgung und die stärkere Unabhängigkeit

von russischem Gas betrifft“, betonte der Bundeskanzler.

Am Rande der UN-Vollversammlung führte der Kanzler zudem

Gespräche mit dem marokkanischen Premierminister, Aziz Akhannouch,

dem ukrainischen Premierminister, Denys Schmyhal, sowie

dem Präsidenten des internationalen Roten Kreuzes, Peter Maurer.

„Bildung ist die Grundlage für Frieden und Wohlstand, aber auch

für Klimaschutz sowie technologischen Wandel. Österreich hat vom

öffentlichen Zugang zu Bildung auf hohem Niveau enorm profitiert“,

hielt Nehammer in seiner Rede beim „Transformation Education Sum -

mit“ fest, der den Auftakt zu seinem Aufenthalt in New York bildete.

Er verwies dabei darauf, daß man erst kürzlich das 50jährige Jubiläum

der Gratisschulbuchaktion begangen habe. „Die Corona-Pandemie

hat zwar den Lernverlust beschleunigt, aber auch gleichzeitig zu

einem digitalen Schub geführt. Im Hinblick auf den Zukunftsgipfel

2023 schlage ich den Vereinten Nationen weitere Kooperationen vor,

um an der Transformation von Bildung zu arbeiten. Denn sie ist die

Grundlage für eine friedliche globale Zukunft für unsere Kinder und

unsere Gesellschaften“, betonte der österreichische Regierungschef.

Im Zuge der USA-Reise stand zunächst die Teilnahme an der

Eröffnung der Generaldebatte der 77. UN-Vollversammlung gemeinsam

mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister

Alexander Schallenberg auf dem Plan. Weiters fanden bi- und

multilaterale Treffen, unter anderem mit UN-Generalsekretär António

Guterres statt.

… mit dem Premier von Pakistan,Shehbaz Sharif, und

… mit Rabbi Arthur Schneier in der Park East Synagogue

Abschließend fand die Überreichung von Staatsbürgerschaftsbescheiden

an Nachfahren von Holocaust-Überlebenden im österreichischen

Generalkonsulat und ein Gespräch mit Rabbi Arthur Schneier in

der Park East Synagogue statt: „Österreich ist sich seiner historischen

Verantwortung und Vergangenheit bewußt. Wir werden auch weiterhin

alles tun, um gegen alle Formen von Antisemitismus anzukämpfen

und jüdisches Leben zu schützen“, so der Bundeskanzler. n

Fotos: BKA / Dragan Tatic

Der Bundeskanzler bei der Verleihung von österreichischen Staatsbürgerschaften an Angehörige von vertriebenen Jüdeninnen und Juden

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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Warsaw Security Forum

Albanien und Nordmazedonien haben

viel getan, um der Europäischen Union

näherzukommen. Ein Justizsystem zu reformieren,

ist ein harter Schritt“, betonte Europaministerin

Karoline Edtstadler am 5. Okto -

ber beim Warsaw Security Forum, bei dem

sie unter anderem mit dem kroatischen Aussenminister

Gordan Radman zusammentraf.

„Die Integration der Westbalkan-Staaten ist

eine Frage der Sicherheit für Europa. Es war

wichtig, der Ukraine den Beitrittsstatus zu

geben, aber wir dürfen nicht auf den Westbalkan

vergessen“, hielt Edtstadler fest.

Im Zuge ihres Aufenthalts in Warschau

traf die Europaministerin auch mit Olena

Selenska zusammen: „Die Gattin des ukrainischen

Präsidenten begrüßt den Plan mehrerer

Europaministerinnen, im November nach

Kiew zu kommen, um insbesondere die

weibliche Sicht auf den Krieg in den Fokus

zu rücken. Frauen sind in ihren vielfältigen

Rollen massiv vom Krieg betroffen. Es gibt

etwa Schätzungen, wonach ein Viertel der

Militärangehörigen weiblich ist.“ Ebenso

kam es zu einer Unterredung mit Vizepremierministerin

Olha Stefanishyna, mit der

die Europaministerin über die aktuelle Situation

in der Ukraine sprach.

Die Situation in der Ukraine stand auch

bereits davor beim Besuch einer von der Stra -

bag mitfinanzierten Unterkunft für ukrainische

Vertriebene im Mittelpunkt sowie beim

Besuch des „Ukraine Haus“, dem Ukrainski

Dom. „Ich bin tief beeindruckt vom großen

Engagement Polens und der polnischen Zi -

vilgesellschaft. Und ich bin froh, daß auch

Österreich für die Ukraine und die betroffenen

Staaten Hilfsleistungen im Umfang von

über 80 Millionen Euro bereitstellt“, erläuterte

Edtstadler.

Gasabkommen mit den

Vereinigten Arabischen Emiraten

Für den kommenden Winter haben wir

unsere Hausaufgaben gemacht, unsere

Speicher sind fast voll. Jetzt geht es um Versorgungssicherheit

für das nächste Jahr“,

betonte Bundeskanzler Karl Nehammer wäh -

rend seines Aufenthalts in Abu Dhabi. Die

Regierungsdelegation, bestehend aus dem

Kanzler, Finanzminister Magnus Brunner

und Energieministerin Leonore Gewessler,

trifft Vorsorge, um die Energieversorgung

auch für die Heizsaison 2023/24 zu sichern.

Ein wichtiger Bestandteil davon ist die Di -

versifizierung der Gasversorgung durch neue

Zuliefererländer, etwa durch die Vereinigten

Arabischen Emirate (VAE).

Fotos: BKA / Florian Schrötter

Europaministerin Karoline Edtstadler mit Kroatiens Außenminister, Gordan Grlić Radman, …

… mit der ukrainischen Vize Ministerpräsidentin, Olha Stefanishyna, und …

… mit der Gattin des ukrainischen Präsidentin, Olena Zelenska

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

30

„Wir haben unsere Abhängigkeit von russischem

Gas deutlich reduziert, von 80 Prozent

auf 50 Prozent“, so der Bundeskanzler.

Das hochrangige Treffen in Abu Dhabi sei

ein weiterer Meilenstein in der langjährigen

strategischen Zusammenarbeit zwischen den

Vereinigten Arabischen Emiraten und Österreich.

„Die VAE sind ein wichtiger strategischer

Partner und helfen uns, unsere Energiesicherheit

zu gewährleisten. Die Gespräche

gingen weit über die Lieferung von LNG

für Österreichs Energieversorgung hinaus und

umfaßten auch die wirtschaftliche Zusam -

menarbeit und den gemeinsamen Kampf ge -

gen den Klimawandel. Ich freue mich, daß

wir dies auch in einer gemeinsamen Erklärung

festhalten konnten.“

Ein Eckpfeiler der Vereinbarung zwischen

OMV, einem der größten Industrieunternehmen

Österreichs, und ADNOC, der Abu

Dhabi National Oil Company, ist die Lieferung

von einer Terawattstunde LNG aus den

Emiraten an die OMV. Das entspricht in

etwa dem Jahresverbrauch von rund 65.000

Haushalten mit Gasheizung. „Das ist eine

gute Menge, mit der wir jetzt beginnen können,

die Versorgungssicherheit für nächstes

Jahr vorzubereiten“, zeigte sich Nehammer

erfreut. Zum Vergleich: Deutschland be -

kommt mit Jahresanfang 2023 eine vergleichbare

Menge LNG, dies wurde beim

Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in

den VAE am 25. September vereinbart.

Darüber hinaus wurde eine gemeinsame

Vereinbarung zwischen der österreichischen

Bundesregierung und den VAE über die Zu -

sammenarbeit in Energiefragen zur Sicherstellung

der Energieversorgungssicherheit

und beim Klimaschutz getroffen. Darin ist

festgehalten, daß beide Partner weitere

Schritte im Sinne des „Comprehensive Strategic

Partnership Agreements"“ vom Juli

2021 setzen. Dabei geht es um die Weiterentwicklungen

für die Bereiche Energiesicherheit,

Klimaschutz und Industriekooperation

und die Schaffung der Strategic Energy

Security and Industrial Cooperation (SESIC).

Die Vereinigten Arabischen Emirate und

Österreich entsenden Vertreter mit den Zielen

der Förderung von Projekten im Energiebereich

und der Vernetzung von österreichischen

Unternehmen mit VAE-Unternehmen

sowie der verstärkten Nutzung der Plattformen

ABA (Austrian Business Agency) und

der „Make it in the Emirates“-Kampagne.

Zudem geht es um das Vorantreiben ge -

genseitiger Investitionen unter Berücksichtigung

möglicher Synergien mit der Österreichische

Beteiligungs AG, ÖBAG. n

Fotos: BKA / Dragan Tatic

Bundeskanzler Karl Nehammer mit VAE-Präsident Sheikh Mohamed Bin Zayed Alnahyan …

… mit Sultan Ahmed Al Jaber, CEO der Abu Dhabi Oil Company, und …

… mit Finanzminister Magnus Brunner und Umweltministerin Leonore Gewessler

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Arbeitsbesuch in Sarajewo

und Banja Luka

Eine europäische Perspektive für unsere

Partner am Westbalkan kann nur die

Vollmitgliedschaft in der EU bedeuten. Die

EU ist ohne unsere Partner am Westbalkan

nicht komplett.“ Das betonte Europaministerin

Karoline Edtstadler bei ihren Arbeitsgesprächen

am 3. und 4. November in Sarajewo

und Banja Luka. Es bestehe die „historische

Chance“, daß Bosnien und Herzegowina

– einer Empfehlung der Europäischen

Kommission im Oktober folgend – noch

2022 der Kandidatenstatus erteilt werden

kön ne. Die Europaministerin strich hervor,

daß Österreich „alles tun wird, um zu unterstützen“.

Gleichzeitig hielt Edtstadler fest,

daß weitere „sichtbare Zeichen für Reformen“

in Bosnien und Herzegowina gesetzt

werden müßten. Denn der Beitrittsprozeß

fuße auf konkreten Bemühungen seitens je -

nes Landes, welches den EU-Beitritt anstrebe.

Edtstadler traf im Rahmen ihres Arbeitsbesuchs

in Sarajewo das dreiköpfige bosnische

Staatspräsidium. Anschließend reiste sie

in den serbischen Landesteil, die Republika

Sprska, weiter, wo sie von Präsidentin Željka

Cvijanović empfangen wurde. Zuvor hatte

die Europaministerin den internationalen

Bosnien-Beauftragten Christian Schmidt so -

wie den stellvertretenden Außenminister Jo -

sip Brkić getroffen. Gespräche führte Edtstadler

zudem mit der Bürgermeisterin von

Sarajewo, Benjamina Karić, und Draško

Stanivuković, dem Bürgermeister von Banja

Luka.

Die Verflechtungen zwischen Österreich

und Bosnien und Herzegowina waren schon

immer eng – aus historischen Gründen, aber

auch auf politischer, kultureller und wirtschaftlicher

Ebene, etwa durch die Rolle

Österreichs als größter Investor im Land.

Österreich zählt seit jeher auch zu den stärksten

Befürwortern einer europäischen Perspektive

für das 3,3 Millionen EinwohnerInnen

zählende Land.

„Österreich wird sich beim Europäischen

Rat im Dezember für den Kandidatenstatus

für Bosnien und Herzegowina aussprechen.

Wir müssen jetzt unsere Versprechen einhalten

und Nägel mit Köpfen machen“, forderte

Edtstadler. Es sei eine Frage der Sicherheit

und Glaubwürdigkeit für die EU, gehe aber

auch um europäische Zukunftsperspektiven

für eine Region, die geopolitisch in den vergangenen

Monaten an Bedeutung gewonnen

habe, so Europaministerin Karoline Edtstadler

abschließend.

n

Fotos: BKA / Andy Wenzel

Europaministerin Karoline Edtstadler mit der Präsidentin der Republika Srpska, Željka Cvijanović

… mit dem stellvertretenden Außenminister von Bosnien und Herzegowina, Josip Brkić,

… und mit dem hohen Vertreter für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt

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Österreich, Europa und die Welt

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Western Balkans Youth Summit

Der Auftrag ist ganz klar: Wir müssen

den Westbalkan einbeziehen, wenn wir

über die Zukunft Europas sprechen“, hielt

Europaministerin Karoline Edtstadler am 11.

November an läß lich der Westbalkanjugendkonferenz

in Wien fest. Sie und Jugendstaatssekretärin

Claudia Plakolm haben die

Abschlussveranstaltung des Europäischen

Jahres der Jugend in Wien genützt, um diese

Konferenz mit TeilnehmerInnen aus allen

sechs Staaten des Westbalkans zu organisieren.

Die Veranstaltung endete mit der Unterzeichnung

einer gemeinsamen „Vienna We -

stern Balkans Youth Summit Declaration“.

„Die Europäische Union ist ohne die sechs

Staaten des Westbalkans nicht komplett. Wir

müssen sie unterstützen, ihnen eine glaubwürdige

Perspektive geben und den Vertrauensverlust,

den wir als Europäische Union

erlitten haben, wieder gut machen“, so Edtstadler.

Dies dürfe, angesichts der Bedrohungen

von außen, auch nicht in kleinen Schritten

passieren. „Es ist Zeit, zusammenzustehen“,

betonte Edtstadler.

Wichtig sei es, hier auch die Jugend einzubeziehen,

auf sie zuzugehen, denn insbesondere

die Jugend in den Westbalkanländern

würde an eine Zukunft in der Europäischen

Union glauben. „Das ist unsere Chance, hier

große Schritte nach vorne zu machen“, schloß

die Europaministerin.

„Es ist richtig, das Europäische Jahr der

Ju gend mit der Zukunft, nämlich mit dem

Westbalkan, ausklingen zu lassen. Deswe -

gen freut es mich, daß wir erstmalig einen

Westbalkan-Jugendgipfel ins Leben gerufen

haben“, hielt Jugendstaatssekretärin Claudia

Plakolm im Bundeskanzleramt fest. „Es ist

extrem wichtig, daß wir jungen Menschen am

Westbalkan eine starke Perspektive geben,

weil ein Drittel der jungen Menschen beruflich

bedingt sagt, daß sie einen starken

Wunsch haben, auszuwandern. Wegen der

Politikverdrossenheit müssen wir als Europäische

Union sorgfältiger mit unseren Versprechungen

werden“, so Plakolm. „Wer die

Bedingungen erfüllt, muß umgehend Beitrittskandidat

werden und darf nicht im Vorzimmer

auf das nächste gute Wetter warten

müssen.“

„Wir und der Westbalkan: Das ist eine

Mannschaft – nur manchen fehlt halt noch

die Spielerlizenz. Daran müssen wir miteinander

arbeiten“, erläuterte die Jugendstaatssekretärin.

Der Angriffskrieg in der Ukraine

habe zu einem gewissen Umdenken geführt,

weil Österreich davor ein bißchen für sein

Engagement in diesem Bereich belächelt

Fotos: BKA / Andy Wenzel

Fotos: BKA / Dragan Tatic

Europaministerin Karoline Edtstadler (r.) und Staatssekretärin Claudia Plakolm

wor den sei. Jetzt sei aber klar, daß alle miteinander

auf diesem Kontinent an einem

Strang ziehen müßten. „Bei den Jugendli -

chen zeigen sich bereits kleine Schritte, etwa

in den Mobilitätsprojekten der Europäischen

Union, wodurch man den Kontinent besser

kennenlernen kann, was nur durch das ge–

meinsame Erleben möglich wird. Auch bei

unserer Jugend in Österreich müssen wir das

Bewußtsein schaffen, welche neuen Chancen

sich durch eine EU-Erweiterung im West -

balkan auftun“, betonte Claudia Plakolm ab -

schließend.

n

Bundeskanzler Karl Nehammer

reiste nach Serbien

Zu Beginn seiner Reise in die Westbalkanregion

traf Bundeskanzler Karl Ne -

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hammer am 17. November mit der Ministerpräsidentin

von Serbien, Ana Brnabić, zu -

sammen. „Wir können die Westbalkanstaaten

nicht jemand anders überlassen. Eine

Beschleunigung des EU-Beitrittsprozesses

dieser Region wäre wegen einer zu befürchtenden

Destabilisierung des Westbalkan

durch Rußland wichtig“, betonte der österreichische

Regierungschef im Rahmen seiner

Unterredung in Belgrad. Dabei sei es

auch von Bedeutung, daß die EU bei den

Bei trittsverhandlungen ihre Hausaufgaben

erledige. „Aus unserer Sicht ist es wichtig,

daß wir an der Seite Serbiens als Brückenbauer

in die Europäische Union hinein stehen.

Denn dieses Land ist ein wichtiger geostrategischer

und geopolitischer Partner. Ich

bin auch zuversichtlich, daß nun die Vorbe-

Bundeskanzler Karl Nehammer wurde in Belgrad von Serbiens Premierministerin Ana Brnabic

mit militärischen Ehren empfangen


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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Bundeskanzler Karl Nehammer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Serbiens Premierministerin Ana Brnabic

halte innerhalb der EU gegen eine Erweiterung

kleiner geworden sind“, so Nehammer.

Es gebe eine andere Stimmung in der Europäischen

Union. Perspektiven für einen Beitritt

seien wichtig, damit die Staaten nicht in

anderen Einflußsphären landen.

Der Bundeskanzler äußerte sich auch zur

Tatsache, daß sich Serbien nicht an den Sank -

tionen gegen Rußland beteiligt: „Das Land

ist selbst von Sanktionen gekennzeichnet und

die Wirtschaft wächst erst langsam.“ Daher

seien Maßnahmen, die Serbien zusätzlich be -

schränken würden, einfach nicht durchführbar.

„Als wichtiger Handelspartner Österreichs

werden die Sanktionen zudem automa -

tisch mitgetragen“, erläuterte Nehammer ab -

schließend, der vor seiner Weiterreise mit dem

serbisch-orthodoxen Patriarchen Porfirije

zu sammentraf.

n

Foto: Dragan Tatic

Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) mit Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. …

Foto: Dragan Tatic

Foto: Dragan Tatic

Foto: Dragan Tatic

Treffen mit Patriarch Porfirije Periæ

…und mit dem serbischen Innenminister Aleksandar Vulin.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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Foto: BKA / Andy Wenzel

Bundeskanzler Karl Nehammer wurde von Kroatiens Premierminister Andrej Plenković in Zagreb mit militärischen Ehren empfangen

Partnerschaft mit Kroatien bei Energieversorgung

ausbauen

Es ist beeindruckend, was durch Technologie

und Innovationskraft möglich ist“,

betonte Bundeskanzler Karl Nehammer am

24. November im Rahmen eines mit Kroatiens

Premierminister Andrej Plenković und

Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder

abgehaltenen Pressegesprächs auf der Insel

Krk, und sprach damit den dort präsentierten

LNG-Flüssiggas-Terminal an. Österreich ha -

be es 2022 geschafft, die Abhängigkeit von

russischem Gas von 80 auf 21 Prozent zu re -

duzieren. Der Füllstand in den Gasspeichern

betrage derzeit 95 Prozent. „Besonders dabei

ist die Diversifizierung, die Unabhängigkeit

von russischem Gas. Das ist nur mög lich,

wenn man kooperiert und neue Möglichkeiten

sucht, die dann auch weiterentwickelt

werden“, so Nehammer.

Beim Energieministerrat gab es einen be -

sonders wichtigen Beschluß, wodurch Ge -

neh migungsverfahren für erneuerbare Energien

deutlich beschleunigt werden. „Das ist

wichtig für den Infrastrukturausbau und

wenn es darum geht, unabhängiger von fossiler

Energie und widerstandsfähiger gegenüber

Abhängigkeiten zu werden“, hielt der

österreichische Bundeskanzler fest. „Um

auch den Technologiewandel zu vollziehen –

die heutige Pipeline, das heutige Terminal,

ist morgen das Terminal für Wasserstoff, für

die neue Speicherenergie der Zukunft –

braucht es den Ausbau gemeinsamer Projekte.

Deshalb freut es mich sehr, daß Kroatien,

Bayern und Österreich die Steuerungsgruppe

Foto: BKA / Andy Wenzel

Der Bundeskanzler bei einem Treffen mit Kroatiens Staatspräsident Zoran Milanević…

Energie ins Leben gerufen haben. Von unserer

Seite werden die Klimaschutzministerin

sowie der Wirtschafts- und Arbeitsminister

ver treten sein, um möglichst rasch zu konkreten,

notwendigen Umsetzungsschritten zu

kommen. Damit investieren wir in die Zu -

kunft, um freier und abhängiger von fossiler

Energie zu werden“, sagte Nehammer.

Enormer Druck für Österreich

durch illegale Migration

Bereits am ersten Tag des Aufenthalts in

Kroatien traf Bundeskanzler Karl Nehammer

unter anderem mit dem kroatischen Premierminister

Andrej Plenković zusammen.

„Österreich und Kroatien verbindet eine

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langjährige und tiefgehende Freundschaft.

Wir feiern heute 30 Jahre bilaterale Beziehungen.

Wir sind wirtschaftlich stark miteinander

verbunden, es gibt auch eine enge ge -

schichtlich-kulturelle und eine enge sicherheitspolitische

Verbindung“, betonte der

Bundeskanzler bei einer Pressekonferenz in

Zagreb. Österreich verzeichne einen enormen

Druck aufgrund der irregulären Migration,

und das, obwohl man ein EU-Binnenland

sei: „Seit 2015 hat man viele Menschen

aufgenommen. Aktuell bietet man Zehntausenden

aus der Ukraine Schutz. Wir haben

95.000 Asylanträge zusätzlich zu den Ukrainerinnen

und Ukrainern, die versorgt werden

müssen. Das größte Problem ist, daß viele


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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keine Asylberechtigung haben und der Großteil

ist nicht registriert“, so der österreichische

Regierungschef. Insgesamt habe es über

100.000 irreguläre Aufgriffe gegeben, wo -

von rund 75.000 nicht registriert gewesen

seien. Das Problem könne man nur gemeinsam

lösen.

Zurückweisungsrichtlinie für Menschen

aus sicheren Herkunftsländern

„Wir diskutieren über die Schengen-Er -

weiterung, während wir gleichzeitig sehen,

daß die Außengrenzen mangelhaft oder nicht

geschützt sind – und dafür braucht es Maßnahmen.

Wir respektieren das, was Kroatien

für unseren Grenzschutz getan hat. Wenn wir

über Schengen sprechen und kritisieren, daß

der Plan von der Kommission vollendet werden

soll, ist von unserer Kritik Kroatien

nicht umfaßt“, hielt der Bundeskanzler fest.

„Von den 75.000 nicht registrierten Menschen

kommen zwar 40 Prozent über die

Westbalkanroute zu uns, aber 40 Prozent

über die Türkei, Rumänien und Ungarn.

Daher hat der Innenminister der Kom -

mission ein klares Zeichen gegeben. Das

Europäische Asylsystem ist gescheitert. Wir

brauchen eine Zurückweisungsrichtlinie,

damit Asylwerber aus sicheren Herkunftsstaaten

schneller zurückgewiesen werden

kön nen“, so Nehammer. Österreich entsende

Hunderte Polizeikräfte und erhalte dabei

überhaupt keine Unterstützung seitens der

Kommission. Jedoch leiste man sich Frontex

mit rund 750 Millionen Euro an Kosten.

„Wir sind den Menschen in der EU schuldig,

daß wir das Problem lösen.“

Abhängigkeit von fossiler

Energie zurückdrängen

Eigentlicher Grund des Aufenthalts in

Kroatien sei jedoch die Sicherheit der Energieversorgung

gewesen. Österreich habe viel

gegen die Abhängigkeit von russischem Gas

unternommen. „Das ist gelungen, weil es

eine gute Zusammenarbeit mit den Institutionen

der EU gegeben hat und weil alle in

Österreich Verantwortlichen zusammengewirkt

haben. Jetzt kann die Partnerschaft mit

Kroatien weiter ausgebaut werden. Es geht

um Zukunftsthemen. Diese Themen bewe -

gen uns als politische Verantwortliche für

un sere beiden Länder“, schloß Nehammer

und bedankte sich bei seinem kroatischen

Amtskollegen für die Gastfreundschaft.

Auf dem Programm standen noch weitere

bilaterale Gespräche mit Staatspräsident Zo -

ran Milanović und Parlamentspräsident Gordan

Jandroković.

n

Foto: BKA / Andy Wenzel

Foto: BKA / Christopher Dunker

… und bei einem Treffen mit Kroatiens Parlamentspräsidenten Gordan Jandrokovic

Edtstadler ins Führungsgremium

des IGF berufen

Das Internet ist ein unverzichtbarer Teil

unseres Lebens geworden. Insbesondere

während der Pandemie waren wir froh,

daß wir auf diesem Weg kommunizieren

konn ten“, so Verfassungsministerin Karoline

Edtstadler. „Das hat der Digitalisierung einen

wahren Boost verliehen. Wir haben aber

auch die Schattenseiten gesehen: Wir reden

vom Haß im Internet, wir reden davon, daß

Menschen sich im Internet eine zweite Identität

kreieren. Das Leben im Internet darf

aber kein rechtsfreier Raum sein. Unsere

Rechte offline müssen auch online gelten. Es

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liegt in der Verantwortung der Staaten und

ihrer Parlamente, hier die entsprechenden

Re gelungen auf dem Weg zu bringen. Ich

denke, daß das weltumspannend wichtig

ist“, hielt Edtstadler im Rahmen des Internet

Governance Forums der Vereinten Nationen

(UNO) fest, das vom 28. November bis 2.

Dezember in Addis Abeba stattfand. Dabei

standen Themen wie der bessere Zugang

zum Internet, Cybersecurity, Menschenrechte

im Onlinebereich sowie Haß im Netz im

Zentrum.

Um die Inhalte und Bedeutung des Internet

Governance Forums zu erhöhen, wurde

ein zehnköpfiges Leadership Panel unter Vor -

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler bei der Sitzung der hochrangigen UN-Führungskräfte

zum Thema „Digitale Rechte“ in Addis Abeba


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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sitz des US-Informatikers Vinton Gray Cerf

eingerichtet. Edtstadler wurde von UNO-

Ge neralsekretär Antonio Guterres in dieses

Führungsgremium berufen.

„Ich würde mir wünschen, daß wir in we -

nigen Jahren gleiche Rechte für alle im Inter -

net haben und daß es nicht die großen Konzerne

und die Social-Media-Plattformen

sind, die uns diktieren, wie die User vorzugehen

haben. Die Menschenrechte, die offline

gelten, müssen auch online gelten. Wir

müssen also schnell zu einem gemeinsamen

Verständnis kommen, wie wir diese im digitalen

Raum verankern können. Mein Anliegen

als ehemalige Richterin ist, im Bereich

Haß im Netz etwas beizutragen“, so die Verfassungsministerin.

n

Bundeskanzler Nehammer bei

Westbalkan-Gipfel in Tirana

Als „ersten wichtigen Schritt“ bezeichnete

Bundeskanzler Karl Nehammer am

6. Dezember den EU-Aktionsplan für die

Balkanroute nach dem EU-Westbalkangipfel

in Tirana. Es gehe ihm aber nicht nur um die

Westbalkanroute, sondern auch um die Mi -

grationsroute über Bulgarien und Rumänien

nach Österreich. Erneut bekräftigte er Österreichs

Nein zur Schengen-Erweiterung um

Bulgarien und Rumänien. In Bezug auf das

Thema Migration habe Österreich mit der

EU-Kommission „noch viele Themen zu be -

sprechen“. Nehammer nannte etwa Asylverfahren

in sicheren Drittstaaten oder eine „Zu-

rückweisungsrichtlinie“ für Menschen aus

Ländern, die keine Bleibeberechtigung ha -

ben. Als Erfolg sei jedoch zu werten, daß die

EU anerkenne, daß „der Westbalkan ein

wichtiger geostrategischer Partner ist, wenn

es um illegale Migration geht“.

Der Westbalkangipfel fand erstmals in der

Region statt. Die Hauptthemen waren die

ge meinsame Bewältigung der Folgen des

Ukraine-Kriegs, der EU-Erweiterungsprozeß,

die Stärkung der gemeinsamen Sicherheit und

der Kampf gegen illegale Migration. Außerdem

ging es um die Verhinderung von Einflußnahme

aus dem Ausland. Neben den 27

EU-Mitgliedsstaaten – außer Spanien – nahmen

die sechs Partnerländer des westlichen

Balkans, Albanien, Bosnien-Herzegowina,

Serbien, Montenegro, Nordmazedonien und

Kosovo, an dem Gipfel teil.

EU-Aktionsplan – Neue Europol-Taskforce

Der Aktionsplan zur Balkanroute war be -

reits im Vorfeld des Gipfels von der EU-Kom -

mission präsentiert worden. Dieser umfaßt

20 Maßnahmen. Die EU-Kommission will

Foto: BKA / Andy Wenzel Foto: BKA / Andy Wenzel

Der Bundeskanzler mit Željka Cvijanović, Präsidentin von Bosnien und Herzegowina, und…

… mit dem albanischen Premierminister Edi Rama

die Westbalkanländer bei den Asyl- und Re -

gistrierungsverfahren sowie bei der „Ge -

währ leistung angemessener Aufnahmebedingungen“

unterstützen. Für das kommende

Jahr kündigte sie ein Programm für Rück -

führungen an. Die EU-Grenzschutzbehörde

Frontex soll bei der Verstärkung des EU-Aussengrenzschutzes

helfen. An der Grenze

zwi schen Ungarn und Serbien wird eine neu

eingesetzte Europol-Taskforce ihre Tätigkeit

aufnehmen.

Laut EU-Grenzschutzagentur Fron tex ist

die Westbalkanroute über die Westbalkanländer

und Ungarn eine der ak tivsten Migrationsrouten.

128.438 Menschen seien hier in

den ersten zehn Monaten 2022 eingereist.

Das sei im Vergleich zum Vorjahr ein Plus

von 168 Prozent.

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Keine Zustimmung zu Schengen-Erweiterung

Zum Thema Schengen machte Nehammer

angesichts der hohen Zahl an illegal eingereisten

Migranten die österreichische Po -

sition erneut klar: „Es gibt derzeit keine Zu -

stimmung zu einer Erweiterung um Bulgarien

und Rumänien.“ Aus österreichischer

Sicht sei eine Erweiterung nicht denkbar,

wenn nicht Maßnahmen gesetzt würden, um

die Zahlen zu reduzieren. „Wir haben 75.000

nicht registrierte Migranten“, stellte Nehammer

fest. Diese würden vor allem über Bulgarien

in die EU gelangen, einige tausend

aber auch über Rumänien. Durch Befragungen

von Asylwerbern und Schleppern sowie

der entsprechenden Handydatenauswertung

wis se man, daß 40 Prozent die Route über

die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Un -


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

37

garn nach Österreich wählen. In Ungarn wur -

den nur rund 100 Asylanträge gestellt.

Strategische Partnerschaft EU-Westbalkan

Nehammer verwies auch auf die enge

wirtschaftliche Kooperation zwischen dem

Westbalkan und der EU etwa bei der Energieversorgung.

Die EU stelle den Westbalkan-Staaten

hierfür eine Milliarde Euro zur

Verfügung. Der Gipfel sei, so Nehammer,

„ein total starkes Lebenszeichen für die Be -

ziehungen der Europäischen Union zum

Westbalkan“. Problemfelder und Bereiche,

in denen es noch Nachholbedarf gebe seien

„sehr offen angesprochen worden“, so der

Kanzler.

Der EU-Gipfel gab überdies ein Bekenntnis

zur Bedeutung der strategischen Partnerschaft

zwischen der EU und den sechs Westbalkanländern

vor dem Hintergrund des russischen

Angriffskriegs gegen die Ukraine ab.

Der Beschluß, die gemeinsame Beschaffung

von Gas, Flüssiggas und Wasserstoff für den

Westbalkan zu öffnen, wurde bekräftigt. Die

Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit

und Verteidigung soll vertieft werden.

Für eine Beschleunigung des Beitrittsprozesses

sollten notwendige Reformen vorangetrieben

werden, insbesondere in Bezug auf

den Kampf gegen Korruption und organisierte

Kriminalität. Im Bereich Migration wird

eine Anpassung der Visapolitik der Westbalkan-Staaten

an die EU-Standards angestrebt,

sowie eine verstärkte Zusammenarbeit bei

Rückführungen.

Serbien beendet Visafreiheit

mit Indien zum Jahresende

Im Bereich Migration hat Serbien angekündigt,

die Visa-Liberalisierung mit Indien

mit Jahreswechsel zu beenden; mit Tunesien

wurde die Visaliberalisierung bereits abgeschafft.

Dies könnte auch Auswirkungen auf

Österreich haben, wo es bei der Zahl der

Asylanträge aus Indien und Tunesien im

Herbst eine dramatische Steigerung auf

mehr als das Zwanzigfache gegeben hatte.

Foto: BKA / Florian Schrötter

„Starkes Signal der Annäherung“

Bereits im Vorfeld des Gipfels hatte sich

Bundeskanzler Nehammer zum Gipfel geäussert:

„Es ist ein starkes Signal der Annäherung,

daß der EU-Westbalkangipfel dieses

Mal in der Region stattfindet. Ich hoffe, daß

wir im Dezember gemeinsam ein ebenso

starkes Signal mit der Verleihung des Kandidatenstatus

an Bosnien und Herzegowina

setzen können“, sagte Nehammer. Die Annäherung

und enge Verbindung zu den Westbalkanländern

sei zudem für Österreich eine

historische Selbstverständlichkeit. Für die

Eu ropäische Union sei sie auch eine Sicherheitsfrage.

„Gerade im Kampf gegen illegale

Migration und organisierte Kriminalität

müs sen wir unsere Zusammenarbeit mit den

West balkan-Ländern noch weiter stärken“,

so der Bundeskanzler.

n

Edtstadler zu Gesprächen über den EU-

Ratsvorsitz in Schweden

Europaministerin Karoline Edtstadler

befand am 6. und 7. Dezember auf Ar -

beitsbesuch in der schwedischen Hauptstadt

Stockholm und ist dort mit ihrer Amtskollegin

Jessika Roswall zusammengetroffen.

„Schweden übernimmt am 1. Jänner 2023 den

Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Es

gibt daher viele Dinge zu besprechen, et wa

das Arbeitsprogramm des schwedischen Rats -

vorsitzes. Darunter sind natürlich auch die

brennenden Themen wie der Kampf gegen

il legale Migration und gegen den Klimawandel

sowie Maßnahmen für mehr Wettbewerbs -

fähigkeit in Europa.“

Bei dem Gespräch hat Karoline Edtstadler

Österreichs Nein zu Schengen-Er we -

iterung be kräftigt: „Wir können nicht für die

Erweiterung des Schengen-Raums stimmen,

weil es dabei auch um die Frage der Si cher -

heit der europäischen Bürgerinnen und Bürger

geht.“

„Mit Schweden übernimmt ein Staat den

Vorsitz im Rat der Europäischen Union, der

vie le Erfahrungen hat, was hohe Zahlen an

Mi gration betrifft. Deshalb bin ich sehr zu -

Bundesministerin Karoline Edtstadler mit der schwedischen EU-Ministerin, Jessika Roswall,

Foto: BKA / Florian Schrötter

… bei einem Treffen mit Nobelpreisträger Prof. Anton Zeilinger …

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

38

versichtlich, daß Schweden unter der Präsidentschaft

alles tun wird, um tatsächlich Lö -

sungen voranzutreiben“, betonte Edtstadler.

Zwar müsse die Ratspräsidentschaft ein ehrlicher

Vermittler sein, doch „wenn man diese

Dinge im eigenen Land erlebt hat“, bemühe

man sich besonders um Lösungen für die ei -

gene Bevölkerung. Die Europaministerin be -

tonte, daß der Schengen-Raum „nicht funktioniert“.

75 Prozent der nach Österreich kom -

menden Asylwerber seien nämlich zuvor

nicht registriert worden, obwohl dies europa -

rechtswidrig sei. Sie sei aber froh, daß es nun

„etwas Bewegung in der Debatte“ gebe und

etwa die EU-Kommission einen Aktionsplan

zur Balkanroute vorgelegt habe, den Österreich

begrüße. „Wir sind dafür, daß man das

Thema im Gespräch hält“, sagte die Ministerin.

Auf EU-Ebene habe es „selten eine so ho -

he Aufmerksamkeit“ für das Thema Migration

gegeben wie jetzt.

Edtstadler hat bei ihrem Aufenthalt in

Stockholm zudem den Sitz der schwedischen

Migrationsbehörde und ein Abschiebezentrum

im Norden der Ostseemetropole besuchen.

Nobelpreis an Zeilinger: Starker Beweis

für Wissenschaftsstandort Österreich

Bereits am 5. Dezember traf Edtstadler

am Stockholmer Flughafen mit dem diesjährigen

Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger

zusammen. „Der Nobelpreis für Physik

ist ein starker Beweis für den Wissenschaftsstandort

Europa und eine verdiente Anerkennung

für das beeindruckende Lebenswerk

von Anton Zeilinger. Ich gratuliere von ganzem

Herzen zu dieser Auszeichnung. Österreich

ist stolz, solche Wissenschaftler zu ha -

ben“, betonte die Ministerin. (Anm.d.Red.:

siehe unseren Beitrag ab der Seite 125)

Im Anschluß besuchte Edtstadler die Kon -

zernzentrale des Telekomkonzerns Ericsson.

Dort führte sie in ihrer Rolle als Mitglied des

von UN-Generalsekretär António Guterres ins

Leben gerufenen „Internet Governance Fo -

rum“ Gespräche zur globalen Regelung des

Internets. „Ericsson ist weltweit führend in

der Kommunikationstechnologie. Das Unter -

nehmen setzt einen Schwerpunkt auf den

Ausbau von 5G. Alles, vom fahrerlosen Auto

bis zum Wetterballon, wird auf 5G angewiesen

sein, um zu funktionieren“, so die Europaministerin.

Am späten besuchte Edtstadler zudem

eine Lichtinstallation der österreichischen

Künstlerin Eva Beierhammer anläßlich der

„Nobel Week Lights“ in der Stockholmer In -

nenstadt.

n

Foto: BKA / Florian Schrötter

… und beim Besuch der Ericsson Konzernzentrale in Stockholm

Boost für weitere Beitrittsprozesse

am Westbalkan

Wir haben wieder wichtige Punkte auf

der Tagesordnung: In erster Linie ist

hier die Vorbereitung des Europäischen Ra -

tes zu nennen, wo Themen wie Ukraine –

Rußland, aber auch Energie, Wirtschaft, Si -

cherheit und Verteidigung und natürlich die

Außenbeziehungen der Union in dieser De -

batte eine Rolle spielen werden. Aus österreichischer

Sicht ist dabei auch das Thema

Migration ganz wesentlich“, sagte Europaministerin

Karoline Edtstadler in den Doorsteps

vor dem Rat Allgemeine Angelegenheiten

in Brüssel. Da es sich um den letzten

Rat der EuropaministerInnen unter tschechischem

Vorsitz handelt, bedankte sie sich für

eine nicht einfache Vorsitzführung in herausfordernden

Zeiten, die aber sehr umsichtig

erfolgt sei.

Kandidatenstatus für Bosnien-Herzegowina

Ein weiterer Tagesordnungspunkt betraf

die Empfehlung der Europäischen Kommission,

Bosnien-Herzegowina den EU-Kandidatenstatus

zu verleihen. Die Europaministerin

zeigte sich darüber hocherfreut: „Das ist

ein wichtiges Zeichen für die Region und

gerade in Zeiten, wo es viele Herausforderungen

gibt, erhoffe ich mir davon auch, daß

ein wahrer Boost entsteht, was die weiteren

Schritte im Beitrittsprozeß der anderen Länder

am Westbalkan betrifft“, so Edtstadler.

Rechtstaatlichkeit und Ungarn

Zum jüngsten Beschluß der EU-Staaten

betreffend Ungarn betonte die Europaministerin

einmal mehr, daß es bei der Rechtstaatlichkeit

Klarheit brauche und es keine

Abstriche geben dürfe. „Daher halte ich es

für notwendig, hier auch weiterhin über 50

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Prozent der Gelder eingefroren zu halten, um

die begonnenen Reformschritte, die man

anerkennen muß, fortzusetzen.“ Es sei das er -

ste Mal, daß der Konditionalitätsmechanis -

mus Anwendung finde. „Es braucht auf der

einen Seite Klarheit und auf der anderen

Seite Fairness.“

Zudem sei es wichtig, Überzeugungsarbeit

dafür zu leisten, daß die Hilfe für die

Ukraine, die Ungarn blockiert habe, jetzt

notwendig sei. Umgekehrt sei es jedoch auch

für Ungarn wichtig, Gelder freizubekommen,

da jeder Cent, der für Unterstützungsleistungen

gewährt werden könne, zähle.

„Das muß in die richtige Richtung gehen

und dafür wird Österreich immer eintreten“,

hielt Edtstadler fest.

Korruptionsvorwürfen begegnen

Tief erschüttert zeigte sich die Europaministerin

über die mutmaßlichen Korruptionsvorwürfe

im Europäischen Parlament. „Was

es jetzt braucht, ist Aufklärung und Transparenz.

Ich bin der Präsidentin Roberta Metsola

zutiefst dankbar, daß sie diese harten

Schritte zur Aufklärung setzt. Die, die verantwortlich

sind, müssen zur Verantwortung

gezogen werden“, so Edtstadler. Es sei unerträglich,

daß eine Institution gerade in einer

Zeit „in den Dreck gezogen“ werde, in der

De mokratie etwas ganz Wichtiges sei und

wo sehr viel Vertrauensverlust vorherrsche.

Es sei wichtig, daß entsprechende Schritte

gesetzt werden, um das Vertrauen wiederaufzubauen

und alles auszuräumen, was am

Tische liege.

„Ich unterstütze die Europäische Parlamentspräsidentin,

die für Aufklärung und

Transparenz steht, zu 100 Prozent“, so die

Europaministerin.

n

https://www.bundeskanzleramt.gv.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Aus dem Außenministerium *)

39

Isländische Außenministerin Thórdís

Kolbrún Reykfjörd Gylfadóttir in Wien

Anläßlich der Wiedereröffnung der bilateralen

isländischen Botschaft in Wien

empfing Außenminister Alexander Schallenberg

am 16. September seine isländische

Amts kollegin Thórdís Kolbrún Reykfjörd

Gylfadóttir. Neben bilateralen Themen wa -

ren auch die Sicherheitslage in Europa und

die anstehende isländische Präsidentschaft

im Europarat Thema. Schallenberg begrüßte

ihr gegenüber die Entscheidung, die 2017 ge -

schlossene bilaterale Botschaft wiederzueröffnen.

„Die Wiedereröffnung der Botschaft

ist ein wichtiges Zeichen, vor allem aber gibt

es dadurch einen zusätzlichen Kanal über

den Österreich und Island in Zukunft noch

enger zusammenarbeiten können. Die ohnehin

sehr guten bilateralen Beziehungen werden

so nochmals deutlich aufgewertet“,

zeigte er sich erfreut.

Weitere Möglichkeiten für eine engere

Zusammenarbeit gibt es durch die laufenden

Investitionen in die Infrastruktur und den

Energiesektor Islands. Auf diesen Gebieten

können österreichische Firmen viel Know-

How vorweisen von dem auch Island profitieren

kann.

Abschließend wünschte der Außenminister

seiner Amtskollegin alles Gute und viel

Erfolg für den Vorsitz im Europarat, den Is -

land im November übernommen hat. Auch

in diesem Gremium müssen die Mitgliedsstaaten

Einigkeit gegen die russische Ag -

gression gegen die politische Ordnung, die

sich nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert

hat, demonstrieren. Darüber hinaus äußerte

Schallenberg seine Hoffnung, daß es während

des isländischen Vorsitzes Fortschritte be -

züglich Kosovos Aufnahme in den Europarat

gibt.

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Außenminister Alexander Schallenberg traf seine isländische Amtskollegin Thordis Kolbrun

Reykfjörd Gylfadottir zu Gesprächen in Wien

ganz im Zeichen des russischen Angriffskrieges

gegen die Ukraine stand. Österreich

war dabei auch durch Außenminister Alexander

Schallenberg vertreten. Um weiterhin

ein gemeinsames Vorgehen abzusprechen,

trafen die EU-AußenministerInnen im Vorfeld

in New York zusammen, um die geopolitischen

Auswirkungen der russischen Invasion

der Ukraine zu erörtern. Dabei hat sich

Österreich einmal mehr für ein entschlossenes

und einheitliches Vorgehen mit Augenmaß

eingesetzt. Zudem stand ein Austausch

mit jüdischen Organisationen auf dem dicht

gefüllten Programm.

Höhepunkt der Arbeitsreise in New York

war die Rede des Außenministers vor der

VN-Generalversammlung. Darin forderte er

dazu auf, Konflikte auf diplomatischem We -

ge zu lösen und für die Grundlagen der regel -

basierten Internationalen Ordnung einzustehen.

Während Schallenberg bei seiner Rede

vor einem Jahr noch vorsichtig optimistisch

war, daß es nach der COVID-Pandemie wie-

Schallenberg bei der Generalversammlung

der Vereinten Nationen

Von 20. bis 26. September fand die 77.

Generalversammlung der Vereinten Na -

tionen in New York statt, die in diesem Jahr

*) Anmerkung der Redaktion: Wir berichten seit Jahren

umfassend über Österreichs außenpolitische

Ereignisse. Es würde jedoch viele zusätzliche Seiten

erfordern, würden wir bei jedem Bericht aus dem

Außenministerium alle Aussagen zum Ukraine-

Krieg der vergangenen Monate aufnehmen. Deshalb

haben wir uns entschlossen, großteils nur in

den letztaktuellen Beiträgen darauf einzugehen –

und bitten um Verständnis dafür.

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Außenminister Alexander Schallenberg bei seiner Rede vor der UN-Generalversammlung

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

40

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Foto: BMEIA / Michael Gruber

der bergauf geht, stand seine diesjährige Rede

ganz im Zeichen des brutalen russischen

Angriffskriegs auf die Ukraine.

„Am 24. Februar kehrte der Krieg nach

Europa zurück, als Rußland die Ukraine –

ein unabhängiges und souveränes Land –

brutal angriff. Rußland versucht, mit Panzern

und Raketen die Grenzen neu zu ziehen

[...]. Es setzt explizite nukleare Erpressung

und fingierte ,Referenden‘ ein und verstößt

damit eindeutig gegen das Völkerrecht“, so

Schallenberg zu Anfang seiner Rede.

Dieser Krieg habe mehrere Illusionen

zerstört. Jene, daß die Sicherheitsarchitektur,

die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs

geschaffen wurde, weiterhin eine Friedensdividende

abwirft und Stabilität und Wohlstand

garantiert, sowie jene, daß alle Krisen

und Spannungen letztlich mit friedlichen Mit -

teln gelöst werden können und würden. Mit

Verweis auf die Charta der Vereinten Nationen

betonte der Außenminister, daß dieser

Krieg ein Angriff auf die regelbasierte internationale

Ordnung, die die Staatengemeinschaft

in den letzten Jahrzehnten gemeinsam

aufgebaut hat und ein eklatanter und vorsätzlicher

Verstoß gegen das Gründungsdokument

der VN ist.

„In dieser Charta hat sich jeder einzelne

Staat in diesem Saal verpflichtet, internationale

Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln

beizulegen und von der Androhung von Ge -

walt gegen die territoriale Unversehrtheit

oder politische Unabhängigkeit eines Staates

abzusehen. Und dieser Verstoß wurde nicht

von irgendeinem Staat begangen, sondern

von einem ständigen Mitglied des Sicherheitsrates

– dem Organ, das für die Wahrung

der Charta, des Weltfriedens und der internationalen

Sicherheit zuständig ist“, erinnerte

der Außenminister Rußland an seine Verpflichtungen.

Im Schlußteil seiner Rede wies er darauf

hin, daß wirksamer Multilateralismus und

die Achtung der Rechtsstaatlichkeit seit

Jahrzehnten im Mittelpunkt der österreichischen

Außenpolitik stehen und rief alle Staaten

auf, ebenfalls für ein funktionierendes

multilaterales System und eine regelbasierte

internationale Ordnung zu kämpfen. Denn

das heutige Handeln wird das internationale

System von morgen prägen. „Laßt uns standhaft

sein. Laßt uns bereit sein, unsere Werte

zu verteidigen. Die Werte unserer Vereinten

Nationen“, appellierte der Außenminister

ab schließend.

Abseits von den politischen Terminen

war Außenminister Schallenberg mit Vertretern

jüdischer Organisationen zusammengetroffen

und hat an der Verleihung der österreichischen

Staatsbürgerschaft an direkte

Nachkommen von Verfolgten des NS-Regimes

mitgewirkt: „Die Möglichkeit zur Überreichung

der Staatsbürgerschaft bewegt mich

sehr. Die Erinnerung an die Verbrechen der

Shoah wachzuhalten und Antisemitismus in

jeder Form zu bekämpfen, ist unsere moralische

und politische Pflicht – wir danken unse -

ren neuen Österreicherinnen und Österreichern

für ihr Vertrauen, mit dem wir sorgsam

umgehen werden“, so Schallenberg, der be -

grüßt, daß weltweit bereits mehr als 17.000

derartige Staatsbürgerschafts-Ansuchen po -

sitiv abgeschlossen werden konnten.

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Treffen mit Vertretern jüdischer

Organisationen in New York

Am 22. September traf Außenminister

Schallenberg am Rande der 77. Generalversammlung

der Vereinten Nationen in New

York den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses

(WJC), Ronald Lauder, und den

CEO des Amerikanisch-Jüdischen Komitees

(AJC), David Harris. Darüber hinaus tauschte

er sich mit VertreterInnen weiterer jüdischer

Organisationen – B’nai B’rith, der Anti-Diffamierungsliga

(ADL), der Nationalen Koalition

zur Unterstützung des Eurasischen Ju -

dentums (NCSEJ) sowie dem Dachverband

jüdischer Organisationen in den USA, der

Außenminister Alexander Schallenberg traf den Präsidenten des World Jewish Congress,

Ronald Lauder, am Rande der UN-Generalversammlung in New York

v.l.: Außenminister Alexander Schallenberg, Bundeskanzler Karl Nehammer und Österreichs

Generalkonsulin in New York, Helene Steinhäusl


Foto: BMEIA / Michael Gruber

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

41

Außenminister Alexander Schallenberg beim Austrian-American Day Empfang im Österreichischen Generalkonsulat in New York

Conference of Presidents of Major American

Jewish Organizations – aus.

Im Mittelpunkt der Gespräche standen

die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen

zwischen Österreich und Israel, Österreichs

Engagement im Kampf gegen Antisemitis -

mus und der russische Angriffskrieg gegen

die Ukraine.

„Österreich nimmt seine historische Verantwortung

ernst. Jüdinnen und Juden weltweit

haben ein Recht auf ein Leben in Si -

cherheit und Freiheit. Wir werden unseren

Kampf gegen Antisemitismus fortführen und

weiter verstärken“, unterstrich der Außenminister

die historische Verantwortung.

In Hinblick auf das Verhältnis zwischen

Österreich und Israel betonte er, daß die bilateralen

Beziehungen exzellent und vermutlich

so gut wie nie zuvor seien. Ein Zeichen

des ausgezeichneten Verhältnisses sei die im

Juli 2022 von Bundeskanzler Karl Nehammer

und Ministerpräsident Yair Lapid vereinbarte

Strategische Partnerschaft zwischen

bei den Ländern. Ziel der Kooperation sei un -

ter anderem die Verstärkung des gemeinsa -

men Kampfes gegen Antisemitismus. (siehe:

„Österreich Journal“-Ausgabe 204, Seite 22)

Der Außenminister konstatierte, daß die

COVID-19-Pandemie zu einem Anstieg an -

tisemitischer Vorfälle geführt habe. Österreich

verfolge diesbezüglich eine Nulltoleranzpolitik:

„Im Zuge der Pandemie haben

wir in den letzten zwei Jahren leider eine Zu -

nahme an antisemitischen Straftaten beobachtet.

Die österreichischen Behörden gehen

entschieden gegen dieses Phänomen vor.“

Darüber hinaus präsentierte er konkrete

Fortschritte bei der Implementierung der Na -

tionalen Strategie gegen Antisemitismus. Da -

Foto: BMEIA / Michael Gruber

zu zählen eine Verdreifachung der Investitionen

zur Förderung jüdischen Lebens und dem

Schutz jüdischer Institutionen in Österreich,

eine Ausweitung relevanter Trainingskurse

für die Polizei- und Justizbehörden, so wie die

Schaffung eines Nationalen Fo rums gegen

Antisemitismus im Juni 2022. Zudem wird

Österreich 1,5 Million Euro für die Zu sam -

menarbeit mit der Holocaust-Gedenkstätte

Yad Vashem in Jerusalem für den Zeitraum

2022 bis 2024 bereitstellen. n

Atomwaffen bieten keine Sicherheit

Der Außenminister nahm am 26. September,

dem Internationalen Tag zur vollständigen

Eliminierung von Atomwaffen, an

der Eröffnung der 66. Generalkonferenz der

Internationalen Atomenergie Organisation

(IAEO) in Wien teil, zu der insgesamt 175

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Staaten eingeladen wurden. Unter dem Mot -

to „Global Cooperation in the Nuclear Field“

standen neben der nuklearen Sicherheit und

der Rolle der IAEO auch die Aufstockung

der hochangereicherten Uran-Bestände des

Irans sowie der russische Angriffskrieg auf

die Ukraine und die damit einhergehenden

nuklearen Drohungen vonseiten Rußlands

im Fokus.

„Seit Jahrzehnten waren die nuklearen

Risiken nicht mehr so hoch. Die Handlungen

Rußlands zeigen ein alarmierendes Maß an

Verantwortungslosigkeit und könnten katastrophale

Konsequenzen für uns alle mit

sich ziehen. Atomwaffen sind ein Damokles-

Schwert, das über der gesamten Menschheit

hängt. Sie bieten keinerlei Sicherheit. Atomwaffen

sind ein Risiko für uns alle und kennen

keine Grenzen“, unterstrich Schallenberg

Außenminister Alexander Schallenberg bei der 66. IAEO-Generalkonferenz in Wien.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

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die existenzielle Bedrohung und das derzeit

erhöhte Risiko eines Einsatzes dieser Waffen

aufgrund der jüngsten nuklearen Drohungen

Rußlands.

Neben dem Versuch der nuklearen Er -

pressung verurteilte Schallenberg auch den

Beschuß von Atomreaktoren oder anderen

Kernanlagen, wie etwa im russisch besetzten

Atomkraftwerk Saporischschja. Daher

drückte er seine Unterstützung für die Er -

richtung einer Sicherheitszone rund um das

Atomkraftwerk aus und betonte neuerlich,

wie wichtig die Arbeit der Internationalen

Atomenergieorganisation vor Ort sei.

Genauso hob er die Bedeutung der Organisation

für das JCPOA-Abkommen aus

2015 hervor: „Österreich steht als Gastgeber

weiterhin hinter den Atomgesprächen. Wir

unterstützen die Bemühungen der EU, allen

Seiten eine vollständige Teilnahme am Ab -

kommen zu ermöglichen. Wir rufen die Islamische

Republik Iran auf, die Zusammenarbeit

mit der IAEO wiederaufzunehmen und

Inspektionen wieder in vollem Umfang

zuzulassen.“

Die IAEO liefert unabhängige Expertise,

weshalb sie nicht nur bei den Iran-Gesprächen

ein wichtiger Partner für Österreich ist.

Auch im Bereich der Abrüstung spielt die

IAEO eine tragende Rolle. Die Mehrheit der

Staaten lehnt einen neuen nuklearen Rü -

stungswettlauf ab, was sich im Atomwaffenverbotsvertrag

widerspiegelt. Im Rahmen

der Generalkonferenz der IAEO rief der

Außenminister erneut zu dringenden Fortschritten

hin zu einer Welt frei von Nuklearwaffen

auf: „Der nukleare Status Quo ist

nicht tragbar, wir brauchen einen Paradigmenwechsel.

Gerade deshalb wird sich Ös -

terreich weiterhin für die vollständige Eliminierung

aller Nuklearwaffen einsetzen“,

hielt Schallenberg abschließend fest.

Argentiniens Außenminister

Santiago Andrés Cafiero in Wien

Außenminister Alexander Schallenberg

empfing am 27. September den argentinischen

Außenminister, Santiago Andrés Ca -

fiero, der an der 66. Generalkonferenz der

IAEO in Wien teilnahm, zu einem Arbeitstreffen.

Im Gespräch dankte Schallenberg sei -

nem Amtskollegen für die hochrangige Teilnahme

Argentiniens an der IAEO-Generalkonferenz.

Dabei unterstrich er die wichtige

Rolle der in Wien ansässigen Organisation

im Kontext der russischen Angriffe auf das

ukrainische Atomkraftwerk in Saporischschja

sowie nuklearer Drohgebärden der Russischen

Föderation. Besonders hervorgehoben

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Außenminister Schallenberg mit seinem argentinischen Amtskollegen Santiago Andres Cafiero

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wurde in diesem Zusammenhang auch der

Argentinier Rafael Mariano Grossi, der als

aktueller Generaldirektor der IAEO federführend

dazu beiträgt die Sicherheit der ukra -

inischen Atomkraftwerke wie derherzu stel -

len.

Ebenso begrüßte Außenminister Schallenberg

auch die klare Haltung Argentiniens

und die scharfe Verurteilung des russischen

Angriffskriegs in der Ukraine. So hat sich

Argentinien der überwältigenden Mehrheit

der internationalen Gemeinschaft angeschlossen,

die die russische Invasion im

Rahmen der Generalversammlung der Vereinten

Nationen verurteilt hat. Dahingehend

appellierte Außenminister Schallenberg, auf

diesem Schritt aufzubauen und dazu beizutragen,

daß dieser Krieg so bald wie möglich

beendet wird.

„Wir dürfen all jene Länder, die unsere

Werte teilen, dazu gehört selbstverständlich

auch Argentinien, nicht im Glauben lassen,

daß die aktuellen Krisen rund um Energie

und Teuerung die Folge der westlichen

Sanktionen sind. Sie sind einzig und allein

die Folge von Putins Angriff auf die Ukraine“,

so Schallenberg.

Darüber hinaus waren auch die Möglichkeiten

zur Intensivierung der wirtschaftli -

chen Beziehungen zwischen Österreich und

Argentinien ein zentrales Gesprächsthema.

So ist Argentinien der drittgrößte Handelspartner

Österreichs in Lateinamerika und bie -

tet nach wie vor großes Potential für österreichische

Betriebe. Vor allem im Bereich der

erneuerbaren Energien, wie Wasser- und

Windkraft, aber auch Wasserstoff bieten heimische

Betriebe enormes Know-How. Zu -

dem sind heimische Firmen in der Holzindustrie

führend und können so zu einem wichtigen

strategischen Partner für Argentinien

werden.

Abschließend sprachen die beiden

Außenminister auch über die starke emotionale

Bindung der beiden Länder, die auf die

rund 30.000 in Argentinien lebenden, direkten

Nachkommen von Verfolgten des NS-Re -

gimes zurückzuführen ist. Seit einer Novellierung

des Staatsbürgerschaftsgesetzes im

September 2020 haben auch sie die Möglichkeit,

die österreichische Staatsbürgerschaft

zu erlangen.

n

Vietnams Außenminister

Bùi Thanh Sơn in Wien

Anläßlich des 50jährigen Jubiläums der

Aufnahme diplomatischer Beziehungen

empfing Außenminister Alexander Schallenberg

seinen Amtskollegen aus Vietnam, Bùi

Thanh Sơn, am 28. September in Wien und

unterstrich insbesondere die engen Handelsbeziehungen,

die sich in den letzten 50 Jahren

zwischen den beiden Staaten entwickelt

haben. So konnte das österreichisch-vietnamesische

Handelsvolumen alleine zwischen

1995 und 2021 auf ein Rekordniveau von

1,38 Milliarden Euro vervierzigfacht werden.

„Aktuell sind rund 60 österreichische Firmen

mit einem Gesamtinvestitionsvolumen

von etwa 150 Millionen Euro in Vietnam tä -

tig. Das zeigt, daß unsere Unternehmen Inter -

esse am vielfältigen, noch bestehenden Po -

tential Vietnams haben. Mit ihrer rot-weißroten

Expertise können sie zu wichtigen Part -

nern werden. „VinFast“, das erste vietnamesische

Auto mit Teilen aus Österreich oder

das „Austria Vietnam Future Mobility Sym-


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

43

posium“ in Hanoi sind nur einige Beispiele

für die exzellente Kooperation, die bereits

jetzt besteht. Unser Ziel muß es nun aber

sein, die eigenen Exporte noch wesentlich zu

steigern“, so Schallenberg im Hinblick auf

das bestehende Handelsdefizit (Anm.: im Ok -

tober hat eine steirische Wirtschaftsdelegation

in Vietnam neue Möglichkeiten in den

Bereichen der Kernkompetenzen der heimischen

Wirtschaft erkundet. Smart Cities, E-

Mobilität, erneuerbare Energien, Infrastruktur

und Kreislaufwirtschaft sind Bereiche,

die enormes Investitionspotential in Südostasien

bieten.

Außenminister Schallenberg kündigte im

Rahmen des Gesprächs an, daß für 2023 eine

Reise nach Fernost geplant ist und er auch

Vietnam besuchen wird.

n

Belgische Außenministerin

Hadja Lahbib in Wien

Außenminister Alexander Schallenberg

traf am 28. September mit der belgischen

Außenministerin Hadja Lahbib zu einem Ar -

beitsgespräch in Wien zusammen. Eingangs

gratulierte er seiner Amtskollegin zu ihrer

Er nennung im Juli 2022. Im Gespräch betonte

er das exzellente Verhältnis zwischen Ös -

terreich und Belgien und regte eine verstärkte

Kooperation im Bereich Asyl und Migration

an. Beide Länder würden diesbezüglich

vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Mit Hinblick auf den Stand der EU-Erweiterung

in den Staaten des Westbalkans unterstrich

Schallenberg die Notwendigkeit, noch

in diesem Jahr sichtbare Fortschritte zu er -

reichen.

„Der russische Angriffskrieg gegen die

Ukraine hat uns die geopolitische Bedeutung

des EU-Erweiterungsprozesses erneut vor

Au gen geführt. Um eine Destabilisierung der

Region durch Rußland zu verhindern, müssen

wir den Ländern des Westbalkans eine

glaubwürdige Beitrittsperspektive bieten.

Hierfür sind konkrete Fortschritte bis Ende

2022 dringend notwendig. So sind etwa die

Gewährung des EU-Kandidatenstatus an

Bosnien und Herzegowina sowie die Visaliberalisierung

für Kosovo längst überfällig“,

so der Außenminister.

Darüber hinaus regte der Außenminister

eine Fortführung der Diskussion über das

von Österreich vorgeschlagene Modell einer

schrittweisen Integration der EU-Beitrittskandidatenländer

an. Angesichts der geänderten

geopolitischen Rahmenbedingungen

müsse man den Erweiterungsprozeß neu aufsetzen

und nicht in bekannten Schablonen

verharren.

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Außenminister Alexander Schallenberg und sein vietnamesischer Amtskollege Bui Tanh Son

Außenminister Alexander Schallenberg und seine belgische Amtskollegin Hadja Lahbib

Kosovos Außenministerin

Donika

A

Gërvalla-Schwarz in Wien

ußenminister Alexander Schallenberg

empfing am 11. Oktober die Außenmini -

sterin von Kosovo, Donika Gërvalla-

Schwarz zu einem Arbeitsbesuch in Wien.

Im Gespräch betonte Schallenberg das exzellente

Verhältnis zwischen Österreich und

Kosovo, dessen Unabhängigkeit Österreich

bereits als einer der ersten Staaten im Jahr

2008 anerkannte. Von der EU forderte er mit

Blick auf den Westbalkan mehr strategische

Weitsicht. „Wie für uns alle war der 24.

Februar 2022 für den Westbalkan eine Zeitenwende.

Die massiven russischen Angriffe

auf die Zi vilbevölkerung in der Ukraine zeigen

das ge waltige Eskalationspotential dieses

Kriegs. Deshalb danke ich dem Kosovo

für seine deutliche Positionierung auf der

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Seite der EU und der freien Welt. Der

Angriffskrieg fordert aber unsere Aufmerksamkeit

gerade am Westbalkan, damit die

russische Aggression in Osteuropa nicht

Konflikte ins Herzen Europas, in den Westbalkan,

trägt“, der Außenminister.

In seinem Austausch mit Gërvalla-

Schwarz kam er auch auf Österreichs Einsatz

zugunsten einer EU-Visaliberalisierung

für Kosovo zu sprechen. Der Zeitpunkt sei

günstig, um Fortschritte zu erzielen und deut -

lich zu signalisieren, daß die Zukunft Kosovos

in der EU liegt. Es sei unverständlich,

daß Europa diesen Schritt noch nicht gesetzt

habe.

Mit Hinblick auf den Stand der EU-

Erweiterung in den Staaten des Westbalkans

unterstrich Schallenberg, daß der Dialog zwi -

schen Belgrad und Pristina alternativlos sei.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

44

„Die Normalisierung zwischen Serbien

und Kosovo ist und bleibt das Nadelöhr,

durch das der Weg des Westbalkans in die

EU führt. Um diesen Weg zu beschreiten, ist

es wichtig, konsequent die bereits getroffenen

Vereinbarungen umzusetzen, gegenseitiges

Vertrauen aufzubauen, Alleingänge zu

unterlassen und die regionale Zusammenarbeit

am Westbalkan im Rahmen des Berlin

Prozesses voranzutreiben“, so Schallenberg

ab schließend.

n

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Foto: BMEIA / Kulhanek

Der Außenminister mit seiner kosovarischen Amtskollegin Donika Gervalla-Schwarz

Bei der Eröffnung der Konferenz in der Diplomatischen Akademie: Peter Launsky-Tieffenthal,

Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, und Botschafterin Petra Schneebauer,

Nationale Koordinatorin zur Bekämpfung des Menschenhandels

Konferenz zur Bekämpfung

des Menschenhandels

Der Kampf gegen Menschenhandel stellt

eine Priorität der österreichischen Aussenpolitik

dar. Aus diesem Grund findet die

Konferenz jedes Jahr anläßlich des Tages der

Europäischen Union zur Bekämpfung des

Menschenhandels statt. Eröffnet wurde die

Konferenz unter anderem durch Peter

Launsky-Tieffenthal, Generalsekretär für

auswärtige Angelegenheiten, Botschafterin

Petra Schneebauer, Nationale Koordinatorin

zur Bekämpfung des Menschenhandels, und

Botschafter Emil Brix, Direktor der Diplomatischen

Akademie.

„Diese jährliche Konferenz ist ein wichtiger

Beitrag, um neue Wege zu finden den

Menschenhandel noch effektiver zu be -

kämpfen. Menschenhandel ist und bleibt

eine schwere Verletzung der Menschenrechte.

Je stärker Staaten und relevante Institutio nen

vernetzt sind, desto schwieriger wird es für

Menschenhändler, ihre kriminellen Ma hen -

schaften umzusetzen. Wir sind zuversicht -

lich, daß der Menschenhandel jedes Jahr auf

mehr Gegner stößt und daß er somit keine

Zukunft haben wird“, unterstrich Generalsekretär

Launsky-Tieffenthal bei der Eröffnung

der Konferenz, wie wichtig die Be kämpfung

des Menschenhandels ist.

Unter dem Motto „No Future for Traffikking“

wurde in der diesjährigen Konferenz

vor allem der Menschenhandel vor dem Hin -

tergrund der Digitalisierung, der COVID-

Pandemie und der finanziellen Aspekte

diskutiert. Wie man bei der Bekämpfung des

Menschenhandels den TäterInnen einen

Schritt voraus sein kann, stellte ebenfalls eine

zentrale Frage bei der Veranstaltung dar.

„Österreich kooperiert mit anderen Ländern,

um Opfer zu identifizieren. Wir haben

in Österreich auch ein gutes Netz an Opferschutzeinrichtungen“,

so Botschafterin Petra

Schneebauer.

Im Rahmen von insgesamt fünf Work -

shops beleuchteten nationale und internationalen

ExpertInnen sowie zahlreiche VertreterInnen

internationaler Organisationen und

der Zivilgesellschaft die verschiedenen

Aspekte, Möglichkeiten und Herausforderungen

im Kampf gegen Menschenhandel.

Die Veranstaltung wurde von der Task

Force Menschenhandel organisiert, die unter

dem Vorsitz des Außenministeriums steht. In

diesem Gremium arbeiten VertreterInnen

von Bundes- und Landesbehörden, die Polizei

und Opferschutzeinrichtungen aus der

Zi vilgesellschaft zusammen. Weitere Partner

bei der Organisation der Konferenz sind das

Wiener Institut für internationalen Dialog und

Zusammenarbeit (VIDC), die Internationale

Organisation für Migration (IOM), die Organisation

für Sicherheit und Zusammenarbeit

in Europa (OSZE) sowie das Fürstentum

Liechtenstein.

n

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

A»Die Jungen Unternehmer« in Berlin

m 13. Oktober nahm der Außenminister

am jährlichen Gipfel junger UnternehmerInnen

in Deutschland teil. Das diesjährige

Treffen fand an der Berlin-brandenburgischen

Akademie der Wissenschaften unter

dem Motto „Die Welt im Wandel“ statt.

Dementsprechend standen die wirtschaftlichen

und gesellschaftlichen Folgen des russischen

Angriffskrieges auf die Ukraine im

Zentrum der Konferenz.

In seiner Rede an die TeilnehmerInnen

aus klein- und mittelständischen Unternehmen

betonte Schallenberg, daß gerade jetzt in

diesen anspruchsvollen Zeiten ein enger und

stetiger Austausch zwischen Politik und Wirt -

schaft essentiell sei, insbesondere da sozioökonomische

Kosten immer deutlicher spür-


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

45

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Außenminister Alexander Schallenberg bei seiner Rede am »Gipfel der Jungen Unternehmer« in Berlin …

bar werden. So spüren wir alle die gestiegenen

Energiekosten sowie die hohe Inflation

und gerade Unternehmerinnen und Unternehmer

erfahren das aktuell unmittelbar.

„Sie haben tagtäglich mit steigenden

Energiepreisen, unterbrochenen Lieferketten,

schmerzhaften Abhängigkeiten, z.B. bei

kritischen Rohstoffen, wegbrechenden Ex -

port märkten und zugleich dem Arbeitskräftemangel

zu kämpfen. In Österreich wie in

Deutschland sind es Unternehmerinnen und

Un ternehmer wie Sie, die das Rückgrat un -

seres Wohlstands bilden. Sie treiben Innovation

voran, schaffen Arbeitsplätze und Ihre

Beiträge sichern unser Sozialsystem“, be -

kräftigte Außenminister Schallenberg.

Mit Verweis auf die gemeinsame Ansprache

von Putin und Xi Jinping zu Beginn der

Olympischen Winterspiele in Peking, erläu -

ter te Schallenberg, daß wir uns in einer syste -

mischen Auseinandersetzung befänden. Ge -

meinsam riefen Xi und Putin zu einer Än de -

rung der Weltordnung nach ihren Vorstellungen

auf, was für Exportländer, wie Deutschland

und Österreich brandgefährlich sei.

Diesbezüglich habe Putin aber einen

schweren strategischen Fehler begangen,

denn seit Anfang September stelle er einen

klaren Konnex zwischen Gaslieferungen und

Sanktionen her. Das sei geradezu ein Beweis

dafür, daß einerseits die Sanktionen tatsächlich

wirken und andererseits Handels- und

Geschäftsverträge für ihn keinen Wert mehr

haben. Auch Großunternehmen wie Gazprom

seien dabei seiner Willkür ausgeliefert, was

der Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit russischer

Unternehmen nachhaltig schade.

Foto: BMEIA / Michael Gruber

… und im Gespräch mit Österreichs Botschafter in Deutschland, Michael Linhart

Laut dem Außenminister werden die

nächsten Monate auf mehreren Ebenen herausfordernd,

jedoch müssen auch in diesen

schwierigen Zeiten Geschlossenheit, Augenmaß

und Nervenstärke das Gebot der Stunde

bleiben, denn für ihn gäbe es keine Alternative.

„Wenn wir uns auseinanderdividieren

lassen, haben wir schon verloren. Wir müssen

uns jetzt in strategischer Geduld üben.

Lassen wir die Sanktionen wirken – denn

das tun sie! Ich bin der Überzeugung, daß

unsere auf Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus

und individuelle Rechte basierende Gesellschaften

viel resilienter sind, als wir selber

glauben“, unterstrich Schallenberg.

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

So würden Autokraten glauben, daß wir

wegen der teils hitzigen politischen Debatten,

der gegensätzlichen Meinungen, einer

kritischen Medienlandschaft, einer starken

Opposition und Zivilgesellschaft ge schwächt

und ungeeint wären, doch es ist genau das,

was uns anpassungs- und lernfähig mache.

„Wir sind weiterhin der reichste und le -

benswerteste Kontinent, mit einem in der Ge -

schichte bislang unerreichten Grad an persönlichen

Freiheiten, Sicherheit und sozialer

Gerechtigkeit. Wir sollten daher mehr Ver -

trau en in unsere eigene Stärke und Position

haben. Jetzt kommt es darauf an, ihnen ge -

meinsam zu zeigen, daß sie Unrecht ha ben“,

appellierte Schallenberg ab schließend. n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

46

Slowakischer Außenminister

Rastislav Káčer in Wien

Außenminister Schallenberg empfing am

14. Oktober seinen neuen slowakischen

Amtskollegen Rastislav Káčer zu einem An -

trittsbesuch in Wien. Die beiden Außenminister

unterstrichen bei ihrem ersten bilateralen

Treffen die ausgezeichneten Beziehungen

beider Länder und betonten die Zusam -

menarbeit auch in den regionalen informellen

Kooperationsformaten, wie den Central-

5 oder dem Slavkov 3-Format – in dem die

Slowakei derzeit den Vorsitz innehat –, weiter

ausbauen zu wollen. Beide Länder stehen

in vielerlei Hinsicht vor den selben Herausforderungen,

es biete sich daher an sie ge -

meinsam anzugehen.

„Österreich und die Slowakei sind so eng

miteinander verwoben. In jeder Hinsicht –

politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und

kulturell. Wir teilen diesen gemeinsamen

mitteleuropäischen Raum und wir gestalten

ihn zusammen. Das macht Koordination und

Zusammenarbeit in allen Lebensbereichen

unerläßlich“, so Schallenberg bei der Pressekonferenz.

Derzeit sind vor allem der russische An -

griffskrieg auf die Ukraine und dessen Auswirkungen,

die Bereiche, in denen Kooperation

zwischen Österreich und der Slowakei

unerlässlich ist. Das gilt besonders in Bezug

auf die durch die russische Aggression ausgelöste

Energiekrise und der damit verbundenen

hohen Inflation. Beide Länder haben

überdies die Ukraine und ukrainische Vertriebene

seit Ausbruchs des Kriegs tatkräftig

unterstützt. Nun gelte es aber auch weiterhin

als Europäische Union geeint aufzutreten

und sich für eine rasche und friedliche Lö -

sung des Konflikts einzusetzen.

„Es ist aus unserer Sicht ganz klar, daß

die Einigkeit der EU essentiell ist. Wir fordern

Rußland dringend auf, dem menschlichen

Leid ein Ende zu setzen, seine Truppen

zur Gänze abzuziehen und Umstände zu

schaffen um sinnvolle Verhandlungen zu er -

möglichen“, betonte Alexander Schallenberg

die Not wen digkeit des europäischen Zusam -

menhalts und einer friedlichen Streitbeilegung.

Darüber hinaus besprachen die Außenminister,

wie die Länder des Westbalkans möglichst

rasch an die EU herangeführt werden

können – auch um für Stabilität in der Re -

gion zu sorgen. Dabei begrüßte Schallenberg

ausdrücklich die Empfehlung der Europäischen

Kommission, Bosnien und Herzegowi -

na den Beitrittskandidatenstatus zuzuerkennen.

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Foto: BMEIA

Der Außenminister mit seinem neuen slowakischen Amtskollegen Rastislav Káčer

Intercultural Achievement

Awards 2022 verliehen

Am 18. Oktober eröffnete der Generalsekretär

für auswärtige Angelegenheiten,

Peter Launsky-Tieffenthal, die Verleihung

des Intercultural Achievement Awards (IAA)

im Wiener Jazzclub Porgy & Bess. Der seit

2014 vom Bundesministerium für europäische

und internationale Angelegenheiten

verliehene Preis zeichnet herausragende Projekte

für zivilgesellschaftliches Engagement

sowie für die Förderung des interkulturellen

und interreligiösen Dialogs aus. Die fünf Sie -

gerprojekte im Jahr 2022 – ausgewählt aus

über 180 Einreichungen weltweit – stammen

aus Frankreich, Indien, Jordanien, Marokko

und Südafrika. In den österreichischen Son -

derkategorien wurden die Organisationen

Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal bei seiner Eröffnungsrede

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

„gemma! – Gemeinsam machen, Verein zur

Förderung des interkulturellen Austauschs

junger Menschen“ und „Sindbad – Mentoring

für Jugendliche Österreich“ ausgezeichnet.

„Meine herzlichen Glückwünsche an alle

Preisträgerinnen und Preisträger. Es freut

uns außerordentlich zu sehen, welche innovative

Kraft und starker Gemeinsinn weltweit

trotz aller Widrigkeiten insbesondere

auch jungen Menschen innewohnt. Diese

interkulturellen und interreligiösen Dialoginitiativen

sind in Zeiten enormer Herausforderungen

auf globaler und regionaler Ebene

von unschätzbarem Wert“, betonte Launsky-

Tieffenthal bei der Preisverleihung.

Um die besonderen Herausforderungen

zu würdigen, die in Zusammenhang mit der


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

47

Foto: BMEIA

Gruppenfoto der PreisträgerInnen des Intercultural Achievement Awards 2022 mit Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal

Ankunft von mehr als 80.000 Vertriebenen

aus der Ukraine in Österreich stehen, wurde

dieses Jahr auch ein Sonderpreis an die

Ukrainische Samstagsschule des Ukrainischen

Iwan-Franko-Zentrums für Bildung und Kul -

tur vergeben. Seit Beginn des russischen An -

griffskrieges konnte die Schule in Wien

knapp 1000 SchülerInnen aus der Ukraine

beim Lernen der deutschen Sprache unterstützen.

Zeitgleich wird durch den Unterricht

in Fächern wie Ukrainisch oder ukrainische

Literatur sichergestellt, daß das kulturelle

Erbe der Ukraine gewahrt bleibt.

Das Bundesministerium für europäische

und internationale Angelegenheiten dankt

dem Zukunftsfonds der Republik Österreich,

der Austrian Development Agency und dem

Österreichischen Integrationsfonds für ihre

wertvolle langjährige Partnerschaft im Rahmen

des Intercultural Achievement Awards.

Die PreisträgerInnen des

Intercultural Achievement Awards 2022

Kategorie Nachhaltigkeit

Mount Abu Public School aus Indien mit dem

Projekt „Global Citizenship Education &

Integration“

Das spezielle Curriculum hat das Ziel, nachhaltiges

Denken und grenzüberschreitenden

Dialog unter Schülerinnen und Schülern zu

fördern und sie darin zu bestärken, ihre Kreativität

im Sinne der Gemeinschaft zu entfalten.

Kategorie Technologie

Puppets World for Development of Children

aus Jordanien mit dem Projekt „Puppets

World Theatre“

Das mobile Puppentheater richtet sich an

Kinder im Aufnahmeland Jordanien – unge -

ach tet sozialer oder geografischer Herkunft.

Der Fokus liegt auf Integration und der Vermittlung

von Werten wie Toleranz und Mitge -

fühl auf spielerische und unterhaltsame Weise.

Kategorie Aktualität

Southern African Liaison Office (SALO) aus

Südafrika mit dem Projekt „South African

Foreign & Migrant Policy and Xenophobia“

Dieses Projekt arbeitet gegen Rassismus, Ge -

walt und Stigmatisierung von BewohnerInnen

informeller Siedlungen und Townships

in Südafrika, die besonders von wirtschaftlicher,

sozialer und politischer Ausgrenzung

betroffen sind.

Kategorie Innovation

Memories for the future aus Marokko mit

dem Projekt „Reinventing Toumliline: Consolidating

spaces for debate and dialogue“

Inspiriert von einem historischen Projekt von

Benediktiner Mönchen in den 1950er-Jahren,

zielt die Initiative darauf ab, Respekt und

interreligiöse Harmonie in der marokkanischen

Jugend zu fördern.

Kategorie Medien

99 aus Frankreich mit dem Projekt „True

Stories connect us all“

Die Plattform bietet kurzen Dokumentarfilmen

weltweit eine Bühne – sowohl online, als

auch in organisierten Screenings. In Zusam -

menarbeit mit Universitäten werden zudem

Un tertitel erarbeitet, um einem möglichst

breiten Publikum den kostenlosen Zugang zu

ermöglichen.

Sonderpreis für Integration in Österreich

gemma! – Gemeinsam machen. Verein zur

Förderung des interkulturellen Austauschs

junger Menschen aus Graz mit dem Projekt

„gemma! – Gemeinsam machen“

Die Initiative strebt danach, ungeachtet persönlicher

Umstände oder Kriterien Raum für

Entwicklung zu bieten und Austausch, Integration

und friedliche Koexistenz zu fördern.

Dies geschieht durch interkulturelle Be -

gegnungsräume sowie Beratung und Lernunterstützung.

Sonderpreis für bestes

österreichisches Projekt

Sindbad aus Wien mit dem Projekt

„Sindbad – Mentoring for teenagers“

Sindbad ist ein Mentoring-Programm, das

Jugendliche vor dem Wechsel in die Berufsoder

weiterführende Ausbildung mit ehrenamtlichen

MentorInnen verknüpft. Dadurch

werden sie in dieser transformativen Lebensphase

begleitet und profitieren vom gegenseitigen

Austausch.

Sonderpreis

Ukrainisches Iwan-Franko-Zentrum für Bildung

und Kultur aus Wien mit dem Projekt

„Ukrainische Samstagsschule“

Die Samstagsschule bietet am Wochenende

zusätzlich Fächer wie Geschichte sowie ukra -

inische Sprache und Literatur nach ukrainischem

Lehrplan an, damit Kinder sich auf

die ukrainische Reifeprüfung vorbereiten und

diese auch ablegen können. Mit weiteren Ak -

tivitäten werden die Integration und der Zu -

sammenhalt gefördert.

n

https://www.entwicklung.at / https://www.integrationsfonds.at/

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

48

Liechtensteins Außenminister

Jean Asselborn in Wien

Am 20. Oktober 2022 empfing Außenminister

Alexander Schallenberg seinen luxemburgischen

Amtskollegen Jean Asselborn in

Wien. Österreich und Luxemburg pflegen

schon lange, enge bilaterale Beziehungen,

was auch die gemeinsamen Positionen der

beiden Staaten zu wichtigen aktuellen Themen,

bestätigen. Klimapolitik, effektiver

Multilateralismus und Schutz der Menschenrechte,

sind nur einige der Punkte für die

sich die beiden Staaten gemeinsam einsetzen.

Besonders seit der Klage Österreichs

ge gen die Taxonomieänderung zur Einstufung

von Kernenergie als „grüne“ Energieform,

rückte auch die gemeinsame Positionierung

gegen Atomenergie in den Vordergrund.

Besonders im Zusammenhang mit dem

Russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist

Energiesicherheit vermehrt zum Thema ge -

worden. Entsprechend der ablehnenden Haltung

gegenüber Nuklearenergie und der

Dringlichkeit, die Abhängigkeit von russischem

Gas zu verringern, gilt es neue Partner

am Energiemarkt zu finden. Zugleich

soll aber auch darauf geachtet werden, daß

Gas und Energie noch leistbar für die europäische

Bevölkerung bleiben. Von der EU-

Kommission wurde dazu das Modell einer

Preisobergrenze für Gas zur Stromerzeugung

präsentiert, das für den österreichischen Ausenminister

in jedem Fall als überlegenswert

gelte.

Abschließend wurde auch die EU-Erweiterung

am Westbalkan besprochen, denn

auch hier bietet der Einfluß des russischen

Angriffs auf die Ukraine, destabilisierendes

Potential. Nicht nur aus geostrategischer

Sicht, aber auch um illegaler Migration einen

Riegel vorzuschieben, gilt es die Zu sam men -

arbeit mit diesen Staaten zu verbessern.

Dazu braucht es, wie zuletzt am Beispiel

Bosnien und Herzegowina, konkrete Beitrittsperspektiven

für diese Staaten. n

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Der Außenminister mit seinem Amtskollegen aus Luxemburg, Jean Asselborn, in Wien

Ebene Gehör zu verschaffen und alle Staaten

zu wichtigen Konferenz- und Verhandlungsteilnahmen

in Wien zu ermutigen. Dahingehend

sieht Außenminister Schallenberg den

Sitz der Vereinten Nationen in Wien als einen

Knotenpunkt für alle Staaten der Welt und ist

bestrebt, die Präsenz von Inselstaaten in Wien

auszubauen.

„Globale Herausforderungen, ob Klimawandel

oder Pandemie, machen nicht an

Landesgrenzen halt. Sie betreffen alle Erdteile

und wir können sie nur gemeinsam

bewältigen. Dafür brauchen wir ein funktionierendes

multilaterales System. Genau deswegen

ist Multilateralismus auch ein we -

sentlicher Teil der außenpolitischen DNA

Österreichs“, so derAußenminister, der zu -

dem die Zusammenarbeit mit Kiribati im

Kontext des Atomwaffenverbotsvertrags

(TPNW) begrüßte, bei dem Österreich eine

Voreiterrolle als Mitinitiator übernommen

hat.

„Wir können unsere Augen nicht vor der

immanenten Bedrohung durch einen Einsatz

oder Unfall mit Nuklearwaffen verschließen.

Bevor sie uns vernichten, müssen wir sie

vernichten“, appellierte der Außenminister

und hob Kiribati, das den Vertrag unterzeichnet

und ratifiziert hat, als einen wichtigen

Partner und starken Unterstützer nuklearer

Abrüstung hervor.

Beim Austausch über die geopolitische

Lage im Südpazifik bekräftigte Außenminister

Alexander Schallenberg außerdem das

Bestreben der EU, zum Frieden und zur Stabilität

in der Region beizutragen.

Kiribatis Präsident

Taneti Maamau in Wien

Außenminister Alexander Schallenberg

empfing am 20. Oktober den kiribatischen

Präsidenten Taneti Maamau, der die

Delegation von Kiribati im Rahmen der derzeit

in Wien tagenden Vertragsstaatenkonferenz

der Konvention gegen grenzüberschreitende

organisierte Kriminalität der Vereinten

Nationen (UNTOC) anführte.

Schallenberg betonte die Wichtigkeit, den

Stimmen kleinerer Staaten auf multilateraler

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Der Außenminister mit dem kiribatischen Präsidenten Taneti Maamau in Wien

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

49

Angesichts der bevorstehenden Klimakonferenz

der Vereinten Nationen in Scharm

El-Scheich (COP27) im November kam

auch der gemeinsame Kampf gegen die Klimakrise

zur Sprache. Die Erderwärmung und

der damit einhergehende steigende Meeresspiegel

haben auf den aus 33 Atollen bestehenden

Inselstaat im Südpazifik verheerende

Auswirkungen. Schallenberg unterstrich dies -

bezüglich Österreichs Unterstützung für

Maßnahmen zur Stärkung der Klimaresilienz

in Kiribati im Zuge der EU-Entwicklungszusammenarbeit.

Österreich habe seine Klimaziele

hochgesteckt, wolle es doch bereits

2040, zehn Jahre vor dem erklärten EU-Ziel,

klimaneutral sein.

n

Westbalkan-Konferenz im

Rahmen des Berlin-Prozesses

Außenminister Alexander Schallenberg

nahm am 21. Oktober an einem Treffen

der AußenministerInnen im Format des Berlin-Prozesses

in der deutschen Hauptstadt teil.

Er bedankte sich zu Beginn bei seiner deutschen

Amtskollegin Annalena Baerbock für

die Ausrichtung der Konferenz und betonte,

daß der Westbalkan für die EU eine Bewährungsprobe

sei. Wenn die EU es nicht schaffe

in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft geostrategisch

zu handeln, werde die EU-Aussenpolitik

an Glaubwürdigkeit verlieren.

„Gerade jetzt unter sicherheitspolitischem

Aspekt und wenn wir an die Migrationsfrage

denken ist der Westbalkan gewissermaßen der

Lackmustest für die Europäische Union. Das

ist ein Teil Europas, wir haben alles In ter es -

se, sie fix zu uns in die europäische Gemeinschaft

zu holen. Die Geschichte zeigt, ohne

Stabilität in Südosteuropa gibt es keine Stabilität

in Zentraleuropa“, so der Außenminister.

Um die sechs Staaten des Westbalkans

auf den Weg Richtung EU-Mitgliedschaft zu

bringen, sei die enge Kooperation untereinander

wesentlich, unterstrich er. So wurde der

Aufbau eines Gemeinsamen Regionalen

Mark tes, für den wichtige Abkommen vor

dem Abschluß stünden, eingehend behandelt.

Ebenso spiele laut Außenminister Alexander

Schallenberg die Jugendkooperation

am Westbalkan eine wichtige Rolle.

Beim Thema Energiesicherheit appellierte

Schallenberg an ein solidarisches Miteinander

und forderte, die Westbalkanstaaten in

die EU-Energieplattform zur Diversifizierung

und Sicherung ihrer Energieversorgung einzubinden.

Es gelte schließlich, konkrete An -

reize für eine bessere regionale Integration

zu geben und die Westbalkanstaaten über eine

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Der Außenminister beim „Berliner Prozeß“ (Westbalkan-Konferenz) in Berlin

schrittweise Eingliederung rascher an die EU

zu binden.

„Man muß doch nicht warten, bis das

letzte Komma des Rechtsbestandes umgesetzt

ist. Dort wo die Westbalkanstaaten den

Rechtsbestand umgesetzt haben und die entsprechende

Rechtskontrolle gewährleistet

ist, können wir sie zizerweis hineinbeziehen,

als wären sie Vollmitgliedstaaten“, schlug der

Außenminister abschließend neuerlich eine

graduelle Integration der Westbalkanstaaten

vor.

n

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130 Jahre österreichischkoreanische

Beziehungen

Anläßlich des 130jährigen Jubiläums der

bilateralen Beziehungen zwischen Ös -

terreich und Korea reiste Außenminister Alexander

Schallenberg von 21. bis 26. Oktober

in die Republik Korea. Auf dem Programm

der Reise standen Treffen mit dem koreanischen

Premierminister Han Duck-soo und

Außenminister Park Jin, Diskussionen zur

sicherheitspolitischen Lage in der Region,

ein Besuch der Demilitarisierten Zone, Un -

ternehmensbesuche sowie die Eröffnung einer

Ausstellung des Kunsthistorischen Mu seums.

Die bilateralen Beziehungen zwischen

Österreich und der Republik Korea haben

erst im vergangenen Jahr eine deutliche Aufwertung

erlebt, als die Beziehungen auf das

Niveau einer „Strategischen Partnerschaft“

gehoben wurden. Auch bei der Pandemiebekämpfung

gab es eine gute Zusammenarbeit.

Im Jubiläumsjahr der bilateralen Beziehungen

will Schallenberg weitere Schritte setz-

Der Außenminister wurde vom südkoreanischen Premierminister Han Duck-soo empfangen


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

50

ten und Türen für Wirtschaft und Kulturschaffende

öffnen.

„Trotz der weiten Entfernung haben Ös -

terreich und die Republik Korea die besten

Voraussetzungen für enge Beziehungen. Es

freut mich daher mit dieser Reise weitere

Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern

zu schaffen und die Länder ein kleines

Stück näher zusammenzurücken“, so der

Außenminister.

Im Fokus der Gespräche mit Premierminister

Han Duck-soo und Außenminister

Park Jin standen die Auswirkungen des russischen

Angriffskriegs sowie die sicherheitspolitische

Lage auf der koreanischen Halbinsel

im Licht der Raketentests der Demokratischen

Volksrepublik Korea stehen. Bereits

vor der Reise verurteilte Schallenberg die

Raketentests auf das Schärfste. Darüber hinaus

wurden in den politischen Gesprächen

auch Chancen für eine stärkere wirtschaftliche

und politische Zusammenarbeit zwischen

den beiden Ländern erörtert.

„Der Indo-Pazifik ist im Umbruch. Die

Karten in der Region werden gerade neu

gemischt. Wie wir mit dem Aufstieg Chinas

umgehen, hat unmittelbare Auswirkungen

auch auf Österreich. Vor diesem Hintergrund

ist es wichtig, mit jenen Partnern im Ge -

spräch zu blieben, die unsere Werte teilen.

Die Republik Korea ist ein solcher Partner“,

äußerte sich der österreichische Außenminister

zur Bedeutung der politischen Ge sprä -

che mit koreanischen Regierungsvertretern.

Um sich ein besseres Bild von der Sicherheitslage

zu machen, hat er auch die Demilitarisierte

Zone besucht, die die Republik Ko -

rea von der Demokratischen Volksrepublik

Korea von einander. Dabei bekam die österreichische

Delegation ein Briefing durch die

Neutral Nations Supervisory Commission.

Darüber hinaus gibt es Treffen mit führenden

koreanischen Sicherheitsexperten.

Einen der Höhepunkte der Reise bildete

die Eröffnung der Ausstellung „Collecting

the World – Six Centuries of Beauty in the

Habsburg Empire“ im Koreanischen Nationalmuseum,

die aus 100 Meisterwerken aus

dem Kunsthistorischen Museums Wien be -

steht. Es ist bereits die dritte Ausstellung des

Kunsthistorischen Museums in der Republik

Korea.

Zudem standen ein Treffen mit dem früheren

Generalsekretär der Vereinten Nationen

Ban Ki-Moon bei der Global Green

Growth Initiative zum Thema Klima- und

Entwicklungsziele sowie Veranstaltungen im

Rahmen der weltweiten Wirtschaftsinitiative

ReFocus Austria auf dem Programm. n

Fotos: BMEIA / Michael Gruber

Alexander Schallenberg mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Park Jin, …

… mit dem Präsidenten & Vorsitzenden der Global Green Growth Initiative (GGGI) und früheren

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon …

… und bei der Eröffnung der Ausstellung des KHM „Collecting the World – Six Centuries of

Beauty in the Habsburg Empire in Seoul“ mit KHM-Generaldirektorin Sabine Haag

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

51

Finnlands Außenminister

Pekka Haavisto in Wien

Außenminister Alexander Schallenberg

empfing am 1. November den finnischen

Außenminister, Pekka Haavisto, zu

einem Arbeitsgespräch in Wien. Im Rahmen

des Treffens sprachen die beiden über die

von Rußland ausgehende Bedrohung für Finn -

land, das aufgrund seiner geografischen La -

ge besonders exponiert ist. So stellt etwa die

Sicherung der über 1340 km verlaufenden

Grenze zu Rußland, nicht zuletzt durch die

Flucht zahlreicher von der Mobilisierungskampagne

betroffenen Russen, eine besondere

Herausforderung dar. Auch die weit über

Finnland hinausgehenden Auswirkungen des

russischen Angriffskrieges, allen voran das

Thema Energiesicherheit, wurden thematisiert.

Weiters unterstrich Schallenberg gegen -

über seinem finnischen Amtskollegen auch

die Notwendigkeit, Gesprächskanäle zu Ruß -

land aufrechtzuerhalten. Insbesondere im

Hinblick auf Verhandlungen, die letzten En -

des zur Beendigung des Angriffskrieges notwendig

sein werden, sei dies wichtig.

Abschließend sprachen die beiden Aussenminister

auch über die wichtige Mediationsrolle

der in Wien angesiedelten Organisation

für Sicherheit und Zusammenarbeit in

Europa (OSZE), deren Vorsitz Finnland im

Jahr 2025 übernehmen wird.

n

Hochrangige Wiener Konferenz zur

Sicherheit von JournalistInnen 2022

Anläßlich des zehnten Jahrestags des Ak -

tionsplans der Vereinten Nationen (VN) zur

Sicherheit von JournalistInnen lud das

Außenministerium am 3. und 4. November

gemeinsam mit der VN-Organisation für Er -

ziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO)

und dem Büro des VN-Hochkommissars für

Menschenrechte zur Wiener Konferenz zur

Sicherheit von JournalistInnen. An der Konferenz

mit dem Titel „Safety of Journalists:

Protecting media to protect democracy“ nahmen

mehr als 400 VertreterInnen von Regierungen,

internationalen Organisationen, Me -

dien und aus der Zivilgesellschaft teil. Me -

dienministerin Susanne Raab, UNESCO-Ge -

neraldirektorin Audrey Azoulay und der

Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für

Menschenrechte, Volker Türk, eröffneten die

hochrangige Konferenz. Außenminister Alexander

Schallenberg, der aus gesundheitli -

chen Gründen verhindert war, bekräftigte be -

reits im Vorfeld der Konferenz den hohen

Stellenwert des unabhängigen Journalismus:

„Die heutige Wiener Konferenz ist Anlaß,

Foto: BMEIA / Michael Gruber

Foto: BMEIA / Baurecht

Alexander Schallenberg mit seinem finnischen Amtskollegen Pekka Haavisto

Journalist:nnen Respekt zu zollen, die trotz

widrigster Umstände täglich ihre Freiheit

oder sogar ihr Leben im Dienste der unabhängigen

Berichterstattung riskieren.“

Trotz aller internationalen Anstrengungen

ist Straflosigkeit für Verbrechen gegen

JournalistInnen weitverbreitet, bleiben doch

neun von zehn Morden an JournalistInnen

gerichtlich ungeklärt. Um die Situation von

MedienvertreterInnen zu verbessern, machten

teilnehmende Staaten, internationale

Organisationen und VertreterInnen der Zivilgesellschaft

während einer „Pledging Session“

zahlreiche Zusagen zur konkreten Stär -

kung von Medienfreiheit und dem Schutz

von JournalistInnen. Die österreichischen Zu -

sagen wurden von Medienministerin Raab in

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Vertretung von Außenminister Schallenberg

präsentiert, darunter etwa eine Investition

von 150.000 Euro in von Frauen geführte

Medieninitiativen über Rechte von Frauen in

Afghanistan. Zudem unterstützt Österreich

das Hostile Environment Awareness Training

(HEAT) für JournalistInnen in Krisenund

Konfliktsituationen, mit dem vor allem

Journalistinnen auf die Arbeit unter be -

sonders gefährlichen Bedingungen vorbereitet

werden sollen. Um die Demokratie zu

stärken, erhöht die österreichische Entwikklungszusammenarbeit

auch ihren Beitrag

zur Förderung von Medienentwicklung.

Zudem hat Österreich eine Politische

Erklärung im Rahmen der Wiener Konferenz

initiiert, der sich bereits mehr als 50 Staaten

Medienministerin Susanne Raab bei der Eröffnung der Konferenz „Safety of Journalists“ im

Palais Niederösterreich in Wien


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

52

Foto: BMEIA / Baurecht

angeschlossen haben. In diesem Zusammenhang

verpflichten sich die Staaten mitunter

dazu, den zunehmenden Bedrohungen für die

Sicherheit von JournalistInnen, Medienfreiheit

und Medienpluralismus im digitalen

Zeitalter entgegenzuwirken. Darüber hinaus

soll gegen neue Bedrohungsformen in den

Be reichen Recht und Wirtschaft vorgegangen

und die besonderen Risiken, denen Frauen

im Journalismus im Zuge ihrer Arbeit

ausgesetzt sind, stärker berücksichtigt werden.

Schließlich bekannten sich alle Teilnehmenden

ausdrücklich zu einer engen Zusam -

menarbeit, mit dem Ziel in Zukunft das Be -

wußtsein für den VN-Aktionsplan, der konkrete

Maßnahmen zur Sicherheit von Journa -

listInnen und zum Problem der Straflosigkeit

enthält, zu schärfen und seine Umsetzung zu

verbessern. In seinen Schlußworten verwies

Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal auf

die Zukunftsperspektiven des VN-Aktionsplans.

„Diese Konferenz hat den nötigen

Schwung für den Übergang in das zweite

Jahrzehnt des VN-Aktionsplans geliefert. Im

Vergleich zu 2012 befinden wir uns an ei nem

vielversprechenden Punkt: Es gibt Struk turen

und weltweite Koalitionen, die Interessengruppen

miteinander verbinden. Wir wissen

jedoch auch, daß die Herausforderungen nicht

weniger wurden. Deswegen ist die weitere

Arbeit an der Umsetzung des VN-Aktionsplans

unerläßlich“, so Generalsekretär Peter

Launsky-Tieffenthal abschließend. n

Ein Blick auf die Konferenz „Safety of Journalists“ im Palais Niederösterreich in Wien

Foto: BMEIA / Baurecht

Foto: BMEIA / Baurecht

Für die Konferenz nach Wien angereist: Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow

Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal bei seinen Schlußworten

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

53

Regierung beschließt neues

Dreijahresprogramm 2022-2024

Das neue Dreijahresprogramm der österreichischen

Entwicklungspolitik 2022

bis 2024 wurde am 16. November Ministerrat

angenommen. Dessen Ziel ist es, den

Menschen in den Partnerländern nachhaltige

Lebensperspektiven zu eröffnen, indem vor

Ort ein Umfeld sozialer und politischer Stabilität

sowie eine nachhaltige Entwicklung

im Sinne der Agenda 2030 geschaffen wird.

Österreichs internationale Solidarität zeigt

sich auch dadurch, daß nun in der thematischen

Schwerpunktsetzung globale Herausforderungen

sowie Krisen besser berück sich -

tigt werden. So zeigt etwa der russische An -

griffskrieg auf die Ukraine, wie verwundbar

unser globales System ist:

„Die weltweite Ernährungsunsicherheit

und die steigende Zahl von Menschen in ex -

tremer Armut hat die internationale Gemeinschaft

bereits vor dem 24. Februar vor

immense Herausforderungen gestellt. Putins

brutaler Angriffskrieg gegen die Ukraine

potenziert diese Not. Angesichts dieser multiplen

globalen Herausforderungen zeigt sich

Österreich solidarisch und gibt für die Entwicklungszusammenarbeit

und humanitäre

Hilfe so viel Geld aus wie nie zuvor“, betont

Außenminister Alexander Schallenberg.

So wird das Budget für die bilaterale Entwicklungshilfe

nächstes Jahr um 12 Millionen

auf 137 Millionen Euro und für die

humanitäre Hilfe um 20 Millionen auf 77,5

Millionen Euro anwachsen. Die kontinuierliche

Steigerung der letzten Jahre zeigt Österreichs

klares Bekenntnis zur Solidarität

durch Hilfe vor Ort. So können die bereits

bestehenden Partnerschaften der österreichischen

Entwicklungszusammenarbeit (OEZA)

finanziell unterstützt werden. Österreichs

Augenmerk liegt dabei auf den ärmsten Entwicklungsländern

in Subsahara-Afrika sowie

in der Nachbarschaft, insbesondere in Südosteuropa

und im Südkaukasus, aber auch in

Krisenregionen und fragilen Staaten.

„Mit dem Dreijahresprogramm leisten

wir dort Hilfe, wo sie am dringendsten nötig

ist – nämlich direkt vor Ort. Rasche Hilfe

vor Ort ist auch der wirksamste Beitrag,

Menschen in ihrer Heimat bzw. ihrer Heimatregion

eine Perspektive zu bieten und ein

lebenswertes Umfeld zu schaffen“, bekräftigt

Botschafter Peter Huber, Leiter der Sektion

Entwicklung im Außenministerium, die

Rolle der OEZA.

Als wesentlicher Bestandteil der österreichischen

Außenpolitik spiegelt die OEZA

durch das neue Dreijahresprogramm die Prio -

Foto: BMEIA Foto: BKA / Dragan Tatic

Nach dem Ministerrat: Außenminister Alexander Schallenberg (r.) und Bundeskanzler Karl

Nehammer – Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe werden 2023 aufgestockt

Botschafter Peter Huber, Leiter der

Sektion Entwicklung im Außenministerium

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

ritäten des Regierungsprogramms wider. Hier -

bei liegen die beiden inhaltlichen Schwerpunkte

auf wirtschaftlicher Zusammenarbeit

sowie Migration.

Einerseits soll die Initiative ReFocus

Austria dazu dienen, neue unternehmerische

Chancen und Möglichkeiten vor Ort zu

schaffen. Andererseits wurde nun im Dreijahresprogramm

die sogenannte Konditionalität

eingeführt: Bei einer Verschlechterung

der Zusammenarbeit im Bereich der Migration,

insbesondere bei Rückführungen, ist es

nun möglich, die Zuteilung von Finanz -

mitteln an die Partnerländer anzupassen.

Mit dem neuen Dreijahresprogramm setzt

die Bundesregierung die bisherigen thematischen

Schwerpunkte, wie beispielsweise die

Stärkung von Frauen und vulnerablen Gruppen,

Inklusion, Bildung, Förderung der

Rechtsstaatlichkeit, Unterstützung der Zivilgesellschaft

vor Ort und Programme zur De -

mokratisierung, fort. Wichtig dabei sei auch,

Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, hebt Botschafter

Friedrich Stift, Geschäftsführer der

Austrian Development Agency, hervor: „Ös-

terreichs humanitäre Hilfe leistet nicht nur

einen unmittelbaren Beitrag, um das Leid vor

Ort zu lindern, wie etwa durch die Bereitstellung

von Nahrungsmitteln. Indem wir betrof -

fenen Regionen etwa Saatgut und unsere

Technologie zur Verfügung stellen, können

wir so eine nachhaltige Entwicklung vor Ort

sicherstellen.“

Durch das neue Dreijahresprogramm

setzt sich Österreich auch in Zukunft dafür

ein, Armut zu mindern, natürliche Ressour -

cen zu schützen sowie Frieden und Sicherheit

für die Menschen in den Partnerländern

zu fördern.

n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

54

Auslandskatastrophenfonds

5,5 Millionen Euro für Burkina Faso und Mali

Die Sahelzone sieht sich mit einer Vielzahl

an Krisen konfrontiert. Neben weit -

verbreiteter Armut und der schlimmsten

Dürre seit Jahrzehnten setzen bewaffnete

Kon flikte und terroristische Gewalt den

Menschen in der Region zu. Hinzu kommt

die durch den russischen Angriffskrieg be -

feuerte globale Ernährungsunsicherheit, die

die humanitäre Lage nochmals dramatisch

verschärft hat. Mit insgesamt 5,5 Millionen

Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds

(AKF) des Außenministeriums will die ös -

terreichische Bundesregierung das bestehende

Leid in Burkina Faso und Mali lindern.

Zusätzlich unterstützt Österreich das Welternährungsprogramm

der Vereinten Nationen

(WFP) bei Transport und Verteilung einer

125.000 Tonnen Getreidespende der Ukraine

in aktuell besonders krisenbetroffenen Regio -

nen in Afrika sowie dem Nahen und Mittleren

Osten.

„Westafrika ist seit Jahrzehnten mit vielfältigen

Krisen konfrontiert. Mit dem Ausbruch

des russischen Angriffskriegs auf die

Ukraine und dessen Auswirkungen auf die

globale Ernährungssicherheit hat sich die

humanitäre Lage in den betroffenen Regionen

weiter verschärft. Millionen Menschen

und Kinder sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Für die österreichische Regierung

steht die Unterstützung für die Bevölkerung

im Sinne unserer humanitären Tradition der

Hilfe vor Ort außer Frage. Wir stellen daher

nicht nur insgesamt 5,5 Millionen Euro aus

dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung,

sondern unterstützen auch das Welternährungsprogramm

der Vereinten Nationen

beim Transport und der Verteilung in den

besonders betroffenen Regionen. Damit leisten

wir einen wirksamen Beitrag das Leid

der Menschen in diesen Ländern zu lindern“,

führte Bundeskanzler Karl Nehammer an.

In Burkina Faso sind mindestens 4,9 Mil -

lionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen,

davon etwa 2,6 Millionen Kinder.

Als eines der zehn ärmsten Länder weltweit

fehlt es an den grundlegendsten Gütern, die

Menschen haben oft keinen Zugang zu Nahrungsmitteln

oder einer ausreichenden Ge -

sundheitsversorgung. Mehr als 1,5 Millionen

Menschen sind intern vertrieben, da sich die

Sicherheitslage im Norden und Osten des

Landes verschlechtert hat. Auch im Süden

Malis spitzt sich die Sicherheitslage zu. Hun -

derttausende sind intern vertrieben. Be -

sonders für Kinder ist die humanitäre Situation

gravierend. Knapp die Hälfte der rund

Foto: BKA / Dragan Tatic

Pressefoyer nach dem Ministerrat: Bundeskanzler Karl Nehammer (m.), Vizekanzler Werner

Kogler (l.) und Außenminister Alexander Schallenberg (r.)

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

7,5 Millionen auf humanitäre Unterstützung

angewiesenen Menschen sind Kinder.

„Krieg, Naturkatastrophen, Klimawandel

und Pandemie tragen zur Verschärfung der

weltweiten Ernährungskrise bei. Die Zahl der

von Hunger betroffenen Menschen hat sich

in den letzten beiden Jahren verdoppelt. In

Ostafrika und der Sahelzone leiden die Menschen

besonders darunter. Mit dem heutigen

Beschluß stellen wir aus dem Auslandska -

tastrophenfonds Mittel zur Verfügung, um

Getreide in von der Ernährungskrise betroffene

Länder zu bringen. Dieses Getreide wur -

de von der Ukraine an das World Food Programme

gespendet. Österreich beteiligt sich

im Sinne seiner humanitären Tradition an

diesem außergewöhnlichen Akt der Solidarität,

der hier von der Ukraine gesetzt wird“,

erklärte Vizekanzler Werner Kogler.

Von den 5,5 Millionen Euro gehen je -

weils 1 Million Euro an das Welternährungsprogramm

der Vereinten Nationen (WFP) und

an das Internationale Komitee vom Roten

Kreuz (IKRK) sowie 500.000 Euro an österreichische

Nichtregierungsorganisationen in

Burkina Faso. Weitere 2 Millionen Euro ge -

hen an das Kinderhilfswerk der Vereinten

Nationen für Mali. Zur Linderung der weltweiten

Ernährungskrise spendet die Ukraine

dem WFP 125.000 Tonnen Getreide. Österreich

stellt dem WFP 1 Million Euro für den

Transport dieser Spende zur Verfügung, um

dieses Getreide zu den von der Nahrungsmittelkrise

besonders Betroffenen in afrikanischen

Ländern, Jemen, Syrien und Afghanistan

zu bringen.

„Die Sahelzone ist bereits von einem Tsunami

an Krisen getroffen, darunter Dürren

nie dagewesenen Ausmaßes, die Pandemie

und Terrorismus. Durch die globale Ernährungsunsicherheit,

verschärft durch den russischen

Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat

sich die humanitäre Lage nochmals zugespitzt.

Durch Hilfe vor Ort leistet Österreich

einen wirksamen Beitrag, die humanitären

Krisen in Burkina Faso, Mali und in anderen

von der akuten Krise hauptbetroffenen Re -

gionen zu bekämpfen“, so Außenminister

Alexander Schallenberg.

8 Millionen Euro für Syrien und Jordanien

Der seit mehr als zehn Jahren andauernde

Syrienkonflikt hat zu einer der weltweit

größten humanitären Krisen geführt. Die pre -

käre Lage vor Ort verschärft sich und eine

politische Lösung des Konfliktes ist nicht in

Sicht. Ein konsequenter Wiederaufbau der

zerstörten Infrastruktur sowie eine Wiederbelebung

der Wirtschaft werden so verunmöglicht.

Um das Leid in Syrien und seinem

Nachbarland Jordanien zu lindern und weitere

Migration in Richtung Europa zu unterbinden,

stellt die österreichische Bundesregierung

insgesamt 8 Millionen Euro aus dem

Auslandskatastrophenfonds (AKF) des Aussenministeriums

zur Verfügung. „Die humanitäre

Situation in Syrien bleibt auch nach

über einem Jahrzehnt von Tod, Zerstörung

und unaussprechlichem Leid verheerend. Die

Menschlichkeit gebietet, daß wir hier vor Ort

unbürokratisch helfen und den Menschen

sauberes Wasser, Strom und funktionierende

Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung

stel len. So soll auch verhindert werden, daß

sich noch mehr Menschen auf die gefährliche

Reise nach Europa machen und das

menschenverachtende Geschäft der Schlepper

weiter befeuert wird“, hielt der Außenminister

Außenminister Schallenberg ab -

schließend fest.

n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

55

Foto: BMEIA / Gruber

Außenminister Alexander Schallenberg beim OSZE Ministerrat in Łódź

Schallenberg beim Ministerrat der

Organisation für Sicherheit und

Zusammenarbeit in Europa

Im polnischen Łódź fand am 1. und 2. De -

zember das Treffen der Außenminister der

OSZE-Teilnehmerstaaten statt.

Die Organisation für Sicherheit und Zu -

sammenarbeit in Europa hat zum Ziel, Konflikte

zu lösen und so ein friedliches Zusam -

menleben der über eine Milliarde Menschen

in den 57 Mitgliedsstaaten zu ermöglichen –

von Vancouver bis Wladiwostok. Weil

OSZE-Beschlüsse einstimmig gefällt werden

und Rußland seit Jahren blockiert, befindet

sich die Organisation in der Krise. So hat

Rußland beispielsweise die Beendigung der

OSZE-Beobachtermission in der Ukraine er -

zwungen. Ziel des Treffens war es daher,

trotz der Blockaden Rußlands Wege zu finden,

wie die OSZE ihre wichtige Arbeit für

Stabilität, Frieden und Demokratie fortsetzen

kann.

Für Außenminister Alexander Schallenberg

standen dazu neben der Plenarsitzung

bi laterale Gespräche mit den Außenministern

der Ukraine, des Vereinigten Königreichs,

Moldaus und Kasachstans sowie die Teilnah -

me an einem Side-Event zur „Beendigung

der Straflosigkeit Rußlands“ auf dem Programm.

„Wir müssen alles daransetzen, die OSZE

für den ,Tag danach‘ zu bewahren. Den Tag,

an dem die Diplomatie wieder Raum findet.

Wann auch immer dieser Tag sein wird. Spätestens

dann braucht es eine starke Organisation.

Denn die OSZE war nie ein Klub gleich -

gesinnter Staaten. Ich bedauere es deshalb

sehr, daß Rußland heute nicht vertreten ist.

Das ist ein sicherheitspolitisches Eigentor“

so Schallenberg in Łódź.

Bei einer Veranstaltung zur „Beendigung

der Straflosigkeit Rußlands und Gerechtigkeit

für die Opfer des Angriffskrieges“ unterstrich

der Außenminister die Unterstützung

Österreichs für unabhängige Untersuchungsmissionen

und Gerichte. Diese leisten einen

wichtigen Beitrag, um die Verantwortlichen

zur Rechenschaft zu ziehen und das Völkerrecht

durchzusetzen.

„Ich bin stolz darauf, daß Wien die UN-

Untersuchungskommission zur Ukraine be -

her bergt, daß wir ukrainische Ermittlungsbeamte

für Kriegsverbrechen ausbilden und

ausrüsten, und daß wir die Bemühungen des

Internationalen Strafgerichtshofs finanziell

und tatkräftig unterstützen“ betonte Schallenberg

in seiner Rede.

Die OSZE hat in den vergangenen Jahrzehnten

bedeutend zur Sicherheit, Bekämpfung

der organisierten Kriminalität und der

Stärkung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit

in Europa und Zentralasien beigetragen.

Unter anderem war die Feldmission

in der Ukraine nach der völkerrechtswidrigen

Invasion der Krim ausschlaggebend

dafür, den Dialog zwischen den Konfliktparteien

aufrechtzuerhalten. Da Rußland

nun alle Aktivitäten der OSZE in der Ukraine

blockiert, braucht es neue, kreative Ansätze.

Diesbezüglich zeigte sich Schallenberg

bei seinem bilateralen Treffen mit dem

ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba

erfreut, daß die OSZE neue Wege geht. Lanciert

wurde u.a. ein Projekt zur Minenräumung,

Beseitigung von durch Angriffe entstandenen

Umweltschäden und zur psychologischen

Unterstützung der Zivilbevölkerung.

Als außerbudgetäres Projekt kann es

von Rußland nicht blockiert werden.

Trotz des russischen Angriffskriegs dürfen

auch andere Brandherde, die jederzeit

wie der aufflammen können, nicht aus den

Au gen gelassen werden. Dazu zählen die Si -

tuation in Transnistrien aber auch Fragen der

Rüstungskontrolle, der Menschenrechte und

des Klimawandels. Dazu tauschte sich der

Außenminister mit weiteren Amtskollegen

aus. Gegenüber seinem moldauischen Amtskollegen

Nicu Popescu zeigte er sich außerdem

über den klaren proeuropäischen Kurs

der moldauischen Regierung erfreut und

sagte ihm die Aufrechterhaltung der österreichischen

Unterstützung zu. Auch beim Ge -

spräch mit James Cleverly, dem Außenminister

des Vereinigten Königreichs, standen die

Folgen des russischen Angriffskriegs sowie

die Sicherheitskooperation im Fokus. n

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

ITreffen der »Slavkov 3«

m slowakischen Château Béla traf Außenminister

Alexander Schallenberg am 3. De -

zember seine Amtskollegen aus der Slowakei,

Rastislav Káčer und Tschechien, Jan Li -

pavský im sogenannten „Slavkov 3“-Format.

Im Zentrum des Austausches am Rande des

GLOBSEC Forums standen die nach bar -

schaft liche Zusammenarbeit, die Auswirkungen

des russischen Angriffskriegs gegen

die Ukraine und die illegale Migration nach

Europa.

Die Krisen der letzten Jahre haben ge -

zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit der

drei Nachbarstaaten ist. Während der Pandemie

ist es den „Slavkov 3“ dank enger Ab -

stimmung gelungen, den grenzüberschreitenden

Reiseverkehr aufrechtzuerhalten. Seit

fast zehn Monaten ist es nun der russische

Angriffskrieg, der die ungeteilte Aufmerksamkeit

der drei zentraleuropäischen Staaten

erfordert. Neben dem Umgang mit den Auswirkungen

des Angriffkrieges, besprachen

die Außenminister auch mögliche Perspektiven

in Richtung eines zukünftigen Friedensschlusses.

„Wir werden jede Lösung unterstützen,

die für die Ukraine akzeptabel ist und die zu

Frieden und dauerhafter Stabilität führt. Ich

bin nach wie vor der Meinung, daß eine dauerhafte

Lösung nur am Verhandlungstisch

herbeigeführt werden kann. Es wird an Präsident

Selenskyj und dem ukrainischen Volk

sein, die Umstände und Ausgestaltung einer

solchen festzulegen“, so Außenminister Alexander

Schallenberg.

Die drei Außenminister verurteilten abermals

die wiederholten russischen Angriffe


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

56

auf die ukrainische Infrastruktur, insbesondere

auf die Energie- und Lebensmittelversorgung,

aufs Schärfste und betonten die Be -

deutung eines geschlossenen Vorgehens der

EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Rußland.

Dies ist besonders in Bezug auf die Energiepolitik

von Bedeutung nachdem der russische

Präsident weiterhin Kälte und Hunger als

Waffe einsetzt um den Widerstand der Ukra -

ine zu brechen und einen Keil zwischen die

Ukraine und ihre Verbündeten zu treiben.

Ein weiteres zentrales Gesprächsthema

der drei Außenminister war die zuletzt rasant

zunehmende Migration nach Europa. Dabei

verwies Schallenberg auf die Tatsache, daß

temporäre Kontrollen an den Binnengrenzen

zwischen Österreich und der Slowakei erforderlich

sind. Diese Tatsache alleine zeige, daß

das Schengensystem in seiner derzeitigen

Form gescheitert ist. Zudem konzentriere

sich die Europäische Kommission nur auf

die zentrale Mittelmeerroute, während die il -

legale Migration über den Balkan dramatisch

zugenommen hat.

„Wir hatten dieses Jahr rund 100.000

Asylanträge. Im September und Oktober

hatte Österreich die höchste Pro-Kopf-Belastung

aller EU-Mitgliedsstaaten. Von den

100.000 illegalen Migranten, die in Österreich

ankommen, sind rund 75.000 nicht in

einem anderen Schengen- oder assoziierten

Staat registriert worden. Das bedeutet, daß

drei von vier Personen durch einen oder meh -

rere sichere Staaten gereist sind, ohne registriert

zu sein. Das muß ein Weckruf für

Europa sein!“, unterstrich der Außenminister

die überproportionale Last die Österreich

trägt. In der Pressekonferenz im Anschluß an

das Treffen sprach er sich zudem dafür aus,

die Staaten des Westbalkans stärker in die

gemeinsame Vorgehensweise der EU einzubeziehen

und graduell in die EU zu integrieren.

Europa müsse endlich Flagge zeigen

und dürfe die Region nicht anderen Akteuren

überlassen.

Das Slavkov-Format, benannt nach dem

Ort seiner Entstehung im Jahr 2015, ist ein

Kooperationsformat zwischen Österreich,

der Slowakei und Tschechien. Der regelmässige

Austausch findet dabei auf allen politischen

Ebenen statt.

n

Italiens neuer Außenminister

Antonio Tajani zu Gast in Wien

Außenminister Schallenberg empfing am

7. Dezember seinen neuen italienischen

Amtskollegen Antonio Tajani zu einem bilateralen

Treffen in Wien. Neben dem Austausch

über die exzellenten bilateralen Be -

Foto: Slowakisches Außenministerium / Tomas Bokor

Foto: BMEIA

v.r.: Außenminister Alexander Schallenberg mit seine Amtskollegen aus der Slowakei,

Rastislav Káčer, und Tschechien, Jan Lipavský, im sogenannten „Slavkov 3“-Format

Außenminister Alexander Schallenberg mit seinem italienischen Amtskollegen Antonio Tajani

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

ziehungen, standen das gemeinsamen Vorgehen

in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg,

die europäische Integration am Westbalkan

sowie der Kampf gegen illegale Mi -

gration im Zentrum des Gesprächs.

Das ausgezeichnete Verhältnis zwischen

Österreich und Italien spiegelt sich dabei be -

reits in der Tatsache wider, daß der erste

bilaterale Auslandsbesuch seit Amtsantritt

den italienischen Außenminister nach Wien

führte. Dies begrüßte Außenminister Schallenberg

und sprach von unschätzbarem Wert,

daß ein echter Europäer wie Antonio Tajani

an der Spitze der Außenpolitik eines wichtigen

europäischen Partners wie Italien stehe.

Neben einer engen Abstimmung auf europäischer

Ebene unterstrichen beide Außenminister

die Weiterentwicklung der Südtirol-

Au tonomie als besonderen Bereich der

Zusammenarbeit.

„Die Lösung der Volksgruppenfrage in

Südtirol, mit der Garantie für die Rechte der

deutschsprachigen Minderheiten, ist ein eu -

ropäisches Vorzeigemodell für ein friedliches

Zusammenleben in Europa und weltweit, das

etwa den Staaten des Westbalkans ein Vorbild

sein könnte“, betonte Schallenberg.

Weiters begrüßte der österreichische Aussenminister

die klare Haltung der neuen italienischen

Regierung an der Seite der Ukraine

und die scharfe Verurteilung des russischen

Aggressors. Denn gerade in den nächsten

Mo naten, so Schallenberg, sei Einigkeit und

strategische Geduld auf europäischer Ebene


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

57

unerläßlich. Nur so, als starke EU-27, könne

der Kampf der Narrative gegen die russische

Desinformation auch in anderen Weltregionen

gewonnen werden.

Die beiden Außenminister waren sich

zudem einig, daß mit dem Westbalkan in un -

mittelbarer geografischer Nähe sowohl Ös -

terreichs als auch Italiens wirtschaftliche

und politische Stabilität in der Region im In -

teresse beider Staaten ist. Schallenberg – wie

auch sein italienischer Amtskollege – hoben

dabei die Notwendigkeit hervor, Bosnien und

Herzegowina den Status einen EU-Kandidatenlandes

zuzuerkennen. Als Zeichen der So -

lidarität mit dem Westbalkan-Staat kündigten

die beiden Außenminister nach ihrem

Tref fen eine gemeinsame Reise nach Sarajewo

an.

Auch in puncto illegale Migration sprachen

sich die beiden Außenminister angesichts

des massiven Zustroms von Migranten

über die Balkan- und Mittelmeerroute für

europäische Lösungen sowie eine enge bilaterale

Abstimmung aus. Schallenberg versicherte

seinem Amtskollegen dabei, daß

Österreich die schwierige Situation Italiens

durch seine exponierte geografische Lage

verstehe. Er wies darauf hin, daß Österreich

pro Kopf zuletzt die höchsten Asylantragszahlen

EU-weit zu verzeichnen hatte.

„Die jetzige Situation ist unerträglich für

die österreichische und italienische Bevölkerung,

zumal in einer ohnehin herausfordernden

Zeit“, so Außenminister Schallenberg.

Zuletzt wurde der Alpentransitverkehr

zwischen Österreich und Italien über den

Brenner thematisiert. Auch diesbezüglich

hofft Schallenberg auf baldige konkrete Er -

gebnisse der Gespräche zwischen der EU-

Kommission, Deutschland, Italien und Öster -

reich. Um den Güterverkehr auf die Schiene

verlagern zu können, müssen zum einen der

Brennertunnel rasch fertiggestellt, zum an -

deren aber auch genügend Kapazitäten für

den Schienenausbau in Italien und Deutschland

geschaffen werden.

n

Nordmazedoniens Außenminister

Bujar Osmani zu Gast in Wien

Am 9. Dezember empfing Außenminister

Alexander Schallenberg seinen Amtskollegen

aus Nordmazedonien, Bujar Osmani, zu

einem Arbeitstreffen in Wien. Die beiden

Außenminister tauschten sich über den EU-

Erweiterungsprozeß, die Rolle der Organisation

für Sicherheit und Zusammenarbeit in

Europa (OSZE) angesichts des russischen

An griffskrieges gegen die Ukraine sowie

Migrationsthemen aus.

Foto: BMEIA / Gruber

Außenminister Schallenberg mi seinem nordmazedonischen Amtskollegen Bujar Osmani

Eingangs versicherte Schallenberg seinem

Amtskollegen, daß Österreich in be -

währter Weise Nordmazedonien tatkräftig auf

seinem Weg zur EU-Vollmitgliedschaft un -

terstützen werde. Ein wichtiger Schritt in

dieser Hinsicht war die Billigung des Beitritts -

verhandlungsrahmens für Albanien und

Nordmazedonien durch den Rat der Europäischen

Union im Juli 2022. In diesem Zu -

sammenhang sprach sich Schallenberg für

einen graduellen EU-Beitrittsprozeß aus, der

in einer Vollmitgliedschaft der Beitrittskandidatenländer

münden würde.

„Ein stufenweises EU-Beitrittsmodell

würde es erlauben, die EU-Beitrittskandidaten

am Westbalkan informell wie Vollmitglieder

zu behandeln. Dies wäre ein wichtiges

Signal, das viel bewirken könnte, und

ein notwendiger Schritt, den EU-Beitrittsprozeß

mit neuem Leben zu erfüllen“, betonte

Schallenberg die Vorzüge des österreichischen

Vorschlags.

Neben Diskussionen über den Stand der

EU-Erweiterung tauschte sich der Außenminister

mit seinem Amtskollegen auch über

die Rolle der OSZE angesichts des russischen

Angriffskrieg aus. Das jüngste Treffen

des OSZE-Ministerrates in der polnischen

Stadt Łódź habe große Einigkeit einer Mehrheit

der teilnehmenden Staaten hinsichtlich

der Unterstützung der Ukraine verdeutlicht.

Die Wiederaufnahme der Aktivitäten der

Organisation im Land werde positive Auswirkungen,

etwa im Bereich der Entminung

und Umweltsanierung, mit sich bringen.

Gleichzeitig seien die zahlreichen Herausforderungen,

die die russische Aggression

für die zukünftige Funktionsweise der OSZE

bedeute, sichtbar geworden.

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Mit Hinblick auf die derzeit wieder an -

steigenden Migrationsströme nach Europa

betonte Schallenberg Österreichs enge Ko -

operation mit Nordmazedonien im Bereich

des Migrationsmanagements. Eine effizienter

Schutz der EU-Außengrenzen setze voraus,

daß die Staaten des Westbalkans ihre Visapolitik

an jene der EU-Mitgliedsstaaten an -

gleichen.

n

Litauens Außenminister Gabrielius

Landsbergis zu Gast in Wien

Außenminister Alexander Schallenberg

begrüßte am 9. Dezember seinen Amtskollegen

aus Litauen, Gabrielius Landsbergis, zu

einem Arbeitstreffen in Wien. Im Mittelpunkt

des Austausches stand der russische

Angriffskrieg auf die Ukraine, insbesondere

die europäischen Unterstützungsleistungen

vor dem Hintergrund des herannahenden Win -

ters sowie die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen.

Zudem sprachen die beiden

Außenminister über aktuelle Entwicklungen

im Iran und steigenden Migrationsdruck.

Eingangs unterstrich Außenminister Alexander

Schallenberg die exzellenten Beziehungen

zwischen Österreich und Litauen und

bekräftigte seinen Wunsch, diese durch ei -

nen Ausbau der Handelsbeziehungen und ge -

genseitige Besuche weiter zu intensivieren.

Litauen habe sich zu einem wichtigen Akteur

in der europäischen Sicherheitsdebatte entwickelt.

Dies sei angesichts seiner Geschichte

und der geografischen Nähe mit Rußland

auch mit Hinblick auf die russische Aggression

gegen die Ukraine der Fall.

In diesem Zusammenhang verurteilten

die beiden Außenminister einheitlich, daß

die ukrainische Zivilbevölkerung mittler-


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

58

Foto: BMEIA / Gruber

Außenminister Alexander Schallenberg und sein litauischer Amtskollege Gabrielius Landsbergis

weile zu einem Ziel des brutalen Angriffskrieges

der russischen Armee geworden sei.

„Wir verurteilen die fortgesetzten Akte

der Aggression Rußlands, einschließlich des

wiederholten, wahllosen Beschusses ziviler

Infrastruktur, auf das Schärfste. Dies ist in -

akzeptabel! Wir fordern Rußland auf, seine

Feindseligkeiten einzustellen und seine Trup -

pen unverzüglich und bedingungslos aus dem

gesamten Staatsgebiet der Ukraine abzuziehen“,

so Schallenberg, der angesichts des

herannahenden Winters mit seinem litauischen

Amtskollegen übereinstimmte, daß die

Bereitstellung humanitärer Hilfe für die

Ukraine unverzichtbarer denn je sei. Dabei

verwies er darauf, daß Österreich bereits

humanitäre Hilfe im Wert von über 87 Millionen

Euro, darunter die Lieferung von mehr

als 300 Strom- und Heizaggregate, an die

Ukraine und unmittelbar betroffene Nachbarstaaten

geleistet habe.

Weiters sprachen sich beide Außenminister

für die Notwendigkeit einer lückenlosen

Aufklärung und rechtlichen Verfolgung der

von russischer Seite begangenen Kriegsverbrechen

in der Ukraine aus. Ein Zeichen des

österreichischen Engagements sei diesbezü -

glich, daß die von den Vereinten Nationen

eingesetzte unabhängige internationale Un -

tersuchungskommission zur Ukraine, ihren

Sitz in Wien habe.

„“Wenn wir wollen, daß sich das internationale

Recht am Ende des Tages durchsetzt,

ist Rechenschaftspflicht von größter Bedeutung“,

so Außenminister Schallenberg.

Auch in Zusammenhang mit dem brutalen

Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte

gegen DemonstrantInnen im Iran waren

Foto: BMEIA / Gruber

sich die beiden Außenminister einig und forderten

eine unabhängige und glaubwürdige

Un tersuchung. Die exzessive Anwendung

von Gewalt gegen friedliche Protestierende

sei absolut inakzeptabel.

Abschließend tauschten sich die beiden

Außenminister über aktuelle Herausforderun -

gen im Bereich Migration aus. Österreich ist

so wie Litauen derzeit erhöhtem Migrationsdruck

in Form steigender Ankunftszahlen

ausgesetzt. Außenminister Schallenberg un -

terstrich, daß das Thema angesichts der ak -

tuellen Situation ganz oben auf der europäischen

Agenda stehen müsse. Der kürzlich von

der Europäischen Kommission vorgestellte

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Ak tionsplan für den Westbalkan sei ein er -

stes positives Signal, jedoch müßten nun

weitere konkrete Schritte folgen. n

Rat für Auswärtige Angelegenheiten

mit Schwerpunkt Iran

Außenminister Alexander Schallenberg

traf am 12. Dezember mit seinen Amtskol -

legInnen aus den EU-Mitgliedsstaaten zum

Rat für Auswärtige Angelegenheiten zusammen.

Auf der Tagesordnung standen die an -

haltende Gewalt gegen Demonstrierende im

Iran sowie die Drohnenlieferungen des Irans

an Rußland im Angriffskrieg gegen die

Ukra ine. Am Rande der Ratssitzung fand

zudem ein Arbeitsfrühstück im Zeichen der

Östlichen Partnerschaft statt.

Bereits im Vorfeld des Treffens verurteilte

Außenminister Alexander Schallenberg aufs

Schärfste die Hinrichtungen von Iranern, die

im Zusammenhang mit den landesweiten

Protesten festgenommen worden waren: „Die

Todesstrafe ist eine grausame und un -

menschliche Strafe, die gegen die Menschenwürde

verstößt. Österreich tritt deshalb

entschieden gegen die Todesstrafe auf. Leider

erleben wir aber einen Iran im Rück -

wärtsgang, wo Menschenrechte mit Füßen

getreten und Personen unter fadenscheinigen

Gründen hingerichtet werden. Der iranischen

Führung muß klar sein, daß wir hier nicht

tatenlos zusehen. Frauenrechte sind Menschenrechte,

und diese gelten auch im Iran“,

so der Außenminister.

Im Rahmen der Ratssitzung beschlossen

die EU-AußenministerInnen einstimmig wei -

Außenminister Alexander Schallenberg beim Rat für Auswärtige Angelegenheiten in Brüssel


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

59

tere Sanktionen gegen den Iran. Diese zielen

einerseits auf jene Personen ab, die mit der

gewaltsamen Unterdrückung im Iran in Verbindung

stehen, andererseits auf die Lieferungen

iranischer Kampfdrohnen an Russland.

So ist es laut Außenminister Alexander

Schallenberg auch völlig inakzeptabel, daß

sich der Iran zum Handlanger des russischen

Aggressors im Krieg gegen die Ukraine

macht.

Unter Einbindung des ukrainischen Aussenministers

Dmytro Kuleba behandelten

die MinisterInnen darüber hinaus die Beziehungen

der EU zu Rußland. Dabei verwies

der Außenminister darauf, daß der russische

Präsident Putin Kälte und Hunger als Waffe

einsetzt. Dieser beabsichtige damit den

Widerstandswillen der ukrainischen Bevölkerung

zu brechen, neue Fluchtbewegungen

auszulösen und so die europäische Einheit zu

gefährden. Österreichs Priorität liege deshalb

umso mehr auf humanitären Hilfsleistungen

für die ukrainische Zivilbevölkerung.

Weiters konstatierte Schallenberg, daß

der Angriffskrieg die Beziehungen dahingehend

verändert habe, daß Kontakte zu Rußland

auf bilateraler und europäischer Ebene

weniger geworden seien.

Nichtsdestotrotz be kannte er sich zu der

Notwendigkeit, Rußland in multilateralen

Fora einzubinden: „Rußland wird nicht von

der Landkarte verschwinden. Ein völliges

Abbrechen jeglicher Kontakte wäre nicht nur

kontraproduktiv, sondern auch brandgefährlich.

Nur anhand offener Gesprächskanäle

können wir Rußland im direkten Gespräch

mit den verheerenden globalen Auswirkungen

der russischen Aggression konfrontieren.“

Am Rande des Treffens tauschten sich die

Ministerinnen und Minister im Rahmen der

Östlichen Partnerschaft auch mit ihren

Amtskollegen aus Armenien, Aserbaidschan,

Moldau, Georgien und der Ukraine bei ei -

nem informellen Arbeitsfrühstück aus. Ge -

genstand der Diskussionen waren die Ankurbelung

von Reformen in Staaten in Osteuropa

und im Südkaukasus sowie die Gewährleistung

der Sicherheit in diesen Regionen

im Kontext des russischen Angriffskriegs. n

https://www.bmeia.gv.at/

Beschluß des Ministerrates über die

Besetzung von Leitungsfunktionen im Ausland

Auf Antrag von Außenminister Alexander

Schallenberg wurde in der Sitzung

des Ministerrates vom 7. Dezember die Neubesetzung

von mehreren österreichischen

Ver tretungsbehörden beschlossen.

Die Betrauung mit den genannten Leitungsfunktionen

erfolgt nach Einholung des

erforderlichen Agréments des Empfangsstaates

und nach Ausstellung des Beglaubigungsschreibens

durch den Bundespräsidenten.

Es wurde vorgeschlagen, folgende Personen

mit Leitungsfunktionen im Ausland zu

betrauen:

m Gesandte Dr.in Marieke Zimburg mit

der Leitung der Österreichischen Botschaft

Amman,

m Gesandte Mag.a Gabriele Juen, LL.M.

mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Ankara,

m Botschafter Mag. Jürgen Meindl mit der

Leitung der Österreichischen Botschaft

Brüssel,

m Botschafter Mag. Dr. Thomas Oberreiter

mit der Leitung der Ständigen Vertretung

Österreichs bei der Europäischen Union

in Brüssel,

m Gesandte Mag.a Elisabeth Kögler mit

der Leitung der Österreichischen Botschaft

Canberra und Mitakkreditierung

als ao. u. bev. Botschafterin in der Republik

Fidschi, in der Republik Kiribati, in

der Republik Marshallinseln, in den

Föderierten Staaten von Mikronesien,

in der Republik Nauru, in Neuseeland,

im Unabhängigen Staat Papua-Neuguinea,

in den Salomonen, im Unabhängigen

Staat Samoa, im Königreich

Tonga, in Tuvalu und in der Republik

Vanuatu,

m ao. und bev. Botschafterin Mag.a Melitta

Schubert mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Dublin,

m Gesandten Dr. Herbert Pichler mit der

Leitung der Österreichischen Botschaft

Helsinki,

m ao. und bev. Botschafter Mag. Dr. Gerhard

Zettl mit der Leitung des Österreichischen

Generalkonsulates Hongkong,

m ao. und bev. Botschafter Mag. Georg

Postinger mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Kairo und Mitakkreditierung

als ao. u. bev. Botschafter im

Staat Eritrea und in der Republik

Sudan,

m Legationsrätin Mag.a Bernadette Klösch

mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Lettland mit Sitz in Wien,

m Gesandte Mag.a Renate Kobler mit der

Leitung der Österreichischen Botschaft

Lima und Mitakkreditierung als ao. u.

bev. Botschafterin im Plurinationalen

Staat Bolivien,

m Botschafter Mag. Bernhard Wrabetz mit

der Leitung der Österreichischen Botschaft

London,

m Botschafterin Mag.a Dr.in Karin Proidl

mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Luxemburg,

m ao. und bev. Botschafter Mag. Wolfgang

Strohmayer mit der Leitung des Österreichischen

Generalkonsulates Mailand,

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

m Gesandten Mag. Christophe Ceska mit

der Leitung der Österreichischen Botschaft

Maskat und Mitakkreditierung als

ao. u. bev. Botschafter in der Republik

Jemen,

m Gesandte Mag.a Dr.in Susanne Bachfischer

mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Nikosia,

m ao. und bev. Botschafter Dr. Johannes

Wimmer mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Pressburg,

m Gesandten Mag. Georg Schnetzer mit

der Leitung der Österreichischen Botschaft

Pristina,

m ao. und bev. Botschafter Dr. Oskar

Wüstinger mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Riyadh,

m ao. und bev. Botschafter Mag. Georg

Diwald mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Sarajewo,

m Botschafter Mag. Martin Pammer mit

der Leitung der Österreichischen Botschaft

Skopje,

m Gesandte Mag.a Barbara Grosse, E.MA

mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Tripolis,

m Legationsrat Mag. Dr. Clemens Koja

mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Usbekistan mit Sitz in Wien

und

m Botschafterin MMag.a DDr.in Petra

Schneebauer mit der Leitung der Österreichischen

Botschaft Washington und

Mitakkreditierung als ao. u. bev. Botschafterin

im Commonwealth der Bahamas.

n


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Maori-Delegation übernahm

Überreste ihrer Vorfahren

60

Das Naturhistorisches Museum Wien gab Gebeine Angehöriger

der Māori und Moriori an Aotearoa, Neuseeland zurück

Foto: Naturhistorisches Museum Wien/APA-Fotoservice/F.-Roßboth

Foto: Naturhistorisches Museum Wien/APA-Fotoservice/F.-Roßboth

Die Zeremonie im Naturhistorischen Museum Wien

Parone Gloyne (Māori Kulturexperte, Te Papa)

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Am 27. September wurden im Rahmen

einer feierlichen Repatriierungs-Zere -

mo nie im Naturhistorischen Museum Wien

Gebeine Angehöriger der Māori und Moriori

nach Aotearoa, Neuseeland, zurückgegeben.

Das Karanga Aotearoa Repatriation Program -

me führt die Rückführung von Über resten

von Māori und Moriori aus den Sammlun -

gen des Naturhistorischen Mu seums Wien

durch. Dieses Projekt wird in Partnerschaft

zwischen dem Te Papa Tongarewa Museum

(Wellington), dem Naturhistorischen Mu -

seum Wien, der österreichischen Bundesregierung

und der neuseeländischen Botschaft

in Wien durchgeführt.

Bei der offiziellen Übergabe sprachen

Mr. Parone Gloyne (Māori cultural expert,

Te Papa), Arapata Hakiwai (Māori co-leader,

Te Papa) und S.E. Botschafter Brian Hewson

(neuseeländische Botschaft in Österreich).

Ös terreich und das NHM Wien waren vertreten

durch Jürgen Meindl (Leiter der Sektion

Kunst und Kultur, Bundesministerium für

Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und

Sport), Katrin Vohland (Generaldirektorin

des NHM Wien) und Prof. Sabine Eggers

(Anthropologin, NHM Wien). Bei den an -

schließenden Präsentationen und der Po -

diumsdiskussion sprachen auch Te Herekiekie

Herewini (Karanga Aotearoa), Te Ariki -

rangi Mamaku-Ironside (Karanga Aotearoa),

Arapata Hakiwai (Te Papa), Paraone Gloyne

(Te Papa), Ngahuia Kopa (Te Papa) und Hi -

nemoana Baker (Te Papa).

Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea

Mayer bezeichnet die Rückgabe von Ancestral

Remains der Māori und Moriori an

Aotearoa/Neuseeland als wichtigen Schritt

für die Anerkennung geschehenen Unrechts,

welches durch umsichtige Provenienzrecherchen

belegt werden konnte. „Einen weiteren

Schritt in diese Richtung gehen wir mit dem

Beratungsgremium für Objekte aus kolonialen

Kontexten. Ziel ist es, einen sensiblen

Um gang mit Sammlungen österreichischer

Bundesmuseen aus kolonialen Kontexten zu

entwickeln. Ein zeitgemäßer und dialogischer

Zugang steht dabei im Vordergrund.“

Katrin Vohland, Generaldirektorin und wissenschaftliche

Leiterin des Naturhistorischen

Museums Wien, betonte die Bedeutung

des Vorhabens und seine Wichtigkeit für

alle Beteiligten. „Ich bin beeindruckt, wie sehr

der Rückführungsprozeß von dem Wunsch

nach Versöhnung getragen wird, und freue

mich, daß wir zum Heilungsprozeß beitragen

können“, so Vohland. „Ich bin dankbar

für die Möglichkeit, die Beziehungen zwischen

Österreich und Neuseeland auf wissenschaftlicher

und persönlicher Basis vertrauensvoll

wachsen zu lassen.“

Zur Repatriierung

Mit der Rückgabe von menschlichen

Überresten soll das ethische und moralische

Unrecht anerkannt werden, welches durch

rücksichtlose Sammlungspraktiken entstanden

ist. Sterbliche Überreste indigener An -

gehöriger wurden zudem unter Mißachtung


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

61

ihrer Welt- und Wertvorstellungen außer Lan -

des geschafft. Sie wurden anthropometrisch

untersucht, rassialisiert und nicht selten öf -

fentlich zur Schau gestellt. Dadurch wurden

sie ihrer Identität als Vorfahren der lebenden

Gesellschaften beraubt und zu Museumobjekten

degradiert. Das Ziel der Repatriierung

menschlicher Überreste aus musealen Samm -

lungen ist die Rehumanisierung und somit

die damit einhergehende Wiederherstellung

der individuellen Würde der Verstorbenen

und ihrer wichtigen Rolle als Identitätsspender

heutiger Gesellschaften.

Provenienzrecherche

Bei den menschlichen Überresten aus Neu -

seeland (kōiwi tangata / kōimi tchakat), die

im 19. Jahrhundert in das NHM Wien eingegliedert

wurden, handelt es sich um Schädel

von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen,

Männern und Frauen.

Eingeleitet wurde dieser Prozeß durch

das Te Papa Museum, Wellington, welches

im Auftrage der neuseeländischen Regierung,

weltweit Repatriierungen initiiert und koordiniert.

Nach intensiver interdisziplinärer

Pro venienzrecherche über die Herkunft der

Gebeine ist davon auszugehen, daß diese

gegen den Willen der indigenen Māori /

Moriori Gesellschaft aus deren Grabstätten

entwendet wurden. Sie gelangten auch durch

Handel und Tausch sowie als Geschenk in

die osteologische Sammlung des NHM Wien.

Zu diesem Schluß gelangt die gemeinsam

von einem großen Team an WissenschaftlerIn -

nen und StudentInnen der Anthropologischen

Abteilung des NHM Wien in Zusammenarbeit

mit WissenschaftlerInnen des Te Papa

Museums durchgeführte Provenienzrecherche.

Aufgrund der daraus resultierenden und

im Gutachten hervorgegangenen Ergebnisse

sowie mit dem Verweis auf internationale

Ethikstandards (wie insbesondere Art. 12 der

United Nations Declaration on the Rights of

Indigenous Peoples) und den Empfehlungen

des Te Papa Museums befürwortet die Republik

Österreich daher ausdrücklich die Repatriierung

dieser kōiwi tangata / kōimi tchakat.

Im Zuge dieser Repatriierung wird auch

das Sparkling Science Projekt „Kolonialis -

mus heute!? Was hat das mit mir zu tun?“

gestartet. Ziel ist es, gemeinsam mit Schü -

lerIn nen zu untersuchen, was koloniale Kontexte

mit aktuellen Fragen, zum Beispiel der

Biodiversität oder globaler Ungleichheit, zu

tun haben. Der Besuch der SchülerInnen bei

der Repatriierungszeremonie war gleichzeitig

Projektauftakt.

https://www.nhm-wien.ac.at

Die Maori und Österreich –

eine komplizierte Beziehung

*) Univ.Prof. Hermann Mückler ist Präsident der

Anthropologischen Gesellschaft in Wien, sowie

Präsident des Dachverbands aller österreichischausländischen

Gesellschaften-PaN

Von Hermann Mückler *)

Die beiden neuseeländischen Maori

Wiremu Toetoe Tumohe und Hemara

Te Rerehau Paraone gelangten mit der ös -

terreichischen Fregatte Novara im Zuge von

deren Weltreise der Jahre 1857-1859 von

Aotearoa (Neuseeland) nach Triest und

weiter nach Wien, wo sie in den Jahren

1859 und 1860 lebten und arbeiteten. Sie

waren damit die ersten Indigenen der Doppelinsel

Neuseelands, die den Weg nach

Österreich fanden. Das Interesse an den

bei den polynesischstämmigen Maori war

damals in Wien groß. Hohe und höchste

Kreise buhlten darum, sie als Gäste einladen

und ausfragen zu können. Zahlreiche

Artikel der „Wiener Zeitung“ geben Zeugnis

von jedem Detail ihres Aufenthalts und

ihres Verhaltens. Anläßlich ihrer Heimfahrt

über London wurden sie mit einer Drukkerpresse

beschenkt, zu deren Nutzung sie

in der Österreichischen Staatsdruckerei da -

vor schon eine Lehre absolviert hatten. Die -

se Druckerpresse wurde in Neuseeland be -

rühmt, da mit ihr die Zeitung „Te Hookioi“

in Maori gedruckt wurde. Für lange Zeit

blieben die beiden Maori die einzigen,

wel che Österreich besuchten, während zur

glei chen Zeit zahlreiche Schädel und Knochen

in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

– der Hochblüte der Epoche an -

thropologischer Schädelvermessungen –

ihren Weg nach Wien fanden.

Zu jenen Österreichern, die im 19. Jahrhundert

den Weg nach Neuseeland fanden,

zählte der zwar in Deutschland geborene,

aber in Österreich wirkende Geologe, Na -

tur forscher und Entdecker Ferdinand Hoch -

stetter sowie der oberösterreichische Forschungsreisende,

Ethnograph und Ornithologe

Andreas Reischek. Beiden war man

seitens der Maori mit Entgegenkommen be -

gegnet. Hochstetter trug entscheidend zur

Erschließung bis dato geologisch unkartierter

Gebiete Neuseelands bei. Reischek

jedoch mißbrauchte die Gastfreundschaft,

die ihm sogar Ausnahmegenehmigungen

und das Vertrauen des Maori-Königs Tawhiao

eingebracht hatte, auf seiner Suche

nach ethnologisch interessanten Objekten

so wie „human remains“. Er raubte, zum

Teil mit Unterstützung von einheimischen

Maori, Werkzeuge, Schmuck, Schnitzereien,

menschliche Knochen, 37 Schädel

und zwei Mumien aus alten, verbotenen

Grabhöhlen und brachte sie nach Europa.

In seinem Tagebuch sowie in einer Veröffentlichung

seines Sohnes brüstete er sich

der Methoden, die er anwandte, um an die

Gegenstände zu gelangen. Seit diese Tatsache

den Maori durch die Recherchen des

Neuseeländers Michael King bewußt wur -

de, ebbte die Kritik an dieser Vorgehensweise

von Seiten der Maori nicht mehr ab.

In jüngerer Zeit stellten diese zwi -

schenzeitig in mehreren Museen beheima -

teten Objekte Reischeks zunehmend eine

Bürde dar, deren Besitz mit einem zeitgemäßen,

ethisch und moralisch vertretbaren

Umgang nicht vereinbar ist. Bereits 1985

übergab das damalige Völkerkundemuseum

Wien die beiden Mumien an eine

neuseeländische Delegation, die diese in

ihre Heimat überführten.

Im Jahr 2015 schließlich wurden die

restlichen human remains des zwischenzeitig

Weltmuseum Wien genannten ethnologischen

Museums im Rahmen einer

berührenden Zeremonie an eine Delegation

von Maori übergeben.

Nun fand dieser Akt der Heimholung

menschlicher Überreste von Maori auch

im Naturhistorischen Museum Wien, welches

ebenfalls zahlreiche Schädel und Kno -

chen beherbergte, seine Umsetzung. Hier

kam es nun am 27. September zu einer

feierlichen und ergreifenden Zeremonie, in

der eine sechsköpfige Maori-Delegation

des Te Papa Tongareva die Überreste ihrer

Vorfahren entgegennahm, um diese mit

nach Hause zu nehmen. Damit findet ein

un rühmliches Kapitel einer bilateralen Be -

ziehungsgeschichte seinen überfälligen,

aber versöhnlichen Abschluß und es kann –

und wird – ein neues Kapitel in den österreichisch-neuseeländischen

Beziehungen

aufgeschlagen, wie es die Redner beider

Länder bei der Zeremonie mehrmals be ton -

ten.

n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Plus 45 % bei Einbürgerungen

… von Jänner bis September – fast 30 % sind Nachkommen von NS-Opfern

In den ersten drei Quartalen 2022 wurde

die österreichische Staatsangehörigkeit an

11.155 Personen verliehen, darunter an

3.017 (27,0 %) Personen mit Wohnsitz im

Ausland. Damit gab es laut Statistik Austria

um 45,3 % mehr Einbürgerungen als von Jän -

ner bis September 2021 (7.676 Einbürgerungen)

bzw. um 46,6 % mehr als im Vergleichszeitraum

vor Beginn der COVID-19-Pandemie

2019 (7 610 Einbürgerungen).

„Das kräftige Einbürgerungsplus von

45,3 % im Vergleich zu den ersten drei Quartalen

des Vorjahres geht hauptsächlich auf

die Einbürgerungen von NS-Opfern und de -

ren Nachkommen zurück, die fast 30 % der

von Jänner bis September 2022 neu Eingebürgerten

ausmachen“, so Tobias Thomas,

Generaldirektor von Sta- tistik Austria.

Unter dem Rechtstitel §58c StbG haben

politisch Verfolgte des NS-Regimes und de -

ren Nachkommen die Möglichkeit einer Einbürgerung,

ohne im Gegenzug ihre bisherige

Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen.

Von Jänner bis September 2022 erhielten

3.022 Personen (davon leben 2.992 im Ausland)

nach §58c die österreichische Staatsangehörigkeit,

das entspricht 27,1 % aller Einbürgerungen

dieser drei Quartale. Personen,

die unter diesem Titel eingebürgert wurden,

sind am häufigsten Angehörige folgender drei

Staaten: Israel (1.182 bzw. 10,6 % aller in

den ersten neun Monaten 2022 Eingebürgerten),

Vereinigte Staaten (718 bzw. 6,4 %) und

Vereinigtes Königreich (640 bzw. 5,7 %). Aus

anderen Gründen Eingebürgerte (insgesamt

8.133 Personen von Jänner bis September

2022) waren zuvor am häufigsten Staatsan ge -

hörige Syriens (834 bzw. 7,5 %), der Türkei

(810 bzw. 7,3 %) sowie Bosnien und Herzegowinas

(614 bzw. 5,5 %). Die Hälfte der

Einbürgerungen in den ersten drei Quartalen

2022 entfiel auf Frauen (50,6 %), rund ein

Drittel waren Minderjährige (31,4 %). Fast

ein Viertel der neu Eingebürgerten wurde in

Österreich geboren (2.683 bzw. 24,1 %).

In acht Bundesländern wurden von Jänner

bis September 2022 mehr Personen eingebürgert

als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Die relativen Zuwächse waren in Vor -

arlberg (+47,4 % auf 426 Einbürgerungen)

am höchsten, gefolgt von Kärnten (+46,0 %

auf 419), Wien (+33,6 % auf 3 290) und der

Steiermark (+31,0 % auf 740). Im Burgenland

(-7,6 % auf 121) gab es im Vergleich

zum Vorjahr weniger Einbürgerungen. Auch

im Vergleich zu den ersten drei Quartalen

2019, vor der Covid-19-Pandemie, gab es in

sieben Bundesländern mehr Einbürgerungen,

angeführt von Kärnten (+86,2 % auf

419 Einbürgerungen). Nur in Wien (-2,2 %

auf 3.290) und in Oberösterreich (-4,9 % auf

993) gab es im Vergleich zu 2019 weniger

Einbürgerungen.

Fast drei Viertel aller Einbürgerungen in

den ersten neun Monaten 2022 erfolgten aufgrund

eines Rechtsanspruchs (8.061 Personen

bzw. 72,3 %). Darunter wurden 3.950

Per sonen nach mindestens sechsjährigem

Wohnsitz in Österreich und aus besonders

berücksichtigungswürdigen Gründen eingebürgert

(z. B. nachgewiesene Deutschkenntnisse

und nachhaltige Integration, Geburt in

Österreich, EWR-Staatsangehörigkeit oder

asylberechtigt – §11a, Abs. 4, Abs. 6 sowie

Abs. 7), 3 022 politisch Verfolgte und deren

Nachkommen (§58c, Abs. 1 bis Abs. 6), 484

Personen aufgrund der Ehe mit eine:r Österreicher:in

(§11a, Abs. 1 und Abs. 2) sowie

361 Personen aufgrund eines mindestens 15-

jährigen Wohnsitzes in Österreich und nachhaltiger

Integration (§12, Abs. 1, Z. 1). Weitere

697 Personen erhielten die Staatsangehörigkeit

im Ermessen (6,2 %), darunter 675

Personen nach mindestens zehnjährigem

Einbürgerungen in den ersten drei Quartalen 2022

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62

Wohnsitz (§10, Abs. 1). Unter dem Titel Er -

streckung der Verleihung wurden zusammen

2.397 Personen bzw. 21,5 % eingebürgert,

davon 303 EhegattInnen (§16) und 2.094

Kinder (§17).

Die Statistik der Einbürgerungen basiert

auf den Angaben aus den rechtskräftigen Be -

scheiden der Ämter der Landesregierungen

Ös terreichs über die Verleihung der Staatsbürgerschaft

und wird im Auftrag des Bun -

des ministeriums für Inneres durchgeführt. Die

Statistik der Einbürgerungen dokumentiert

sämtliche durch Willenserklärung des Erwer -

bers und nachfolgenden Behördenakt bewirkte

Arten des Erwerbs der Staatbürgerschaft

nach StbG 1985, idF Novelle 2022 (§§ 10

bis 17, 25, 57, 58c und 64a), nicht hingegen

die automatischen Erwerbsarten wie Geburt

oder Legitimation eines nichtehelichen Kindes.

Die Einbürgerungsstatistik umfaßt so -

wohl Einbürgerungen von in Österreich als

auch von im Ausland wohnhaften Personen.

Bei den Einbürgerungen nach §58c (politisch

Verfolgte und deren Nachkommen gilt

als statistisches Wirkungsdatum der Einbürgerung

das Bescheid-Ausstellungsdatum und

nicht das Datum des Einlangens der Anzeige

bei der Behörde. Diese Einbürgerungen be -

treffen überwiegend Personen mit einem

Wohnsitz im Ausland.

n

https://www.statistik.at

Quelle: Statistik Austria, Statistik der Einbürgerungen. Vorläufige Ergebnisse. 1) Paragraph des StbG 1985, idF Novelle

2022 in Kraft ab 01.05.2022; Ermessen: §10 – Anspruch: §§ 11a, 12–14, 25, 57, 58c, 64a – Erstreckung: §§ 16, 17. Alle

Paragraphen kommen nur bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für eine Einbürgerung zur Anwendung.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / Burgenland

Sicherung des Naturraums

Neusiedler See

63

LH Doskozil und Ungarns Innenminister Pintér einigen sich auf weiteren Fahrplan

Nach der Unterzeichnung eines Memorandum

of Understanding (MoU) Ende

Juli mit dem ungarischen Außenminister

Péter Szijjártó traf Landeshauptmann Hans

Peter Doskozil am 5. Dezember den ungarischen

Innenminister Sándor Pintér in Budapest

zu einem Arbeitsgespräch, das neben an -

deren Themen die nachhaltige Sicherung des

Naturraums Neusiedler See – Seewinkel zum

Inhalt hatte. Konkret ging es um den Ausbau

des Moson-Donau-Bewässerungskanals von

Jánossomorja bis zur Staatsgrenze mit dem

Ziel, den Wasserstand zu stabilisieren und das

sensible Ökosystem der Region langfristig

abzusichern. Bei dem Gespräch einigten sich

Doskozil und Pintér darauf, eine bilaterale

Expertengruppe bis Jänner vertiefende technische

Umsetzungsdetails auf der Basis vorliegender

Konzepte erarbeiten zu lassen, be -

ton te der Landeshauptmann nach dem Ge -

spräch: „Diese Expertengruppe tritt noch

Mitte Dezember zu einer weiteren Sitzung

zusammen. Für Jänner haben wir das nächste

Treffen auf politischer Ebene vereinbart,

bei dem wir auf der Basis der Expertenvorgaben

einen konkreten Zeit- und Umsetzungsplan

fixieren wollen.“

Das Gespräch sei freundschaftlich und

konstruktiv verlaufen, man konnte sich hinsichtlich

der weiteren Vorgangsweise in

wichtigen Punkten einigen: „Bekanntlich

sind wir bereits seit längerem in Abstimmung

mit Ungarn. Das gestrige Gespräch hat uns

einmal mehr deutlich vor Augen geführt, daß

wir an einem Strang ziehen müssen, wenn es

um die Erhaltung unserer einzigartigen und

vielfältigen Naturlandschaft geht“, erklärte

Doskozil: „Parallel prüfen wir, wie bereits

kommuniziert, aber auch andere Varianten

weiter – eine innerösterreichische Lö sung

und auch ein mögliches gemeinsames Projekt

mit der Slowakei. Es ist durchaus möglich,

daß wir auch eine Kombination der vorliegenden

Optionen umsetzen, um den er -

hofften Effekt für die Wasserstandsicherung

zu erzielen. Das Land ist mit Nachdruck

dahinter, den Naturraum Neusiedler See –

Seewinkel abzusichern – nicht zuletzt im

Hinblick auf seine wirtschaftliche und touristische

Bedeutung.“

Foto: Ungarisches Innenministerium

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil beim Arbeitsgespräch mit Ungarns Innenminister

Sándor Pintér in Budapest

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Für Infrastrukturlandesrat Heinrich Dorner,

der aus gesundheitlichen Gründen nicht

am Treffen in Ungarn teilgenommen hat,

wurde nun ein wesentlicher Schritt gesetzt,

um beim Thema Zuleitung endlich „Nägel

mit Köpfen zu machen“. Dorner: „Für uns ist

wichtig, daß jetzt richtig Tempo in die Ge -

spräche reinkommt und wir bald Klarheit ha -

ben, welche Lösung am zielführendsten ist

und in den nächsten Jahren umgesetzt werden

kann.“ Seitens des Landes habe man

bereits Mitte Oktober mit den umfassenden

Arbeiten zur Schlamm- und Schilfbeseitigung

begonnen, um den Wasserstand am Neusiedler

See zu stabilisieren, so der Landesrat. Im

Rahmen des Vorhabens soll in den kommenden

zehn Jahren insgesamt eine Million Ku -

bikmeter Nassschlamm aus dem See geholt

werden. Zudem steht die Instandhaltung und

Neuerrichtung von Schilfkanälen zur Ge -

währleistung eines Wasseraustausches zwischen

der offenen Wasserfläche und dem

Schilfgürtel im Mittelpunkt „Auch das ist

ein wichtiger Mosaikstein, um einer drohenden

Austrocknung des Sees gegenzusteuern

und das Naturjuwel Seewinkel in seiner Einzigartigkeit

zu erhalten“, betonte Dorner. n

https://www.burgenland.at/

Grenzüberschreitende Bildungskonferenz

Die Förderung der Mehrsprachigkeit

durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit

war das Ziel der vor drei Jahren gestarteten

gemeinsamen INTERREG V-A Projekte

BIG_inn AT-HU und BIG_ling SK-AT.

Mit dabei waren vier österreichische, zwei

ungarische und vier slowakische Partner,

weitere neun strategische Partner waren eingebunden.

Bei der Abschlußkonferenz mit

Bildungsdirektor Heinz Josef Zitz und 80 Bil -

dungsexpertInnen aus den Partnerländern so -

wie weiteren 83 online zugeschalteten TeilnehmerInnen

aus Wien, NÖ und dem Burgenland

als auch aus Deutschland, der Slowakei

und Ungarn am 1. Dezember im Kultur-

und Kongresszentrum in Eisenstadt wurden

die Ergebnisse der Zusammenarbeit vorgestellt.

Die Veranstaltung wurde vom Land

Burgenland und der Bildungsdirektion Burgenland

organisiert.

Die Ergebnisse der Zusammenarbeit wurden

bei der Abschlußkonferenz im KUZ Ei -

senstadt präsentiert.

n

https://www.bildung-bgld.gv.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / Kärnten

Europaweit erster staatenübergreifender

Zollkorridor

64

Zollkorridor Hafen Triest und Villach/Fürnitz ist die Realisierung einer politischen

Jahrhundertvision, von der noch nachkommende Generationen profitieren werden

Foto: BKA / Andy Wenzel

Im Rahmen eines Festaktes wurden im Finanzministerium in Wien die notwendigen Vereinbarungen zum Zollkorridor.unterzeichnet.

Ein EU-weit einzigartiger Zollkorridor In Verbindung mit der von Kärnten und der ein europäisches Vorzeigeprojekt in Kärnten

zwischen dem Hafen in Triest und dem Steiermark vorangetriebenen Entstehung umgesetzt, mit dem wir die Weichen stellen,

Logistik Center Austria Süd (LCAS) in Villach/Fürnitz

geht im Dezember in den Pi -

lotbe trieb. Im Rahmen eines Festaktes im

Finanzministerium in Wien unterzeichneten

Landeshauptmann Peter Kaiser und Finanzmister

Magnus Brunner am 1. Dezember die

notwendigen Vereinbarungen. Die Republik

Italien war durch Botschafter Stefano Beltrame

vertreten. Von der Wirtschaftskammer

Kärnten war Präsident Jürgen Mandl, von

der ÖBB CEO An dreas Matthä zugegen. Der

Hafen Triest wurde durch Geschäftsführer

Zeno D’Agostino repräsentiert.

„Mit der heutigen Unterzeichnung für

einen Zollkorridor zwischen dem Hafen

Triest und dem Logistikzentrum Villach,

schreiben wir – schreibt Kärnten – einmal

mehr Geschichte“, stellte Kaiser klar. „Wir

stellen heute im wahrsten Sinne des Wortes

die Weichen für die Realisierung des ersten

Zollkorridors in Europa. Kärnten wird damit

noch enger mit seiner bereits vielfach kooperierenden

Partnerregion Friaul zusammenrücken.

Wir schaffen damit einen weiteren

international hell erstrahlenden Leuchtturm,

der viele Arbeitsplätze, Betriebsansiedelungen

eines gemeinsamen durch die Koralmbahn

verbundenen Wirtschaftsraum Süd, mit 1,1

Millionen Einwohnern dem größten nach

Wien, ist der Zollkorridor Hafen Triest und

Villach die Realisierung einer politischen

Jahrhundertvision, von der noch nachkommende

Generationen profitieren werden",

sagte der Landeshauptmann.

Finanzminister Magnus Brunner bezeichnete

den neuen Zollkorridor als ein absolutes

Vorzeigeprojekt im Logistik- und Zollbereich,

das EU-weit einzigartig ist. „Durch

ihn werden der Wirtschaftsstandort Österreich

und unsere Position als Binnenland ge -

stärkt. Die Sendungen, die über uns zolltechnisch

abgewickelt werden, werden im nächsten

Schritt nicht nur im Inland, sondern nach

ganz Europa versendet. Österreich kann sich

damit als Logistik-Drehscheibe und Angelpunkt

für den Warenverkehr in ganz Europa

positionieren. Mein Dank gilt allen Beteiligten,

die dieses Projekt mit jahrelangem En -

gagement vorbereitet haben“, so Finanzminister

Brunner.

Für Wirtschafts- und Logistiklandesrat

Sebastian Schuschnig ist der Zollkorridor

um Kärnten im Herzen des Alpen-Adria-

Raumes als EU-weite wirtschaftliche Drehscheibe

zu positionieren. Kärnten liegt am

Schnittpunkt von zwei europäischen Verkehrsachsen,

mit der direkten und unbürokra -

tischen Anbindung des Logistikcenter

Austria Süd in Villach/Fürnitz an den Hafen

in Triest erhält der gesamte Wirtschaftsraum

ein europaweit einzigartiges Alleinstellungsmerkmal.

Gemeinsam mit der Koralmbahn,

einem weiteren Jahrhundertprojekt für den

Standort, wird Kärnten für Unternehmensansiedelungen

hoch attraktiv und erhält völlig

neue wirtschaftliche Chancen, um Wert -

schöp fung und Arbeitsplätze in der Region

zu schaffen“, betonte Schuschnig und verwies

darauf, daß durch die Verlagerung der

Güterströme auf die Schiene ein wichtiger

Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet wird.

Die Vorteile des Zollkoridors für unser

südliches Nachbarland erörterte Botschafter

Stefano Beltrame. „Italien erwartet sich mit

diesem Zollkorridor durch die geographisch

günstige Lage des Hubs in Villach ein Vorzeigeprojekt

für die weitere verbesserte Einbindung

der italienischen Häfen in den

bringen, neue Wirtschaftskooperationen ein wirtschaftlicher Meilenstein für den Binnenmarkt.“

n

ermöglichen und Wohlstand schaffen wird. Wirtschaftsstandort Kärnten. „Es wird damit https://www.ktn.gv.at/

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / Niederösterreich

Austausch mit der

Region Ile-de-France

65

LH Mikl-Leitner: Mit vielen unserer Initiativen sind wir Vorbild in ganz Europa

Foto: NLK / Pfeiffer

Gespräche zur Unterzeichnung der gemeinsamen Absichtserklärung zwischen Niederösterreich und der Region Ile-de-France in St- Pölten

Über zwölf Millionen EinwohnerInnen Thema Entsiegelung von Boden vereinbart, gesteigert werden kann“, betonte sie. Auch

zählt die französische Region Ile-de- so Mikl-Leitner.

in ihrer Region habe das Thema Entsiegelung

France, ihr Zentrum ist die französische

Hauptstadt Paris. Am 29. November war die

Präsidentin des Regionalrates der Region Ilede-France,

Valerie Pecresse, zu Gast im Land -

haus in St. Pölten. Nach einem Arbeitsgespräch

mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-

Leitner und Landesrat Martin Eichtinger und

dem intensiven Austausch über Themen wie

erneuerbare Energie, Klimaschutz und Mo -

bilität wurde gemeinsam eine Absichtserklärung

zu diesen Inhalten unterzeich net.

„Das Thema Klimaschutz beschäftigt uns

alle, da gilt es global zu denken und regional

zu handeln“, betonte die Landeshauptfrau im

Anschluß an das gemeinsame Arbeitsgespräch.

Niederösterreich könne hier ganz

viel Know-How weitergeben, zeigte sie sich

überzeugt: „Mit vielen unserer Initiativen

sind wir Vorbild in ganz Europa.“ Besonderes

Interesse zeigte die französische Delegation

etwa am niederösterreichischen Ausbauprogramm

für Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie

Ein wichtiges Thema des Arbeitsgespräches

war auch die Mobilität, hielt die Landeshauptfrau

weiter fest: „Hier stehen wir

vor einer sehr ähnlichen Ausgangslage“, be -

zog sie sich auf die großen Ballungsräume

sowie die ländlichen Gebiete, die es in beiden

Regionen gebe. Mikl-Leitner berichtete

im Zuge des Zusammentreffens mit der Präsidentin

des Regionrates Ile-de-France von

den Investitionen Niederösterreichs im Öf -

fentlichen Verkehr und wie man auch die

Digitalisierung – etwa in Form von Apps –

für moderne Mobilitätslösungen nutzen

wolle.

Niederösterreich sei vor allem auch im

Bereich der erneuerbaren Energie sehr weit,

hob Valerie Pecresse im Zuge des Arbeitsgespräches

hervor. In ihrer Region sei man „in

diesem Bereich erst am Start“. Darum sei

man sehr interessiert an den niederösterreichischen

Erfolgen im Bereich Solarenergie,

Windenergie und Biomasse. Konkret wolle

eine große Bedeutung, berichtete sie

hier von intensiven Bemühungen, nicht mehr

genutzte Flächen der Natur zurückzuführen.

Unterzeichnet wurde abschließend eine

„Absichtserklärung zugunsten eines internationalen

Engagements der Regionen, subnationalen

Regierungen und Ballungsräume für

die Mobilisierung von Klimaressourcen“.

Ziele der Absichtserklärung sind: Fachwissen

über öffentliche Maßnahmen zur Bekämpfung

des Klimawandels und des Verlusts der

biologischen Vielfalt zu teilen und zu bündeln;

gemeinsam mit internationalen Institutionen,

internationalen Spendern und Entwicklungsagenturen

zu handeln, um den Zu -

gang der lokalen Behörden zu privaten und

öffentlichen Mitteln zu verbessern, damit sie

die massiven Investitionen tätigen können,

die für die Anpassung an den Klimawandel

erforderlich sind. Darüber hinaus plant die

Region Ile-de-France im Jahr 2023 zu einem

Gipfeltreffen der subnationalen Behörden zu

und Biomasse. Einen „intensiven man auch Erfahrungen sammeln, „wie die diesen Themen zusammenzukommen. n

Informationsaustausch“ habe man auch zum Akzeptanz für erneuerbare Energieformen https://www.noel.gv.at/

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / Oberösterreich

OÖ Menschenrechtspreis 2022

Landeshauptmann Thomas Stelzer überreichte die Auszeichnungen

an Josefa Anna Fasching und Tom Zuljevic-Salamon

66

Foto: Lan OÖ / Peter Mayr

Landeshauptmann Thomas Stelzer mit der Preisträgerin Josefa Anna Fasching und dem Preisträger Tom Zuljevic-Salamon

Die Preisträger zeigen eindrucksvoll, daß

humanitäres Engagement viele Gesichter

haben kann. Der Einsatz für die ärmsten

Menschen dieser Welt und für jene Menschen,

die es besonders schwierig im Leben

haben, beweist das hohe Engagement der

Zivilbevölkerung selbst in schwierigen Zeiten“,

gratulierte Landeshauptmann Thomas

Stelzer. Seit 1996 verleiht das Land OÖ rund

um den 10. Dezember den Menschenrechtspreis,

seit 2018 in einem Intervall von zwei

Jahren, mit einem Preisgeld in Höhe von

20.000 Euro dotierr, die sich die Preisträ -

gerInnen teilen.

„Zum 25. Mal sagen wir heute Danke an

besonders verdiente Landsleute für ihr Engagement

für die Menschenrechte. Dieses

Danke-Sagen knüpfen wir traditionell an den

10. Dezember, dem Jahrestag der Proklamation

der Allgemeinen Menschenrechte durch

die Vereinten Nationen. Dieser Tag soll uns

daran erinnern, daß Menschenrechte zu -

gleich das Höchste, aber auch verletzlichste

Gut sind, über das wir Menschen verfügen.

Als deutliches Zeichen unserer Solidarität

und unseres Versprechens, uns für diese

große Idee einzusetzen, holen wir Organisationen

und Einzelpersonen vor den Vorhang“,

betonte der Landeshauptmann bei der

Verleihung im Linzer Landhaus.

Der OÖ Menschenrechtspreis 2022 ging

an Josefa Anna Fasching aus Waldhausen im

Strudengau, nominiert vom Roten Kreuz

Oberösterreich und an Tom Zuljevic-Salamon

aus St. Leonhard bei Freistadt, nominiert

von Volkshilfe und pro mente Oberös -

terreich: „Die Preisträger zeigen eindrucksvoll,

daß humanitäres Engagement viele Ge -

sichter haben kann. Der Einsatz für die ärmsten

Menschen dieser Welt und für jene Men -

schen, die es besonders schwierig im Leben

haben, beweist das hohe Engagement der

Zivilbevölkerung selbst in schwierigen Zeiten.

Ich danke für Ihre Tatkraft, ihren Einsatz

und vor allem Ihren Mut“, gratulierte Stelzer.

Josefa Anna Fasching

engagiert sich als freiberufliche Hebamme in

Guinea, einem der ärmsten afrikanischen

Län der, wo sie bereits viele Jahre auf eigene

Kosten tätig ist. Bereits vor 25 Jahren hat sie

im Rahmen von „Ärzte ohne Grenzen“ in

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Afrika gearbeitet; seither leistet sie Hilfe in

verschiedensten kleineren Krankenhäusern.

Unter anderem hat sie dabei 2015 das Projekt

„FROUKI“ ins Leben gerufen, das in

der dort üblichen Landessprache „für gesunde

Mütter und gesunde Kinder“ bedeutet. Im

Rahmen dieses Projektes hält sie Vorträge,

sammelt Spenden von verschiedensten Institutionen

und Privatpersonen, die sie für eine

bessere Ausstattung der Gesundheitseinrichtungen

vor Ort einsetzt. Unter anderem organisiert

sie Hilfstransporte und sorgt dafür,

daß mit Hilfe von Spendengeldern ein Trinkwasserbrunnen

gegraben oder eine Solaranlage

installiert werden konnte.

Seit 17 Jahren ist sie als Hebamme aktiv.

Die Basis ihrer Arbeitseinsätze bildet die

Schulung und Fortbildung der Hebammen

und des Krankenhauspersonals vor Ort. Insbesondere

geht es ihr darum, werdenden

Müt tern eine Geburt in Würde und Sicherheit

zu ermöglichen. Josefa Anna Fasching

ist Mitglied des Advanced Medical Post Team

des Roten Kreuzes, ein Bereich, in dem sie

sich laufend weiterbildet, um bei Auslands-

Hilfseinsätzen tätig sein zu können.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Tom Zuljevic-Salamon

ist mit einer Reihe von Projekten seit Jahren

dafür im Einsatz, anderen Menschen, die es

aus verschiedenen Gründen schwerer im

Leben haben, nachhaltig zu helfen. In Oberösterreich

war er etwa beim Aufbau eines

Modellprojekts für Straßensozialarbeit in

Kombination mit Kulturarbeit für Jugendliche

in Linz tätig, baute Inklusionsprojekte in

Oberösterreich mit dem Ziel auf, Menschen

mit gesundheitlichen Einschränkungen oder

sozialen Anpassungsstörungen zu stabilisieren,

zu rehabilitieren und schlussendlich zu

integrieren. In der eigenen Landwirtschaft

hat er Menschen mit erheblichem Unterstützungsbedarf

aufgenommen. International hat

er Initiativen im Rahmen der weltweiten

„Clubhaus“-Bewegung für Menschen mit

psychiatrischen Behinderungen gesetzt. Er

war beim Aufbau von insgesamt 26 sozialökonomischen

Beschäftigungsangeboten für

Menschen mit Behinderungen in den Regionen

Nordost- und Nordwestrumäniens tätig,

bei der Entwicklung und Durchführung eines

Modellprojekts zur Implementierung europäischer

sozialpsychiatrischer Behandlungsstandards

in osteuropäischen Ländern, und

sorgte für den Aufbau und die Begleitung

eines „Essen auf Räder“ Projektes, um die

Versorgung von alleingebliebenen alten,

gebrechlichen Menschen in Nordmoldawien

zu gewährleisten. Nicht zuletzt ist er Initiator

und Koordinator von mehreren Projekten

zur Unterstützung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen,

die in der Republik Moldawien

Zuflucht gefunden haben.

Es ist ihm unter anderem gelungen,

gleich nach Ausbruch des Krieges ein Welcome-Center

für Flüchtlinge aus der Ukraine

zu errichten. In der Region Edinet wurden

500 Unterkunftsplätze für Familien organisiert.

Derzeit läuft der Aufbau von 12 Holzhäusern,

um weitere Flüchtlingsfamilien aus

der Ukraine aufnehmen zu können.

Dank auch an zwei Jurymitglieder

„Ich möchte mich aber auch bei jenen

bedanken, die im Vorfeld dieses Preises tätig

sind. In diesem Jahr gilt dieser Dank ganz

besonders zwei Persönlichkeiten, die sich

nach langjähriger verdienstvoller Arbeit aus

der Jury zurückziehen“, so Landeshauptmann

Thomas Stelzer abschließend. So war Elisabeth

Rosenberger aus der Friedensgemeinde

St. Ulrich Mitglied der Gründungsjury und

seit 25 Jahren in der Jury tätig. Christian

Schörkhuber, Geschäftsführer der Volkshilfe

OÖ war seit 24 Jahren Mitglied der Jury. n

https://www.land-oberoesterreich.gv.at/

Österreich, Europa und die Welt / Oberösterreich

Foto: Land OÖ / Max Mayrhofer Foto: Land OÖ / Max Mayrhofer

ORF-Friedenslicht in

Bethlehem entzündet

Nach pandemiebedingter Pause konnte

heuer wieder eine Delegation – angeführt

von Landeshauptmann Thomas Stelzer

– nach Bethlehem reisen. In der Geburtsgrotte

Jesu wurde das traditionelle Friedenslicht

von der zwölfjährigen Sarah Noska aus

Altenberg entzündet. Diese liebgewonnene

Weihnachtstradition erinnert in vielen Ländern

der Erde an die Friedensbotschaft, die

in Bethlehem bei der Geburt Christi verkündet

wurde. Angesichts der derzeitigen kriegerischen

Handlungen ist das Friedenslicht

ein wichtiges Symbol, aber auch ein Appell

an uns alle, daß Frieden keine Selbstverständlichkeit

ist.

Landeshauptmann Thomas Stelzer mit Sarah Noska in Bethlehem …

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

67

Auf dem Programm standen zudem u.a.

das traditionelle Zusammentreffen mit den

AltoberösterreicherInnen in Tel Aviv, Ge -

spräche mit dem Minister für Diaspora-An -

gelegenheiten Nachman Shai, dem Gouverneur

von Bethlehem Kamal Ahmed Hassan

Amid und dem Bürgermeister von Bethlehem

Hanna S. Hanania sowie die (dritte)

Verlängerung des Kulturabkommens zwischen

dem Staate Israel und dem Land Oberösterreich

für die Jahre 2022-2027.

Am 14. Dezember wurde das Friedenslicht

an Papst Franziskus überreicht, der das

Symbol des Weihnachtsfriedens im Rahmen

einer Generalaudienz in Rom empfing. n

… und bei der Übergabe des Friedenslichts an Papst Franziskus im Vatikan


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Die vorläufigen Zahlen der Salzburger

Landesstatistik sprechen eine klare

Sprache: 13.833.967 Nächtigungen wurden

in Salzburg zwischen dem 1. Mai und 31.

Ok tober verzeichnet. Noch nie zuvor gab es

so viele Nächtigungen in diesem Zeitraum,

die bisher beste Sommersaison aus 2019 –

noch vor Corona – wurde um rund 60.000

übertrof fen, das Vorjahr 2021 um zwei Millionen.

Haslauer: Salzburg steht

für Gastfreundschaft

„Gastfreundschaft, Qualität und auch

Sicherheit sind wichtige Faktoren bei der

Wahl des Urlaubslandes. Salzburg garantiert

alle diese Aspekte, familiär geführte Betriebe

und unberührte Natur vervollständigen un ser

einzigartiges Angebot. Gäste aus nah und

fern haben sich in dieser Sommersaison, die

mit einem wettermäßig goldenen Oktober zu

Ende ging, einmal mehr davon überzeugen

können“, so Landeshauptmann Wilfried

Haslauer.

Österreich, Europa und die Welt / Salzburg

Sommersaison: neuer Topwert

Auf Grund der letzten Zwischenbilanz war es bereits absehbar, inklusive

der Oktober-Zahlen ist es nun offiziell: Noch nie zuvor wurden in einer

Sommersaison so viele Nächtigungen in Salzburg verzeichnet.

Oktober rundete Sommerergebnis ab

Rund 1,3 Millionen Nächtigungen wurden

im Oktober, der sich heuer von seiner

besonders sonnigen und warmen Seite ge -

zeigt hat, gezählt. Auch dieser Wert wurde

bisher noch nie erreicht. Erfreulich ist in diesem

Zusammenhang vor allem das „Comeback“

des Stadttourismus in der Landeshauptstadt

mit mehr als 250.000 Nächtigungen,

was rund ein Viertel über dem Oktober

des Vorjahres liegt.

Bezirke im Vergleich

Der Pinzgau ist der Bezirk mit den meisten

Übernachtungen, es waren in der abgelaufenen

Sommersaison mehr als 5,6 Millionen.

An zweiter Stelle folgt der Pongau mit

rund 4 Millionen Nächtigungen. Die Stadt

Salzburg (1,7 Millionen) und der Flachgau

(1,45 Millionen) reihen sich dahinter ein. Im

Tennengau wurden 566.000 Nächtigungen

verzeichnet, im Lungau waren es rund

480.000.

Mehrheit der Gäste aus Deutschland

Es waren vor allem die Nachbarn aus

Deutschland, die die abgelaufene Saison so

erfolgreich ausfallen ließen. Mehr als 6 Mil -

lionen und 44,8 Prozent der Nächtigungen

68

gingen auf das Konto von Gästen aus der

Bundesrepublik. Urlaub daheim war ebenfalls

sehr beliebt, auf Österreicherinnen und

Österreicher aus allen Bundesländern fiel

mehr als ein Viertel aller Nächtigungen. Daß

die Niederländer nicht nur gerne Schi fahren,

beweisen mehr als 800.000 Nächtigungen

im Sommer.

Wintersaison vielversprechend

Auch der Blick auf die bevorstehende

Wintersaison ist vielversprechend. „Wir wa -

ren in den vergangenen Wochen intensiv in

unseren wichtigsten Herkunftsmärkten un -

terwegs und haben dabei eine sehr positive

Stimmung wahrgenommen. Diesen Eindruck

untermauert die zum aktuellen Zeitpunkt

sehr gute Buchungslage – sowohl in

der Stadt Salzburg als auch in den Wintersportregionen.

Es zeigt sich, daß die Menschen

ein großes Bedürfnis nach Winter- und

Skiurlaub haben, wir erwarten hier auch

noch Nachholeffekte aus den vergangenen

Jahren“, informiert Leo Bauernberger, Ge -

schäftsführer der SalzburgerLand Tourismus

Gesellschaft.

n

https://www.salzburg.gv.at/

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / Steiermark

Ungarischer Botschafter überbrachte

Ferenc Puskás-Fußball

69

… in Erinnerung an den ungarischen Volksaufstand im Jahr 1956 und zum Dank für

die Hilfe der steirischen Bevölkerung für die aus dem Nachbarland Geflüchteten

Mit einem besonderen Geschenk für die

Steiermark stellte sich der ungarische

Botschafter Andor Nagy gemeinsam mit

Honorarkonsul Rudi Roth am 28. November

bei Landeshauptmann Christopher Drexler

in der Grazer Burg ein: Nagy übergab das

Re plikat eines Fußballs aus den 1950er-Jahren

mit der Originalunterschrift der ungarischen

Stürmer-Legende Ferenc Puskás

(1927 – 2006). Puskás hielt sich im Zuge seiner

Emigration nach dem Ungarischen

Volksaufstand 1956 eine Zeit lang in Graz

auf, bevor er seine Fußballkarriere ab 1958

bei Real Madrid fortsetzen konnte.

Im Zuge des Besuchs unterstrichen der

Landeshauptmann und der Botschafter die

traditionell guten Beziehungen zwischen der

Steiermark und Ungarn und erinnerten an

die Geschehnisse im Herbst 1956, als im

Zuge der Niederschlagung des Ungarischen

Volksaufstandes tausende Flüchtlinge aus

Un garn auch in der Steiermark landeten und

hier versorgt wurden. Eine große Welle der

Hilfsbereitschaft erfaßte damals ganz Österreich,

das selbst noch die Folgen des Zweiten

Weltkriegs zu bewältigen hatte und erst

ein Jahr zuvor seine Unabhängigkeit nach

der Besatzungszeit wiedererlangt hatte.

„Die Geschehnisse des Herbst 1956, an

die wir heute erinnern, sind von großer historischer

Bedeutung für Ungarn und Europa:

Der letztlich von der Roten Armee brutal

niedergeschlagene Volksaufstand der Ungarinnen

und Ungarn war ein erstes starkes

Foto:

v.l.: Botschafter Andor Nagy, Landeshaiuptmann Christopher Drexler und Honorarkonsul Rudi

Roth mit dem Ferenc Puskás-Fußball in der Grazer Burg.

Zeichen des Widerstandes gegen die kommunistischen

Regime Ostmitteleuropas, die

Jahrzehnte später in die Revolutionen und

demokratischen Umbrüche des Jahres 1989

mündeten“, unterstreicht Drexler. „Die steirische

Bevölkerung setzte im Jahr 1956 ein

großes Zeichen der Solidarität, das für im -

mer ein verbindendes Band zwischen Ungarn

und der Steiermark sein wird. Heute sind

unsere bilateralen Beziehungen von freundschaftlichem

Austausch und enger wirtschaftlicher

Kooperation zum Nutzen beider

Seiten geprägt“, so der Landeshauptmann.

Mit dem Ferenc Puskás-Ball wird an ein

wenig bekanntes Detail im Leben des Fußball-Weltstars

der 1950er- und 1960er-Jahre

erinnert: Puskás konnte nach der gewaltsamen

Niederschlagung des Volksaufstandes

nicht nach Ungarn zurückkehren und entschied

sich für die Emigration. Einen Teil

seiner 18monatigen-Sperre durch den Internationalen

Fußballverband FIFA, die von

Ungarn bewirkt worden war, lebte Puskás in

Graz. Nach Ablauf der Sperre setzte Puskás,

der als herausragender Stürmer seiner Zeit

gilt, 1958 seine erfolgreiche Karriere bei

Real Madrid fort, wo er diese mit dem dreimaligen

Gewinn des Europapokals der Landesmeister

krönte.

n

https://www.kommunikation.steiermark.at/

Foto: Creative Commons Attribution 2.0 Generic License / photog_at

Flüchtlinge in Ungarn auf dem Fußweg zur österreichischen Grenze entlang der Autópálya M1

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / Tirol

Euregio-Monitor 2022

Bekanntheitsgrad der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino steigt weiter

Alle zwei Jahre führt die Euregio Tirol-

Südtirol-Trentino eine Bevölkerungsumfrage

durch. Die letzte fand im September

2021 statt und umfaßte 1.500 Personen,

je 500 pro Region. Nun wurde sie als „Euregio-Monitor

2022 Die Europaregion Tirol-

Südtirol-Trentino in Corona-Zeiten – Ergebnisse

einer Bevölkerungsbefragung“ am 12.

Dezember im Euregio-Infopoint in Innsbruck

vorgestellt. Die aktuelle Umfrage zeigt, daß

90 Prozent der befragten Bevölkerung die Zu -

sammenarbeit wichtig findet und regelmäßig

informiert werden will. Auch während der

Co ronapandemie fand die Euregio Beachtung

für ihr Handeln.

„Elf Jahre nach ihrer Gründung ist es der

Euregio gelungen, den großen Wert der

grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und

deren Beitrag zum Wachstum unserer drei

Länder aufzuzeigen“, betont der derzeitige

Euregio-Präsident und Trentiner Landeshauptmann

Maurizio Fugatti. „Die Öffnung

und Annäherung der Euregio an die Bürgerinnen

und Bürger, auch durch die Analyse

von Projekten und deren konkrete Auswirkung

auf das Leben beweist, daß die Euregio

keine abstrakte Einrichtung ist, sondern in

vielen Bereichen Einfluß nehmen und Neuerungen

einführen kann.“

Tirols Landeshauptmann Anton Mattle

betont: „Dank des Euregio-Monitors lassen

sich die Ergebnisse der Arbeit der vergangenen

Jahre auch in Zahlen messen. In Tirol ist

der Bekanntheitsgrad der Euregio von 53

Prozent im Jahr 2013 auf rund 82 Prozent im

Jahr 2021 gestiegen – das ist ein deutliches

Signal dafür, daß sich der Einsatz für die Eu -

roparegion lohnt und daß die Euregio stark

ist. Während der Tiroler Präsidentschaft und

trotz der herausfordernden Pandemiejah re

wurde die Europaregion neu aufgestellt,

damit sie Projekte schneller, effizienter und

vor allem mit einer größeren Beteiligung der

Bürgerinnen und Bürger umsetzen kann und

die Menschen spüren, daß die Europaregion

einen Mehrwert für alle darstellt. Das zeigt,

daß wir am richtigen Weg sind.“

Besonders erfreulich sei dabei, daß 86

Pro zent der TirolerInnen die Zusammenarbeit

der drei Länder als „sehr wichtig“ bzw.

„wichtig“ einschätzen. Insgesamt halten

rund 90 Prozent der Befragten die Zusam -

menarbeit der drei Regionen für sehr wichtig

Foto: Land Tirol / Huldschiner

Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (Mitte) mit den beiden Autoren des Euregio-Monitors,

Christian Traweger (links) und Günther Pallaver

bzw. wichtig, vor allem in den Bereichen

Verkehr, Tourismus, Wirtschaft, Umwelt und

Bildung.

Landeshauptmann Arno Kompatscher:

„Südtirols Bevölkerung hat die grenzüberschreitende

Zusammenarbeit in der Europaregion

von Anfang an breit mitgetragen. Der

Anteil der Südtirolerinnen und Südtiroler, der

die Europaregion kennt, ist nun laut Euregio-

Monitor um einen weiteren Prozentpunkt auf

87 Prozent angestiegen. Zumal Südtirol

Brückenland zwischen Tirol und dem Trentino

ist, zwischen deutsch-österreichischem

und italienischem Sprach-, Kultur- und Wirtschaftsraum,

ist das Interesse der Südtiroler

Bevölkerung für euregionale Themen be son -

ders hoch. Dies nehmen wir als Auftrag, die -

se wichtige Zusammenarbeit weiter zu stärken.“

Zusammenarbeit während

der Corona-Pandemie

Aufgrund der besonderen Herausforderungen

während der Tiroler Euregio-Präsidentschaft

2019 bis 2021 wurden im Rahmen

des Euregio-Monitors auch nach den

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die

Europaregion gefragt.

„Dabei zeigt sich, daß die Bevölkerung

den Einsatz der drei Landeshauptleute

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

70

besonders schätzte, seien es die regelmäßigen

Abstimmungen, die ge meinsame Beschaffung

von Schutzausrüstung, die Übernahme

von IntensivpatientInnen und -patienten oder

der Einsatz für Erleichterungen beim Grenzübertritt

für Pendelnde und Familienangehörige“,

so Mattle.

Wunsch nach Information

über die Euregio

Der Wunsch nach regelmäßiger Berichterstattung

über die jeweils anderen Mitgliedsländer

der Euregio ist sehr groß. Die

Umfrage ergab, daß sich 53 Prozent der Ti -

roler Befragten regelmäßig bzw. einigermassen

über Südtirol informieren, jedoch nur 28

Prozent über das Trentino. 75 Prozent der be -

fragten SüdtirolerInnen informieren sich re -

gelmäßig bzw. einigermaßen über Tirol und

70 Prozent über das Trentino, während sich

60 Prozent der befragten TrentinerInnen re -

gelmäßig bzw. einigermaßen über Tirol und

70 Prozent über Südtirol informieren. Die

Informationsquellen sind dabei die regionalen

Medien, das Internet und die Sozialen

Medien, aber auch Gespräche mit Familienangehörigen

und Bekannten.

n

https://www.tirol.gv.at/

DerEuregio-Monitor zum Download

https://www.europaregion.info/euregio/projekte/soziales-gesellschaft/euregio-monitor/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / Vorarlberg

IBK setzt klare Arbeitsschwerpunkte

für die Zukunft

71

Landeshauptmann Markus Wallner nahm an der Regierungschefkonferenz

der Internationalen Bodensee-Konferenz in Herisau teil

Foto: Land Vorarlberg / Erich Brassel

Gruppenfoto von der IBK-Regierungschefkonferenz in Herisau mit Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (3. v.r.)

Am Ende ihres Jubiläumsjahres zum 50-

jährigen Bestehen richtete die Internationale

Bodenseekonferenz (IBK) am 9. De -

zember bei den Arbeitsgesprächen ihren Blick

klar nach vorne, wie Vorarlbergs Landeshauptmann

Markus Wallner bestätigte: „In

wichtigen Zukunftsfragen ist ein grenzüberschreitendes

und koordiniertes Vorgehen

wichtiger denn je. Die neue IBK-Strategie

2023-2027 trägt dem Rechnung – wir setzen

damit klare Arbeitsschwerpunkte für die

kommenden Jahre.“

Im Zentrum stehen vor allem zwei Themen:

das Fokusthema „nachhaltige Mobilität

über die Grenzen“ und das Querschnittsthema

„Jugend braucht Zukunft“. Zu beiden

gibt es jeweils konkrete umzusetzenden In -

halte, wie Wallner bestätigte. Betreffend die

nachhaltige Mobilität sind das vor allem der

Schienenpersonenverkehr von der regionalen

bis zur internationalen Ebene, weiters die

Abstimmung von Kommunikation, Tarifen

und Vertrieb sowie die Klimaneutralität auf

dem Bodensee und der grenzüberschreitende

Austausch. Als zentrale Vorhaben nannte

Wall ner das Projekt Bodanrail 2045, die In -

stitution öffentlicher Verkehr Bodenseeraum

und die Klimaneutralität auf dem Bodensee.

Weiters zählt dazu auch die Regierungskommission

Bodensee. Diese behandelt Fragen

der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

in der Bodenseeregion, die von der IBK

nicht alleine gelöst werden können, sondern

den Einbezug der nationalstaatlichen Ebene

erfordern. Außerdem soll – nach pandemiebedingtem

Stillstand – die Internationale E-

Charta einen Relaunch erfahren und die

Zusammenarbeit der Akteure im Bereich der

Elektromobilität und das Lernen aus Best

Practices noch besser fördern.

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Verwaltungsakademie Bodensee 2023-

2025 und Arbeitsgruppe Bildung

Im Bereich Bildung standen vor allem

zwei Punkte auf der IBK-Tagesordnung.

Zum Ersten war das die Verwaltungsakademie

Bodensee 2023-2025. Sie soll grenzübergreifend

tätige Verwaltungskräfte mit

Grundwissen über die IBK und die Nachbarregionen

(Staatsaufbau, Verwaltungsorganisation)

versorgen. Mit diesem Wissen ausgestattet

können die Verwaltungsmitarbeitenden

die unterschiedlichen politischen und

rechtlichen Rahmenbedingungen und Strukturen

der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

in ihrer täglichen Arbeit besser verstehen,

berücksichtigen und richtig umsetzen.

Die Akademie soll aus drei Modulen mit ge -

samthaft drei Fortbildungstagen verteilt auf

drei Semester abgehalten werden. Eine erste

Testphase des Moduls 1 hat im November

2022 stattgefunden, nunmehr soll eine dreijährige

Pilotphase starten, in der alle Module

umgesetzt werden.

Darüber hinaus wurde die Einrichtung

der Arbeitsgruppe Bildung beschlossen, die

ein vielversprechendes Bildungsprojekt zur

ländervergleichenden politischen Bildung ko -

ordinieren wird. Im Fokus steht dabei die Un -

terstützung von Schulen, Lehrpersonen und

SchülerInnen (15-19 Jahre) bei der Bearbeitung

von ländervergleichenden Fragenstellungen

der politischen Bildung. Für die Um -

setzung zeichnet die PH Thurgau verantwortlich.

Internationale Bodensee-Konferenz

Die Internationale Bodensee-Konferenz

ist die gemeinsame Plattform der Regierungen

der Länder und Kantone Bayern und Ba -

den-Württemberg, Fürstentum Liechtenstein,

Schaffhausen, Zürich, Thurgau, St.Gallen, Ap -

penzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden

und Vorarlberg. Ziel der IBK ist es, die

Bodenseeregion als attraktiven Lebens-, Na -

tur-, Kultur- und Wirtschaftsraum zu er halten

und zu fördern. Gleichzeitig soll die regionale

Zusammengehörigkeit gestärkt werden.

Sie bildet den Kern eines breit ge fächerten

Netzwerkes der grenzüberschreitenden Zu -

sammenarbeit in der Bodenseeregion. n

https://vorarlberg.at/

https://www.bodenseekonferenz.org


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / Wien

Bürgermeister Ludwig in Brüssel

Wiens Bürgermeister war am 5. und 6. Dezember als aktueller Vorsitzender der

Landeshauptleute-Konferenz in Brüssel, um die Anliegen der österreichischen

Bundesländer mit EntscheidungsträgerInnen der EU-Institutionen zu erörtern.

So standen Gespräche mit Parlamentspräsidentin

Roberta Metsola, EP-Vizepräsidentin

Evelyn Regner, dem Ersten Vizepräsidenten

der Europäischen Kommission,

Frans Timmermans, sowie Kommissar Nicolas

Schmit auf dem Programm. Darüber hinaus

traf Michael Ludwig mit dem Brüsseler

Bürgermeister Philipp Close zusammen –

zwischen den beiden Hauptstädten bestehen

seit vielen Jahren ausgezeichnete Beziehungen.

Zahlreiche Beschlüsse der Landeshauptleute

vom 2. Dezember in Wien richten sich

nicht nur an die österreichische Bundesregierung,

sondern betreffen auch den europäischen

Gesetzgeber. Daher sprach Bürgermeister

Ludwig mit EVP Timmermans die be -

sondere Rolle der Regionen bei der Umsetzung

des Europäischen Grünen Deals an.

Die Landeshauptleute bekennen sich klar zu

den Klimazielen und einer raschen Umsetzung

notwendiger Maßnahmen, sie weisen

aber auch deutlich darauf hin, daß Vorschläge

der Europäischen Kommission auf die

spe zifischen Ausgangslagen vor Ort, die

technische Machbarkeit und die Finanzierungserfordernisse

eingehen müssen. „Ohne

ein ,local impact assessment‘ wird es herausfordernd“,

zeigte sich Ludwig überzeugt. Als

Beispiel nannte er den Vorschlag für die

Wiederherstellungsverordnung; Einige Mitgliedsstaaten

haben bereits Bedenken, daß

dies für die Stadtentwicklung schwierig wird,

„bereits bestehende Grünflächen wären zu

berücksichtigen“, so Ludwig. Ebenso sollte

auf landwirtschaftliche Nutzungsflächen,

wie Almwiesen, Bedacht genommen werden.

Ein weiteres Beispiel, das Ludwig auch

als Präsident des Österreichischen Städtebundes

beschäftigt, ist der Vorschlag für eine

Richtlinie zur Abwasserbehandlung. „Als

Städte und Regionen haben wir hier Bedenken

hinsichtlich der Umsetzbarkeit, sowohl

in technischer als auch in finanzieller Hinsicht.“

Mit EP-Vizepräsidentin Evelyn Regner

konnte Ludwig erfreuliche Entwicklungen im

Bereich der Gleichstellung besprechen, denn

zum einen wurde nach zehn Jahren endlich

die Richtlinie zur Einführung einer Frauenquote

in Aufsichtsräten beschlossen – „et-

Foto: European Union 2022

Foto: European Union 2022

Michael Ludwig mit EU-Kommissar Frans Timmermans und im Bild unten mit EP-Vizepräsidentin

Evelyn Regner (l.) und EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola

was, das wir schon vor über zehnJahren in

Wien gemacht haben“, erinnert der Wiener

Bürgermeister. Ebenso erfreut zeigt er sich

über die jüngsten Fortschritte bei der Richtlinie

über Lohntransparenz, zu der es eine

vorläufige Einigung zwischen EU-Parlament,

Rat und EU-Kommission gibt. Die

Richtlinie wird künftig sicherstellen, daß

Beschäftigte ein Anrecht auf detaillierte In -

formationen über die Gehälter in ihrem Un -

ternehmen erhalten und somit ihre Entlohnung

besser vergleichen können. „Dies wird

auch den Frauen in Österreich zugutekommen“,

zeigte sich Ludwig überzeugt.

Bei einem Gespräch mit Kommissar Ni -

colas Schmit stand das Wiener Modell des

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

72

sozialen und leistbaren Wohnens auf der Ta -

gesordnung; Wien fordert hier seit vielen

Jahren, gemeinsam mit anderen Städten,

einen Trendwechsel in Richtung universelles

System. „In Zeiten steigender Energiepreise

ist es wichtiger denn je, alles zu unternehmen,

um mehr zu bauen, mehr zu sanieren

und die Menschen besser zu schützen. „Eine

Reform des Beihilfenrechts und Erleichterungen

bei den Fiskalregeln sind hier notwendig“,

so Ludwig. Dies war auch Thema

der Gespräche mit seinem Brüsseler Amtskollegen

Philipp Close, mit dem seit vielen

Jahren eine gute Zusammenarbeit und ein

reger Austausch besteht.

https://www.wien.gv.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Ötzi starb am Schnee,

nicht am Fundplatz

73

Die offizielle Geschichte der Eismumie muß teilweise umgeschrieben werden

© Südtiroler Archäologiemuseum / EURAC /Samadelli / Staschitz

Die Konservierung von Ötzi wird zudem als Beleg für die plötzliche Abkühlung des Klimas um die Zeit von Ötzis Tod herangezogen.

Sie gehört zu den ältesten und weltweit

am besten erhaltenen Mumien: die 5.300

Jahre alte Eismumie namens Ötzi. 31 Jahre

nach dem Sensationsfund in den Ötztaler Al -

pen kommt eine jetzt veröffentlichte Studie

zu dem Befund, daß die ursprüngliche Erklärung,

wie Ötzi erhalten wurde, nicht dem

aktuellen Stand der Forschung entspricht.

Das schreibt ein Forschungsteam aus Norwegen,

der Schweiz und Österreich im Fachjournal

„The Holocene“.

Es war ein unschätzbarer Fund für die

Wissenschaft: Ende September 1991 stolperten

in einer Rinne am Tisenjochpaß nahe der

italienisch-österreichischen Grenze zwei

BergsteigerInnen über eine Gletschermumie.

Sie entdeckten Ötzi, eine der ältesten und am

besten erhaltenen Gletschermumien weltweit.

Neue Arbeiten von ArchäologInnen und

GlaziologInnen mit Beteiligung der Öster - Ötzis Köcher mit Pfeilen, wie sie 1991 gefunden wurden. Wie aktuelle Forschungen zeigen,

starb Ötzi auf dem Schnee. Sein Körper und seine Utensilien sind erst später in die Vertiefung

geschmolzen, in der er gefunden wurde.

rei chischen Akademie der Wissenschaften

(ÖAW) zeigen nun, daß die ursprüngliche

Erklärung, wie Ötzi so lange erhalten geblieben

ist, dem Test der Zeit nicht standhält – wohl umgeschrieben werden muß. Die Er - cene“ veröffentlicht

und, daß die offizielle Geschichte von Ötzi gebnisse sind jetzt im Fachjournal „The Holo -

worden.

Foto: ÖAW / Gernot Patzelt

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

74

Ursprüngliche Erklärung hält

Test der Zeit nicht stand

Aber zunächst zurück zum Anfang, denn

da stand eine Frage im Vordergrund: Wie

konnten die Gletschermumie und die dazugehörigen

Überreste so lange Zeit überdauern?

Der österreichische Archäologe Konrad

Spindler lieferte die ursprüngliche Erklärung

dafür. Seiner Ansicht nach war Ötzi im Herbst

mit beschädigter Ausrüstung auf den Paß

geflohen und dann in der schneefreien

Schlucht, in der seine Überreste gefunden

wur den, erfroren. Der Körper und die dazugehörenden

Überreste wurden danach schnell

von Eis bedeckt und ruhten später unter

einem sich bewegenden Gletscher, bis die

Fundstücke 1991 wieder abschmolzen.

Die Konservierung von Ötzi wird zudem

als Beleg für die plötzliche Abkühlung des

Klimas um die Zeit von Ötzis Tod herangezogen.

„Ötzi war bei seiner Entdeckung ein

überraschender und merkwürdiger Fund, aus

dem man viel über die Geschichte des Menschen

im Hochgebirge gelernt hat. Heute kön -

nen wir aus dem Fund viel über den Klimawandel

lernen“, sagt Andrea Fischer, Glaziologin

am Institut für interdisziplinäre Ge -

birgsforschung der ÖAW. Denn 31 Jahre spä -

ter kommen Fischer und ihre internationalen

KollegInnen zu neuen Schlussfolgerungen

was die Fundumstände und die klimatischen

Veränderungen betrifft.

Ötzi starb am Schnee,

nicht am Fundplatz

Die wichtigsten Ergebnisse der neuen

Studie: Ötzi starb im frühen Frühling oder

Sommer auf dem Schnee, nicht im Herbst.

Die Mumie und die Artefakte sind erst später

in die Vertiefung geschmolzen, in der er ge -

funden wurde. Er ist also nicht dort gestorben.

Ötzi und seine Artefakte wurden in den

1.500 Jahren nach seinem Tod und vielleicht

sogar noch später immer wieder durch

Schmelzprozesse freigelegt. Er wurde nicht,

wie bisher angenommen, sofort und dauerhaft

unter Eis begraben.

Neue Forschungen legen zudem nahe, daß

die Schäden an Ötzis Artefakten denen äh -

neln, die an anderen nacheiszeitlichen archäologischen

Stätten gefunden wurden. Das

bedeutet, sie sind wahrscheinlich auf natürliche

Prozesse an der Fundstelle zurückzuführen

und nicht auf einen Konflikt oder Kampf.

Die Geschichte des Eises an der Fundstelle

zeigt, daß es entgegen den Behauptungen in

der wissenschaftlichen Literatur unwahrscheinlich

ist, daß sich dort nach dem Tod

von Ötzi ein Gletscher bewegt hat. Und: Es

Foto: ÖAW / Gernot Patzelt

Luftaufnahme des Tisenjochs aus dem Jahr 1989. Der schwarze Pfeil rechts unten im Bild

zeigt die Stelle, an der Ötzi 1991 entdeckt wurde. Heute ist die Fundstelle eisfrei.

gibt keine eindeutigen Beweise für eine

plötzliche und drastische Abkühlung des Kli -

mas zum Zeitpunkt von Ötzis Tod.

Chancen für weitere Funde

durch schmelzende Gletscher

„Wir verstehen jetzt besser, wie hochgelegene

Eisfelder archäologische Stätten und

Funde beeinflussen“, so ÖAW-Glaziologin

Fischer. Seit der Entdeckung von Ötzi An -

fang der 1990er-Jahre hat sich sowohl die

Gletscherarchäologie als auch das gletscherkundliche

Wissen um Fundstellen stark

weiterentwickelt.

Durch diese Neubewertung steht der

Ötzi-Fund in Einklang mit den normalen

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Fundumständen für holozäne archäologische

Funde.

Die Chancen für die Erhaltung und den

Fund weiterer Eismumien könnte daher auch

besser sein als bisher angenommen –

schließlich sind für die Erhaltung eines solchen

Fundes keine Naturkatastrophen, wie

eine plötzliche Abkühlung des Klimas, erforderlich,

so die ForscherInnen von ÖAW, dem

Archäologischen Dienst des Kantons Graubünden,

der Norwegian University of Science

and Technology, der Universität Bergen und

der Oppland County Administration in ihrer

Publikation.

n

https://www.oeaw.ac.at/

https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96tzi


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Internationale Auszeichnung

für Virtual Anatomy

75

Renommierter E&T-Award für Johannes Kepler Universität

Linz, Ars Electronica Futurelab und Siemens Healthineers

Foto: Ars Electronica

Die sehr anschauliche und natürlich wirkende Visualisierung klinischer Daten in 3-D-Bildern eines lebendigen menschlichen Körpers erleichtert es

ÄrztInnen, ihren PatientInnen Schädigungen im Körper, die Diagnose einer Erkrankung oder den Ablauf einer geplanten Operation zu erklären.

Das erfolgreiche Projekt „Virtual Anatomy“

hat den renommierten E&T-Innovation-Award

2022 für „Best Emerging

Technology of the Year“ gewonnen und in

einer weiteren Kategorie die Silbermedaille

er reicht! Virtual Anatomy, entwickelt vom

Ars Electronica Futurelab in Kooperation

mit Siemens Healthineers und der Johannes

Kepler Universität Linz, führt MRT- und CT-

Daten von realen PatientInnen zu fotorealistischen

dreidimensionalen Bildern der

menschlichen Anatomie zusammen. JKU

Rektor Meinhard Lukas nahm die Trophy

am des 10. November bei der Verleihung in

London entgegen.

Mit den international viel beachteten

E&T Innovation Awards werden jährlich die

besten Innovationen in den Bereichen Wissenschaft,

Technik und Technologie ausgezeichnet.

Wie renommiert der Preis ist, zeigt

allein die Tatsache, daß heuer zur Preisverleihung

auch der Cheftechnologe des Mobilfunkkonzerns

Ericsson persönlich angereist

ist, um einen Preis entgegenzunehmen.

Virtual Anatomy gehörte in zwei Katego -

rien zu den FinalistInnen und hat die Trophy

(1. Preis) in der Kategorie „Best Emerging

Technology of the Year“ sowie den 2. Preis

in „Most Innovative Solution in Digital

Health and Social Care“ erhalten.

Virtual Anatomy vereint MRT- und CT-

Daten von echten PatientInnen auf völlig

neue Art: als fotorealistische Bilder in 8K

stereoskopischem 3D – mit der Möglichkeit,

sie frei zu drehen und bis in kleinste Strukturen

zu zoomen. Das ermöglicht insbesondere

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

in der anatomischen Lehre völlig neue Möglichkeiten,

wie der Einsatz von Virtual Anatomy

im JKU medSPACE seit letztem Jahr

eindrucksvoll demonstriert.

„Die internationale Auszeichnung für das

Projekt Virtual Anatomy zeigt, daß sich der

Mut, innovative Wege zu beschreiten, in je -

der Hinsicht lohnt. Unsere Studierenden profitieren

von einer Ausbildung am Puls der

Zeit und unsere junge Medizinische Fakultät

zeigt, was ein starker Forschungsstandort

Oberösterreich erreichen kann“, sagt JKU

Rek tor Meinhard Lukas. „Ich gratuliere allen

Beteiligten, besonders Prof. Franz Fellner

und unseren KooperationspartnerInnen, zu

die sem Award und bin sehr stolz, daß unser

gemeinsames Projekt nach der Nominierung

für den Deutschen Zukunftspreis 2017 wei-


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

76

ter international Beachtung findet. Es freut

mich, daß es gelungen ist, Virtual Anatomy

im JKU medSPACE erlebbar zu machen.“

Auch bei Roland Haring, Technical Di -

rector des Ars Electronica Futurelab, ist die

Freude groß: „Wir freuen uns, daß unsere

Kooperation nicht nur von Österreich aus die

medizinische Lehre revolutioniert, sondern

mit dem E&T Innovation Award nun auch

international ausgezeichnet wurde. Als Zu -

kunftslabor arbeiten wir mit zahlreichen na -

tionalen wie internationalen PartnerInnen an

der Technik der Zukunft – und sehen für Virtual

Anatomy viele Einsatzbereiche in Forschung

und Lehre“, so Roland Haring.

Erfolgsgeschichte Virtual Anatomy

Innovative Projekte, wie Virtual Anatomy

sind nur möglich und erfolgreich, wenn

meh rere Player institutionsübergreifend über

Jahre intensiv zusammenarbeiten und am sel -

ben Strang ziehen. Initiiert wurde das Projekt

von Univ.-Prof. Franz Fellner, Dekan

der Medizinischen Fakultät der JKU und

Vorstand des Zentralen Radiologie Instituts

am Kepler Universitätsklinikum. Virtual Ana -

tomy wurde mithilfe seiner Expertise vom

Ars Electronica Futurelab in Zusammenarbeit

mit Siemens Healthineers entwickelt.

2015 wurde der 16 mal 9 Meter große Deep

Space 8K im Ars Electronica Center erstmals

mit „Cinematic Rendering“-Technologie

von Siemens Healthineers zum Hörsaal

für Virtuelle Anatomie. Darauf aufbauend

folgten reguläre Vorlesungen für Medizinstudierende

der JKU, ebenso wie Vorstellungen

zu Anatomie für LaiInnen sowie Live-Schaltungen

zu Operationen. Wegen des großen

Er folgs dieser Vorlesungen fiel der Startschuß

einer Forschungskooperation zwischen

der JKU, dem Ars Electronica Futurelab und

Siemens Healthineers, die sich dem Ziel verschrieb,

den JKU medSPACE am neuen Me -

dizinischen Campus der JKU Wirklichkeit

werden zu lassen. Eröffnet wurde der moderne

multimediale Hörsaal im September

2021.

„Wir am Ars Electronica Futurelab sind

wirklich stolz auf das gemeinsame Projekt

Virtual Anatomy, mit dem hier in Linz die

Tür zur Zukunft der universitären Ausbildung

in Sachen menschlicher Anatomie weit

aufgestoßen wird“, sagt Horst Hörtner, Di -

rector Ars Electronica Futurelab.

Daten von lebenden PatientInnen

Das Besondere an der Virtuellen Anatomie

ist, daß die Studierenden in ihren Lehrveranstaltungen

mit den Daten von lebenden

Foto: JKU

Zudem läßt sich das Verfahren zur Aus- und Weiterbildung einsetzen, da es bislang undenkbare

Einblicke in anatomische Details erlaubt.

PatientInnen arbeiten können, anstelle von

Standard-3D-Modellen eines menschlichen

Körpers. Diese echten PatientInnendaten, die

mit den CT- und MRT-Geräten des Kepler

Universitätsklinikums aufgenommen wurden,

werden in einer nie dagewesenen fotografischen

Qualität in 8K, in Stereografik

und in Echtzeit navigierbar dargestellt.

„Das von uns entwickelte ,Cinematic Ren -

dering‘ liefert dreidimensionale und fotorealistische

Abbildungen des Körpers, die selbst

feine Strukturen deutlich und plastisch hervortreten

lassen. Durch Kombination mit ent -

sprechenden Meßdaten, etwa aus der PET-

Computertomografie, können sie auch funktionale

Informationen wie den Stoffwechsel

im Körper abbilden“, sagt Klaus Engel, Se -

nior Principal Key Expert bei Siemens Healthineers.

Neue Einblicke für Studierende

und MedizinerInnen

Die sehr anschauliche und natürlich wirkende

Visualisierung klinischer Daten er -

leich tert es ÄrztInnen, ihren PatientInnen

Schä digungen im Körper, die Diagnose einer

Erkrankung oder den Ablauf einer geplanten

Operation zu erklären. Zudem läßt sich das

Verfahren zur Aus- und Weiterbildung von

Medizinstudierenden, TherapeutInnen oder

Pfle gekräften einsetzen, da es bislang un -

denkbare Einblicke in anatomische Details

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

erlaubt – und zum Beispiel Fasern im

menschlichen Gehirn mit einer sonst nicht

möglichen Feinheit darstellen kann. Zudem

ist es damit möglich, die wirklichkeitsnahen

3-D-Bilder eines lebendigen menschlichen

Körpers beliebig zu drehen und je nach

Anwendungsfall aufzubereiten.

„Mit Virtual Anatomy lehren wir auf eine

völlig neue Art – modern, dreidimensional,

aus Schnittbildern CT und MR berechnet.

Bei unserem Konzept lernt man sozusagen

verschiedene Sprachen zu lesen, weil man

die Anatomie aus den unterschiedlichen

Blick arten kennenlernt. Die Anatomie so

hochauflösend zu projizieren und auch noch

dreidimensional mit ,Cinematic Rendering‘

darzustellen zu können – das ist sicherlich

bis jetzt weltweit einzigartig und gibt ganz

neue Möglichkeiten im Unterricht und er -

höht auch das Interesse der Studierenden für

die Anatomie noch mehr, als es ohnehin ist“,

sagt Franz Fellner, Dekan der Medizinischen

Fakultät der JKU und Radiologie-Vorstand

am Kepler Universitätsklinikum. „Daß dieses

Projekt nun ausgezeichnet wurde, freut

mich ungemein und bestätigt unseren Weg,

digitalen und analogen Unterricht sinnvoll

zu kombinieren.“

n

https://www.jku.at/

https://ars.electronica.art/

https://www.siemens-healthineers.com/

https://www.youtube.com/watch?v=rO8ejB3lWfg


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

Artemis – Nachrichten vom Mond

Artemis I ist der erste integrierte Test der

NASA-Systeme für die Erforschung des

Weltraums: das Orion-Raumschiff, die Space

Launch System (SLS)-Rakete und die Bo -

densysteme im Kennedy Space Center der

Behörde in Florida. Artemis I ist der erste in

einer Reihe von zunehmend komplexeren

Mis sionen und ist ein unbemannter Flugtest,

der die Grundlage für die Erforschung des

Weltraums durch den Menschen bilden und

unser Engagement und unsere Fähigkeit de -

monstrieren wird, Menschen zum Mond und

darüber hinaus zu bringen. Bei diesem Flug

wird Orion an der Spitze der stärksten Rakete

der Welt starten und weiter fliegen als

jedes für Menschen gebaute Raumschiff je

geflogen ist. Im Verlauf der Mission wird es

sich 450.000 Kilometer von der Erde entfernen

und 64.000 Kilometer über die Rückseite

des Mondes hinausfliegen. Orion wird län -

ger im Weltraum bleiben als jedes andere

menschliche Raumschiff, ohne an eine Raum -

station anzudocken, und schneller und heißer

als je zuvor nach Hause zurückkehren.

Diese erste Artemis-Mission wird die

Leistungsfähigkeit sowohl von Orion als auch

der SLS-Rakete demonstrieren und die Fä -

higkeiten zur Umkreisung des Mondes und

zur Rückkehr zur Erde testen. Der Flug wird

den Weg für künftige Missionen in die Nähe

des Mondes ebnen, einschließlich der Landung

der ersten Frau und des ersten farbigen

Menschen auf der Mondoberfläche. Mit

Artemis I legt die NASA den Grundstein für

die Erforschung des Weltraums durch den

Menschen, wo Astronauten in der Nähe des

Mondes die Systeme aufbauen und testen

werden, die für Missionen auf der Mondoberfläche

und für die Erkundung anderer,

weiter von der Erde entfernter Ziele, einschließlich

des Mars, erforderlich sind. Mit

Artemis wird die NASA mit der Industrie

und internationalen Partnern zusammenarbeiten,

um zum ersten Mal eine langfristige

Erkundung zu ermöglichen.

Eine steirische Technologie der Joanneum

Research sorgt dabei für eine funktionierende

Kommunikation von und zur Mondrakete.

Rund 40 ExpertInnen forschen bei „DI-

GITAL“, dem Institut für Informations- und

Kommunikationstechnologien der Joanneum

Research, an Weltraumtechnologien. Unter

Joanneum Research sorgt für eine funktionierende

Kommunikation von und zur Mondrakete.

Foto: Joanneum Research / Bergmann

„Digital’-Forscher Michael Schmidt im Labor bei der Entwicklung des Tracking Receivers

anderem wurde ein Gerät zur Steuerung der

Antennen entwickelt, welche die Kommunikation

zwischen Rakete und Bodenstation

herstellt.

Michael Schmidt, Forscher bei „Digital“,

erklärt: „In der Radiokommunikation müssen

bewegte Sender wie zum Beispiel Satelliten

in niedrigen Umlaufbahnen mit stark

gerichteten Antennen nachverfolgt werden,

um die Datenkommunikation aufrecht halten

zu können. Dafür nutzt man die Methode

Monopulse Tracking. Wir haben dafür einen

Receiver entwickelt.“ Denn die aus der Ra -

dartechnik bekannte Technologie benötigt

nur einen Sendeimpuls, um die Fokussierung

der Antenne auf den Sender durchzufüh ren.

Entwickelt wurde der Monopulse Tracking

Receiver von einem Team der Joanneum Re -

search, aber vertrieben wird dieser von der

Antennentechnik GmbH. Diese stellte nun

den Signalempfänger für die britische

Ground Station Goonhilly. Die große Antenne

übernimmt dort die Kommunikation zur

und von der Mondrakete, wenn sie im Sichtbereich

der Antenne liegt. „Wir haben den

Monopulse Tracking Receiver weltweit vermarktet

und sind nun besonders stolz, Teil

einer so wichtigen Welt raum-Mission wie

Artemis zu sein“, freut sich Gerbert Lagerweij,

Sales-Direktor von CPI/ Vertex.

Die Joanneum Research Forschungsgesellschaft

mbH entwickelt Lösungen und

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77

Technologien für Wirtschaft und Industrie in

einem breiten Branchenspektrum und betreibt

Spitzenforschung auf internationalem Niveau.

Bestens eingebettet in das nationale und

internationale Innovationsnetzwerk erarbeiten

die ForscherInnen Innovationen in den

The menbereichen Informations- und Produktionstechnologien,

Humantechnologie

und Medizin sowie Gesellschaft und Nachhaltigkeit.

Das Institut „Digital“ ist ein zuverlässiger

Partner auf dem Gebiet der digitalen Innovation

und Transformation und entwickelt praxisorientierte

High-Tech-Lösungen für die

Märkte Mobility, Space, Industry, Security

& Defence, Energy & Environment, AAL &

Digital Care sowie Culture & Creative Industries.

Denn Informations- und Kommunikationstechnologien

sind Motor und Triebfeder

für die wirtschaftliche und soziale Entwick -

lung der Gesellschaft. Die technologische Ba -

sis für Forschungsarbeiten, etwa in den Be -

reichen Industrie 4.0, hochautomatisiertes

Fahren und vernetzte Systeme bilden Sensorik

und Signalverarbeitung für Bild, Video,

Akustik, Wearables und Fernerkundung

Kom munikations- und Navigationstechnologien,

Web-, Internet- und moderne Informationsmanagement-Technologien.

n

https://www.nasa.gov/specials/artemis-i/

https://www.joanneum.at/

https://www.vertexant.com/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

ÖBB: Neue Gesellschaft in China

ÖBB Cargo: Vollwertige lokale Präsenz in Shanghai ab Anfang 2023 – Ausbau

der Position in Eurasien – Stärkung des Mittelkorridors der Neuen Seidenstraße

Die ÖBB Rail Cargo Group (RCG) stärkt

mit Jahresbeginn 2023 mit der neu in

Shanghai gegründeten Tochtergesellschaft

Rail Cargo International Freight Forwarding

ihre Marktposition in Eurasien. Mit der vollwertigen

lokalen Präsenz ist für die RCG

erstmals eine direkte Vermarktung der eigenen

Logistikdienstleistungen in China möglich.

RCG Vorstandssprecher Clemens Först

betont: „Die neue RCG Gesellschaft in

Shang hai stärkt unsere vertrieblichen Aktivitäten

und reduziert die Abhängigkeiten

von externen Partnern in China. Das ist ganz

entscheidend, da die China-Geschäfte fast

ausschließlich vor Ort abgeschlossen werden“,

und ergänzt: „Zusätzlich wollen wir

un sere erfolgreiche Entwicklung entlang der

Neuen Seidenstraße durch die Forcierung

der Routenführung über den Mittelkorridor

ausbauen.“

Vorteile der lokalen RCG-

Präsenz in Shanghai

Die ÖBB Rail Cargo Group kann mit

ihrer neuen Tochtergesellschaft in China ihre

gesamte Logistikwertschöpfungskette samt

speditioneller Zusatzleistungen in Asien –

vom Trucking über Verzollung, Umschlag

etc. – nun direkt aus eigener Hand anbieten.

Das vereinfacht auch u.a. den Zugang zu den

Kunden, den lokalen Partnern und den Zahlungsverkehr.

Mittelkorridor als Alternative aufbauen

Das Netzwerk der RCG (TransNET)

reicht schon jetzt über den gesamten eurasischen

Kontinent bis nach China. Bis vor

Ausbruch des Ukrainekriegs wurde für den

Transport entlang der Neuen Seidenstraße

primär der sogenannte Nordkorridor (d.h.

von China über Rußland bis nach Mittelund

Südosteuropa) verwendet. Als Alternative

wird seit März 2022 von der ÖBB Rail

Cargo Group der Mittelkorridor (d.h. von

China durch Kasachstan über Aserbaidschan/

Georgien und das Schwarze Meer nach Ru -

mänien und weiter nach Mittel- und Südosteu

ropa) forciert. Mit einer attraktiven Lauf -

zeit schafft die RCG eine verläßliche Alternative

zur See- und Luftfracht. Darüber hinaus

lassen sich so die nach wie vor stark

Foto: ÖBB / Rail Cargo Austria / David Payr

Die ÖBB Rail Cargo Group kann mit ihrer neuen Tochtergesellschaft in China ihre gesamte

Logistikwertschöpfungskette samt speditioneller Zusatzleistungen in Asien – vom Trucking

über Verzollung, Umschlag etc. – nun direkt aus eigener Hand anbieten.

überlasteten Be- und Entladeseehäfen in

Nord- und Südeuropa umgehen.

RCG ist seit 2008 von

und nach Asien aktiv

Seit Beginn der RCG Aktivitäten mit dem

ersten Testzug 2008 sind die Schienengüterverkehrsleistungen

kontinuierlich angestiegen.

Bis Ende 2016 wurden schrittweise die

Abfahrten entlang der Seidenstraße gesteigert

und im Jahr 2017 erfolgte der offizielle

Markteintritt der RCG in China. Jährlich wer -

den rund 600 Züge entlang der Routen der

Neuen Seidenstraße von der RCG gefahren.

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

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Rail Cargo Group:

Güterverkehr der ÖBB

Als führender Bahnlogistiker in Europa

gestalten die ÖBB die Branche. 365 Tage im

Jahr – 24 Stunden am Tag. In Europa bis

nach Asien. Man verbindet Menschen, Un -

ternehmen und Märkte – von der ersten bis

zur letzten Meile. Wir sind in 18 Ländern

prä sent – in 15 davon mit eigenen MitarbeiterIinnen.

Unsere 5.755 Logistikprofis aus

34 Nationen ermöglichen, daß jährlich

463.000 bzw. täglich rund 1.270 Züge sicher

an ihr Ziel gebrachte werden. Mit effizienten

End-to-end-Logistiklösungen werden jedes

Jahr 94 Millionen Nettotonnen transportiert.

Ein Schienenanteil von 28 Prozent (vorläufiger

Wert) am Gesamtgüteraufkommen in

Österreich macht die ÖBB zum Spitzenreiter

in Europa. Operative Leitgesellschaft der Rail

Cargo Group ist die Rail Cargo Austria AG

Rückgrat des öffentlichen Verkehrs

Als umfassender Mobilitäts- und Logistikdienstleister

haben die ÖBB im Jahr 2021

insgesamt 323 Millionen Fahrgäste und über

94 Millionen Tonnen Güter klimaschonend

und umweltfreundlich an ihr Ziel gebracht.

Denn der Strom für Züge und Bahnhöfe

stammt zu 100 Prozent aus erneuerbaren

Energien. Die ÖBB gehören mit rund 97 Prozent

Pünktlichkeit im Personenverkehr zu

den pünktlichsten Bahnen Europas. Mit In -

vestitionen von über drei Milliarden Euro

jährlich in die Bahninfrastruktur bauen die

ÖBB am Bahnsystem für morgen. Konzernweit

sorgen knapp 42.000 MitarbeiterInnen

bei Bus und Bahn sowie zusätzlich rund

2.000 Lehrlinge dafür, daß täglich bis zu 1,3

Millionen Reisende und rund 1.300 Güterzüge

sicher an ihr Ziel kommen. Die ÖBB sind

Rückgrat des öffentlichen Verkehrs und brin -

gen als Österreichs größtes Klimaschutzun -

ternehmen Menschen und Güter sicher und

umweltbewußt an ihr Ziel. Strategische Leit -

gesellschaft des Konzerns ist die ÖBB-Holding

AG.

n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

70 Jahre Internationale

Chopin-Gesellschaft

79

Das Jubiläum wurde mit einem großen Festakt im Wiener Rathaus gefeiert.

Foto: FotoLois.com / Alois Spandl

Aam 29. Oktober fand im Wappensaal des

Wiener Rathauses auf Einladung von

Bürgermeister Mi chael Ludwig, der Internationalen

Chopin-Gesellschaft in Wien ICG,

der mdw – Universität für Musik und darstel -

lende Kunst Wien, sowie der Internationalen

Föderation der Chopin-Gesellschaften IFCS

eine repräsentative Festveranstaltung statt.

Zahlreiche Ehrengäste und

Glückwünsche zum Jubiläum

Nach einer musikalischen Einleitung mit

dem 1. Satz von Frédéric Chopins Klaviertrio

g-Moll op.8 durch Janay Tulenova (Violine),

Urh Mrak (Violoncello) und Natalia

Rehling (Klavier) begrüßte als Moderatorin

und Vorstandsmitglied der ICG Liliana Niesielska

die Festgäste im vollbesetzten Wappensaal

des Rathauses und überbrachte die

Glückwünsche zahlreicher Persönlichkeiten.

Darunter Bundespräsident Alexander van der

Bellen, Nationalratspräsident Wolfgang So -

botka, dem Vertreter der Europäischen Kommission

in Österreich Prof. Martin Selmayr,

NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner,

Die Veranstalter, Ehrengäste und die SolistInnen des Festakts

Kulturstaatssekretärin Andrea Mayr, Wiens

Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, so -

wie zahlreicher Persönlichkeiten des öffentlichen,

kulturellen, wissenschaftlichen, und

wirtschaftlichen Lebens Österreichs.

Auch kamen Glück wünsche der Generalsekretärin

des International Music Council

der UNESCO in Paris, Silja Fischer, und des

Generalsekretärs der Internationalen Föderation

der Chopin-Gesellschaften IFCS, Grzegorz

Michalski, aus Warschau.

Gefeierte Ehrengast dieser Jubiläumsveranstaltung

war der hervorragende Wiener

Pianist und Professor an der mdw, ehemaliger

Präsident der Wiener Beethoven-Gesellschaft

und auch langjähriges Mitglied des

Vorstands der Chopin-Gesellschaft, Alexander

Jenner, als Zeitzeuge der Gründung vor

70 Jahren.

Im Namen des Wiener Bürgermeisters und

Landeshauptmann Michael Ludwig begrüßte

und eröffnete der 1. Vorsitzende des Wiener

Gemeinderats, LAbg. Thomas Reindl,

den Festakt. Er dankte der Chopin-Gesellschaft,

die in den 70 Jahren ihres Bestehens

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mit der Musik die Menschen emotional be -

eindruckte und damit auch einen wichtigen

Beitrag für den Frieden und die Freundschaft

zwischen den Völkern leistete, insbesondere

zwischen Österreich und Polen.

Erinnerungen an die

Gründung der Gesellschaft

Prof. Theodor Kanitzer, Präsident der

Internationalen Chopin-Gesellschaft in Wien

ICG und der Internationalen Föderation der

Chopin-Gesellschaften IFCS, erinnerte an die

Gründung der Gesellschaft 1952 durch den

Präsidenten der damaligen Akademie für Mu -

sik und darstellende Kunst (heute Universität)

Prof. Hans Sittner mit hervorragenden

Persönlichkeiten des musikalischen Lebens

der Nachkriegszeit.

Die Internationale Chopin-Gesellschaft

in Wien ist nunmehr sieben Jahrzehnte mit

der mdw – Universität für Musik und darstellende

Kunst Wien (eine der drei besten

Universitäten für Musik der Welt) freundschaftlich

verbunden und sehr dankbar für

de ren wertvolle Unterstützung. Was allein in


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

80

Foto: Sebastian Kocon Foto: Sebastian Kocon

Prof. Theodor Kanitzer, Präsident der Internationalen Chopin-Gesellschaft Wien am 5. Augusr

2022 bei seinen Begrüßungsworten zum 39. Konzert in der Kartause Gaming

den letzten Jahren dank der Initiative und

Tätigkeit von Rektorin Ulrike Sych dort verwirklicht

wurde, wie z.B das Future Art Lab,

ist besonders bemerkenswert.

Die Musikstadt Wien hat im Leben Frédéric

Chopins bei seinen zwei Aufenthalten

1829 und 1830/31 (insgesamt acht Monate)

eine wichtige Rolle gespielt. Mit seinen beiden

Auftritten im damaligen kaiserlichen

Kärntnerthortheater begann seine Karriere.

Prof. Kanitzer sprach auch über die um -

fangreichen Aktivitäten der Gesellschaft durch

Konzerte und Festivals mit Werken des genialen

Komponisten und Pianisten und seiner

Zeitgenossen. Er berichtete über die großen

Er folge des Chopin-Festivals in der Kartause

Gaming im niederösterreichischen Ötscherland

(gegründet 1985), wo seit 38 Jahren her -

vorragende SolistInnen, Kammerensembles

und Orchesters aus vielen Ländern auftraten.

In Wien fanden seit Jahrzehnten Konzertzyklen

mit SolistInnen und Kammerensembles

in repräsentativen Veranstaltungssälen

wie: Palais Palffy, Festsaal der Bank Austria,

den Hotels Radisson, Imperial, Palais Hansen

Kempinski statt, die sich großer Beliebtheit

erfreuen.

Bemerkenswert auch die langjährige Zu -

sammenarbeit mit dem bedeutendsten österreichischen

Jugendmusikwettbewerb „prima

la musica“ wo bei allen Konzerten im Vorprogramm

1. PreisträgerInnen (dank der Ini -

tiative des Vorstandsmitglieds Angelika Persterer-Ornig,

Leiterin von „prima la musica

Wien“) auftreten konnten.

Er berichtete auch über die Herausgabe

der Zeitschriften „Wiener Chopin-Blätter“,

„Chopin in the World“ (in englischer Sprache)

sowie die Festschriften des Chopin-

Festivals in Gaming.

Durch die Gründung der Internationalen

Föderation der Chopin-Gesellschaften IFCS

1985 in Warschau und deren Aufnahme als

Mitglied des International Music Council

der UNESCO in Paris erweiterten sich die

internationalen Beziehungen mit Austauschkonzerten

mit vielen Ländern der Welt (u.a.

China, Japan, Rußland, Deutschland, Frankreich,

Marokko).

Die Errichtung eines modernen Chopin-

Denkmals des polnischen Bildhauers Krzysztof

M. Bednarski an einem Teich im Wiener

Schweizergarten neben dem Wiener Hauptbahnhof

kam nach jahrelangen Bemühungen

der Chopin-Gesellschaft mit Hilfe von Bürgermeister

Dr. Michael Häupl und dem polnischen

Kulturministerium zustande.

Es wurde am 25. November 2010 in An -

wesenheit des ehemaligen polnischen Kulturministers

Waldemar Dąbrowski (derzeit

Generaldirektor der polnischen Staatsoper in

Warschau) und einem Klavierkonzert des

österreichischen Preisträgers des Internationalen

Chopin-Klavierwettbewerbs in Warschau

Ingolf Wunder im Heeresgeschichtlichen

Museum eingeweiht.

Präsident Kanitzer betonte in seiner An -

sprache, daß die ICG in Wien ihre Konzerte

und Festivals im Gedenken an die Menschen

in vielen Ländern der Welt, die unter diktatorischen,

nationalistischen Regimen leiden

müssen, sowie dem Kampf des ukrainischen

Volkes um seine Freiheit vor der russischen

Ein Blick in das hohe Kirchenschiff und

auf den Hauptaltar der 1342 geweihten

Klosterkirche in Gaming während des

Chopin-Festivals im August 2022

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Aggression dem Thema „Völkerverständigung,

Frieden und Freiheit“ widmet.

Rektorin Ulrike Sych über die

Zusammenrarbeit mit der ICG

Dann folgte die Rede der Rektorin der

mdw – Universität für Musik und darstellende

Kunst Wien, Ulrike Sych: „Die Internationale

Chopin-Gesellschaft wurde 1952 von

Wiener Musikgrößen wie Hans Sittner, Paul

Badura-Skoda und Franz Zagiba gegründet,

die mit ihren Persönlichkeiten und aus ihrer

künstlerischen Exzellenz heraus den Grundstein

für den herausragenden musikalischen

und gesellschaftspolitischen Erfolg dieser

Gesellschaft gelegt haben.

Sie haben die Chopin Gesellschaft von

An fang an mit höchster Qualität nachhaltig

ausgerichtet: Seit 70 Jahren ist die Internationale

Chopin Gesellschaft in Wien ein Ga -

rant für Qualität und Haltung und als Rektorin

der mdw – Universität für Musik und darstellende

Kunst Wien kann ich mit Stolz

sagen, daß die überaus fruchtbare und wertschätzende

Zusammenarbeit unserer Universität

mit der Chopin Gesellschaft bereits

ebenso lange andauert!

Natürlich ist diese Zusammenarbeit zuallererst

von der gemeinsamen Auseinandersetzung

mit der Musik Frédéric Chopins

geprägt, vom Engagement für die Musik, für

den Musikstandort Wien, für die internationale

Vernetzung der heimischen Musikszene

und besonders auch vom Einsatz für die

Nachwuchsförderung.

Viele unserer Studierenden und Lehrenden

sind durch die Internationale Chopin-


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

81

Foto: Internationale Chopin Gesellschaft / Johannes Kropfitsch

ICG-Präsident Prof. Theodor Kanitzer

Foto: Internationale Chopin Gesellschaft / Johannes Kropfitsch

1. Vorsitzender des Wiener Gemeinderates LAbg. Thomas Reindl

Foto: Internationale Chopin Gesellschaft / Johannes Kropfitsch

Botschafterin Regina Rusz, stv. Leiterin der Sektion Internationale

Kulturangelegenheiten im Außenministerium

Foto: Internationale Chopin Gesellschaft / Johannes Kropfitsch

Ulrike Sych, Rektorin der mdw - Universität für Musik und darstellende

Kunst Wien

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

82

Foto: FotoLois.com / Alois Spandl

Ein Blick auf die Festgäste der Jubiläumsfeier im Wappensaal im Wiener Rathaus

Gesellschaft in ihrer künstlerischen Weiterentwicklung

gestärkt und gefördert worden,

beziehungsweise haben durch die Vermittlung

und den Austausch mit der Chopin

Gesellschaft profitieren können.

Die Internationale Chopin-Gesellschaft

unter ihrem Präsidenten Theodor Kanitzer

ist unserer Universität (auch mir als Rektorin)

seit vielen Jahren eine verlässliche Partnerin,

die stets als ein Garant für höchstes

künstlerisches Niveau fungiert.

Es gibt aber einen weiteren Faktor, der

die Chopin-Gesellschaft und die mdw in en -

ger Verbundenheit zueinander hält: die kompromißlose,

beharrliche Überzeugung, daß

Musik ein bedeutendes Mittel in der Völkerverständigung

und im Engagement für ein

friedliches Miteinander ist. Diese Haltung

liegt seit vielen Jahren den zahlreichen, vielfältigen

Veranstaltungen und Aktivitäten der

Chopin Gesellschaft zugrunde – die die Be -

schäftigung mit der Musik immer auch in

den Kontext der Weltpolitik setzt und damit

Großes erreicht hat. Diese Haltung geht Hand

in Hand mit den Werten der mdw – Universität

für Musik und darstellende Kunst Wien:

Die Wahrung der Würde und Rechte von

Men schen sowie die tiefe Überzeugung, daß

Kunst und Musik wichtige Werkzeuge der

Demokratie und des Friedens sind, bilden

die Basis für unsere künstlerische und pädagogische

Arbeit.

Die enorme gesellschaftliche Relevanz

von Kunst und Kultur tritt angesichts des

Kriegs in Europa und der multiplen Krisen,

die unsere Gesellschaft zu bewältigen hat,

umso deutlicher hervor. Mehr denn je sind

wir gefordert, der Kunst eine starke Stimme

zu geben, damit sie ihre gestalterische Kraft

entfalten kann.

Wir sind auch im Herzen Euro pas auf die

Dialogangebote angewiesen, die durch

künstlerisches Schaffen entste hen.

Die Internationale Chopin-Gesellschaft

Wien ist seit nunmehr 70 Jahren ein Leuchtturm,

ein inspirierendes Vorbild dafür, wie

künstlerische Exzellenz für ein Miteinander

und für gesellschaftspolitischen Fortschritt

wirken kann.

Im Namen der mdw – Universität für Mu -

sik und darstellende Kunst Wien gratuliere

ich der Internationalen Chopin-Gesellschaft

in Wien sehr herzlich zu ihrem 70-jährigen

Jubiläum und ich freue mich auf viele weitere

gemeinsame Jahre!“

Botschafterin Regina Rusz zur

internationalen Bedeutung der ICG

Botschafterin Regina Rusz, stv. Leiterin

der Sektion Internationale Kulturangelegenheiten

im Bundesministerium für europäische

und internationale Angelegenheiten, dankte

der ICG für ihren unermüdlichen Einsatz.

Vor allem das Engagement für die internationalen

Beziehungen und die Förderung junger

Künstler, die der Kultursektion ein be -

sonderes Anliegen sind. Die Gesellschaft för -

dert damit das Ansehen des Musiklandes Ös -

terreich.

Das festliche Konzert dieser Veranstaltung

lag in den Händen von Natalia Rehling,

Klavier, Janay Tulenova, Violine und Urh

Mrak, Violoncello, die höchst souverän eine

brillante und ausdrucksstarke Interpretation

des 1.Satzes aus dem g-Moll Klaviertrio op.8

von Chopin boten. Der große Geiger Edward

Zienkowski, am Klavier wieder von Natalia

Rehling begleitet, wählte zwei sehr berührende

Stücke, zunächst die Legende op.17

des so bedeutenden polnischen Geigers

und – gerade noch – Zeitgenossen von Chopin

Henryk Wieniawski, sowie des tatsächli -

chen Zeitgenossen Niccolò Paganini („Can-

tabile“).

Darauf folgte die von Adam Jávorkai und

Clara Biermasz feurig dargebotene Introduction

et Polonaise brillante op.3 von Chopin,

gefolgt von 2 Stücken aus dem Zyklus „Baal

Shem“ für Violine und Klavier des Komponisten

Ernest Bloch.

Die ICG war und ist immer bestrebt, kulturell

in ihren Programmen zu „Völkerverständigung,

Frieden und Freiheit“ einen Beitrag

zu leisten. Daher war es ein besonderer

Wunsch von Prof. Kanitzer, der Geigerin

Janay Tulenova und des Pianisten Manfred

Wagner-Artzt, sich mit diesen beiden, den

Gesängen des chassidischen polnischen Rabbi

Baal Schem Tov nachempfundenen, Kompositionen

vor dem jüdischen Volk zu verneigen,

das wie kein anderes unter der Vernichtung

dieser Werte zu leiden hatte.

Im Anschluß daran interpretierte der

wunderbare israelische Pianist Roman Zaslavsky

höchst feinfühlig und klangsinnlich

das Petrarca-Sonett N°104 des großen Chopin-Freundes

und Förderers Franz Liszt, ehe

der hochgeschätzte Wiener Pianist Johannes

Kropfitsch mit der 3. Ballade von Chopin den

glanzvollen Abschluß bildete.

n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

70 Jahre Österreichische Gesellschaft

für Ur- und Frühgeschichte

150 Jahre Anthropologische Gesellschaft in Wien – Standortbestimmung

und Perspektiven bei internationaler Tagung

83

Foto: ÖGUF / Tabea Truntschnig

Die TeilnehmerInnen des Festsymposiums mit Univ.Prof. Alexandra Krenn-Leeb (3.v.r.) und Univ.Prof. Hermann Mückler (2. v.r.)

Im Jahr 1870 wurde die Anthropologische posium mußte damals pandemiebedingt ab - Leistungen oft auch in einem „Science to

Gesellschaft in Wien gegründet. Die AG, gesagt werden. Während die Partnergesellschaft

Public“-Ansatz auf vielfältige Art an eine brei -

wie sie kurz genannt wird, zählt heute zu den

ältesten und angesehensten Wissenschaftsgesellschaften

Österreichs. Nur ein halbes Jahr

nach der Berliner Gesellschaft für Anthropologie,

Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU),

die als Vorbild diente, gab es schließlich auch

in Österreich eine wissenschaftliche Fachver -

tretung für die Fächer Archäologie, Anthro -

pologie und Ethnologie. Die Gesellschaft hat

ihren Sitz im Naturhistorischen Museum Wien

und gehört somit seit der Eröffnung des

Gebäudes am Wiener Ring im Jahr 1889 zum

dortigen „Inventar“. Die genannten Fächer

vereint neben der Ur- und Frühgeschichte,

der Physischen Anthropologie sowie der

Kultur- und Sozialanthropologie (die ehemalige

Völkerkunde) auch die Europäische Eth -

nologie (die ehemalige Volkskunde). Nach

dem Zweiten Weltkrieg spaltete sich 1952

die Ur- und Frühgeschichte ab und gründete

eine eigene Gesellschaft, die Gesellschaft für

Ur- und Frühgeschichte, kurz ÖGUF. Zwischen

beiden Gesellschaften besteht seither

eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit,

die sich nicht zuletzt auch in diesem gemeinsam

organisierten Festsymposium manifestiert,

welches von 20. bis 22. Oktober in den

in Berlin, die BGAEU, ihre Festveran-

staltung nur wenige Tage vor dem ersten

Lockdown gerade noch umsetzen konnte,

blieb dies den Wienern versagt. Nach zwei

weiteren Verschiebungen 2021 war nun die

Er wartungshaltung umso größer, daß das

Festsymposium wie geplant vollumfänglich

durchgeführt werden konnte. Gäste, insbesondere

aus Deutschland, ergänzten die Beiträge

österreichischer Vortragender. Das Ge -

neralthema des Festsymposiums lautete

„Wissenschaftliche Gesellschaften. Standortbestimmung

und Perspektiven der Archäologie,

Anthropologie und Ethnologie“.

Die Vorsitzenden der beiden organisierenden

Fachgesellschaften, Univ.Prof. Alexandra

Krenn-Leeb und Univ.Prof. Hermann

Mückler, betonten in ihren Eingangsstatements

die Herausforderungen, vor denen heu -

te die Mehrheit der wissenschaftlichen Ge -

sellschaften, die meist als Vereine organisiert

sind, stehen. Partielle Überalterung, stagnierende

Mitgliederzahlen und veränderte An -

forderungen an eine zeitgemäße Vermittlung

wissenschaftlicher Erkenntnisse erfordern

von den Gesellschaften Flexibilität, Kreativität

und Mut für Neues.

tere Öffentlichkeit bringen und damit einen

wichtigen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen.

Die Vortragenden stellten in den insgesamt

26 Vorträgen nicht nur die Geschichte

und den Ist-Zustand detailreich dar, sondern

entwickelten vor allem Strategien für die Zu -

kunft. Die Bandbreite der vorgestellten Ge -

sellschaften reichte – neben den organisierenden

beiden Gesellschaften – vom Westund

Süddeutschen Altertumsverband, dem

Wirken der Görlitzer Wissensgesellschaften,

über die Bioarchäologische Gesellschaft

Österreichs bis zur Internationalen Gesellschaft

für Jäger und Sammler-Forschung. Be -

sonders initiativ erschienen dabei neu ge -

gründete Gesellschaften wie Orbis Ferrorum,

der Dachverband Archäologischer Studieren -

den Vertretungen, ArchaeoPublica sowie das

Archäologische Forschungsnetzwerk Innsbruck

(AFIN). Gerade letztere zeigten mit

ihren Ideen und Konzepten auf, wohin

zukünftig die Reise für Wissenschaftsgesellschaften,

insbesondere auch unter Einbindung

der jüngeren Generation, in den ge -

nannten Fächern gehen könnte. Damit lieferte

das Festsymposium einen wichtigen Beitrag

zu deren Neudefinition und zukünftiger

Räumlichkeiten des Na turhistorischen Mu - Die Generaldirektorin des Naturhistorischen

Ausrichtung.

hm

seums veranstaltet werden konnte.

Das anläßlich der beiden runden Jubiläen

bereits für 2020 geplante internationale Sym -

Museums, Katrin Vohland, betonte in

ihren ein führenden Worten die Bedeutung von

Fach gesellschaften, die wissenschaftliche

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt

KZ-Gedenkstätte Mauthausen kooperiert mit USHMM

Durch die internationale Kooperation

werden zentrale Archivbestände gesichert

und Angehörigen der Opfer sowie Forschenden

zugänglich gemacht.

Eine zentrale Aufgabe beider Institutionen

ist es, die Zeugnisse der NS-Verfolgungsund

Vernichtungspolitik dauerhaft für künftige

Generationen zu sichern. Das USHMM,

das bereits 2003/04 im Rahmen seiner weltweiten

Quellensammlung auch die Originale

der KZ-Gedenkstätte Mauthausen mikroverfilmt

hatte, beschafft seit langem Kopien aus

Archiven in aller Welt, darunter auch in ös -

terreichischen Archiven, die für die NS-Zeit

relevante Dokumente sammeln, in Form von

Digitalisaten. Auch die KZ-Gedenkstätte

Mauthausen arbeitet bereits seit Jahren an

der Digitalisierung aller Sammlungsbereiche,

von Oral History-Interviews, Fotografien

bis hin zu Ar tefakten und nicht zuletzt

auch von Schriftgut. Aufgrund der umfassenden

Neuzugänge der vergangenen Jahre

verständigte man sich zu beiderlei Vorteil,

die 20 Jahre alte Kooperation zu erneuern.

Am 21. November unterzeichnete Barbara

Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte

Mauthausen, den Kooperationsvertrag ge -

Foto: United States Holocaust Memorial Museum / Joel Mason-Gaines

Barbara Glück und Zachary Levine bei der Vertragsunterzeichnung in New York

mein sam mit Zachary Levine, Leiter des Ar -

chivs und der Kuratorischen Angelegenheiten

am USHMM, in der Österreichischen

Botschaft Washington.

Gemäß der Kooperation wird das

USHMM ab nächstem Jahr mehrere hunderttausend

Seiten digitalisieren, die dann

Forschenden, Angehörigen der Opfer und an -

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84

deren Interessierten in Österreich, aber auch

in den USA, zugänglich gemacht werden

kön nen. „Durch die Kooperation können wir

unserer Verpflichtung gegenüber den Angehörigen

nachkommen und zur weiteren Aufklärung

von Opferbiografien beitragen“, so

Barbara Glück.

n

https://www.mauthausen-memorial.org/

Stefan Herheim gewinnt einen »Opera Award 2022«

Bei der Verleihung der „Opera Awards

2022“ im Teatro Real Madrid wurde der

Intendant des MusikTheaters an der Wien

der Vereinigten Bühnen Wien (VBW), Stefan

Herheim, am 28. November mit dem Preis in

der Kategorie Director/Regisseur ausgezeichnet.

Auf der Nominiertenliste standen neben

Herheim auch Rosetta Cucchi, Tobias Kratzer,

James Robinson, Simon Stone und Ade -

le Thomas.

Die „International Opera Awards“ werden

alljährlich durch das Londoner Fachmagazin

„Opera“ verliehen und wurden 2012 ins

Leben gerufen, um herausragende Opernleistungen

auf der ganzen Welt zu würdigen.

Die Bewertung erfolgt durch eine Jury aus

Fachleuten der Branche unter dem Vorsitz

von Redakteur John Allison.

Für Stefan Herheim ist diese Auszeichnung

mit dem International Opera Award ein

Zeichen großer Anerkennung, die das Profil

der Oper als Kunstform schärft.

An der Bayerischen Staatsoper zeichnete

Herheim im Februar 2022 für die Inszenierung

von Peter Grimes (Britten) verantwortlich.

Sein Debüt am MusikTheater an der

Wien mit dem Stück „Das schlaue Füchslein“

Foto: Vereinigte Bühnen Wien / Moritz Schell

Stefan Herheim, Intendant des

MusikTheaters an der Wien

(Leoš Janáček) im Oktober diesen Jahres

wur de von Publikum und Presse heftig ak -

klamiert. Auch bei der Familienoper von Gian

Carlo Menotti „Amahl und die nächtlichen

Besucher“ mit Premiere am 15. Dezember

hat er wieder am MusikTheater an der Wien

Regie geführt.

„Die Auszeichnung von Intendant Stefan

Herheim als bester Regisseur bestätigt einmal

mehr den Weg der Stadt Wien in Kultur

zu investieren und damit den Weltruf Wiens

als Musikhauptstadt zu untermauern“, zeigt

sich Wiens Stadtrat Peter Hanke erfreut.

„Wiener Musiktheater genießt national

wie international höchste Reputation. Die

Auszeichnung von Stefan Herheim mit dem

,International Opera Award‘ zeigt erneut,

daß die VBW als eines der wichtigsten Kulturunternehmen

der Wien Holding Musiktheater

in Spitzenqualität liefern“, so Wien

Holding-Geschäftsführer Kurt Gollowitzer.

VBW-Geschäftsführer Franz Patay freut

sich, mit Stefan Herheim den erfolgreichen

Weg als eines der besten Opernhäuser der

Welt fortzusetzen. Bereits 2016 hat das Theater

an der Wien für die beste Neuproduktion

des Jahres (Peter Grimes, 2015) den International

Opera Award erhalten.

Die Vereinigten Bühnen Wien sind ein

Unternehmen der Wien Holding. n

https://www.theater-wien.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

PaN-Preis NÖ für die Österreichisch-Slowakische

Gesellschaft

Feierliche Verleihung im Festsaal des Casinos Baden

85

Foto: NÖ / EFW Bollwein

v.l.: BM a.D. Werner Fasslabend, Botschafter der Slowakei in Österreich, Peter Mišík, Gen.Sekr. der Österreichisch-Slowakischen

Gesellschaft (ÖSG), Elena Penzes-Strobl, PaN-Präsident Univ.Prof. Hermann Mückler, Landesrat Botschafter Martin Eichtinger,

PaN-Vorständin Botschafterin Petra Schneebauer, Botschafter i.R. Maximilian Pammer und der Vizepräsident der ÖSG,Josef Wurditsch.

PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/

Im Rahmen des Salons Europa-Forum

Wachau wurde am 14. September im Congress

Center Baden der PaN-Preis NÖ an die

Österreichisch-Slowakische Gesellschaft ver -

liehen. Landesrat Martin Eichtinger, Präsident

des Europa-Forums Wachau, und PaN-

Präsident Univ.-Prof. Hermann Mückler über -

reichten den neu gestifteten PaN-Preis des

Landes Niederösterreich an Bundesminister

a.D. Werner Fasslabend, den Präsidenten der

Österreichisch-Slowakischen Gesellschaft,

und Botschafter i.R. Maximilian Pammer,

deren geschäftsführenden Vizepräsidenten.

Dem Festakt wohnte S.E. Peter Mišík, der

Botschafter der Slowakischen Republik in

Ös terreich, bei.

Schon wenige Monate nach der Geburt

der selbständigen Slowakischen Republik

wur de im Juni 1993 die Österreichisch – Slowakische

Gesellschaft gegründet. Ihr Ziel

war – wie bei allen im Dachverband PaN

(Österreich Partner aller Nationen) zu sam -

mengefaßten bilateralen Freundschaftsgesellschaften

– die Förderung der Beziehungen

zum Partnerstaat und zwischen den Men -

schen der beiden Länder.

Im Falle der Slowakei, deren selbständige

Lebensfähigkeit nach der Auflösung der

Tschechoslowakei vielfach bezweifelt wurde

und deren Image durch problematische in -

nenpolitische Entwicklungen beeinträchtigt

war, kamen zu diesen allgemeinen Zielsetzungen

auch ganz besondere Aufgaben: un -

ser infolge des Eisernen Vorhangs vielfach

kaum mehr bekanntes Nachbarland den

Öster reicherInnen wieder näherzubringen, sie

über dieses zu informieren, Klischees und

Vorurteile abzubauen, das Interesse an der

Slowakei zu wecken und die Kontakte zwischen

den Menschen der beiden Nachbarländer

zu fördern.

Wenn heute die Slowakei als wirtschaftlich

sehr erfolgreiches, seit fast 20 Jahren fest

in die EU integriertes Land allgemeine Anerkennung

genießt und sich auch verläßlicher

Nachbar und Partner Österreichs bewährt hat,

ist dies natürlich in erster Linie ihren Menschen

und den Verantwortungsträgern in beiden

Nachbarländern zuzuschreiben. Doch soll

nicht vergessen werden, daß auch die Österreichisch-Slowakische

Gesellschaft auf vielfältige

Weise um die Erreichung dieser Ziele

verdient gemacht hat.

Der Salon Europa-Forum Wachau wurde

unter dem Titel „Invest in Identiy, Culture and

Future“ anläßlich des 50-Jahre-Jubiläums der

Europahymne in Baden veranstaltet, wo Lud -

wig van Beethoven einst die berühmte Melodie

komponiert hatte. Landesrat Martin Eich -

tinger und Stefan Szirucsek, der Bürgermeister

von Baden, begrüßten und leiteten mit

Hon.Prof. Christian Mandl, Abteilungsleiter

Europapolitik in der Wirtschaftskammer Ös -

terreich, die Veranstaltung ein. Nach der Präsentation

niederösterreichischer grenzüberschreitender

Vorzeigeprojekte dis kutierten

Ro bert Ziegler, Landesdirektor des ORF

Niederösterreich, und Jan Souček, Di rektor

von Česká televize TS Brno, über die Bedeutung

und Aufgabe öffentlich-rechtli cher Me -

dien in demokratischen Gesellschaften. hm

http://www.oe-sg.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

PaN-Preis BMEIA für Österreichisch-Ukrainische

Gesellschaft

86

Foto: PaN

v.l.: PaN-Präsident Univ.Prof. Hermann Mückler, Ehrenpräsidentin der Österreichisch-Belgischen Gesellschaft Greet Machek-Vos, Leiterin

der Sektion Konsularische Angelegenheiten im BMEIA, Botschafterin Petra Schneebauer, PaN-Generalsekretär Senator Walter Gerbautz,

Gesandter der Botschaft der Ukraine Vadym Kovalevskyi, Opernsängerin Zoryana Kushpler, Pianistin Iryna Nikolayeva, Präsident der

Österreichisch-Ukrainischen Gesellschaft Univ.-Prof. Alois Woldan und PaN-Vorstand Lukas Vosicky

Der alljährlich vom Dachverband aller

österreichisch-ausländischen Gesellschaften

– PaN vergebene Preis des Bundesministeriums

für europäische und internationale

Angelegenheiten ging 2022 an die Ös -

terreichisch-Ukrainische Gesellschaft. Der

Festakt fand am 6. Oktober im Alois Mock-

Saal des Außenministeriums statt. Botschafterin

Teresa Indjein, Leiterin der Sektion für

internationale Kulturbeziehungen, hob die

österreichisch-ukrainische Freundschaft hervor,

der derzeit eine besonders große Bedeutung

zukommt. Der ukrainische Gesandte

Vadym Kovalevskyi bedankte sich für die

Kooperation und das Engagement der Österreichisch-Ukrainischen

Gesellschaft und

hob den Zusammenhalt hervor, der gerade in

solch schwierigen Zeiten von großer Bedeutung

ist. Univ.-Prof. Hermann Mückler, Präsident

des Dachverbandes-PaN, ging in seiner

Laudatio auf die Bedeutung der Ge -

schichte ein und wie sehr die Ereignisse der

letzten Monate die Welt bewegt und verändert

haben.

In seiner Dankesrede führte Univ.-Prof.

Alois Woldan, Präsident der Österreichisch-

Ukrainischen Gesellschaft, aus, wie wichtig

Foto: PaN

das Netzwerk der Gesellschaft im letzten

Halbjahr war. Die ukrainischen Opernsängerin

Zoryana Kushpler, begleitet von Iryna

Nikolayeva, – beide stammen aus Lemberg/

Lwiw –, gestalteten den musikalischen Rahmen.

Durch den abendlichen Festakt, an dem

zahlreiche VertreterInnen der unterschiedli -

PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/

chen zivilgesellschaftlichen und religiösen

Ge meinden der in Österreich lebenden Ukrai -

ner teilnahem, führte der Leiter der Abteilung

für multilaterale Auslandskultur, Botschafter

Martin Pammer. Im Anschluß wur de zu

einem Empfang geladen.

n

Lukas Vosicky

v.l.: Botschafterin Teresa Indjein, Iryna Nikolayeva, PaN-Präsident Hermann Mückler, ÖUG-

Präsident Alfred Woldan, PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz und Kushpler Zoryana


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

20 Jahre Österreichisch-

Französische Vereinigung

87

Ein Fest im Palais Eschenbach

Foto: ÖFV

Ein Blick in den Festsaal in dem von 1870 bis 872 von Otto Thienemann erbauten Palais Eschenbach

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Mit einer Festveranstaltung im großen

Festsaal des Palais Eschenbach konnte

das Covid19-bedingt verschobene 20-Jahr-

Bestandsjubiläum der Österreichisch-Franzö -

sischen Vereinigung (ÖFV) nun gebührend

nachgefeiert werden. Knapp 200 Gäste folgten

der Einladung des langjährigen Präsidenten

der ÖFV, Heinz-Christian Sauer, Vizepräsident

Rudolf Novaks sowie Generalsekretärin

Regine Kreuchs, die diese am 4. Ok -

tober im prunkvollen Historismus-Ambiente

stattgefundene Veranstaltung organisiert hatten.

Präsident Sauer erinnert in seiner Eröffnungsrede

an die Gründung und Geschichte

der ÖVF, die eine jahrzehntelang bestehende

Vorläuferorganisation aus der Zeit nach dem

Ende des Zweiten Weltkriegs hatte, die aber

ihren Betrieb Ende der 1990er-Jahre einstellen

mußte. Gerade als die Beziehungen zwischen

Österreich und Frankreich einen Tiefpunkt

hatten – bedingt durch die Regierungs -

bildung in Österreich im Jahr 2000 unter Be -

teiligung einer rechts-nationalen Partei und

dem darauffolgenden Widerstand und eingeleiteten

Maßnahmen mehrerer europäischer

Län der dagegen, die von Frankreich unter Prä -

sident Jacques Chirac angeführt worden wa -

ren –, kam es zur Gründung der ÖFV. Um in

diesen polarisierenden Zeiten anstelle des

Trennenden das Verbindende in den Vordergrund

zu rücken, kam diese bilaterale

Freundschaftsgesellschaft gerade zum richtigen

Zeitpunkt. Die ÖFV ist Mitglied im

Dachverband aller österreichisch-ausländischen

Gesellschaften PaN und kooperiert im

Netzwerk bilateraler Freundschaftsgesellschaften

auch immer wieder mit anderen Ge -

sellschaften.

Die Leistungsbilanz der ÖFV seit ihrer

Gründung kann sich sehen lassen: Ob Vorträge,

Führungen, Exkursionen, musikalische

Veranstaltungen – attraktive Themen

und hochkarätige Gäste, die ihre jeweilige

Expertise bereitwillig teilten, trugen dazu bei,

ein umfassendes Bild von der französischen

Kultur in all ihren Facetten einem interessierten

österreichischen Publikum zu eröffnen.

Auf einer großen Leinwand konnten die

Festgäste in einer Rückschau ihre Erinnerungen

an diese Veranstaltungen auffrischen.

Der Rede des Präsidenten folgte die des

Botschafters der Republik Frankreich in Ös -

terreich, Gilles Pécout. Redegewandt und

mit Humor wies er auf kulturelle Eigenheiten

der Franzosen und Französinnen hin und

reflektierte Klischees und Vorurteile, die oft

historische Wurzeln aufweisen. Er dankte der

ÖFV für ihre Rolle als außerordentlich er -

folgreiche Kulturvermittlerin. Danach hielt

der Präsident des Dachverband-PaN, Univ.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

88

Prof. Hermann Mückler, eine Laudatio auf

die ÖFV und verwies dabei auf die Wichtigkeit

und Bedeutung des ehrenamtlichen zi -

vilgesellschaftlichen Engagements in einer

Zeit, die von zunehmenden Herausforderungen

geprägt ist. Er strich dabei die Vorbildwirkung

der sehr initiativen und engagierten

ÖFV heraus und schloß nicht nur mit Dank

und Glückwünschen für die geleistete Arbeit

für ein gedeihliches, friedliches Miteinander

in einer komplexer werdenden Welt, sondern

verknüpfte dies mit der Hoffnung, daß die

ÖFV auch die kommenden 20 Jahre in ihren

brückenbauenden Initiativen nicht nachläßt.

Abgerundet wurde der offizielle Teil

durch die musikalischen Darbietungen des

Duos Claire Tudela und Anel Ahmetovic. Tu -

dela, eine französische Schauspielerin, Sängerin

und Theaterregisseurin, gab sechs

Chansons zum Besten, die von dem aus Bosnien-Herzegowina

stammenden und in zahlreichen

Formationen spielenden Akkordeonisten

Ahmetovic kongenial begleitet wurden.

Heinz-Christian Sauer, der seit Jahren

entscheidend zur Verbreitung der Kenntnis

des französischen Chansons in Österreich

bei trägt, erläuterte die wohlausgewählten ein -

zelnen Stücke in ihren inhaltlichen Bedeutungen.

Foto: ÖFV

Der Präsident der Österreichisch-Französischen Vereinigung, Heinz-Christian Sauer

Zu den zahlreichen Ehrengästen zählten

u.a. mehrere PräsidentInnen bzw. Präsidenten

bilateraler Freundschaftsgesellschaften, so

z.B. von Luxemburg, Belgien und Großbritannien.

Zu den aus Frankreich stammenden

Ehrengästen zählte u.a. Senator und Ab ge -

ordneter der französischen Nationalversamm -

lung sowie langjähriger leitender Repräsentant

der Interparlamentarischen Union, Ro -

bert Denis del Picchia, aber auch Mitglieder

des Hochadels, darunter Comte Romée de La

Poëze d’Harambure. Dem offiziellen Festakt

folgte ein gemütliches Bei sam mensein mit

Wein und kleinen Häppchen, bei dem persön -

liche Kontakte vertieft werden konnten. hm

https://oefv.org/

Foto: ÖFV

Das Duo Claire Tudela und Anel Ahmetovic gab sechs Chansons zum Besten.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

Österreichisch-Deutsches

Länderforum

89

Diskussionsveranstaltung der bilateralen Freundschaftsgesellschaft

Österreich-Deutschland in der Diplomatischen Akademie Wien

Die bilaterale Freundschaftsgesellschaft

Österreich-Deutschland – das Österreichisch-Deutsche

Länderforum – ist nicht nur

bestrebt, die österreichisch-deutschen freund -

schaftlichen Beziehungen zu fördern, sondern

auch Raum für Kommunikation und Vernetzung

zu bieten. Das Länderforum zielt darauf

ab, als Drehscheibe für den Austausch

bilateraler aber auch multilateraler Akteure

zu fungieren und damit für seine Mitglieder,

aber auch interessiertem Publikum außerhalb

des Vereins, einen Zugang zu Experten und

Spezialisten aus Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft

und Politik herzustellen.

Die »Hamburger Reihe«

Von daher pflegt das Länderforum unter

an derem eine enge Kooperation mit der

„Hamburger Reihe“, die, unter der Schirmherrschaft

der Europäischen Akademie der

Wissenschaften und Künste, regelmäßig alljährlich

Symposien im renommierten Übersee-Club

in Hamburg und alternierend in

Wien veranstaltet. Der Themenbogen um -

spannt nicht nur aktuelle gesellschafts-, geopolitische-

oder wirtschaftliche Themen,

sondern umfaßt auch Inhalte kultureller bzw.

kulturhistorischer Natur. Das Österreichisch-

Deutsche Länderforum wirkt hierbei sowohl

bei der Themensetzung, als auch bei den Vor -

bereitungen von diesbezüglichen Veranstaltungen

intensiv mit. Der hierbei immer an -

schließende Empfang zielt darauf ab, nicht

nur Speis und Trank dem Publikum zu bieten,

sondern auch die Möglichkeit sich mit

den Vortragenden im Rahmen eines persönlichen

Gesprächs auszutauschen.

*)

Harald Wögerbauer ist u.a. Träger des Goldenen

Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik

Österreich, er ist Ehrenvorstand der Österreichisch-

Koreanischen Gesellschaft, Mitglied im Vorstand

der Österreichisch-Russischen Gesellschaft und

Mitglied sowie Ehrenzeichenträger im Dachverband

aller österreichisch-ausländischen Gesellschaften –

PaN

Foto: ÖDLF / E.Prokofieff

Die Generalsekretärin des Österreichisch-Deutschen Länderforums, Talieh Wögerbauer (l.) im

Mai 2019 mit Österreichs Bundeskanzlerin a.D. Brigitte Bierlein im Übersee-Club Hamburg

Übersee-Club Hamburg

So wurde in oben besagter Kooperation

am 2. Mai 2019 zu einem Symposium über

die Klimakrise in den Übersee-Club Hamburg

geladen. Zur Fragestellung – „Ist der

Klimawandel noch beherrschbar? Wege zwischen

Klimaschutz und Anpassung an die

Folgen der Erderwärmung“ – wurden politische

und ethische Dimensionen der Klimafolgen

ausgeleuchtet, sicherheitspolitische

und gesellschaftliche Klimafolgen angesprochen,

die in den kommenden Jahrzehnten zu

erwarten sind.

Nach einer durch die Pandemie bedingten

längeren Pause wurde zu einem weiteren

Symposium am 9. September 2021 in den

Übersee-Club Hamburg geladen. Zunächst

war geplant, daß Bundeskanzler a.D. Gerhard

Schröder gemeinsam mit Österreichs Bun -

deskanzlerin a.D. Brigitte Bierlein zum The -

ma „Brauchen wir eine neue Weltordnung?“

referieren sollte. Allerdings sagte Schröder

wegen einer Terminkollision kurzfristig ab.

Harald Wögerbauer, Mitglied des Präsidiums

des Europäischen Rechnungshofes a.D. und

Präsident des Österreichisch-Deutschen Länderforums,

sprang kurzfristig ein. Globale po -

litische und wirtschaftliche Entwicklungen

der letzten Jahre und der Gegenwart wurden

von Wögerbauer und Bierlein erörtert, si -

cherheitspolitische, datenschutzrechtliche und

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sozioökonomische Aspekte beleuchtet, vor

allem auch im Hinblick klima- und pandemiebedingter

Auswirkungen. Es entspann

sich ein reger Diskussionsverlauf mit dem

Pu blikum, wobei vor allem Fragen österreichspezifischer

Natur den Vortragenden ge -

stellt wurden.

Diplomatische Akademie Wien

Im heurigen Jahr fand nun diese Syposiumreihe

am 11. Oktober in der Diplomatischen

Akademie Wien unter der gemeinsamen

Ägide des „Österreichisch-Deutschen

Länderforums (ÖDLF)“ und der „Europäischen

Akademie der Wissenschaft und Künste“

ihre Fortsetzung. Diesjähriges Thema

war die Erörterung der Frage „Die Rückkehr

der Nuklearen Bedrohung – ist sie Realität?“.

Deutsche und österreichische Experten dis -

kutierten unter der Moderation des Direktors

der Diplomatischen Akademie, Botschafter

Emil Brix, die Entwicklungen in den Nuklearstrategien

der Atommächte und die mit den

russischen Atomdrohungen verbundenen

Risiken für Europa und die Welt.

Der Präsident des Länderforums, Harald

Wögerbauer, begrüßte die sehr zahlreichen


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

90

Foto: PaN / WJG

In der Diplomatischen Akademie (v.l.): ÖDLF-PaN Generalsekretärin Talieh Wögerbauer, Brigadier a.D. Walter Feichtinger, der

Direktor der Diplomatischen Akademie, Botschafter Emil Brix, Brigadegeneral a.D. Helmut W. Ganser und Oberst i. R. Wolfgang Richter

Teilnehmer und setzte mit seiner Einführung

prägnant den inhaltlichen Rahmen für die

nachfolgende Debatte. Oberst a.D. Wolfgang

Richter von der Berliner „Stiftung Wissenschaft

und Politik“ (SWP) vermittelte einen

Überblick über die modernisierten Atomwaffenarsenale

und die neue Betonung der

Atomwaffen in den Nuklearstrategien der

atomaren Supermächte USA und Rußland,

die über 90 Prozent des gesamten Nuklearwaffenpotentials

verfügen. Brigadegeneral

a. D. Helmut W. Ganser vertrat die Auffassung,

daß das atomare Eskalationsrisiko

durch Rußland im weiteren Kriegsverlauf

real sei. Wenn die nukleare Schwelle erstmals

seit 77 Jahren überschritten werde, bestehe

das hohe Risiko einer unkontrollierbaren Es -

kalation, in die ganz Europa hineingezogen

werden könnte. Washington und Moskau

müß ten dringend einen Ausstieg aus der Es -

kalationsspirale finden, den Krieg stoppen

und zu diplomatischen Verhandlungen zu -

rück kehren. Brigadier i.R. Walter Feichtinger

konzentrierte sich auf die mit dem Krieg

verbundenen strategischen Dynamiken und

die Analyse der russischen Operationsführung

im Krieg gegen die Ukraine. In der ab -

schließenden lebhaften Diskussion mit den

Zuhörern wurde unter anderem die mögliche

vermittelnde Rolle und die Positionierung

Chinas und der Türkei in diesem Krieg thematisiert.

Foto: PaN / WJG

Der Präsident des Österreichisch-Deutschen Länderforums, Harald Wögerbauer

Vorschau

Das nächste Symposium wird voraussichtlich

wieder im Übersee-Club in Hamburg

im Mai 2023 stattfinden. Nähere Informationen

hierzu werden zeitgerecht auf der

Webseite des Österreichisch-Deutschen Länderforums

bekanntgegeben. Darüber hinaus

PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/

ist geplant eventuell ein zweites Symposium

hier in Wien im Herbst 2023 anzubieten. Auf

ein zahlreich interessiertes Publikum freut

sich das Österreichisch-Deutsche Länder -

forum.

n

http://www.oedlf.at/

https://www.da-vienna.ac.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

PaN-Gesellschaften

vor den Vorhang

91

PaN-Projektunterstützungspreise 2022 im Wiener Rathaus verliehen

Foto: Stadt Wien

v.l.: PaN-Vorstand Lukas Marcel Vosicky, PaN-Vizepräsident Oskar Wawra,PaN-Generalsekretär Senator Walter J. Gerbautz, Präsidentin der

Österreichisch-Indischen Gesellschaft Prof. Radha Anjali, Ehrenpräsidentin der Österreichisch-Belgischen Gesellschaft Greet Machek-Vos,

Schatzmeisterin des Vereins der Freudne Bhutans Christine Jantscher, Präsident der Österreich Südsudan Gesellschaft Abg. z. NR Günter

Kössl, Direktor der Diplom. Akademie Botschafter Emil Brix, Projektverantwortlicher Miakwadang Herbert Bronnenmayer, Projektverantwort -

liche Miakwadang Veronika Kunze, Vizepräsident der Österreich Südsudan Gesellschaft Paul A. Slatin, Botschafter der Republik Sudan SE

Mr. Magdi Mofadal, Gesandter der Botschaft der Republik Sudan, Gruppenleiterin der Magistratsdirektion für Europa und Internationales

Alena Sirka-Bred und PaN-Präsident Univ.Prof. Hermann Mückler.

Nach dreijähriger coronabedingter Unterbrechung

lud der Dachverband aller ös -

terreichisch-ausländischen Gesellschaften –

PaN seine bilateralen Freundschaftsgesellschaften

wieder zu dem traditionellen PaN-

Projektwettbewerb ein. Am 3. November fand

im Wappensaal des Wiener Rathauses ein

Fest akt zur feierlichen Verleihung der PaN-

Projektunterstützungspreise an die drei sieg -

reichen PaN-Gesellschaften, nämlich an den

Verein der Freunde Bhutans-PaN, die Österreichisch-Indische

Gesellschaft-PaN und die

Österreichisch-Sudanesische Gesellschaft-

PaN in Anwesenheit von rund 140 Fest gä -

sten ein.

Ein Höhepunkt des Abends war der vielbeachtete

Festvortrag des Leiters der Diplomatischen

Akademie, Botschafter Emil Brix,

welcher mit dem kryptischen Thema „Wie

groß ist Österreich?“ die gespannt lauschenden

Festgäste aus Politik, Wirtschaft, Kunst

Foto: Stadt Wien

Botschafter Emil Brix, Leiter der Diplomatischen

Akademie, fesselte die Festgäste mit

seinem Vortrag mit dem kryptischen Thema

„Wie groß ist Österreich?“

PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/

und Kultur sowie die zahlreichen Vorstände

und Freunde der bilateralen Freundschaftsgesellschaften-PaN

begeisterte.

Durch das Programm führte PaN-Präsident

Univ.Prof. Hermann Mückler, der sich

auch im Namen des PaN-Vorstandes für die

rege Teilnahme der bilateralen Freund schafts -

gesellschaften an diesem Projektwett bewerb

bedankte und jenen Gesellschaften, die heuer

nicht unter die ersten drei kamen, ermunterte,

im kommenden Jahr erneut beim PaN-

Projektunterstützungspreis teilzunehmen.

Die musikalische Umrahmung erfolgte

durch zwei hervorragende ukrainische Piani -

stinnen, die die Zuhörer durch ihr großartiges

Können zu Beifallsstürmen aufmunterten.

https://austria-bhutan.org/

https://www.austriaindia.org/

Die Österreichisch-Sudanesische

Gesellschaft-PaN hat keine Homepage


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Österreich, Europa und die Welt / PaN

VAE-Botschafter im Burgenland

92

Foto: ÖVAEG-PaN

Die Geschäftsleitung der Firma Kludi und die ÖVAEG-PaN Delegation (v.l.): PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz, Betriebsleiter

Alexander Fürlinger, Geschäftsführer Thomas Krones, SE Botschafter Hamad Alkaabi, ÖVAEG-PaN-Präsident Hans Niessl, Generalsekretär

der Österreichisch-Arabischen Handelskammer Mouddar Khouja und ÖVAEG-PaN-Vorstand Robert Schneider.

Foto: Burgenland Energie / Richard Neubauer

CEO Stephan Sharma führte SE Botschafter Alkaabi durch die Baustelle im Windpark Neudorf

Am 11. November besuchte SE Hamad

Alkaabi, Botschafter der Vereinigten

Arabischen Emirate, im Rahmen einer von

der Österreichisch Vereinigten Arabischen-

Emirate-Freundschaftsgesellschaften-PaN

organisierten Delegation mehrere Unternehmungen

im nördlichen Burgenland.

Die erste Station war die Firma Kludi in

Hornstein im Bezirk Eisenstadt, welche im

Jahr 2021 von einem renommierten Unter -

neh men aus den VAE übernommen worden

war. Botschafter Alkaabi war von den Produktionsabläufen

und der erfolgreichen Firmengeschichte

sehr beeindruckt und wünsch -

te der Geschäftsleitung mit Geschäftsführer

Thomas Krones an der Spitze weiterhin viel

Erfolg.

Die zweite Station befand sich im Windpark

der Energie Burgenland in Neudorf bei

Parndorf, wo der CEO von Energie Burgenland,

Stephan Sharma, mit seinem Team die

ÖVAEG-PaN Delegation in Empfang nahm.

Botschafter Alkaabi und den Delegations -

teilnehmern wurde der Aufbau eines gigantischen

Windrades mit fast 200 m Höhe eindrucksvoll

vor Augen geführt. Besonders be -

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eindruckte Botschafter Alkaabi die weitsichtigen

Investitionen in die Windenergie ,die


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

93

unter dem als ÖVAEG-Präsident an der Spitze

der De legation stehenden Landeshauptmann

a.D. Hans Niessl bereits eingeleitet

worden waren.

Vom Windpark Neudorf ging es über die

Parndorfer Platte bei Kaiserwetter nach Frau -

enkirchen, wo in der Martinstherme Lodge

Direktor Klaus Hofmann die Delegation mit

burgenländischer Gastfreundschaft in Empfang

nahm.

Eine kulinarische Stärkung verhalf den

De legationsteilnehmern zu neuen Lebens -

geistern, wobei Hofmann die Zeit nutzte, die

Sankt Martin Therme & Lodge in einem ge -

schichtlichen Bogen zu präsentieren. Im An -

schluß führte er durch das Hotel und die

Thermenlandschaft.

Vierte und letzte Besuchsstation war die

Perlinger Gemüse GmbH in Wallern im Seewinkel,

dem größten Gemüseproduktionsunternehmen,

bzw. der „geo“-Gemüseerzeuger -

organisation. Aufsichtsrat und Seniorchef

Werner Perlinger und Sohn Patrick begrüßten

SE Botschafter Alkaabi und die ÖVAEG-

PaN-Delegation und führten durch das nach

modernsten ökologischen Gesichtspunkten

er richtete lichtdurchflutete Gewächshausareal.

Mehr als 50 verschiedene Gemüsesorten

werden mit modernsten ökologischen

Pro duktionsmethoden in einem der größten

Glashäuser Europas erzeugt.

Die Dämmerung legte sich bereits über

den Seewinkel, als die ÖVAEG-PaN Delegation

tief beeindruckt von den vielfältigen

bur genländischen Produktions- und Dienstlei -

stungsunternehmen die Heimreise antrat. n

https://www.oevaeg.at/

https://www.kludi.com

https://www.burgenlandenergie.at

https://www.perlinger-gemuese.at

https://www.stmartins.at

Foto: ÖVAEG-PaN

Foto: ÖVAEG-PaN

Die ÖVAEG-PaN-Delegation vor der St. Martinstherme in Fraunenkirchen mit CEO Klaus Hofmann

(2. v.l.) nach der Führung durch das Hotel und die Thermenlandschaft.

v.l.: ÖVAEG-PaN-Vorstand Robert Schneider, PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz, Juniorchef

Patrick Perlinger, ÖVAEG-PaN-Präsident Hans Niessl, SE Botschafter Hamad Alkaabi,

Seniorchef Werner Perlinger und AACC-Generalsekretär Mouddar Khouja; das Bild unten

bietet einen kleinen Einblick in die Dimensionen des Gemüseproduktionsunternehmens.

Foto: ÖVAEG-PaN

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Österreich, Europa und die Welt / PaN

Länderübergreifendes

Orchesterkonzert

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Die Österreich-San Marino Freundschaftsgesellschaft-PaN setzte im Joseph Haydn

Konservatorium Eisenstadt ein großartiges Beispiel für Völkerverbundenheit.

Foto: San Marino Gesellschaft-AD

Ein Blick auf die Studierenden des Joseph Haydn Konservatoriums Eisenstadt

Die jüngste der derzeit 125 PaN-Gesellschaften,

die Österreich-San Marino

Freundschaftsgesellschaft-PaN, hat mit dem

am 16. November im Joseph Haydn Konservatorium

stattgefundenen länderübergreifenden

Orchesterkonzert wieder ein großartiges

Beispiel für Völkerverbundenheit gesetzt. Im

bis auf den letzten Platz gefüllten Haydn

Saal führten die Studierenden des Haydn

Konservatoriums (JHK) mit großartiger Verstärkung

durch Künstlerinnen aus San Marino

und unter der Dirigentin Chariklia Apostolu

Werke von Carl Goldmark – „In Italien“,

Ouver türe für Orchester op. 49, von

Jo seph Haydn, das Trompetenkonzert in Es-

Dur, Hob. VIIe.1, und Jenő Takács eine Ur -

auf füh rung der „Volkstänze aus dem Burgenland“

op. 57 auf – perfekt dargeboten von

Studierenden des JHK.

Die vielseitige Pianistin Patrizia Romanello

Foto: San Marino Gesellschaft-AD

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Österreich, Europa und die Welt / PaN

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Einen viel beachteten Höhepunkt des

Konzertabends bildete die Uraufführung der

„Fantasia Concertante“ des an diesem Abend

anwesenden Komponisten, Dirigenten und

Intendanten des „San Marino International

Festival of New Music“, Massimiliano Messieri.

Das Stück für Klavier und Streichorchester

entstand als Reaktion auf eine Zeit

der Ermutigung für die ganze Menschheit, in

der viele Menschen ihre Lieben durch die

Pandemie verloren haben. Das „Leitmotiv“

der „Fantasia Concertante“ ist das Bewußtsein

der Unvermeidlichkeit. Die verrinnende

Zeit lehrt uns, daß das Leben in seinen verschiedenen

Facetten einen Sinn hat und zu

En de gelebt werden muß.

Die Darbietung der vielseitigen Pianistin

Patrizia Romanello reicht vom Barock bis zur

Modernen Kunst und der an diesem Abend ge -

feierten Uraufführung des Maestro Massi mi -

liano Messieri, der ihr „12 Haikus“ und zahlreiche

andere Kom positionen gewidmet hat.

Die Begrüßung des honorigen Publikums

nahm Gerhard Krammer, Direktor des JHK,

vor, welcher auch mit zahlreichen musikalischen

Anekdoten das Publikum durch das an -

spruchsvolle Programm führte. Die aus Wien

angereiste Botschafterin von San Marino,

I.E. Elena Molaroni, bedankte sich bei der

Österreich-San Marino Gesellschaft-PaN für

diese Initiative, die von deren Präsidenten

Johannes Pinczolits und Vizepräsidenten Al -

fred Diewald nicht nur ergriffen, sondern

auch maßgeblich organisiert wurde. Damit

seien die Bande zwischen San Marino und

Österreich und speziell dem Burgenland wie -

der vertieft und gefestigt worden, so die

Botschafterin.

Unter den Ehrengästen befanden sich

zahlreiche Persönlichkeiten aus Di ploma tie,

Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur, so un -

ter anderen die Eu ropaabgeordnete a.D. und

Landesrätin a.D. Christa Prets, Landeshauptmann

Stellvertreter a.D. und Geschäfts führer

des JHK Franz Steindl und PaN-Generalsekretär

Walter J. Gerbautz.

Nach dem Konzert erfolgte die Einladung

der Österreich-San Marino Gesellschaft-PaN

zu einem typisch burgenländischen Empfang

unter FreundInnen in der Lounge des dazu

be stens geeigneten JHK.

Das JHK bildet als postsekundäre Bildungseinrichtung

des Landes Burgenland

Studierende aus aller Welt in künstlerischen

und pädagogischen Bereichen der Musik

und in der Entwicklung und Erschließung der

Künste (artistic research) aus.

n

https://www.austria-sanmarino.at/

https://haydnkons.at/

Alle Fotos: San Marino Gesellschaft-AD

IE Botschafterin Elena Molaroni bei ihrer Begrüßungsrede

v.l.: San Marino-Vizepräsident Alfred Diewald, Marco Capriccioni Presseverantwortlicher,

Pianistin Patrizia Romanello, Maestro und Komponist Massimiliano Missieri, IE Botschafterin

Elena Molaroni und San-Marino-Präsident Johannes Pinczolits

San Marino Spezereien versüßten den Abend…

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Österreich, Europa und die Welt / PaN

Nationalfeiertag der Vereinigten

Arabischen Emirate in Wien

Nach zweijähriger Unterbrechung gab der Botschafter im Kursalon Hübner

im Wiener Stadtpark einen festlichen Empfang für 300 Gäste

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Foto: Botschaft der VAE / Philipp Hutter

Die Vorstände der ÖVAEG-PaN mit dem Violinquartett „Camerata Prima Wien“ (v.l.): vl. Ehrenpräsident Walter Hildebrand, Moderatorin

Emese Kovacs, ÖVAEG-PaN-GS Walter J. Gerbautz, ÖVAEG-Beirat Angelika Persterer-Ornig, Jewgenij Andrusenko (Geiger der

Wr. Philharmoniker), Botschafter Hamad Alkaabi, ÖVAEG-Vizepräsident Omar al Rawi und ÖVAEG-Vorstand Mouddar Khouja

Anläßlich des 51. Jahrestages des Nationalfeiertags

der Vereinigten Arabischen

Emirate lud der Botschafter der Vereinigten

Arabischen Emirate und Ständiger Vertreter

bei den Vereinten Nationen und internationalen

Organisationen in Wien, S.E. Hamad Al -

kaabi zu einem Empfang in den Kursalon

Wien ein.

Der Empfang fand am 2. Dezember nach

zweijähriger Corona-Pause statt. S.E. Alkaabi

lud zahlreiche Ehrengäste und über 300 Einwohner

der Bundeshauptstadt ein – unter

ihnen Mitglieder des Vorstands des Dachverbands

aller österreichisch-ausländischen Ge -

sellschaften – PaN und der Österreich-Vereinigte

Arabische Emirate-Gesellschaft. In

seinen Begrüßungsworten bekräftigte er die

starke bilaterale strategische Beziehung, die

zwischen den beiden Ländern besteht, und

wies auf die Bedeutung von Toleranz, Wohlergehen

der Menschen, Stärkung internationaler

Partnerschaften, die Bedeutung einer

Foto: Botschaft der VAE / Philipp Hutter

v.r.: Botschafterin und PaN-Vorstandsmitglied Petra Schneebauer, SE Botschafter Alkaabi,

ÖVAEG und PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz, PaN-Beirat Ernst Huber und „Cercle

Diplomatique“-Redakteur Arian Hamidj Faal

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Österreich, Europa und die Welt / PaN

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Alle Fotos: Botschaft der VAE / Philipp Hutter

SE Botschafter Hamad Alkaabi bei seiner Festansprache

v.l.: ÖVAEG-PaN-Vorstand Robert Schneider mit Generalsekretär Walter J. Gerbautz, Ehrenpräsident

Walter Hildebrand und Angelika Persterer-Ornig Ehemann Alex Persterer

v.l.: ÖVAEG-PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz mit den beiden ÖVAEG-Vorständen

Mouddar Khouja und Omar al Rawi

wissensbasierten Wirtschaft hin, um den

Fortschritt aufrechtzuerhalten und das Be -

streben, die gemeinsamen Ambitionen der

beiden Länder zu erfüllen.

Nach der feierlichen Ansprache des Botschafters

wurde die kuklturelle Verbundenheit

der beiden Länder mit den Darbietungen

des Violinquartetts der “Camerata Prima

Wien” unter der musikalischen Leitung des

Wiener Philharmonikers Jewgenij Andrusen -

ko auf eindrucksvolle Weise manifestiert.

Die vier Violinistinnen Kateryna Skoroboga -

tova , Sofija Ulanova, Timer Bornemisza

und Michael Andrusenko aus der Hochbegabtenförderung

der Musikschulen der Stadt

Wien begeisterten die Gäste mit dem Concerto

a 4 Violini No. 2 G major TWV 40.201

von Georg Philipp Teleman. Alle vier Geigerinnen

sind mehrfache erste Preisträgerinnen

von „Prima la Musica“ und mehreren internationalen

Wettbewerben.

Der Nationalfeiertag wurde auch durch

zahlreiche Überraschungen und Unterstützer

bereichert. Die Falkner der Adlerwarte Kreu -

zenstein gaben die Gelegenheit, sich mit der

Falknerei und der Bedeutung der Beibehaltung

der Falknereitraditionen im Allgemeinen

vertraut zu machen. Musikalische Beiträge

leistete auch die österreichische Blaskapelle

Mammut Horns.

Außerdem bot Etihad Airways ein Ticket

von Wien nach Abu Dhabi an, bei dem der

Gewinner am Abend per Tombola ermittelt

wurde. Der stellte sich aber als Mit arbeiter

der Emirates Airline heraus, woraufhin sich

die Airline entschied, das Ticket an die jungen

Talente des Violinquartetts „Camerata

Prima Wien“ weiterzugeben und sie damit

zu fördern. Elisabeth Zauner, Country Ma -

nagerin von Emirates in Österreich, und Mi -

roslava Andrejkova, Airport Managerin von

Etihad Airways in Österreich, waren sich

über die gemeinsame Förderung der hochbegabten

jungen Talente einig.

Die VAE sind stolz darauf, diese Festveranstaltung

mit ihren angesehenen Partnern

und Unterstützern im wunderbaren Wien

ausgerichtet zu haben.

Die Österreich-Vereinigte Arabische Emi -

rate Gesellschaft (ÖVAEG PaN) wurde im

Jahr 2003 gegründet um die bilateralen Be -

ziehungen sowohl den wirtschaftlichen als

auch den kul turellen Austausch zwischen Ös -

terreich und den VAE zu fördern. Beide Länder

pflegen seit der Gründung der VAE im

Jahr 1971 diplomatische und wirtschaftliche

Beziehungen.

n

https://www.mofaic.gov.ae/en/missions/vienna

https://www.oevaeg.at/

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022 98

Österreich, Europa und die Welt / PaN

PaN-Partnerschaftstreffen mit dem Österreichischen Bundesheer

Foto: PaN

v.l.: PaN-Vizepräsident Oskar Wawra, Oberstleutnant Kurt Rogan, Partnerschaftsbeauftragter des Bundesministeriums für

Landesverteidigung (BMLV), PaN-Vorständin Greet Machek-Voss, Generalmajor Martin Dorfer, PaN-Präsident Hermann Mückler,

Generalmajor Gerhard Christiner, PaN-Generalsekretär Walter J.Gerbautz und BMLV-Protokolloffizier Armin Wagner

Der Vorstand des Dachverbandes aller

österreichisch-ausländischen Gesellschaften-PaN

und Vertreter des Kooperationspartners

Österreichisches Bundesheer

mit Generalmajor Martin Dorfer, Leiter der

DION 1 im Bundesministerium für Landesverteidigung

(BMLV), und Genermajor Gerhard

Christiner, Chef des Stabes der DION 1

im BMLV an der Spitze, trafen in Wien zum

alljährlichen Gedankenaustausch zusammen.

Bei dieser Gelegenheit wurden einerseits die

erfolgreichen Partnerschaftsveranstaltungen

in diesem Jahr besprochen und andererseits

ein Blick ins Jahr 2023 hinsichtlich der ge -

planten gemeinsamen Aktivitäten gemacht.

Der Rückblick auf neun Jahre Partnerschaft

läßt sich sehen, was auch im Rahmen

eines Festaktes im Frühjahr dieses Jahres in

der Belgierkaserne in Graz durch Verteidigungsministerin

Klaudia Tanner durch die

urkundliche Auszeichnung von PaN als

„Partner des Bundes heeres“ gewürdigt wur -

de.

n

https://www.bundesheer.at

Siehe unseren Beitrag in der Ausgabe 203

https://kiosk.oesterreichjournal.at/ausgabe-203/67047582

Seiten 110 und 111.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Österreich, Europa und die Welt / PaN

Bundespräsidentenwahl

vom 9. Oktober 2022

99

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erhielt 56,7 Prozent der Wählerstimmen

Foto: Fabi Sackl / Lukas Kafenda

Der alte und neue Bundespräsident Alexander Van der Bellen, umgeben von seinen UnterstützerInnen

Sieben Wahlwerber hatten ausreichend

Unterstützungserklärungen für die Bun -

despräsidentanwahl am 9. Oktober abgegeben:

Michael Brunner, Gerald Grosz, Walter

Rosenkranz, Heinrich Staudinger, Alexander

Van der Bellen, Tassilo Wallentin und Dominik

Wlazny hatten die gesetzlichen Voraussetzungen

für eine Bewerbung erfüllt.

Wie die ORF/SORA/ISA Wahltagsbefragung

unter 1.226 Wahlberechtigten (davon

957 deklarierte WählerInnen) zeigte, haben

Enttäuschung und Ärger über die Politik die

Stimmung bei dieser Wahl geprägt.

Negative Sicht auf die

Entwicklung Österreichs verstärkt

Die Entwicklung Österreichs in den vergangenen

Jahren wird von zwei Dritteln (66

%) negativ beurteilt. Damit hat sie sich verschlechtert,

obwohl bereits beim ersten

Durch gang der Bundespräsidentschaftswahl

2016 52 % negativ auf die letzten Jahre zu -

rückblickte.

Derzeit erkennt nur rund jede/r zehnte

WählerIn (13 %) eine positive Entwicklung,

die übrigen Befragten (19 %) se hen keine

Veränderung. Den Eindruck, daß Österreich

sich negativ entwickelt hat haben insbesondere

Frauen, ArbeiterInnen und Menschen,

deren Einkommen kaum zum Le ben ausreicht.

Alexander Van der Bellen konnte unabhängig

von der Stimmung in allen Lagern

gut mobilisieren, jedoch wählten Personen,

die positive oder keine Veränderungen feststellen

konnten, überdurchschnittlich oft den

Amtsinhaber.

Walter Rosenkranz erzielte unter jenen,

die negativ auf Österreichs Entwicklung

blicken, mit 24 % sein bestes Ergebnis.

PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/

Emotionen zur Politik in Österreich

zwischen Ärger und Enttäuschung

Die Gefühle gegenüber der Politik in

Österreich sind mehrheitlich negativ und ge -

spalten zwischen Ärger und Enttäuschung:

42 % sind von der politischen Lage enttäuscht,

40 % verärgert. Zufrieden ist weniger

als ein Fünftel (15 %). Die Emotionen

haben sich im Vergleich zum ersten Wahldurchgang

bei der Bundespräsidentschaftswahl

verstärkt, dennoch war 2016 bereits die

Stimmung von Enttäuschung (40 %) und Är -

ger (36 %) geprägt.

Dabei hat Walter Rosenkranz unter den

Verärgerten mit 29 % besonders gut abgeschnitten,

während Alexander Van der Bellen

unter den Zufriedenen das beste Ergebnis

mit 82 % erzielt. Aber auch Enttäuschte

wählten mehrheitlich (57 %) den Amtsinhaber.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Innenpolitik

100

Endgültiges Endergebnis (inkl. Wahlkartenergebnisse)

Grafik: Bundesministerium für Inneres

Zahl der ausgestellten Wahlkarten

Aktive Einmischung von

Mehrheit gewünscht

Dabei ist auch die Rolle des Bundespräsidenten

für rund zwei Drittel klar: Er soll sich

aktiv in die Innenpolitik einmischen, finden

59 %. 36 % wünschen sich einen Bundespräsidenten,

der ausschließlich eine repräsentative

Funktion erfüllt. Bereits 2016 wünschte

sich mit 56 % die Mehrheit der Menschen in

Österreich, daß sich der Bundespräsident

auch in die aktuelle Politik einbringt.

Insbesondere junge Menschen unter 30

Jah ren, Menschen ohne Matura und Menschen,

der Einkommen nicht ausreicht,

erwarten sich mehr Einmischung des Staatsoberhauptes.

Diese aktive Einmischung bedeutet aber

nicht unmittelbar, daß sich der Bundespräsident

über die Mehrheiten im Parlament hinwegsetzen

soll: Eine Mehrheit von 56 %

(Stichwahl 2016: 56 %) erwartet, daß sich

das Staatsoberhaupt unter die parlamentarische

Mehrheit unterordnet.

Konkret wünschen sich 39 % der Wahlberechtigten

Österreich – davon 24 % sehr,

15 % ziemlich – daß der Bundespräsident die

Bundesregierung entlassen soll. 52 % sind

dagegen.

Unter jenen, die sich eher einen aktiven

Bundespräsidenten wünschen, erzielte Walter

Rosenkranz mit 24 % ein besseres Ergebnis

als unter jenen, die diese Ausgestaltung

des Amtes eher ablehnen.

Daß der Bundespräsident die Regierung

entlassen sollte, sehen mit 73 % vor allem

die WählerInnen von Walter Ro senkranz so.

PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Innenpolitik

101

Mehrheit akzeptiert das Wahlergebnis

unabhängig vom

Ausgang, ein Fünftel nicht

Die Akzeptanz des Wahlergebnisses der

Bundespräsidentschaftswahl hängt für rund

drei Viertel der Menschen nicht vom Sieg

ihres Kandidaten ab: 71 % sagen, daß sie das

Ergebnis unabhängig vom Ausgang akzeptieren

werden, rund ein Fünftel (21 %) verneint

dies. Bei der Wiederholung der Stichwahl

2016 waren es noch 80 %, die das Wahl -

ergebnis unabhängig vom Ausgang akzeptieren

wollten.

Auch hier stechen die WählerInnen von

Walter Rosenkranz hervor, von denen 38 %

sagen, daß sie das Wahlergebnis nicht bedingungslos

akzeptieren werden.

Van der Bellen: ist erfahren,

hat gute Arbeit geleistet und

kann repräsentieren

WählerInnen von Alexander Van der Bellen

stimmten für ihn vor allem aufgrund seiner

Erfahrung (74 %), der positiven Einschät -

zung seiner bisherigen Arbeit (63 %), aus

Sympathie-Gründen (60 %) und der Meinung,

daß er Österreich im Ausland am be -

sten vertreten kann (60 %).

Ein sehr wichtiges Wahlmotiv für die Wäh -

lerInnen von Walter Rosenkranz war, daß er

ein Gegenpol zum politischen System bilde

(69 %), sein Verständnis für die Sorgen der

Menschen (62 % „trifft sehr zu“) und sympa -

thisch ist (60 %). Dahinter folgt die An sicht,

daß er wichtige Veränderungen im Land an -

stoßen kann (57 %).

Wer hat wen gewählt?

Die Wahltagsbefragung zeigt die Unterschiede

im Wahlverhalten unterschiedlicher

soziodemographischer Gruppen.

Kein Gender Gap, Van der Bellen

bei Ältesten am stärksten

Während es 2016 einen großen Gen der

Gap zwischen den Kandidaten Nobert Ho fer

und Alexander Van der Bellen gab, sind

2022 keine Unterschiede im Wahlverhalten

zwischen den Geschlechtern feststellbar.

Van der Bellen konnte die Bevölkerung

ab 60 besonders gut ansprechen, er lag hier

bei 73 %. Walter Rosenkranz wurde hingegen

von allen Altersgruppen ähnlich stark

unterstützt.

Trotz großer Schwankungsbreite und ge -

ringer Fallzahl sticht hervor, daß Dominik

Wlazny bei jungen WählerInnen unter 30 mit

20 % ein besonders gutes Ergebnis erzielt

hat und den zweiten Platz erreicht hätte.

Foto: ORF / Thomas Ramstorfer

Alle Kandidaten auf einen Blick (v.l.): Michael Brunner, Heinrich Staudinger, Gerald Grosz,

Dominik Wlazny, Tassilo Wallentin, Walter Rosenkranz und Alexander Van der Bellen

PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/

Van der Bellen erreicht 62 %

bei Erwerbstätigen mit Matura

Die Unterscheidung nach Erwerbsstatus

und formaler Bildung zeigt: Alexander Van

der Bellen schneidet unter den Erwerbstätigen

mit Matura deutlich besser ab als unter

jenen ohne (62 % bzw. 40 %). Im Detail

konnte Van der Bellen vor allem die Stimmen

der Personen mit Universitätsabschluß

gewinnen, hier erzielte er 69 %. Unter PensionistInnen

war bei dieser Wahl Alexander

Van der Bellen der klare Gewinner, er kam

auf 72 % der Stimmen. Walter Rosenkranz

erreicht hier nur 15 %.

Wahlverhalten nach Einkommen

mit dem Auskommen

Neben jenen, die mit der Entwicklung

Österreichs überdurchschnittlich zufrieden

waren (siehe oben), konnte Alexander Van


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Innenpolitik

102

der Bellen insbesondere jene mobilisieren,

die gut von ihrem Einkommen leben können:

von ihnen wählten 62 % den Amtsinhaber.

Er erzielt mit 39 % zwar auch in der

Grup pe derer den ersten Platz, die wenig

oder gar nicht mit ihrem Einkommen auskommen,

jedoch ein weitaus niedrigeres Er -

gebnis. Walter Rosenkranz erzielt in dieser

Gruppe 24 %.

Die Wählerströme ausgehend von

der wiederholten Stichwahl 2016

Die größten Trends

m Alexander Van der Bellen konnte 76 %

(1.879.000 Stimmen) von der wiederholten

Stichwahl wieder von sich überzeugen.

Außerdem wanderten 19 % (412.000

Stimmen) der WählerInnen von Norbert

Hofer zum Amtsinhaber. 8.000 Personen,

die 2016 nicht gewählt hatten, gaben

2022 Van der Bellen ihre Stimme.

m Walter Rosenkranz konnte 30 %

(644.000) der WählerInnen von Norbert

Hofer von sich überzeugen, umgekehrt

entschieden sich 48.000 Personen, die

2016 noch Van der Bellen ihre Stimme

gaben, diesmal für den FPÖ-Kanidaten.

Er gewann zu dem 26.000 ehemalige

NichtwählerInnen.

m Dominik Wlazny gewann 6 % der Hofer-

WählerInnen (125.000) und 8 % der Van

der Bellen-WählerInnen (198.000 Stimmen)

für sich. Er konnte zudem 14.000

NichtwählerInnen von sich überzeugen –

auch in dieser Hinsicht belegt Wlazny

den dritten Platz, mehr NichtwählerInnen

konnten nur Grosz und Rosenkranz von

sich überzeugen.

m Tassilo Wallentin hat 217.000 ehemalige

Hofer-WählerInnen (10 %) von sich über -

zeugen können. 108.000 WählerInnen bzw.

4 %, die bei der wiederholten Stichwahl

2016 Van der Bellen ihre Stimme gaben,

wählten diesmal Wallentin. Er konnte im

Vergleich zu den anderen Kandidaten die

wenigsten ehemaligen NichtwählerInnen

(2.000) von sich überzeugen.

m Gerald Grosz mobilisierte 186.000 ehema -

lige Hofer-WählerInnen (9 %) und 23.000

von Van der Bellen (1 %). Mit 17.000

ehemaligen NichtwählerInnen, die Grosz

bei dieser Wahl ihre Stimme gaben, hat

nur Walter Rosenkranz mehr Stimmen von

NichtwählerInnen mobilisieren können.

m Michael Brunner überzeugte 2 % der Wäh -

lerInnen (39.000 Stimmen) von Norbert

Hofer und 2 % (bzw. 38.000 Stimmen)

von Van der Bellen von sich.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Innenpolitik

103

m Heinrich Staudinger gewann 17.000 Wäh -

lerInnen (1 %) von Hofer und 44.000

Stimmen (2 %) von Personen, die 2016

Van der Bellen wählten.

Wählerströme ausgehend

von der Nationalratswahl 2019

Die größten Trends

m Alexander Van der Bellen hat mit mehr

als der Hälfte (55 %) ehemaligen ÖVP-

WählerInnen die meisten seiner Stimmen

(989.000) von der ÖVP gewonnen.

459.000 Personen bzw. 69 % jener, die

2019 den Grünen ihre Stimme gaben, ha -

ben diesmal Van der Bellen ihre Stimme

gegeben. 6 von 10 Menschen, die 2019

noch der SPÖ ihre Stimme gaben, wählten

bei dieser Wahl den Amtsinhaber, was

622.000 Stimmen ausmacht. Auch von

NEOS-WählerInnen verzeichnet Van der

Bellen 159.000 Stimmen. Weiters konnte

er 27.000 Menschen, die bei der Nationalratswahl

2019 nicht wählen waren,

mo bilisieren.

m Walter Rosenkranz hat weniger als die

Hälfte (43 %) der ehemaligen FPÖ-WählerInnen

(332.000 Stimmen) mobilisiert.

Zudem konnte er 13 % (229.000 Stimmen)

von der ÖVP sowie 73.000 ehemalige

SPÖ-WählerInnen von sich überzeugen.

m Dominik Wlazny mobilisiert aus allen

politischen Richtungen, vor allem von je -

nen, die 2019 NEOS (85.000 Stimmen)

oder die Grünen (100.000) gewählt ha -

ben. 44.000 Stimmen kommen von der

SPÖ, von den Freiheitlichen 43.000 und

weitere 34.000 von der ÖVP.

m Tassilo Wallentin konnte 232.000 ÖVP-

WählerInnen von 2019 von sich überzeugen.

Ein kleinerer Teil (37.000 bzw.

25.000 Stimmen) stammen von SPÖ und

FPÖ.

m Gerald Grosz mobilisierte 97.000 Stimmen

von WählerInnen, die 2019 der FPÖ

ihre Stimme gaben, dazu kleine Anteile

von ÖVP und SPÖ (47.000 bzw. 37.000

Stimmen).

m Michael Brunner erhielt 27.000 Stimmen

von der ÖVP, gefolgt von 16.000 von der

SPÖ und 13.000 von den Sonstigen der

Nationalratswahl 2019.

m Heinrich Staudinger konnte mit 28.000

Stimmen vor allem ÖVP-WählerInnen

von 2019 von sich überzeugen. Weitere

14.000 Stimmen stammen von der Liste

Jetzt.

n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Innenpolitik

Proben für den Echtbetrieb

Vorbereitungen im sanierten Parlamentsgebäude

vor der Wiedereröffnung Mitte Jänner

104

Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser

Ein Blick in den neu gestalteten Sitzungssaal des Nationalrats mit StatistInnen während der Probestellung

Proben für den Echtbetrieb hieß es am 23.

November im Parlamentsgebäude an der

Wiener Ringstraße. Vor der Wiedereröffnung

des Hauses Mitte Jänner und der ersten Na -

tionalratssitzung am 31. Jänner 2023 gilt es,

den parlamentarischen Betrieb bis ins letzte

Detail vorzubereiten. Probesitzungen von

Na tionalrat und Ausschüssen sowie Proben

weiterer Abläufe dienten dazu.

Rund 560 StatistInnen waren insgesamt

im Einsatz. In der Probesitzung des National -

rats mimten sie etwa Abgeordnete und spielten

den Sitzungsablauf vom Einmelden der

RednerInnen bis zur letzten Abstimmung im

Detail durch. Parlamentsvizedirektorin Su -

sanne Janistyn-Novák, die in die Rolle der

Nationalratspräsidentin schlüpfte, zeigte sich

mit dem Ablauf zufrieden. „Das neue, alte

Gebäude fühlt sich dank der perfekten Vorbereitung

aller beteiligten KollegInnen sehr

vertraut an“, sagte sie.

Insgesamt dienen vier Termine im No -

vember und Dezember dazu, unterschiedliche

Abläufe und Szenarien zeitgleich zu proben.

Denn auch im realen Betrieb werden

Sit zungen, Führungen, Workshops, Besuche

und Veranstaltungen teilweise parallel stattfinden.

Anfang November wurde bereits eine

Plenarsitzung des Bundesrats simuliert.

Die Probesitzungen sind Teil eines komplexen

Prozesses der Inbetriebnahme, der nö -

tig ist, bevor der parlamentarische Betrieb in

einem so großen, umfassend sanierten Ge -

bäude starten kann. Die Parlamentsdirektion

hat dafür einen Prozeß mit 47 Einzelprojekten

aufgesetzt, die einem engen Monitoring

unterzogen werden. So soll sichergestellt wer -

den, daß das Haus koordiniert „hochgefahren“

und für den parlamentarischen Betrieb

sowie für BesucherInnen vorbereitet wird.

Ein wichtiges Arbeitsfeld in diesem Prozeß

bleibt auch weiterhin die Arbeitssituation für

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Medien im Hohen Haus. Mit Blick auf die

tragende Rolle der Medien in der Demokratie

soll die Zugänglichkeit für Medien jedenfalls

gewahrt bleiben. An der Probe sitzung

haben daher auch Mitglieder der Vereinigung

der ParlamentsredakteurInnen teilgenommen.

Weitere Arbeitspakete reichen von der

Mö blierung, der Ausstattung mit Medientechnik,

der IT im gesamten Haus bis zur

Organisation von Sicherheits- und Logistikabläufen.

Die neuen Bereiche für Be su -

cherInnen, wie das BesucherInnenzentrum,

die Bibliothek und die Gastronomie müssen

ebenfalls eingerichtet und in Betrieb genommen

werden. Auch Veranstaltungen, Führungen

und internationale Besuche werden ge -

probt. Wesentlicher Teil der Inbetriebnahme

ist auch die Rückübersiedlung von Parlamen -

tarierInnen und Organisationseinheiten der

Parlamentsdirektion.

n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

IHS: Herbst-Prognose der

österr. Wirtschaft 2022–2023

105

Der durch den Krieg gegen die Ukraine

verstärkte drastische Anstieg der Inflation

und die hohe Unsicherheit bremsen die

Expansion der Weltwirtschaft. Die österreichische

Volkswirtschaft dürfte aufgrund des

äußerst kräftigen Wachstums in der ersten

Jahreshälfte im laufenden Jahr trotzdem um

4,7 % zulegen. Für das kommende Jahr wird

nur noch ein Wachstum von 0,3 % erwartet.

Getrieben von den hohen Energiepreisen und

in Einklang mit der internationalen Entwick -

lung dürfte die heimische Inflationsrate heu -

er im Jahresdurchschnitt 8,5 % betragen und

mit 6,8 % auch im nächsten Jahr sehr hoch

bleiben. Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich

von 6,4 % heuer auf 6,7 % im kommenden

Jahr ansteigen. Die Fiskalpolitik ist

weiterhin expansiv, zusätzliche Belastungen

des Budgets sollten aus Sicht des Instituts

aber vermieden werden.

Stagflation durch Verwerfungen auf den Energiemärkten

Aufgrund der kräftigen Wachstumsdynamik

im ersten Halbjahr hebt das Institut dennoch

seine Wachstumsprognose für den Jahresdurchschnitt

2022 auf 4,7 % an. Mit der

Konjunkturschwäche im Euroraum und der

hartnäckig hohen Inflation haben sich die

Aussichten für das kommende Jahr deutlich

verschlechtert. Das Institut nimmt daher

seine Wachstumsprognose für 2023 auf 0,3 %

zurück. Die Prognose ist weiterhin mit hoher

Unsicherheit behaftet. Das Institut unterstellt,

daß die Gasversorgung aufrecht erhalten

werden kann. Die Annahme über die wei -

tere Entwicklung der Rohstoffpreise orien-

Tabelle 1: Wichtige Prognoseergebnisse

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent

Quartalsdaten 1. und 2. Halbjahr

Laut den Quartalsdaten der VGR (Volks -

wirtschaft lichen Gesamtrechnungen) verzeichnete

die österreichische Wirtschaft im

ersten Halbjahr ein kräftiges Wachstum. Ge -

genüber dem jeweiligen Vorquartal betrug

das Wachstum 1,3 % bzw. 1,9 %. Die Ex -

portwirtschaft profitierte von den internationalen

Aufholeffekten im Verarbeitenden Ge -

werbe nach der Coronakrise und dem schwachen

Euro. Durch den Wegfall der coronabedingten

Einschränkungen legte auch der private

Konsum im Jahresvergleich kräftig zu.

Hingegen sinken die Investitionen bereits

seit Jahresbeginn.

Für das zweite Halbjahr haben sich die

Rahmenbedingungen deutlich verschlechtert.

Mit dem Krieg gegen die Ukraine sind die

bereits hohen Energiepreise nochmals kräftig

gestiegen. Ausgehend von 5,0 % im Jänner

kletterte die Inflationsrate bis zum September

auf voraussichtlich 10,5 %. In Einklang

mit der konjunkturellen Abkühlung

der Weltwirtschaft sind auch in Österreich

die Frühindikatoren abwärts gerichtet. Das

In stitut geht von einer leichten Schrumpfung

der Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr

aus. Erst im Frühjahr 2023 dürfte die heimische

Wirtschaft wieder etwas expandieren.

i absolute Werte

Quellen: Statistik Austria, Refinitiv Datastream, ab 2022 Prognose des IHS

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

106

tiert sich an den Notierungen der Terminmärkte.

Wachstum ist im Frühjahr dieses

Jahres zum Stillstand gekommen

Nach dem kräftigen Aufholprozeß der

Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte

2021 ist das Wachstum im Frühjahr dieses

Jahres zum Stillstand gekommen. Der An -

griff Rußlands auf die Ukraine und die strikte

Null-Covid-Politik in China haben den kräftigen

Preisauftrieb nochmals verstärkt und die

Lieferkettenprobleme wieder verschärft. Der

Rückgang der Reallöhne dämpft den privaten

Konsum. Die Geldpolitik wird deutlich

ge strafft, die Zinsanhebungen sind aber an -

gesichts der hohen Inflationsraten bisher mo -

derat. Die konjunkturelle Grundtendenz in

den OECD-Ländern ist sehr schwach. In den

USA und in China ging das BIP im zweiten

Quartal zurück. Im Euroraum übertrafen die

von den Lockerungen der Corona-Pandemie

ausgehenden Impulse die bremsenden Faktoren,

sodaß die Wirtschaftsleistung in den

ersten beiden Quartalen um 0,7 % bzw. 0,8 %

gegenüber dem Vorquartal zugelegt hat. Die

Aussichten für den weiteren Prognosezeitraum

haben sich seit der Sommer-Prognose

eingetrübt. Die stark steigenden Energiepreise

und die hohe Unsicherheit über die weitere

wirtschaftliche Entwicklung belasten Haushalte

und Unternehmen insbesondere in Eu -

ropa. Die Wachstumsprognose für China wird

für das laufende Jahr auf 3,0 % zurückgenommen,

für das kommende Jahr werden

4,5 % erwartet. Die hartnäckige Inflation und

die Straffung der Geldpolitik implizieren eine

Rücknahme der Wachstumsaussichten für

die USA auf 1,6 % bzw. 0,7 %. Nach der

vom kräftigen ersten Halbjahr getragenen

Ex pansion der Wirtschaft im Euroraum von

3,1 % im laufenden Jahr ist für das kommende

Jahr nur noch ein Wachstum von 0,3 % zu

erwarten. Die Weltwirtschaft dürfte um 3,0 %

bzw. 2,1 % zulegen.

Konsum in Österreich mit einer

Zunahme um 4,7 % Wachstumstreiber

Im laufenden Jahr sollte der reale private

Konsum in Österreich mit einer Zunahme

um 4,7 % ein Wachstumstreiber bleiben. Die -

ses Aggregat profitiert besonders stark von

der Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen.

Das gilt insbesondere für den Bereich

Gastronomie und Beherbergung. Laut den

Quartals-Daten der VGR hat der private Kon -

sum im ersten Halbjahr kräftig expandiert.

Immer stärker bremsend wirkt allerdings der

Kaufkraftentzug durch den Anstieg der In -

flation. Die hohen staatlichen Transfers und

die Senkung der Sparquote sollten es den

Haushalten aber ermöglichen, ihr reales Kon -

sumniveau im restlichen Prognosezeit raum

aufrecht zu erhalten. Für den Jahresdurchschnitt

2023 wird nur eine marginale Ausweitung

des privaten Konsums um 0,3 % er -

wartet.

Im Vorjahr wurden die Anlageinvestitionen

kräftig ausgeweitet. Seit Jahresbeginn

hat sich das Investitionsklima aber deutlich

abgekühlt. Die ungünstigen internationalen

Wirtschaftsaussichten, die hohe Unsicherheit

im Zusammenhang mit der weiteren Entwick -

lung des Kriegs gegen die Ukraine sowie

insbesondere der kräftige Anstieg der Energiepreise

sind wesentliche Bremsfaktoren.

Vor diesem Hintergrund muß die Investitionsprognose

neuerlich zurückgenommen

werden. Im laufenden Jahr sollten die Anlag-

Tabelle 2: Internationale Rahmenbedingungen

Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent

i aiMOEL-5: Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Slowenien

ii NMS-6: Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Kroatien

iii absolute Werte

Quellen: Eurostat, IWF, OECD, CPB, nationale statistische Ämter, Refinitiv Datastream, ab 2022 Prognose des IHS

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

107

einvestitionen um 2,3 % sinken. Für die Ausrüstungsinvestitionen

wird ein kräftiger Rück -

gang um 3,5 % erwartet, für die Bauten ein

Minus von 1,0 %. Nach dem Einbruch im

laufenden Jahr könnten die Anlageinvestitionen

im kommenden Jahr wieder etwas ex -

pandieren. Eine Zunahme der Investitionen

in Ausrüstungen von 2,0 % und von 1,0 %

bei den Bauten ergibt einen Anstieg der

Anlageinvestitionen von 1,5 %.

Ungünstige internationale Rahmenbedingungen

werden die Exporttätigkeit

merklich einbremsen

Im Vorjahr profitierte die österreichische

Exportwirtschaft von der kräftigen Erholung

der Weltwirtschaft und des Welthandels.

Laut den Quartals-Daten der VGR hat sich

die positive Dynamik der realen Güterexporte

im ersten Halbjahr 2022 fortgesetzt. Die

österreichische Exportwirtschaft dürfte

dabei noch vom internationalen Aufholprozeß

nach der Corona-Krise und dem schwachen

Euro profitiert haben. Im weiteren Prognosezeitraum

sollten die ungünstigen internationalen

Rahmenbedingungen die Exporttätigkeit

aber merklich einbremsen. Somit

werden die Warenexporte im laufenden Jahr

um voraussichtlich 8,0 % expandieren. Für

nächstes Jahr wird nur noch eine Zunahme

um 1,0 % erwartet. Der Wegfall der coronabedingten

Einschränkungen ermöglicht ei nen

kräftigen Aufholprozeß der Reiseverkehrsexporte.

Die Gesamtexporte laut VGR sollten

im laufenden Jahr um 10,9 % zulegen. Für

nächstes Jahr wird nur noch ein Zuwachs

von 1,9 % erwartet. Laut Prognose steigen

die Gesamtimporte laut VGR um 6,9 % bzw.

1,6 %. Die Außenwirtschaft liefert im laufenden

Jahr einen positiven Wachstumsbeitrag.

Bei der Interpretation der Außenwirtschaft

ist aber der heimische Einkommensverlust

zu bedenken, der sich aufgrund der

durch den Anstieg der internationalen Energiepreise

verursachte Verschlechterung der

Terms of Trade ergibt.

Auch die Kerninflation

ist merklich gestiegen

In Einklang mit der europäischen Entwicklung

hat sich die Inflation im Jahresverlauf

weiter erhöht. Für den September schätzt

Statistik Austria einen Wert von 10,5 %. Ge -

trieben wird die Inflation weiterhin vom

starken Anstieg der Energiepreise. Die kräftigen

Steigerungen der Großhandelspreise

von Strom und Gas kommen nun zunehmend

bei den VerbraucherInnen an. Kräftig

zugelegt haben auch die Lebensmittelpreise.

Aber auch die Kerninflation (ohne Energie

und Nahrungsmittel) ist merklich gestiegen.

Für die nächsten Monate ist noch nicht mit

einer Entspannung zu rechnen. Folglich muß

die Inflationsprognose für den Jahresdurchschnitt

2022 auf 8,5 % angehoben werden.

Für den Jahresdurchschnitt 2023 wird eine

Teuerungsrate von 6,8 % erwartet. Der Beitrag

der Energiepreise (Gas, Strom) zur In -

flation wird auch im kommenden Jahr hoch

bleiben, Zweitrundeneffekte und steigende

Lohnstückkosten sind weitere inflationstreibende

Faktoren. Hingegen sollte sich die glo -

bale Lieferkettenproblematik etwas entspannen,

und von den internationalen Rohstoffpreisen

dürften keine preistreibenden Impulse

mehr ausgehen.

Leichter Anstieg der

Arbeitslosenzahlen

Die Lage am Arbeitsmarkt ist günstig,

aller dings ist keine weitere Verbesserung zu

erwarten. In saisonbereinigter Betrachtung

nahm die Arbeitslosenzahl in den letzten

Monaten marginal zu und die Beschäftigung

stagnierte auf hohem Niveau. Für den Jahresdurchschnitt

2022 erwartet das Institut

einen Beschäftigungsanstieg um 2,8 % und

eine Arbeitslosenquote von 6,4 %. Aufgrund

der konjunkturellen Eintrübung dürfte die

Beschäftigung nächstes Jahr nur noch um

0,4 % zulegen und die Arbeitslosenquote auf

6,7 % ansteigen.

großer Unsicherheit bei

Budgetentwick lung des

öffentlichen Haushalts 2023

Die Lage der öffentlichen Haushalte wird

von der Konjunktur und den Maßnahmen

zur Abfederung der Inflationsfolgen geprägt.

Aufgrund der expansiven Fiskalpolitik geht

das Defizit trotz des allmählichen Wegfalls

der staatlichen Corona-Hilfsmaßnahmen vor -

aussichtlich nur auf 3,3 % des BIP zurück.

Hinsichtlich der Budgetentwicklung im kom -

menden Jahr bestehen noch große Unsicherheiten,

gegenwärtig geht das Institut von

einer Defizitquote von 2,7 % aus. Die hohe

Inflation führt zwar zu partiell höheren Einnahmen

(etwa bei der Umsatzsteuer), allerdings

steigen auch die staatlichen Ausgaben,

etwa für Lohnzahlungen oder für die Valorisierung

der Sozialausgaben. Das Institut

sieht allfällige weitere Budgetbelastungen

sehr kritisch. Ein nachhaltiger Budgetkurs ist

notwendig, um Spielräume für die Finanzierung

der künftigen Ausgaben für den demografischen

Wandel und die Erreichung der

Klimaziele zu schaffen.

Abwärtsrisiken für die Weltkonjunktur

Die Prognose ist weiterhin mit beträchtlichen

Abwärtsrisiken für die Weltkonjunktur

behaftet. Ein längerfristiger Ausfall von

Gaslieferungen würde wohl Rationierungen

erforderlich machen und würde einige europäischen

Länder in eine schwere Rezession

schicken. Weiters würden wohl auch die Ener -

giepreise noch weiter steigen, was die Inflation

antreiben würde. Von einer raschen und

nachhaltigen Entspannung der Situation an

den Energiemärkten würden hingegen Wachs -

tumsimpulse ausgehen. Eine hartnäckiger als

erwartete Inflation würde wohl eine noch

stärkere Straffung der Geldpolitik erfordern,

was die Situation am Immobilienmarkt verschärfen

könnte. Weitere Risiken bestehen

bezüglich der Konjunkturentwicklung in

China und möglichen Beeinträchtigungen im

Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Auch für die heimische Wirtschaft bestehen

insbesondere für das kommende Jahr be -

trächtliche Abwärtsrisiken. Eine Verringerung

des Gasangebots, welche in einer Verdopplung

des Gaspreises resultiert, könnte die

Wirtschaftsleistung um 2 % verringern. Der

Prognose liegt die Erwartung zugrunde, daß

die privaten Haushalte auf die inflationsbedingten

Einkommensverluste mit einer Senkung

der Sparquote reagieren. Die hohe Un -

sicherheit über die weitere Entwicklung der

Energiepreise könnte aber eine Konsumzurückhaltung

auslösen. Die ungünstigen internationalen

Wirtschaftsaussichten und der

star ke Anstieg der Energiekosten könnten die

Investitionsneigung der Unternehmen stärker

bremsen als erwartet. Neuerliche Corona-

Schutzmaßnahmen würden insbesondere den

Tourismus belasten.

n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

Hohe Inflation und

schwache Konjunktur

108

UniCredit Bank Austria Konjunktureinschätzung 2023/24: Gegenwind durch geldpolitische

Straffung, hohe Inflation und anhaltende geopolitische Spannungen bremsen die globale

Wirtschaft 2023 stark ein und lassen nur zaghafte Erholung 2024 zu – Ungewöhnlich

hohe Konjunkturrisiken durch geopolitische Unsicherheiten , (Energie)- Rohstoffpreistrends

sowie Risiken für die Finanzstabilität durch Überschießen der Geldpolitik

Die Weltwirtschaft sieht sich mit zunehmendem

Gegenwind konfrontiert“,

meint UniCredit Bank Austria Chefökonom

Stefan Bruckbauer einleitend zum aktuellen

Konjunkturüberblick der UniCredit Bank

Austria. „Die synchron laufende, stärkste

und schnellste Straffung der Geldpolitik seit

Jahr zehnten wird die Auswirkungen der ho -

hen In flation und der schweren Irritationen

bei den internationalen Tauschverhältnissen

in vie len Ländern (so genannte Terms-of-

Trade-Schocks) verstärken. Die anhaltenden

geopolitische Spannungen werden weiter für

Verunsicherung sorgen. Wir gehen davon

aus, daß das globale BIP im Jahr 2023 nur um

1,9 Prozent steigen wird, was de facto einer

Rezession gleichkommt. In den großen entwickelten

Wirtschaftsräumen USA und der

Eurozone ist im kommenden Jahr mit einer

Stagnation zu rechnen.“

Die Wirtschaftsentwicklung wird in der

Eurozone zum Jahreswechsel 2022/23 und

in den USA im Verlauf des ersten Halbjahres

2023 voraussichtlich von einer technischen

Rezession geprägt sein.

„Trotz der Abschwächung der globalen

Konjunktur, der hohen Energiekosten für die

Unternehmen und dem Kaufkraftverlust

durch sinkende Reallöhne erwarten wir eine

nur milde Rezession. Die unterstützende

Fiskalpolitik, die günstige Liquiditätslage im

Unternehmenssektor und die hohen Ersparnisse

der Haushalte sowie die weitere Entspannung

der Lieferkettenproble me und stabile

Arbeitsmärkte sollten einen tiefen Einbruch

verhindern“, meint Bruck bauer und

ergänzt: „Noch in der ersten Jahreshälfte

2023 wird die Wirtschaft zu einer Erholung

ansetzen. Aufgrund der verzögerten Wirkung

der Geldpolitik erwarten wir sowohl in

den USA als auch in der Eurozone mit einem

Wirtschaftswachstum um 0,9 bzw. 1,0 Prozent

für 2024 nur ein unterdurchschnittliches

Aufschwungstempo, trotzdem scheint der

derzeitige Pessimismus etwas zu stark zu

sein.“

Wende in der Geldpolitik 2024 nach

Verschärfung bis ins Frühjahr 2023

Die Inflation in den USA ist hauptsächlich

nachfragegetrieben, ausgelöst durch eine

zu lockere Finanz- und Geldpolitik während

der Pandemie. Die Inflation in der Eurozone

ist dagegen überwiegend kostengetrieben, als

Folge hoher Preise für Energieimporte. Die

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ungleiche Quelle des Inflationsschocks ist für

das unterschiedliche Ausmaß der Verschärfung

der Geldpolitik in den beiden Wirtschaftsräumen

verantwortlich.

„Die Zentralbanken werden die Zügel der

Geldpolitik weiter anziehen und dabei nach

unserer Ansicht etwas übers Ziel hinausschießen,

um im Kampf gegen die Inflation

auf Nummer sicher zu gehen. Wir gehen

davon aus, daß die Leitzinsen in den USA

bei 5 Prozent und der Refinanzierungssatz in

der Eurozone bei 3,25 Prozent (Einlagensatz:

2,75 Prozent) im Frühjahr 2023 ihren

Höhepunkt erreichen werden. Die quantitative

Straffung der EZB wird zudem bald darauf

folgend eine Verringerung des Wertpapierbestands

aus den Ankaufprogrammen um

etwa 15 Milliarden Euro pro Monat beinhalten“,

erwartet Bruckbauer.

Für 2024 gehen die Ökonomen der Uni-

Credit Bank Austria von einem Wendepunkt

in der Geldpolitik aus. Die US-Notenbank

Fed dürfte die Leitzinsen um insgesamt 150

Basispunkte und die EZB um 75 Basispunkte

senken. Mit dem Beginn des Lockerungszyklus

und der Verringerung des Zinsdifferenzials

wird sich die Stärke des US-Dollars

gegenüber dem Euro abbauen. Ende 2024

dürfte der Wechselkurs des US-Dollars wieder

bei 1,10 bis 1,12 für einen Euro stehen.

Inflation sollte bis Mitte 2024 in den

Zielbereich der Notenbanken sinken

Trotz unterschiedlicher Ursachen der In -

flation in den USA und in der Eurozone ist

für die Verlangsamung der Inflation ein einheitliches

Muster zu erwarten. Die Güterprei -

se werden nachfragebedingt zuerst zurück -

gehen, die Dienstleistungspreise werden mit

etwas Verspätung folgen. „Wir gehen davon

aus, daß die Inflation bis Ende 2023 auf etwa

3 Prozent in den USA und 2,5 Prozent in der

Eurozone zurückgehen wird. Mitte 2024

sollte die Teuerung nur noch bei 2 Prozent

liegen und damit in den Zielbereich der

Notenbanken zurückgekehrt sein“, so Bruck -


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

109

bauer. Im Jahresdurchschnitt dürfte sich die

Inflation im Euroraum nach 8,6 Prozent im

Jahr 2022 auf 5,9 Prozent 2023 und auf 2,1

Prozent 2024 abschwächen.

Moderate Erholung nach

Winterrezession in Österreich

Die Konjunktur in Österreich hat sich nach

einem starken ersten Halbjahr 2022 mittlerweile

deutlich verlangsamt. „Angesichts der

Abkühlung der internationalen Konjunktur

sowie der hohen Inflation, die den Konsum

und die Investitionstätigkeit belasten, erwarten

wir für die österreichische Wirtschaft eine

leichte Rezession über den Jahreswechsel

2022/23“, meint UniCredit Bank Austria

Ökonom Walter Pudschedl und ergänzt:

„Mit der Abschwächung der Teuerung sollte

unterstützt von der Entwicklung im Euroraum

ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen.

Aufgrund des schwachen Jahresbeginns

ist für 2023 jedoch nur eine Stagnation mit

einem BIP-Anstieg von 0,3 Prozent zu er -

warten. Das Erholungstempo bleibt niedrig,

gedämpft unter anderem durch die verzögerten

Auswirkungen der Verschärfung der

Finanzierungsbedingungen. Für 2024 gehen

wir von einem Wirtschaftswachstum von nur

1,2 Prozent aus.“

Damit sollte der Anstieg des BIP jedoch

erneut leicht über dem Durchschnitt im

Euroraum zu liegen kommen.

UniCredit Bank Austria Einkaufs-

Manager Index deutet auf Stabilisierung

des Industrieabschwungs hin

Die Konjunkturabschwächung in Österreich

ist zum einen von einem Abwärtstrend

im Dienstleistungssektor gekennzeichnet.

Mit der nachlassenden Teuerung und unterstützt

durch fiskalische Impulse und der gu -

ten Lohnentwicklung wird der Dienstlei -

stungs sektor die Erholung ab dem Frühjahr

in Österreich anführen. Die heimische Industrie

ist bereits in eine Rezession geschlittert

und eine baldige Trendwende ist nicht ab -

sehbar. Der Produktionssektor wird daher vor -

aussichtlich zeitverzögert der vom Dienstleistungssektor

getragenen Erholung der österreichischen

Wirtschaft ab 2023 folgen.

„Der UniCredit Bank Austria Einkaufs-

ManagerIndex hat sich im November bei

46,6 Punkten stabilisiert, liegt damit jedoch

bereits den vierten Monat in Folge unterhalb

der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die

Produktionserwartungen der Unternehmer

ha ben sich im November etwas verbessert,

aber der entsprechende Index signalisiert mit

40,9 Punkten einen anhaltenden Rückgang

der Produktion in der österreichischen Industrie

auf Jahressicht“, meint Pudschedl.

Während der Beschäftigungsaufbau an

Fahrt verliert, ist das Neugeschäft erneut stark

zurückgegangen und die Produktion wurde

verringert, wenn auch mit etwas reduziertem

Tempo.

Die schwache Nachfrage schlägt sich

auch im Anstieg der Lagerbestände, der Verringerung

der Lieferzeiten sowie der deutli -

chen Entspannung der Einkaufspreise ge -

genüber dem Vormonat nieder.

Inflation wird in Österreich

langsamer als im Euroraum sinken

Mit dem Nachfragerückgang wird sich

auch in Österreich ab dem kommenden Jahr

die Inflation abschwächen. „Neben dem

Nachfragerückgang sollten Basiseffekte, die

weitgehende Stabilisierung der Rohstoffpreise

insbesondere für Energie und die weitere

Entspannung der Materialengpässe eine

Verlangsamung der Inflation von durchschnittlich

8,5 Prozent 2022 auf 6,5 Prozent

im Jahr 2023 und 3,0 Prozent 2024 unterstützen.

Damit wird die Teuerung in Österreich

jedoch langsamer als im Euroraum sinken, da

mit mehr Zweitrundeneffekten durch eine hö -

here Lohndynamik und stärkeren fiskalischen

Impulsen zu rechnen ist“, so Pudschedl.

Enger Arbeitsmarkt sorgt

für Herausforderungen

Trotz der schwachen Konjunkturentwicklung

wird sich der Arbeitsmarkt in Österreich

voraussichtlich als recht widerstandsfähig er -

weisen. „Wir erwarten nach dem Rückgang

der Arbeitslosenquote 2022 auf durchschnittlich

6,4 Prozent eine Stabilisierung

bei 6,4 Prozent für 2023 sowie einen leichten

Rückgang auf 6,3 Prozent für 2024“, meint

Pudschedl. Der Grund für den Optimismus

liegt in der derzeitigen Enge am heimischen

Arbeitsmarkt. Die Vakanzquote, also die An -

zahl der gemeldeten offenen Stellen im Verhältnis

zur Beschäftigung ist auf einen Re -

kordwert von 3 Prozent gestiegen.

„Der österreichische Arbeitsmarkt ist

durch das strukturelle Problem eines Mangels

an Arbeitskräften gekennzeichnet. Ursachen

sind unter anderem eine zu geringe

Frauenbeschäftigungsquote und der Rükkgang

der durchschnittlichen Arbeitszeit.

Eine Anhebung der Beschäftigungsquote in

Österreich auf deutsches Niveau oder ein An -

stieg der Arbeitszeit pro Beschäftigten um

eine Wochenstunde von derzeit durchschnittlich

27 würden jeweils rein rechnerisch die

derzeitige Anzahl an offenen Stellen von

rund 120.000 vollständig abdecken“, so Pudschedl.

Hohe Risiken, aber auch Chancen

abhängig von geopolitischen

Entwicklungen

Der Konjunkturausblick der Ökonomen

der UniCredit Bank Austria für die nächsten

zwei Jahre ist durch ungewöhnlich hohe Ri -

siken gekennzeichnet. Entscheidend sind vor

allem die geopolitischen Unsicherheiten.

„Die Wachstumserwartungen sind stark von

den geopolitischen Entwicklungen vor allem

des Konflikts in der Ukraine und dessen Folgen

für Energie- und sonstige Rohstoffpreise

abhängig. Diese könnten sich einerseits zwar

rascher auflösen als erwartet, andererseits

jedoch auch noch deutlich eskalieren. Damit

würde neben der Erholung auch die erwartete

Beruhigung der Inflation aufgehalten“,

meint Bruckbauer und ergänzt: „In diesem

Fall wäre ein weiterer Anstieg der Rohstoffpreise

und eine Unterbrechungen im Handel

und in den Lieferketten zu erwarten. Die

Aufgabe der Notenbanken würde dann noch

schwieriger werden.“

Außer Acht gelassen werden darf nach

Einschätzung der Ökonomen der UniCredit

Bank Austria auch nicht, daß die höheren

Zinsen und die verschärften finanziellen Be -

dingungen einer überschießenden Geldpolitik

der Zentralbanken die Risiken für die Fi -

nanzmarktstabilität erhöht haben. „Trotz der

Herausforderungen für die Finanzmarktstabilität

durch die überschießende Geldpolitik

ist eine Systemkrise jedoch nicht zu erwarten,

denn die Bilanzen der privaten Haushalte

und Unternehmen sind im Allgemeinen in

guter Verfassung und der globale Bankensektor

ist gut kapitalisiert“, meint Stefan

Bruckbauer abschließend.

n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

Konjunkturausblicke bleiben

mehrheitlich skeptisch

Die Ergebnisse des WIFO-Konjunkturtests

zeigen im November eine leichte

Verbesserung der Konjunkturbeurteilungen.

Der WIFO-Konjunkturklimaindex notierte

mit 4,0 Punkten (saisonbereinigt) 1,1 Punkte

über dem Wert des Vormonats (2,9 Punkte).

Während die Lageindikatoren trotz kleiner

Rückgänge weiterhin ein durchschnittliches

Konjunkturumfeld zeichnen, signalisieren die

unternehmerischen Erwartungen trotz In -

dexsteigerungen in vielen Branchen nach

wie vor mehrheitlich skeptische Konjunkturausblicke.

Die unternehmerische Unsicherheit

ist weiterhin hoch. Die Kreditnachfrage

der Unternehmen blieb im November trotz

Anstieg unterdurchschnittlich. Die Unternehmen

schätzen die Bereitschaft der Banken

zur Kreditvergabe deutlich restriktiver ein

als in den vergangenen Jahren.

Der Index der aktuellen Lagebeurteilungen

verlor im November 0,4 Punkte, notierte

aber mit 7,4 Punkten weiter im positiven

Bereich. In der konjunkturell besonders reagiblen

Sachgütererzeugung verlor der Lageindex

2,0 Punkte gegenüber dem Vormonat

und blieb mit 3,8 Punkten knapp im positiven

Bereich. In der Bauwirtschaft verlor der

Lageindex 5,7 Punkte, blieb aber mit 17,9

Punkten weiterhin deutlich über der Nulllinie.

In den Dienstleistungsbereichen gewann

der Index 1,1 Punkte gegenüber dem Vormonat

hinzu und notierte mit einem Wert von

10,1 Punkten über der Nulllinie. Im Einzelhandel

stieg der Lageindex um 2,1 Punkte,

no tierte aber mit –6,1 Punkten weiter im

Bereich skeptischer Konjunktureinschätzungen.

Der Index der unternehmerischen Erwartungen

stieg im November an (+2,6 Punkte),

notierte aber mit 0,5 Punkten nur knapp über

der Nulllinie, welche negative von positiven

Konjunkturerwartungen trennt. Im Einzel -

110

han del blieb der Erwartungsindex nahezu

unverändert (+0,1 Punkte) und notierte mit

-19,9 Punkten weiterhin deutlich im negativen

Bereich.

In den Dienstleistungsbranchen stieg der

Erwartungsindex um 3,8 Punkte an und no -

tierte mit 2,6 Punkten wieder über der Nulllinie.

In der Bauwirtschaft hingegen sank der

Erwartungsindex um 0,9 Punkte, blieb aber

bei optimistischen 35,0 Punkten. Dieser ho -

he Wert ist auf die weiterhin hohen

Baupreis erwartungen zurückzuführen. Die

Ge schäftslageerwartungen sind in der Bauwirtschaft

bereits seit Mai im negativen

Bereich. In der von den Energiepreisanstiegen

beson ders betroffenen Sachgütererzeugung

zeigte sich beim Erwartungsindex ein

leichter Anstieg (+2,4 Punkte). Dieser no -

tierte mit -7,6 Punkten aber nach wie vor

merklich im pessimistischen Bereich. n

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

Oberösterreichs Innovationskaiser

2022 ausgezeichnet

LH Thomas Stelzer / LR Markus Achleitner: »Mit dem OÖ. Innovationspreis

wurden wieder herausragende Unternehmen und Forschungseinrichtungen

mit zukunftsweisenden Ideen und Projekten vor den Vorhang geholt«

111

Foto: Land Oberösterreich / Mayrhofer

Landeshauptmann Thomas Stelzer (m.) und Landesrat Markus Achleitner (3.v.r.) mit den GewinnerInnen und EinreicherInnen

Nicht weniger als 62 Einreichungen hat

es für den OÖ. Innovationspreis 2022

gegeben – am Abend des 10.November wurden

dann die kreativsten Köpfe, besten Ideen

und zukunftsweisendsten Projekte des Bun -

deslandes von Landeshauptmann Thomas

Stel zer und Wirtschafts- und Forschungs-

Landesrat Markus Achleitner ausgezeichnet:

Bei den Klein- und Mittelunternehmen konn -

te die Pansatori GmbH mit ForgTin – forget

Tinnitus den begehrten Preis mit nach Hause

nehmen. Bei den Großunternehmen ging der

Preis an die Miba AG mit ihren pyrotechnischen

Sicherheitssystemen für Elektrofahrzeuge.

Als innovativste Forschungseinrichtung

konnte sich die FH OÖ Forschungsund

Entwicklungs GmbH mit ihrem pflanzlichen

Wirkstoff gegen Diabetes durchsetzen.

Der Jurypreis für radikale Innovation wurde

an Primetals Technologies Austria GmbH für

ihre HYFOR-Technologie vergeben, die ei -

nen wichtigen Beitrag zur klimafreundlichen

Stahlerzeugung leisten soll. „Die vielen herausragenden

Einreichungen im heurigen

Jahr belegen einmal mehr die enorme Innovationskraft

unserer Unternehmen und Forschungseinrichtungen

in Oberösterreich.

Das ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor

für die Betriebe und den Standort OÖ“,

be tonten Landeshauptmann und Wirtschafts-

Landesrat im Rahmen der Verleihung im

ORF-Landesstudio in Linz.

„Innovation hat in Oberösterreich Tradition.

Mutig zu sein und Neues zu wagen, das

hat unser Bundesland nach vorne gebracht

und wird uns auch erfolgreich durch diese

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herausfordernden Zeiten führen. Mit dem

OÖ. Innovationspreis würdigen wir Unternehmen

für ihre innovative Ideen und Lö -

sungen. Sie alle tragen zur Stärkung des

Wirtschaftsstandortes Oberösterreich bei“,

erklärte Landeshauptmann Stelzer.

„Oberösterreichs Antwort auf Krisen war

immer Innovation. Denn nur wer auf Zu -

kunftstechnologien setzt, bei Produkten und

Dienstleistungen neue Wege geht und innovative

Strategien verfolgt, kann erfolgreich

Weiterentwicklungen in Gang setzen. Oberösterreich

ist ein Motor der Innovation, in

Österreich und darüber hinaus“, unterstrich

Landesrat Achleitner.

Der Landespreis für Innovation ist eine

Ko operation des Landes Oberösterreich und

der oö. Standortagentur Business Upper


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

112

un angenehme Ohrgeräusche bis hin zur

kompletten Stille.

Mithilfe einer entsprechen den Druckverteilung

werden in Summe vier wesentliche

Wirkungsbereiche stimuliert – diese wiederum

setzen einen „Verlernprozeß“ im Gehirn

in Gang. Das führt letzten Endes bis zum

vollständigen Vergessen der störenden Ohrgeräusche.

Fotos: Land Oberösterreich / Mayrhofer

Pansatori - v.l.: Herbert Auer (Leiter Corporate Banking Sparkasse OÖ), Landesrat Markus

Achleitner, Marlena und Klaus Grübl (Pansatori GmbH), Landeshauptmann Thomas Stelzer

Miba AG - v.l.: Stephan Kubinger (WKOÖ – Sparte Industrie), Landesrat Markus Achleitner,

Gerhard Stempfer und F. Peter Mitterbauer (MIBA AG), Landeshauptmann Thomas Stelzer

Austria mit der WKO Oberösterreich – sparte.industrie,

der Sparkasse OÖ und Medienpartner.

„Viele der eingereichten Innovationen

haben das Potential für eine erfolgreiche

weltweite Vermarktung. Genau das brauchen

wir im Exportbundesland Nummer eins!“,

hob Stephan Kubinger, Obmann-Stellvertreter

der sparte.industrie WKO Oberösterreich,

hervor. „Herausragende Ideen und innovative

Technologien sind für die Wettbewerbsfähigkeit

eines Unternehmens, vor allem im

in ternationalen Vergleich, essentiell. Dieser

Preis holt die innovativsten Ideen des Landes

vor den Vorhang – das unterstützen wir

ger ne“, sagte Herbert Auer, Leiter Corporate

Banking der Sparkasse OÖ.

Die Preisträger 2022

und ihre Innovationen

Kleine und mittlere Unternehmen

Pansatori GmbH

Bei ForTin handelt es sich um ein patentiertes,

CE-zertifiziertes Medizinprodukt, das

Menschen mit Tinnitus dabei hilft, wieder

Stille zu erleben. ForgTin ist ein im 3D-La -

serdrucker hergestellter Bügel aus Edelstahl

und Soft-Touch-Silikon, der ganz einfach

hinter dem Ohr angelegt werden kann. Tagsüber

getragen reduziert dieses kleine Gerät

Großunternehmen: Miba AG

Die Miba Power Fuse und der Miba Po -

wer Closer sind pyrotechnische Sicherheitssysteme

für Elektrofahrzeuge, die bei einem

Unfall den Stromfluss sicher ableiten. Diese

Innovation schützt nicht nur die Batterien und

Brennstoffzellen, sie kann auch den InsassIn -

nen das Leben retten. Die Technik funktioniert

durch eine pyrotechnische Explosion,

die binnen weniger Millisekunden die Batterie

von der Fahrzeugelektronik trennt, bzw.

die Restenergie aus den Brennstoffzellen

sicher abbaut.

Forschungseinrichtungen: FH OÖ

Forschungs- und Entwicklungs GmbH

Man ist was man ißt: Nach diesem Leitsatz

wurde das Nahrungsergänzungsmittel der

FH OÖ entwickelt. Konkret handelt es sich

um ein Produkt, das auf rein pflanzlicher Ba -

sis Diabetes vorbeugen oder bei einer Therapie

unterstützen kann. Das entwickelte Nahrungsergänzungsmittel

sorgt dabei für eine

Reduktion der Zuckeraufnahme im Darm

und verbessert zusätzlich die Aufnahme von

Zucker in den Blutkreislauf. Mit dem Projekt

möchte die FH OÖ einer künftigen

Überlastung des Gesundheitssystems aufgrund

der „Zivilisationskrankheit“ Diabetes

entgegenwirken.

Jurypreis für radikale Innovation:

Primetals Technologies Austria GmbH

Die HYFOR-Technologie (HYFOR ® –

Hydrogen-based Fine Ore Reduction) soll

einen wichtigen Beitrag zur klimafreundli -

chen Stahlerzeugung leisten. Sie ist weltweit

das einzige Direktreduktionsverfahren, das

feinstkörnige Eisenerze ohne aufwendige Vor -

verarbeitungen verwenden kann. Dadurch

werden erhebliche Mengen an Energie und

Emissionen gespart.

Durch den Einsatz von Wasserstoff als

Reduktionsmittel wird zu dem die Bildung

von klimaschädlichem CO 2 vermieden.

HYFOR kann daher den Grundstein für die

Produktion von grünem Stahl legen und hebt

sich damit klar vom kohlenstoffbasierten

Stand der Technik ab.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wirtschaft

113

Alle Landespreisträger 2022

im Überblick

Kleine und Mittlere Unternehmen

1. Platz: Pansatori GmbH – ForgTin – forget

Tinnitus

http://pansatori.com/

2. Platz: Lung-Diagnostics GmbH –

LuDi20

https://www.adkdiagnostics.at/

3. Platz: Green Soul Technologies e.U. –

SoulHeat

https://www.greensoultech.com/

Großunternehmen

1. Platz: Miba AG – Pyrotechnische Sicher -

heitssysteme für Elektro-Fahrzeuge

http://www.miba.at/

2. Platz: Weber Hydraulik GmbH – Rettungsgeräte

Baureihe SMART-FORCE

https://www.weber-hydraulik.com/

3. Platz: GE Healthcare Austria GmbH &

Co OG – Voluson Expert 22 – eine neue

Dimension im Ultraschall für Gynäkologie

und Geburtshilfe

https://www.gehealthcare.com/

FH OÖ - v.l.: Landesrag Markus Achleitner, Alexandra Halouska (Chefredakteurin Kronenzeitung

OÖ), Johann Kastner, Markus Iken und Julian Weghuber (FH OÖ), Landehauptmann

Thomas Stelzer

Forschungseinrichtungen

1. Platz: FH OÖ Forschungs- und Entwick -

lungs GmbH – Pflanzliche Wirkstoffe

mit anti-diabetischer Wirkung

https://www.fh-ooe.at/

2. Platz: Transfercenter für Kunststofftechnik

GmbH – LUFFI – Carbonfaserabfall

in einem neuen Lebenszyklus

https://www.tckt.at/kontakt

3. Platz: Software Competence Center

Hagenberg – Schwanger dank KI

(Machine Learning for Blastocyst-Analysis)

https://www.scch.at/

Jurypreis für radikale Innovation:

Primetals Technologies Austria GmbH –

HYFOR ® – Hydrogen-based Fine Ore

Reduction

https://www.primetals.com/

Aus allen Einreichungen wurden drei Un -

ternehmen für die Teilnahme am Staatspreis

Innovation sowie je ein Unternehmen für die

österreichweiten Sonderpreise VERENA

(Ener gie-Innovationen von Unternehmen in

Fotos: Land Oberösterreich / Mayrhofer

Primetals Technologies Austria - v.l.: Christopher Lindinger (Vizerektor JKU und Juryvorsitzender),

Landesrat Markus Achleitner, Bernhard Hiebl und Thomas Wolfinger (Primetals), Landeshauptmann

Thomas Stelzer.

Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Ko -

operationspartnern) und ECONOVIUS (in -

novative KMU) ausgewählt:

Nominierungen Staatspreis Innovation 2022

Miba AG

Primetals Technologies Austria GmbH

Weber-Hydraulik GmbH

Nominierung VERENA 2022

Green Soul Technologies e.U.

Nominierung ECONOVIUS 2022

Pansatori GmbH

https://www.land-oberoesterreich.gv.at/

https://www.biz-up.at/

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Chronik

Oberösterreich feiert

seine Landeshymne

114

LH Stelzer: »Die Landeshymne ist ein Symbol für die Identität unseres Landes«

Foto: Land OÖ/Peter Mayr

v.l.: die Studierenden Adam Štefunko (Slowakei, Cembalo), Ixta Rodero Gil (Spanien, Komposition), Julia van der Haagen (Niederlande, Flöte),

LH Thomas Stelzer, Vizerektorin Julia Purgina sowie Rektor Martin Rummel beim Festabend an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz

Vor 70 Jahren, am 28. November 1952,

hat der Oö. Landtag beschlossen, das

Gedicht „Hoamatgsang“ von Franz Stelzhamer

in der Vertonung von Hans Schnopfhagen

zur oberösterreichischen Landeshymne

zu erklären. Dieses Jubiläum war am 25.

November Anlaß für einen Festabend an der

Anton Bruckner Privatuniversität in Linz.

Im Rahmen des Abends wurde die Oö.

Landeshymne von Lehrenden und Studieren -

den der Anton Bruckner Privatuniversität aus

unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet

und interpretiert. Joachim Rathke hat mit

Studierenden eine szenische Interpretation

von „Stelzhamer Gedichten und Zitaten“ auf

die Bühne gebracht. Vizerektorin Julia Purgina

hat mit Erasmus-Studierenden über die

Hymnen ihrer Länder und deren Bedeutung

gesprochen.

In seiner Festansprache hat Landeshauptmann

Thomas Stelzer die Rolle und Bedeutung

einer Hymne für die Identität eines

Landes thematisiert: „Die Landeshymne ist

ein Symbol für die Identität unseres Landes.

Es geht um die Essenz, was unser ‚Hoamatland‘

Oberösterreich in seinem Kern ausmacht

und was uns antreibt.“

»Das ›Hoamatland‹ weiter mutig ge -

stalten und niemanden alleine lassen«

„Gerade angesichts schwieriger Zeiten

wollen wir unser ‚Hoamatland‘ weiter mutig

Foto: Land OÖ/Peter Mayr

LH Thomas Stelzer mit dem originalen Landesgesetzblatt, mit dem der „Hoamatgsang“

damals offiziell zur oö. Landeshymne erklärt wurde.

gestalten und weiter entwickeln zu einem

Land der Möglichkeiten mit Perspektiven

für alle. Durch den Umbau zu einem modernen,

klimaschonenden Produktionsstandort,

der uns Arbeit sichert. Wo wir niemanden

alleine lassen mit Sorgen und Bedürfnissen,

wo wir Hilfe und Unterstützung bieten. Eine

Heimat, in der engagierte und anpackende

Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher,

inspiriert von Kunst und Kultur, gestärkt wer -

den und zusammenhalten“, so Stelzer. Durch

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die unentschuldbaren antisemitischen Ausfälle

des Autors Franz Stelzhamer ist die

Landeshymne laut Stelzer ein steter Anstoß,

auch die Erinnerung an die Schatten unserer

Geschichte lebendig zu halten: „Wir vergessen

nichts und niemanden, und werden die

Erinnerung wachhalten. Auch das ist Teil un -

serer Identität.“

n

http://www.land-oberoesterreich.gv.at/

https://www.land-oberoesterreich.gv.at/27586.htm

https://www.youtube.com/watch?v=CGVVu30T0PU


Foto: Stille Nacht Gesellschaft

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Chronik

Stille Nacht, heilige Nacht

Das Lied von Franz Xaver Gruber und Josephus Franciscus Mohr ist

in 320 Sprachen weltweit fest mit dem Weihnachtsfest verbunden

Franz Xaver Gruber wurde am 25. No -

vember 1787 in der Innviertler Gemeinde

Hochburg geboren. 1807 trat er eine Stelle

als Lehrer, Mesner und Organist in Arnsdorf

an. Dort komponierte er 1818 das Weih -

nachtslied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ zu

einem Text seines Freundes Joseph Mohr,

Coadjutor in Oberndorf. In der Christnacht

1818 erklang das Lied zum ersten Mal in der

Oberndorfer Pfarrkirche St. Nicola, wo Gruber

auch als Organist tätig war. Franz Xaver

Gruber wurde 1829 Lehrer und Mesner in

Berndorf bei Salzburg. 1835 kam er als

Chorregent und Stadtpfarrorganist nach Hallein,

was er bis zu seinem Tod im 76. Le -

bensjahr blieb. Franz Xaver Gruber starb am

7. Juni 1863 in Hallein.

Josephus Franciscus Mohr wurde am 11.

Dezember 1792 in der Stadt Salzburg geboren.

Er war ein uneheliches Kind. Die erste

offizielle Dienststelle als Priester war 1815

Mariapfarr im Lungau – der Geburtsort seines

Vaters. Aus dem Lungau, wo er 1816 den

Text von „Stille Nacht!“ schrieb, kam Mohr

1817 wegen seines schlechten Gesundheitszustandes

nach Salzburg zurück und trat im

gleichen Jahr seinen Dienst in Oberndorf an.

Dort trafen sich die Lebenswege von Mohr

und Gruber. Nach Einsätzen als Seelsorger

in vielen weiteren Gemeinden verstarb Mohr

am 4. Dezember 1848 mit 56 Jahren als

Pfarrvikar in Wagrain.

Der erste Schritt zur Verbreitung des Liedes

wird dem Umstand zugeschrieben, daß

Franz Xaver Gruber

Foto: Stille Nacht Gesellschaft/SalzburgerLand Tourismus

Foto: Stille Nacht Gesellschaft

Die Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf bei Salzburg wurde in den Jahren 1935-37 fertiggestellt

und am 15. August 1937 von Weihbischof Johannes Filzer in Anwesenheit von Bundeskanzler

Kurt Schuschnigg und Landeshauptmann Franz Rehrl eingeweiht.

sowohl Joseph Mohr als auch Franz Xaver

Gruber mit Karl Mauracher bekannt waren,

einem Orgelmacher aus Fügen im Zillertal,

der das Lied mit sich nahm. Mauracher hatte

sich mehrmals in Arnsdorf und Oberndorf

aufgehalten, wo er sowohl die Orgel der Wall -

fahrtskirche Arnsdorf als auch jene der

Schifferkirche St. Nikola repariert hatte bzw.

1825 dann neu erbaute. 1819 zur Christmette

wurde das Lied bereits in Fügen gesungen.

Dort übernahmen es die Geschwister Rainer,

die im Kirchenchor von Fügen sangen.

Josephus Franciscus Mohr

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115

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts besserten

zahlreiche Familien aus dem Zillertal ihr

Einkommen als fahrende Händler auf, die

bäuerliche Bevölkerung bevorzugt im Winter.

Da im Zillertal traditionell Volksmusik

ge pflegt wurde, lockten manche der Händler

die Käufer mit Musik und Gesang an ihre

Stände.

100 Jahre später, 1914 sangen deutsche

und britische Soldaten beim sogenannten

Weihnachtsfrieden gemeinsam Stille Nacht.

1934 sang Bing Crosby in seiner Weihnachts-

Radiosendung Silent Night. Die Aufnahme

wurde mit 30 Millionen Stück dritterfolgreichste

Musiksingle. 1941 sangen Franklin

D. Roosevelt und Winston Churchill ge -

meinsam mit den versammelten Menschen im

Garten des Weißen Hauses Silent Night.

1943 stellte die Schriftstellerin Hertha

Pauli (1906–1973) fest, daß viele US-Amerikaner

das Lied Silent Night für ein „USamerikanisches

Volkslied“ hielten, und

schrieb darüber in den USA das Buch „Silent

Night. The Story of a Song“, in dem sie den

eigentlichen Ursprung des Liedes erläuterte.

Der deutsche Liedtext wurde weltweit in

320 Sprachen und Dialekte übersetzt. n

Quellen: https://www.stillenacht.gallery/

https://de.wikipedia.org/wiki/Stille_Nacht,_heilige_Nacht

Video https://www.youtube.com/watch?v=3BS9ohD1R5g


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Chronik

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Chronik

Das Digital Skills Barometer

Wie steht es um die digitale Fitness der ÖsterreicherInnen? Nun wurde

das europaweit erste befragungsbasierte Erhebungsinstrument geschaffen.

117

Foto: BKA / Christopher Dunker

v.l.: Reinhard Gojer (Präsident fit4internet, Vorstandsdirektor DONAU Versicherung AG Vienna Insurance Group), Florian Tursky

(Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband), Ulrike Domany-Funtan (Generalsekretärin fit4internet), Michael Zettel (Country

Managing Director, Accenture Österreich) und Christoph Becker (Geschäftsführer ETC – Enterprise Training Center)

Dieses einmalige, umfangreiche und de -

taillierte Lagebild über die digitale Fitness

der österreichischen Bevölkerung bietet

auch EntscheidungsträgerInnen aus Wirtschaft,

Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft

eine Grundlage, um bedarfsorientiert,

zielgerichtet sowie zukunftssicher Schwerpunkte

für Re- und Up-Skilling zu setzen –

und damit die digitalen Skills der österreichischen

Bevölkerung strukturiert und nachhaltig

zu steigern. Mithilfe des Digital Skills

Barometers kann die digitale Transformation

der Republik nicht nur unterstützt, sondern

in eine echte Chance für die Zukunft Österreichs

verwandelt werden.

„Österreich ist in der Umsetzung des

Kompetenzmodells für digitale Kompetenzen

(DigComp) derzeit Vorreiter in der EU.

Und mit dem Digital Skills Barometer steht

erstmalig ein Ergebnis auf Basis dieses Standards

zur Verfügung, das nicht nur die Selbst -

einschätzung, sondern auch das digitale Wissen

der österreichischen Bevölkerung einbezieht.

Dieser tiefgehende Einblick in den tatsächlichen

Stand des digitalen Wissens er -

möglicht es auch, bestehende Mängel und

,skills gaps‘ zu identifizieren, denen wir uns

widmen müssen, um Österreich #digitallyfit

für die Zukunft zu machen“, erläutert f4i-

Präsident Reinhard Gojer.

„Gerade in einer wirtschaftlich fordernden

Zeit müssen wir die Chancen der Digitalisierung

für Wertschöpfung, Arbeitsplätze

und Lebensqualität offensiv nutzen. Digitales

Wissen ist in jeder Hinsicht der Treibstoff

für die Zukunft. Deshalb rate ich jedem zu

einem digitalen Workout. Denn Einschätzung

und Realität liegen oft weit auseinander. Die

Erkenntnisse des Barometers zeigen, daß die

durchschnittliche digitale Fitness der Österreicherinnen

und Österreicher ab 16 Jahren

nur bei rund 41 Prozent liegt. Um sich in der

digitalen Welt sicher und kompetent zu

bewegen, bedarf es jedoch mindestens eine

digitale Fitness von 60 bis 80 Prozent. Klar

ist: Sowohl Frauen als auch Männer überschätzen

ihre digitale Fitness enorm. Dank

Initiativen wie fit4internet und Projekten wie

dem Digital Skills Barometer zählen wir zu

europäischen Best-Practices- gemeinsam

arbeiten wir für die digitale Zukunft Österreichs“,

so Florian Tursky, Staatssekretär im

Bundesministerium für Finanzen.

Detaillierter Blick auf die digitale

Fitness der ÖsterreicherInnen

Das Digital Skills Barometer bietet einen

einmaligen Einblick in und einen Überblick

über den digitalen Wissensstand der Öster -

reicherIn nen auf Basis des Digitalen Kom -

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

petenzmodells für Österreich – DigComp

2.2 AT. Das digitale Wissen der österreichischen

Bevölkerung wurde über Selbsteinschätzungs-

und Wissensfragen von knapp

4.000 Personen ab 16 Jahren umfangreich

online erfaßt. Die Ergebnisse wurden den

Kompetenzstufen 1 (grundlegend elementar

0-20 %) bis 5 (umfassend fortgeschritten,

80,1-100 %) des Digitalen Kompetenzmodells

zugeordnet, wobei ExpertInnen davon

ausgehen, daß für einen sicheren, kompetenten

und selbstbestimmten Umgang in der di -

gitalen Welt mindestens Kompetenzstufe 4

(vertieft selbständig, 60,1-80 %) erreicht wer -

den sollte. Die Ergebnisse liefern aufschlußreiche

Key Findings: So beträgt etwa die

durchschnittliche digitale Fitness der ÖsterreicherInnen

aktuell 41,6 %. Damit verfügen

sie über fundiert selbständiges digitales Wissen

und können Aufgaben selbständig be -

wältigen, solange keine Probleme auftreten.

Überdies thematisieren die Key Findings

die digitalen Gender und Knowledge Gaps:

Frauen bewegen sich im Durchschnitt auf

Kompetenzstufe 2 (38,1 %, solide grund -

legend) und Männer auf Kompetenzstufe 3

(45 %, fundiert selbständig). Damit schliessen

Frauen bei Fragen zu digitalem Wissen

um rund 7 Prozentpunkte schlechter ab. Ein

Merkmal, das sich beide Geschlechter teilen:


© f4i

ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Sie überschätzen ihre digitale Fitness enorm,

der Gap zwischen Selbsteinschätzung

(77,5 %) und tatsächlichem Wissen (41,6 %)

liegt bei rund 36 Prozentpunkten, was annähernd

2 Kompetenzstufen entspricht.

Der größte Wissensmangel besteht dabei

in den Kompetenzbereichen Grundlagen und

Zugang sowie Sicherheit: ca. 60 % der Be -

völkerung kommen hier nur auf Kompetenzstufe

1, wesentliche Konzepte wie die Zwei-

Faktor-Authentifizierung können nur von

einem Bruchteil erklärt werden. Zudem weiß

der Großteil der Befragten nicht, wie man

In formationen aus dem Internet verifiziert,

wohin man sich bei Fake News wendet oder

wie man sie von echten Nachrichten unterscheidet.

Diese digitale Medienkompetenz ist

jedoch essentiell und muß gezielt gefördert

werden, da immer mehr Menschen täglich

Nachrichten über Social Media konsumieren

und der Filterblaseneffekt dabei eine große

Rolle spielt.

Die Digitalisierung betrifft alle Menschen,

daher muß die Teilhabe daran auch allen er -

möglicht werden. Dies kann etwa über

Techni ken für ein barrierefreies Internet er -

folgen – doch auch hier ist das Unwissen der

ÖsterreicherInnen hoch. Damit Inklusion ge -

Chronik

Kompetenzstufe NQR-Niveau 3 bis 4 ist jener Kompetenzgrad, der jedenfalls im Alltag einen sicheren,

kompetenten, selbstbestimmten Umgang in der digitalen Welt ermöglicht.

Kompetenzstufe NQR-Niveau 4 bis 5 ist jener Kompetenzgrad, der im beruflichen Kontext eine digitale

berufliche Anschlußfähigkeit sicherstellt.

Kompetenzstufen ab NQR-Niveau 6 bis 8 entsprechen Bachelor bis PhD-Niveau und

stehen derzeit nicht im Fokus der Analysen.

lebte Praxis wird und keine Besonderheit

bleibt, braucht es mehr Wissen über die

grundlegenden Techniken zur digitalen Barrierefreiheit

sowie darüber, wie diese in der

eigenen Kreation digitaler Inhalte angewandt

werden können.

Digitale Kompetenzen –

der Schlüssel zur Zukunft

Digitale Skills zählen zu den 8 Schlüsselkompetenzen

für lebenslanges Lernen und als

4. Kulturtechnik zu den Grundfertigkeiten ne -

ben Lesen, Schreiben und Rechnen. Da be reits

90 Prozent aller Berufe digitale Basis kom -

petenzen voraussetzen, sind digitale Fitness

und berufliche Anschlußfähigkeit un trenn -

bar miteinander verknüpft und entschei den

über die Zukunftsfähigkeit Österreichs mit.

Die gewonnenen Ergebnisse der Erhebung

sind für die österreichische Bevölkerung re -

präsentativ und anschlußfähig an den Referenzrahmen

für digitale Kompetenzen (Dig-

Comp) der Europäischen Kommission sowie

an den Nationalen Qualifikationsrahmen

(NQR). Die Erkenntnisse aus dem Digital

Skills Barometer von fit4internet leisten in

diesem Kontext zudem einen wesentlichen

Beitrag zu den Sustainable Development

118

Goals der Vereinten Nationen (UN SDGs) in

den Bereichen Hochwertige Bildung

(SDG#4), Geschlechtergleichheit (SDG#S),

Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

(SDG#8), Industrie, Innovation

und Infrastruktur (SDG#9) und Weniger

Ungleichheiten (SDG#10).

„Bereits seit 2018 ist es unser erklärtes

Ziel als fit4internet, die österreichische Be -

völkerung fundiert für die digitale Zukunft

zu rüsten und federführend zur Standardisierung

und Steigerung der digitalen Kompetenzen

in Österreich beizutragen. Durch ln -

terdisziplinarität, rasche Entwicklungen und

Umsetzungen sowie Stakeholdergruppenübergreifende

Zusammenarbeit auf regionaler,

nationaler und europäischer Ebene konnte

europaweit ein Best-Practice zur Umsetzung

des DigComp geschaffen werden. Mithilfe

der detaillierten Ergebnisse des Digital

Skills Barometers haben wir nun zusätzlich

ein Werkzeug, das dazu beitragen kann, zielgerichtet

Maßnahmen für digitale Inklusion

und die digitale Zukunftsfähigkeit Österreichs

zu gewährleisten“, faßt f4i-Generalsekretärin

Ulrike Domany-Funtan zusammen.

Statements zum Digital

Skills Barometer

Michael Zettel, Country Managing Direc -

tor, Accenture Österreich: ,,Die Digitalisierung

und damit die digitalen Skiffs der Ös -

terreicherinnen und Österreicher sind das

Fundament für erfolgreiche Unternehmen,

das Wirtschaftswachstum und unseren künftigen

Wohlstand. Das Digital Skiffs Barometer

ist der erste Reaitycheck der digitalen

Skiffs der Österreicherinnen und Österreicher.

Auf diese digitale Kompetenzmessung aufbauend

können zielgerichtet und bedarfsorientiert

Maßnahmen entwickelt werden.“

Christoph Becker, Geschäftsführer ETC –

Enterprise Training Center: ,,Lebenslanges

Lernen und lebenslange Weiterentwicklung

gewährleisten im Zusammenspiel mit zeitgemäßen

digitalen Kompetenzen die berufliche

Anschlußfähigkeit des Individuums auf dem

Arbeitsmarkt. Mit dem Digital Skiffs Barometer

halten wir endlich ein Werkzeug in der

Hand die tatsächliche digitale Fitness der ös -

terreichischen BürgerInnen detailliert zu be -

stimmen. Das ist die Grundlage, um schnell

und einfach Zugang zu bedarfsorientierten

Weiterbildungsmaßnahmen zu bieten. Damit

wird das digitale Basiswissen gefördert. Dies

ist ein entscheidender Schritt für die wirtschaftliche

und gesellschaftliche Zukunft Ös -

terreichs!“

n

https://www.fit4internet.at/

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Chronik

Himmlische Einblicke auf Graz

Mehr als 225.000 Luftbilder der steirischen Landeshauptstadt sind archiviert.

Graz ist wahrlich im Bilde, schließlich

betreut und nutzt das Stadtvermessungsamt

seit den 1950er-Jahren Fotoschätze,

die bei Befliegungen entstanden sind.

1996 wurde von der analytischen in die

Photogrammetrie umgestellt, die Bilder aus

den Jahrzehnten davor sukzessive digitalisiert,

woraus um die Jahrtausendwende das

erste Online-Service in Betrieb ging.

Vizebürgermeisterin Judith Schwentner,

Stadtbaudirektor Bertram Werle, Stadtvermessungsamtsleiterin

Elke Achleitner und

Prä sidialabteilungsleiterin Verena Ennemoser

freuen sich, mit einem neuen digitalen

Service diesen Schatz nicht nur ExpertInnen,

sondern auch Privatpersonen zu präsentieren

und leichter zugänglich zu machen.

Durch die Zusammenarbeit mit der Präsidialabteilung

setzt die Stadtvermessung so -

mit zu einem erneuten Höhenflug an und

zeigt Graz dabei von der fotogensten Seite.

Das Luftbildservice wurde überarbeitet und

digital auf komplett neue Beine gestellt. Man

kann nun über die digitale Stadt – dessen

Angebot durch die Luftbildbestellung nun

noch attraktiver wurde, mit wenigen Klicks

adreßgenau Luftbilder aus sieben Jahrzehnten

oder Orthophotos (für ArchitektInnen,

PlanerInnen, etc.) bestellen. Die Kosten be -

tragen zwischen rund 19 und knapp 57 Euro.

Foto: Stadt Graz / Fischer

v.l.: Vizebürgermeistern Judith Schwentner, Stadtvermessungsamtsleiterin Elke Achleitner und

Stadtbaudirektor Bertram Werle mit Vergrößerungen der Grazer Luftbilder

119

Welche sind die jüngsten

Aufnahmen im Luftbildarchiv?

Die aktuellsten Aufnahmen stammen vom

Bildflug 2022, aufgenommen am 4. August.

Bei diesem Flug wurden nunmehr schon zum

dritten Mal gleichzeitig Senkrecht- und

Schrägaufnahmen vom gesamten Stadtgebiet

erstellt.

Foto: Stadtvermessungsamt Graz

Ein wunderschöner Blick auf die Grazer Altstadt – auch den kann man bestellen und sich

nachhause liefern lassen. Die Preise dafür bewegen sich zwischen 19 und knapp 57 Euro.

Wofür braucht die

Stadt Graz Luftbilder?

Die Einsatzgebiete sind vielfältig. Seit

1989 werden mittels Photogrammetrie großräumig,

hochgenau und sehr effizient Naturdaten

erfaßt und aus unserem Alltag nicht

mehr wegzudenkende Orthophotos (maßstäb-

liche Bildpläne) erstellt. Diese dienen Aufgaben

und Projekten des Klima- und Um -

weltschutzes, der Stadtplanung, des Stadtentwicklungskonzeptes,

des Flächenwidmungsplans

bis hin zu städtebaulichen Wettbewerben,

Kanalnetzberechnungen, Verkehrsplanungen,

in der Forstwirtschaft und

noch vielem mehr.

Wie sehr wird das Bestellservice

an Luftbildern bereits genutzt?

Noch vor dem neuen digitalen Service

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

wur den alleine heuer bis dato 115 Aufträge

samt Aufbereitung und Übermittlung von

rund 220 Bildeinheiten erledigt. n

Zur Schritt-für Schritt-Anleitung:

https://www.graz.at/luftbildbestellung

https://www.digitalestadt.graz.at


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Gastronomie & Kulinarisches

Gault&Millau Guide 2023

Die wichtigsten Auszeichnungen der heimischen Gastronomie-Branche konnten

nach coronabedingter Zwangspause endlich wieder persönlich überreicht werden.

120

© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski

Die Preisträger ernteten am 16. November im modernen Ambiente des SO/ Vienna-Hotels* viel Applaus.

Die Preisträger ernteten am 16. November

im modernen Ambiente des SO/

Vienna-Hotels* viel Applaus. Die Ernennung

zum Gault&Millau „Koch des Jahres“ ist un -

bestritten die wichtigste Auszeichnung der

österreichischen Kulinarik-Branche. Neuer

Titelträger ist Lukas Nagl vom Restaurant

Bootshaus am Traunsee. Viel beachtet ist

auch stets, ob es an der Spitze der Qualitätspyramide

Bewegung gibt. Tatsächlich darf

man einem überaus talentierten Koch

zur fünften Haube gratulieren: Benjamin

Parth vom Restaurant Stüva in Ischgl.

Trotz extrem schwieriger Rahmenbedingungen

für die heimische Gastronomie kann

der Guide Gault&Millau 2023 nicht weniger

als 762 Haubenrestaurants ausweisen, die in

Summe 1.486 Hauben tragen. Das ist neuer

Rekord, so viele waren es noch nie. Die Aufsteiger

finden sich quer über das gesamte

Spektrum: 45 Betriebe kamen erstmals zu

Hauben-Ehren, 36 wurden um ein, zwei oder

sogar drei Punkte aufgewertet.

m Silvio Nickol (Wien)

m Heinz Reitbauer (Steirereck, Wien)

m Martin Klein (Ikarus, Salzburg) und

m Karl und Rudi Obauer (Werfen, Salzburg)

Darüber hinaus weist Tirol so viele Aufsteiger

auf wie kein anderes Bundesland.

Gleich zehn Lokale errangen heuer mehr

Punkte als im Jahr davor. Das Köhle in Serfaus,

der Berghof Crystal in Hintertux und

das Alpin Resort Sacher in Seefeld konnten

sogar jeweils um zwei Punkte zulegen. Tirol

fuḧrt auch mit 13 Vier-Hauben-Betrieben die

Rangliste der Vierhauber an. Zwei erfreuliche

Neuzugänge sind: das Gründler Gour -

metstüberl, wo Armin und Alexander Gründler

zu Werke gehen, sowie Sigwarts Tiroler

Weinstuben mit der begnadeten Köchin

Traudl Sigwart. Sie ist damit die einzige

allein verantwortliche Vier-Hauben-Köchin

Österreichs. (Auch Astrid Krainer aus Langenwang,

die die Küche mit ihrem Mann

Andreas leitet, ist jetzt mit vier Hauben de -

koriert).

Lukas Nagl ist »Koch des Jahres«

Das zweite Bundesland, das auf der kulinarischen

Überholspur fährt, ist Oberösterreich.

Hier reicht die Fülle an Vielfalt von

Neuer Fünf-Hauber aus Tirol

Tirol liegt hinter Wien an Stelle zwei der

Bundesländer mit den meisten Hauben insgesamt

– es sind 115 Betriebe. Hier werkt

auch der jüngste unter den Fünf-Hauben-

Köchen. Benjamin Parth steht ab sofort in

einer Reihe mit den bewaḧrten Fünf-Hauben-Stars:

m Konstantin Filippou (Wien)

© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski

Erstmals fünf Hauben für Benjamin Parth, überreicht von Martina Hohenlohe

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Gastronomie & Kulinarisches

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© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski

Karl Hohenlohe, Lukas Nagl, der Koch des Jahres 2022, und Martina

Hohenlohe

© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski

Service-Award für Judith Knittelfelder, Andy Rock, Geschäftsführer

der Brennerei Ziegler, und Martina Hohenlohe

© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski

Karl Hohenlohe (l.), die Patissière des Jahres 2022, Lisa Krispel und

Martina Hohenlohe

der Fischküche an den Salzkammergutseen bis zu hippen Szenelokalen

in Linz und der subtilen Naturküche im Alpenvorland. Der „Koch

des Jahres 2023“ kommt aus Ober österreich: Lukas Nagl nutzt im

Bootshaus in Traunkirchen die reichen Schätze des Sees vor der

Haustür und kombiniert sie mit Ge müse und Kräutern aus der

Region. „Mit dem Fokus auf den See hat es Lukas Nagl in den letzten

Jahren zu wahrer Meisterschaft ge bracht, wohlverdient geht dieser

Award an ihn“, urteilt das Team von Gault&Millau.

Patissière des Jahres 2023:

Lisa Krispel

Präzise, harmonisch, überraschend – wenn die Gäste im Restaurant

des steirischen Weinguts Krispel glauben, endgültig satt zu sein,

schafft es Lisa Krispel, sie mit ihren Kreationen aus Früchten, Beeren,

Nüssen und feinem Teig erneut zu verführen.

Service Award 2023:

Judith Knittelfelder

Professionell, hoch aufmerksam, konzentriert, stets freundlich

und streßresistent selbst bei großem Andrang – Judith Knittelfelder

verkörpert im Restaurant und Wirtshaus der Geschwister Rauch geradezu

den perfekten Service. Daß sie auch eine äußerst kundige Sommelière

ist, muß man da nur mehr am Rande erwähnen.

Newcomerin des Jahres 2023:

Parvin Razavi

Wer einen Blick in die Kulinarik der Zu kunft tun will: Parvin

Razavi verbindet orientalische mit europäischen Traditionen, verzaubert

frisches Gemüse mit Säften und Kräutern zu hochkomplexen

© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski

© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski

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Parvin Razavi ist die Newcomerin des Jahres 2022 – im Bild mit

charmantem Support

Hedi Klinger wurde für ihr Lebenswerk geehrt– im Bild mit Karl

Hohenlohe (l.), Wein & Co GF Willi Klinger und Martina Hohenlohe

Gerichten und zeigt in ihrer offenen Küche des Wiener Re staurants

„&flora“ auch noch, wie sehr ihr das alles Spaß macht.

Hedi Klinger wird für

ihr Lebenswerk geehrt

Man muß nicht Thomas Bernhard gelesen haben, um zu wissen,

daß es im Gasthof Klinger in Gaspoltshofen die beste Frittatensuppe

Ostösterreichs gab, vom Schweinsbraten, den Knödeln und dem

Mohnstrudel ganz zu schweigen. „Gab“ – denn die legendäre Hedi

Klinger hat ihren Betrieb 2022 endgültig geschlossen. Die Ehrung für

das Lebenswerk war der emotionalste Moment bei der Präsentation

des Guides im SO/ Vienna, Hedi Klinger wurde mit anhaltenden

Standing Ovations bedacht.

n

https://www.gaultmillau.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Gastronomie & Kulinarisches

Bierkulturbericht 2022

Bierige Trends: alkoholfrei, regional und

nachhaltig – wie ÖsterreicherInnen ihr Bier genießen.

122

Der 14. Österreichische Bierkulturbericht,

der von der Kommunikationsabteilung

der Brau Union Österreich auf Basis

einer repräsentativen Studie des market-

Meinungsforschungsinstituts herausgegeben

wird, verfolgt den bierigen Lebenszyklus

vom Feld bis zum Genuß und gewährt Einblicke

in Verhalten und Prioritäten der österreichischen

BiergenießerInnen. Gabriela

Maria Straka, Director Corporate Affairs &

ESG Sustainability bei der Brau Union Ös -

terreich, erklärt: „Bier ist seit jeher ein natürliches

Getränk und kann nur so gut sein wie

die Rohstoffe, aus denen es gebraut wird.

Da her stecken Regionalität und Nachhaltigkeit

in der DNA des Bieres. Daß diese Themen

aber nicht nur den Brauern, sondern

zunehmend auch den Biergenießern wichtig

sind, zeigt der Bierkulturbericht 2022. Ba -

sierend auf den Studienergebnissen wird das

bierige Konsum- und Einkaufsverhalten der

Österreicherinnen und Österreicher beleuchtet.

Die Leser werden ein Stück weit auf den

Lebensweg eines Bieres mitgenommen, zu

Gersten- und Hopfenbauern, in die Brauereien,

wo das Handwerk gelebt wird und

dank Wissen und Pioniergeist federführende

Innovationen beim Produkt, aber ebenso in

der Produktion möglich werden. Selten liegen

Tradition und Innovationskraft so nahe

Foto: Brau Union Österreich

Die Österreicher genießen ihr Bier gerne im sonnigen Gastgarten, untertags meist alkoholfrei.

beisammen – nachhaltige Braukunst hilft,

die Welt Schluck für Schluck besser zu ma -

chen.“

Alkoholfrei, regional, nachhaltig: Wie

die ÖsterreicherInnen ihr Bier genießen

Der Stellenwert von Bier für die Getränkekultur

in Österreich ist ungebrochen.

Knapp 90 % unserer Landsleute bewerten

Bier als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ für

die österreichische Getränkekultur. Am liebsten

trinken wir Bier beim Grillen, wobei die

Herren mit 50 % deutlich lieber zum flüssigen

Gold greifen als die Damen. Auch

Feiern (41 %) und Treffen mit Freundinnen

und Freunden (33 %) sind beliebte Konsumanlässe.

Bei 28 % der ÖsterreicherInnen landet

Bier einmal im Monat im Einkaufswa-

Foto: Brau Union Österreich

Das Sortiment der AlkoholFREIZONE bietet für jeden Geschmack, von bierig bis fruchtig, das passende Getränk.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Gastronomie & Kulinarisches

123

gen, 21 % kaufen alle zwei bis drei Wochen

Bier für ihren Haushalt. Bei den beliebten

Biersorten hat Märzen mit 56 % den höchsten

Zuspruch, es folgen Pils (41 %) und

Zwickl (37 %). Radler verzeichnet nach

einer gewissen Stagnation in den Vorjahren

einen Aufwärtstrend: 23 % der ÖsterreicherInnen

trinken sehr gerne Radler, 27 % ger ne.

Auch die Regionalität ist ein Thema: 80 %

der Befragten geben an, daß das Angebot

von regionalen Bieren für die heimische

Bierkultur sehr wichtig bzw. eher wichtig ist.

Straka erklärt: „Bier ist für viele ein Stück

Heimat. Unsere Landsleute greifen sehr gern

zum Bier aus der eigenen Gegend, quasi

rund um den Schornstein der Brauerei zeigt

sich die Tendenz, dieses heimische Bier zu

bevorzugen.

Schon die Biermarken verweisen ja meistens

auf die Herkunft: Das Zipfer kommt

aus Zipf, Fohrenburger aus Fohrenburg und

Schwechater aus Schwechat. Internationalem

Bier geben nur 5 % der Österreicherinnen

und Österreicher den Vorzug.“

Mit dem regionalen Angebot in Handel

und Gastronomie geben sich die Befragten

auch zu großen Teilen zufrieden: 78 %der

ÖsterreicherInnen geben dem regionalen An -

gebot im Handel die Note 1-2. In der Gastronomie

sind 68 % mit dem Angebot zufrieden.

Auch wurde die Frage gestellt, zu welchem

Bier Herr und Frau Österreicher greifen,

wenn sie in einer anderen österreichischen

Region urlauben. Und siehe da: Zwei

Drittel (63 %) zeigen sich probierfreudig und

greifen zu dem regionalen Bier aus der Ur -

laubsregion lieber als zu einer anderen österreichischen

Biersorte. Besonders auffällig ist

das Ergebnis bei den reisenden WienerInnen:

Sie greifen überdurchschnittlich (68 %)

zu der regionalen Sorte.

Null gewinnt: Wer gerne Bier trinkt,

mag auch alkoholfrei immer lieber

Die Studie enthüllt, daß das Verantwortungsbewußtsein

im Umgang mit Alkohol

bereits in der Gesellschaft angekommen ist.

Sowohl in puncto Genuß als auch in puncto

Ansehen ist alkoholfreies Bier klar auf dem

Vormarsch. So ist sich eine absolute Mehrheit

(57 %) sicher, daß alkoholfreies Bier an

Ansehen gewonnen hat. Das ist ein Plus von

12 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr.

Bei den regelmäßigen Bierkonsum unterschreiben

sogar 60 % diese positive Veränderung.

Auch beim Genuß von alkoholfreiem

Bier sprechen die Zahlen für sich – tranken

2017 noch 17 % gerne alkoholfrei, sind es

inzwischen 28 %. Besonders deutlich zeigt

© Brau Union Österreich / Foto Freisinger

© Brau Union Österreich / Foto Freisinger

Frauen trinken besonders gerne Biermischgetränke aber auch alkoholfreies Bier und greifen

am liebsten zu den Biersorten Märzen, Pils und Weizenbier.

Die Grüne Brauerei Göss ist das Vorzeigeprojekt der Brau Union Österreich

sich der Trend bei den Jüngeren von 18 bis

29 Jahren: Hier sind es 32 %.

Nachhaltigkeit ist den

Konsumenten wichtig

Die repräsentative Studie zum Bierkulturbericht

2022 belegt, daß die KonsumentInnen

sich Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit

machen: Als Kriterien für eine verantwortungsvolle

und nachhaltige Bierproduktion

sehen sie u.a. die Vermeidung von langen

Transportwegen (64 %), Verwendung

von regionalen Rohstoffen (59 %), Einhaltung

von Umweltschutzauflagen (45 %) oder

auch die Reduzierung des CO 2-Ausstoßes

bei der Produktion (38 %). 76 % der Befragten

geben an, daß ihnen wichtig ist, daß

Brauereien in Zukunft CO 2-neutral brauen.

Auch Recycling ist ein Thema, so legen die

Österreicher besonders darauf Wert, daß

Bier in Mehrwegflaschen verkauft wird

(61 %), daß das Verpackungsmaterial zu

100% wiederverwendbar sind (54 %). Daß

in der Produktion die Ressourcen geschont

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

wer den, finden 44 % der Befragten beson -

ders wichtig.

Wunsch nach mehr Informationen

zu nachhaltigem Bier

45 % der ÖsterreicherInnen würden sich

laut Studie mehr Informationen zu nachhaltigem

Bier wünschen. Hier gibt es eine deutliche

Steigerung: 2016 gaben erst 29 % der

Befragten an, daß sie gerne mehr Informationen

zu diesem Thema hätten. Besonders

interessieren sich die Befragten dabei für die

Herkunft der Rohstoffe (70 %), für Recycling

(53 %), die Transportwege zu und von der

Brauerei (53 %). Jeweils 41 % interessieren

sich für den CO 2 -Fußabdruck pro Krügerl

und den Energieverbrauch im Brauprozeß.

Auch der Wasserverbrauch beim Brauen ist

für 39 % von Interesse. Die jüngeren Befragten

zwischen 18 und 29 Jahren interessieren

sich überdurchschnittlich für den CO 2 -Fußabdruck

(50 %) und den Wasserverbrauch

(43 %). n

https://www.brauunion.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Personalia

Physik-Nobelreisträger

Prof. Anton Zeilinger

124

Am 4. Oktober gab die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften die

Namen der drei Nobelpreisträger für Physik 2022 bekannt. Mit Alain Aspect und

John F. Clauser wurde Prof. Anton Zeilinger am 10. Dezember – dem Todestag

von Alfred Nobel – in Stockholm für seine Forschungsarbeit ausgezeichnet.

Foto: ÖAW / Hinterramskogler

Anton Zeilinger erhielt in Stockholm den Nobelpreis für seine Arbeiten zur Quantenverschränkung.

Dem ÖAW-Quantenphysiker wurde die Auszeichnung vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf überreicht.

Verschränkte Zustände – von der Theorie

zur Technologie: Alain Aspect, John

Clauser und Anton Zeilinger haben jeweils

bahnbrechende Experimente mit verschränk -

ten Quantenzuständen durchgeführt, bei de -

nen sich zwei Teilchen wie eine Einheit verhalten,

auch wenn sie getrennt sind. Ihre Er -

gebnisse haben den Weg für neue, auf Quanteninformation

basierende Technologien ge -

ebnet, so die Königlich Schwedische Aka de -

mie der Wissenschaften in einer Aussendung

am 4. Oktober in ihrer Begründung für die

Nominierung der drei Physiker für den mit

10 Mio. Schwedischen Kronen (rund 92.000

Euro) dotierten Nobelpreis 2022, den sich

die Ausgezeichneten teilen.

Die Preisträger

Alain Aspect, geboren 1947 in Agen, Frankreich.

Promotion 1983 an der Universität

Paris-Sud, Orsay, Frankreich. Professor an

der Graduiertenschule des Institut d'Optique

der Université Paris-Saclay und der École

Polytechnique, Palaiseau, Frankreich.

John F. Clauser, geboren 1942 in Pasadena,

CA, USA. Promotion 1969 an der Columbia

University, New York, USA. Forschungsphysiker,

J.F. Clauser & Assoc., Walnut

Creek, CA, USA.

Anton Zeilinger, geboren 1945 in Ried im

Innkreis, Österreich. PhD 1971 an der Universität

Wien und Professor ebendort.

Die Begründung der Akademie

Die unaussprechlichen Effekte der Quantenmechanik

finden allmäh lich Anwendung.

Inzwischen gibt es ein großes Forschungsgebiet,

das Quantencomputer, Quantennetze

und sichere verschlüsselte Quantenkommunikation

umfaßt. Ein Schlüsselfaktor für di e

Entwicklung ist die Tatsache, daß die Quantenmechanik

es ermöglicht, daß zwei oder

mehr Teilchen in einem so ge nannten verschränkten

Zustand existieren. Was mit ei -

nem der Teilchen in einem verschränkten

Paar geschieht, bestimmt, was mit dem an -

deren Teilchen geschieht, selbst wenn sie

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weit voneinander entfernt sind. Lange Zeit

stellte sich die Frage, ob die Korrelation darauf

zurückzuführen ist, daß die Teilchen in

einem verschränkten Paar versteckte Variablen

enthalten, d. h. Anweisungen, die ihnen

sagen, welches Ergebnis sie in einem Experiment

liefern sollen. In den 1960er-Jahren

entwickelte John Stewart Bell die nach ihm

benannte mathematische Ungleichung. Die -

se besagt, daß bei Vorhandensein verborgener

Variablen die Korrelation zwischen den

Ergebnissen einer großen Anzahl von Messungen

niemals einen bestimmten Wert überschreiten

wird. Die Quantenmechanik sagt

je doch voraus, daß eine bestimmte Art von

Ex pe rimenten gegen die Bellsche Ungleichung

verstößt, was zu einer stärkeren Korrelation

führt, als es sonst möglich wäre.

John Clauser entwickelte die Ideen von

John Bell weiter, was zu einem praktischen

Experiment führte. Als er die Messungen

durchführte, stützten sie die Quantenmechanik,

indem sie eine Bellsche Ungleichung

eindeutig verletzten. Dies bedeutet, daß die


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Personalia

125

Quantenmechanik nicht durch eine Theorie

ersetzt werden kann, die versteckte Variablen

verwendet. Nach dem Experiment von

John Clauser blieben einige Lücken.

Alain Aspect entwickelte den Aufbau

weiter und nutzte ihn so, daß er eine wichtige

Lücke schloß. Er war in der Lage, die Meß -

einstellungen zu ändern, nachdem ein verschränktes

Paar seine Quelle verlassen hatte,

so daß die Einstellung, die zum Zeitpunkt

der Aussendung bestand, das Ergebnis nicht

beeinflussen konnte.

Mit verfeinerten Werkzeugen und langen

Versuchsreihen begann Anton Zeilinger, ver -

schränkte Quantenzustände zu nutzen. Seine

Forschungsgruppe hat unter anderem ein Phä -

nomen namens Quantenteleportation nachgewiesen,

das es ermöglicht, einen Quantenzustand

von einem Teilchen auf ein anderes

zu übertragen, das sich in einer gewissen

Entfernung befindet. ,Es wird immer deutlicher,

daß eine neue Art von Quantentechnologie

im Entstehen begriffen ist. Wir können

sehen, daß die Arbeit der Preisträger mit

verschränkten Zuständen von großer Bedeutung

ist, auch über die grundlegenden Fragen

zur Interpretation der Quantenmechanik

hinaus‘, sagte Anders Irbäck, Vorsitzender

des Nobelkomitees für Physik.

© Nobel Prize Outreach. Photo: Nanaka Adachi

Prof. Anton Zeilinger nach dem Erhalt des Nobelpreises

Die Nachricht aus Stockholm

Anton Zeilinger hat am späten Vormittag

des 4. Oktober von seiner Nominierung er -

fahren. „Da hat mich meine Assistentin an -

gerufen und ich habe ihr gesagt, ich möchte

meine Ruhe haben, um weiter an meinen

Papieren arbeiten zu können. Und sie hat

gesagt, ,Da ist jemand. Eine Frau, die läßt

sich nicht abwimmeln, die möchte unbedingt

mit Ihnen reden und sie sagt nicht, wer sie

ist. Aber die Telefonnummer ist aus Schweden.‘

Da habe ich gesagt: ,Na gut, verbinden

Sie halt.‘ Und das war die Sekretärin von der

Akademie der Wissenschaften, die mich

dann an den Generalsekretär weitergegeben

hat, der mir das mitgeteilt hat. Er hat übrigens

gleich als erstes gesagt ,I just want to

make sure this is not a fake phone call‘ („Ich

möchte nur sichergehen, daß es sich nicht um

einen gefälschten Anruf handelt.“, Anm.),

weil es offenbar Spaßvögel gibt, die gerade

um diese Zeit Leute auf Schwedisch anrufen

und ihnen da was erzählen. Und dann mußte

ich ein Gespräch mit anderen Mitgliedern

des Nobelpreis-Komitees führen, die mir er -

klärt haben, warum ich ge meinsam mit den

Kollegen den Preis bekommen habe und die

mich auch über die weitere Prozedur in -

formiert haben.“,Die eigentliche Überreichung

des Preises werde am am 10. Dezember

stattfinden und er sei eingeladen, eine

Woche in Schweden zu verbringen.

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Prof. Anton Zeilinger

Geboren 1945 in Ried/Innkreis in Oberösterreich,

studierte Anton Zeilinger Physik

und Mathematik an der Universität Wien.

Nach seiner Dissertation im Jahr 1971 war er

Forschungsassistent am Atominstitut in Wien

und anschließend Fulbright Fellow am Neutron

Diffraction Laboratory des Massachusetts

Institute of Technology (MIT). Zurück

in Wien, habilitierte er sich 1979 an der

Technischen Universität Wien.

Weitere Stationen und Forschungsaufenthalte

führten Anton Zeilinger unter anderem

ans Collége de France sowie an die Oxford

University. Im Fokus seiner Forschungsarbei -

ten stand und steht das Phänomen der quantenphysikalischen

Verschränkung, die rätselhafte

Verbindung zwischen zwei Teilchen,

die unabhängig von ihrer Entfernung einen

identischen Zustand annehmen.

2003 gründete Anton Zeilinger das Institut

für Quantenoptik und Quanteninformation

(IQOQI) der Österreichischen Akademie der

Wissenschaften (ÖAW) mit, deren Mitglied

er seit 1994 ist. Von 2004 bis 2013 leitete er

das Institut in Wien, bevor er zum Präsidenten

der ÖAW gewählt wurde. 2022 stand er

der Akademie als Präsident vor, betrieb zu -

gleich weiterhin quantenphysikalische Forschungen,

die weltweit für große Aufmerksamkeit

sorgten.

Anton Zeilingers frühes Interesse

„Ich war immer schon naturwissenschaftlich

interessiert. Ich wollte immer wissen,

wie etwas funktioniert oder wie man alle


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Personalia

126

möglichen Sachen zerlegt – un ter anderem

auch, die Puppen meiner Schwester, die die

Arme bewegen konnten. Und ich wollte wissen,

wie das funktioniert, habe das zerlegt.

Aber ich war nie daran interessiert, das wieder

zusammenzubauen. Also ich meine, ich

war nie ein Bastler, weil ich habe dann schon

gewußt, wie es funktioniert“, erinnert sich

der Wissenschaftler. „Es hat na türlich nicht

jeden gefreut, dessen Dinge ich ich zerlegt

hatte.“

Sein Vater war auch Naturwissenschaftler

und seit 1954 Pro fessor für Mikrobiologie an

der Universität für Bodenkultur in Wien. Und

da gab es immer positives Klima ge gen über

der Wissenschaft – er hatte nie versucht, ihn

in irgendeine Richtung zu drängen oder zu

pushen, sondern es war einfach eine Selbstverständlichkeit,

sich mit so vielen Sachen

Sachen zu befassen. Dann habe er im Gymnasium

in Hietzing großes Glück mit einem

Lehrer namens Lederer zu haben der wirklich

begeistern konnte. Fünf von 20 MitschülerInnen

aus seiner Maturaklasse hätten

Physik studiert, erinnert sich Anton Zeilinger.

„Der konnte mir das Ge fühl geben, daß

ich die Relativitätstheorie ver ste he. Was na -

türlich wirklich ein bißchen übertrieben ist.

Aber das war halt so. Als ich dann an die

Foto: ÖAW / Hinterramskogler

Unter den hochrangigen Gästen bei der Verleihung in Stockholm war Bildungs-, Wissenschafts-

und Forschungsminister Martin Polaschek

Uni versität kam – das war, ehe es diese um -

fangreichen Studienpläne und auch noch

keine Bologna Punkte gab –, war das ein

ziemlich freies Studium. Man konnte in die

Vorlesung gehen wie man wollte und es war

letztlich nur notwendig, ich glaube, zwei

Theorie-Seminare zu machen und die praktischen

Übungen für Fortgeschrittene, also so -

zusagen die wirklich tiefergehenden, um

dann eine Doktorarbeit vorzulegen. Es war

auch noch nicht notwendig – was ich auch

für übertrieben halte –, eine Bachelor- oder

eine Masterarbeit zu schreiben. Man konnte

direkt die Dissertation machen. Und am

Schluß gab es dann das Rigorosum, das war

aber wirklich eine Prüfung. Also man ist echt

© Nobel Prize Outreach. Photo: Nanaka Adachi

Ein Blick auf das Festbankett anläßlich der Nobelpreisverleihung im Stockholmer Rathaus

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Personalia

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geprüft worden, es war keine Formalität“,

er innert sich Anton Zeilinger, und weiter:

„Ich bin in meiner Ausbildung keine einzige

Stunde in eine Lehrveranstaltung gegan gen –

so frei war war das Studium damals. Und

dann habe ich aber aber gewußt, ich muß das

gut können, und bin dann ein paar Wochen

vorher zu Pro fessor Herbert Pietschmann ge -

gangen, der die theoretische Physik geprüft

hat, mit der Bitte, ,ich möchte, daß Sie mich

insbesondere Quantenphysik prüfen, weil ich

möchte ge zwungen werden, das zu genau zu

lernen‘. Und so war es auch – und so habe

ich dann gesehen, wie spannend das Ganze

ist. Und ich habe das Glück gehabt, daß man

in Wien diese Experimente machen konnte.

Das war ungewöhnlich. An vielen anderen

Orten wä re das nicht möglich gewesen.“

Pressekonferenz am Tag der

Bekanntgabe seiner Nominierung

Eingangs seiner Pressekonferenz am Tag

der Bekanntgabe seiner Nominierung sagte

Anton Zeilinger, „Ich möchte zuerst vorausschicken,

daß das nicht möglich gewesen

wäre ohne die Unterstützung meiner Familie.

Ich weiß, daß ich für meine Familie manchmal

nicht in dem Umfang zur Verfügung

stand, weil mich einfach die Physik so begeistert

hat. Und ich weiß, das war nicht immer

leicht, aber ich möchte da zuerst meiner Fa -

milie sehr herzlich danken. Dann möchte ich

den österreichischen und europäischen SteuerzahlerInnen

danken.“ Es sei ein fach so,

daß dies ohne deren Unterstützung nie möglich

gewesen wäre. „Das ist nur möglich ge -

wesen, weil mir die Chance gegeben wurde,

schon von sehr früh an die Dinge zu machen

in der Physik, die mich interessiert haben,

ohne Rücksicht darauf, ob das vielleicht ir -

gendwo einen Nutzen haben könnte. Im

Gegenteil: Sogar bei den ersten Experimenten

wurde ich manchmal von der Presse ge -

fragt, wozu das Ganze gut sein soll. Und ich

habe gesagt: ,Ich kann Ihnen ganz stolz

sagen, das ist für nichts gut. Das mache ich

nur aus Neugierde‘, weil ich von der Quantenphysik

von Anfang an, wo ich zum Ersten

Mal davon gehört habe, vollkommen begeistert

war wegen der mathematischen Schönheit

dieser Beschreibung.“ Und die Presse

sei gleichzeitig total erstaunt gewesen über

die Vorhersagen, die diese Theorie trifft für

Experimente, die vollkommen der Intuition

entgegenlaufen. Und er hätte das Glück ge -

habt, solche Experimente machen zu können.

Sein Doktorvater Helmut Rauch (1939-

2019), er war Professor an der TU, habilitiert

an der Universität Wien und auch Mitglied

Foto: BKA / Andy Wenzel

Am 5. Oktober empfing Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) gemeinsam mit Vizekanzler Werner

Kogler (r.) und Bundesminister Martin Polaschek (m.r.) den Nobelpreisträger Anton Zeilinger

der Ös terreichischen Akademie der Wissenschaften,

war sehr prominent.

„Ich habe erst viel später gesehen, daß

das etwas Ungewöhnliches war, daß das

weltweit gar nicht so oft der Fall war, daß

man nur seiner Neugier nachgehen kann.

Was ich Helmut auch verdanke, ist, daß ich

von ihm gelernt habe: man soll seiner Intuition

vertrauen, auch wenn diese manchmal

verrückt spielt, und wenn man eine Idee hat,

was man machen könnte, die Begründung,

die man macht, ist einfach falsch, schlicht

und einfach falsch. Aber die Idee kann richtig

sein. Das ist hochinteressant. Man muß

seiner Intuition und seinen Spin nereien ein

bißchen vertrauen.“

Anton Zeilinger dankte dann allen seinen

MitarbeiterInnen, die er über die vielen Jahre

hatte. Er nimmt an, es seien schon an die 150

bis 200 DoktorandInnen und DiplomandInnen,

die jetzt in der ganzen Welt verstreut

sind, mit denen er phantastische Arbeiten

machen konn te. „Eigentlich sind es die

gewesen, die im Labor gestanden sind. Und

ich habe dann immer meine Kommentare

dazu gegeben, die manchmal vielleicht nicht

ganz willkommen waren. Aber das ist einfach

so, das gehört dazu. Heute habe ich

noch eine Gruppe von sieben Leuten, die mit

mir zusammenarbeiten, wo wir versuchen,

neue Dinge an zu stoßen“, so Anton Zeilinger,

der noch je man den erwähnte: Er sei am

Massachusetts Institute of Technology

gewesen und sein Su pervisor und Kollege

war Clifford G. Shull, der 1994 den Nobelpreis

bekommen hatte. Von dem habe er viel

gelernt. Es sei „sehr mühsam, daß, wenn

man etwas tut und glaubt, man ist schon zu -

frieden mit dem Resultat – daß es sich dann

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trotzdem auszahlt, noch genauer zu arbeiten.“

Und er dankte „allen Leuten, die mich auf

die diversen Stellen berufen haben, insbesondere

der Universität Innsbruck“, die ihn

1990 als Professor für Experimentalphysik

berief. Das sei auch sehr ungewöhnlich ge -

we sen, „weil ich sozusagen Sa chen gemacht

habe, die nicht Mainstream wa ren. Und ich

möchte mich bei der Universität Wien be dan -

ken, die mich dann hierher geholt und mir

die Möglichkeit gegeben hat, weiterzuar bei -

ten und auf diesen Dingen aufbauend als

Professor an der Universität zu arbeiten,

dann auch auch als einer der Gründungsdirektoren

des Instituts für Quanten In for ma -

tion wieder neu e Richtungen zu er schließen

– die auf dem aufbauen, was ich am Be ginn

gemacht ha be.“

Anton Zeilinger über seine

Nobelpreis-Kollegen

„Nun möchte ich noch kurz etwas sagen

über uns drei, die wir den Preis bekommen

haben. Ich kenne alle drei schon sehr, sehr

lan ge. Wir haben wunderbare Zeiten miteinander

verbracht. John Claser ist einer der be -

sten Amateur-Segler in den Vereinigten

Staa ten. Mit dem konnte ich einmal bei

einem Rennen mitfahren. Das war unglaublich,

phantastisch, so etwas zu sehen. Und

Alain Aspect hat, wie man es von einem

Franzosen erwartet, einen wunderbaren

Weinkeller. Wenn man einmal da mal drin

war, ändert sich auch das Bild vom Wein,

das man zuvor hatte. Und John Glaser war

der Erste, der ein Experiment gemacht hat,

um die berühmten Bellschen Ungleichungen

zu testen, die Idee von Einstein, Podolski


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Personalia

128

und Rosen im Jahr 1935. Alain Aspect hat

dann mit seinen Leuten, insbesondere Phi -

lippe Grangier, wunderschöne Arbeiten ge -

macht, was die Sache noch viel dingfester

machte, als das vorher der Fall war. Insbesondere

hat er in den Experimenten zum er -

sten Mal ausgeschlossen, daß diese Korrelationen

durch Übertragung erklärt werden

können, die ja immer auf die Lichtgeschwindigkeit

beschränkt sind. Wie gesagt, ich ken -

ne die zwei seit langer, langer Zeit. Wir ha -

ben schon einmal einen einen Top-Preis miteinander

gewonnen, das war im Jahr 2010

der Wolff Preis. Es ist einer der fünf oder

sechs Top Preise weltweit, der in Israel vergeben

wird. Und es ist schön, wenn wir uns

jetzt wieder in Stockholm wiedersehen zu

einem weiteren Preis“, so Anton Zeilinger.

Forschungen von Anton Zeilinger

Was ist Quantenverschränkung?

Die Verschränkung ist eine der seltsamen

Eigenschaften von Quantensystemen, die

sich mit klassischen Theorien nicht beschreiben

lassen. Albert Einstein hat das Phänomen

einst als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet,

weil zwei Teilchen in einem quantenmechanischen

Verschränkungszustand einander

auch über astronomische Distanzen hinweg

verbunden bleiben: Wenn eine Messung an

einem der Teilchen durchgeführt wird, wird

im selben Moment auch der Zustand des an -

deren Teilchens festgelegt. Das scheint auf

den ersten Blick einen der Grundsätze der

klassischen Physik – nämlich daß nichts

schneller als Licht reisen kann – zu verletzen.

Foto: Uni Wien / Jaqueline Godany

Er sei „sehr überrascht“ von dem Anruf gewesen, sagte der neue Physiknobelpreisträger

Anton Zeilinger in einer ersten Reaktion im Rahmen der Pressekonferenz in Stockholm.

Zwei Würfel, ein System

Um eine Vorstellung davon zu bekommen,

was Verschränkung ist, können wir uns

zwei Würfel vorstellen. Nach den Regeln der

klassischen Physik macht es keinen Unterschied,

ob wir jeden Würfel in einem eigenen

Becher würfeln oder beide in einem ge -

meinsamen Becher würfeln. Die Zustände

sind in jedem Moment genau definiert und

die beiden Würfel liefern unabhängig voneinander

mit der Wahrscheinlichkeit von je

einem Sechstel eine Zahl von eins bis sechs.

Ein Quantenwürfel ist etwas komplizierter:

Wenn wir einen solchen Würfel in einem

Becher schütteln, ist sein Zustand nicht ge -

nau definiert, bis wir nachsehen. Davor be -

findet er sich in einem Überlagerungszustand

aus allen möglichen Ergebnissen. Wenn wir

zwei Becher mit je einem Würfel haben,

beeinflussen sich die Ergebnisse auch in der

Quantenwelt nicht. Wenn wir aber beide

Würfel in einem Becher schütteln, kommt es

zu einer Verschränkung. Wenn wir die Würfel

danach, ohne ihre Augenzahl abzulesen,

trennen und behutsam voneinander entfernen,

bleiben sie verschränkt.

Die Würfel bilden durch die Verschränkung

ein gemeinsames Quantensystem, egal

wie weit wir sie voneinander entfernen, be -

vor wir die Augenzahl ablesen. Beide Würfel

befinden sich dann in einem gemeinsamen

Überlagerungszustand, den wir uns als eine

bestimmte Gesamtaugenzahl der Würfel

vorstellen können, zum Beispiel sieben.

Wenn ich die Augenzahl von Würfel A in

Wien überprüfe und einen Dreier vorfinde,

wird auch der Zustand von Würfel B in Beijing

ohne Zeitverzögerung definiert: Es ist

ein Vierer. Da mit nimmt jeder einzelne Würfel

wieder einen unabhängig definierten

Zustand ein und die Verschränkung endet.

Foto: Uni Wien / derknopfdruecker.com

„Man muß seiner Intuition und seinen Spinnereien ein bißchen vertrauen“, sagte Anton Zeilinger

bei der Pressekonferenz anläßlich des Nobelpreises. Dieses Foto entstand bei einer Physikvorlesung

für die breite Öffentlichkeit 2013

Sichere Kommunikation

und Quantencomputer

Zur überlichtschnellen Übertragung von

Information kann ein Quantenwürfelpaar

nicht verwendet werden, auch wenn die Zu -

stände sich ohne Zeitverzögerung festlegen.

Wenn der Würfel in Wien einen Dreier und

je ner in Beijing einen Vierer zeigt, brauchen

die WürflerInnen immer noch einen klassischen,

auf Lichtgeschwindigkeit begrenzten

Kommunikationskanal, um festzustellen, daß

die verschränkte Gesamtaugenzahl eine

Sieb ener ist, es hätte nämlich auch ein anderer

Wert sein können. Man kann sich also

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Personalia

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nicht aussuchen, welchen Wert man in Wien

ha ben wird, um damit eine Zahl an Beijing

zu kommunizieren.

Technisch nutzen läßt sich das Phänomen

aber dennoch. Verschränkte Photonenpaare

kön nen eingesetzt werden, um zwei identische

Zufallszahlen für die zwei Empfänger zu

erzeugen. Damit lassen sich zum Beispiel

unknackbare Schlüssel für kryptografische

Anwendungen erzeugen. Weil jede Messung

an einem der Photonen die Verschränkung

zerstört, können die Empfänger immer feststellen,

wenn eine dritte Partei versucht, den

Schlüssel bei der Übertragung auszulesen.

Quantencomputer setzen ebenfalls auf

Verschränkung: Ein System aus verschränkten

Qbits kann diese Überlagerung unterschiedlicher

Bit-Kombinationen zur Lösung

eines schwierigen Problems verwenden.

Quantenalgorithmen sollen dadurch in Zu -

kunft auch Probleme, die klassische Computer

überfordern – etwa die Primfaktorenzerlegung

großer Zahlen – lösen können.

Quellen: Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften,

Österreichische Akademie der Wissenschaften,

Universität Wien, Wikipedia

Gratulationen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen

„Herzlichen Glückwunsch an Anton Zeilinger!

Immer wieder wurde sein Name in

Zusammenhang mit dem Nobelpreis ge -

nannt. Nun, mit dem heutigen Tag ist es so

weit“, schrieb Bundespräsident Alexander

Van der Bellen auf Twitter. „Diese Auszeichnung

gilt einem Pionier der Quantenphysik,

einem großen Wissenschaftskommunikator,

einem Forscher, wie er im Buche steht. Ich

gratuliere Prof. Zeilinger von Herzen und

danke ihm für sein Engagement als Wissenschaftsmanager.“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

„Ich habe allergrößten Respekt vor seiner

wissenschaftlichen Expertise, die mit der

Verleihung dieser renommierten Auszeichnung

einmal mehr international gewürdigt

wird. Das ist nicht nur eine große Ehre für ihn

selbst, sondern auch für unser Land“, sagte

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.

Minister Martin Polaschek

„Das ist eine unglaubliche Leistung! Als

Wissenschaftsminister bin ich stolz, daß ein

Österreicher diese große Auszeichnung verliehen

bekommt. Anton Zeilinger ist eine

Ko ryphäe auf seinem Gebiet und ein Aushängeschild

für den österreichischen Wissen -

schafts- und Forschungsstandort“, gratulierte

Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsminister

Martin Polaschek.

OÖ Landeshauptmann Thomas Stelzer

„Ganz Oberösterreich ist stolz auf Anton

Zeilinger. Er ist ein brillanter Naturwissenschaftler,

Vordenker und Visionär. Nicht nur

durch seine bahnbrechenden Experimente,

son dern auch durch seine philosophischen

Ansätze und seine Förderung junger Menschen“,

gratuliert Landeshauptmann Thomas

Stelzer im Namen des Landes Oberösterreich

zu dieser bedeutenden Auszeichnung.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig

„Es freut mich außerordentlich, daß An -

ton Zeilinger gemeinsam mit Alain Aspect

und John F. Clauser mit dem diesjährigen

Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wird und

gratuliere ihm herzlich“, so Wiens Bürgermei -

ster Michael Ludwig. „Anton Zeilinger prägt

seit Jahrzehnten den Wissenschaftsstandort

Wien maßgeblich mit und trägt zu dessen

international anerkannter Exzellenz bei.

Anton Zeilingers Forschungskarriere zeigt

exemplarisch, wie es gelingen kann, die Gren -

zen des Wissens herauszufordern und so zu

bahnbrechenden Erkenntnissen für die Grund -

lagenforschung zu gelangen. Als Bürgermeister

der Stadt Wien bin ich stolz, daß ein Wis -

senschaftler, der maßgebliche Teile seiner

For schung und Lehre in dieser Stadt ge leistet

hat, derartig geehrt wird. Die Reputation von

Wien als Stadt der Forschung und Lehre

wird damit ein weiteres Mal unterstrichen.“

ÖAW-Präsident Heinz Faßmann

„Der Gewinn des Nobelpreises ist eine

Sensation und hochverdient. Zeilinger hat

bahnbrechende Ergebnisse in seinem Forschungsbereich

erzielt. Das Forschungsland

Österreich hat wieder an die internationale

Spitze aufgeschlossen. Dieser Weg darf jetzt

nicht verlassen werden. Die ganze Akademie

freut sich heute mit Anton Zeilinger. So wie

Anton Zeilinger gratuliere ich auch unserem

Mitglied im Ausland, Alain Aspect, sehr

herzlich“, so der Präsident der Österreichischen

Akademie der Wissenschaften, Heinz

Faßmann – er ist direkter Nachfolger von

Anton Zeilinger in dieser Funktion.

https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Zeilinger

https://www.oeaw.ac.at

https://www.nobelprize.org/

Österreichs NobelpreisträgerInnen

Bertha von Suttner

Friedensnobelpreis, 1905

Alfred Hermann Fried

Friedensnobelpreis, 1911

Robert Bárány

Physiologie oder Medizin, 1914

Fritz Pregl

Chemie, 1923

Richard Zsigmondy

Physiologie oder Medizin, 1925

Julius Wagner-Jauregg

Physiologie oder Medizin, 1927

Karl Landsteiner

Physiologie oder Medizin, 1930

Erwin Schrödinger

Physik, 1933

Victor Franz Hess

Physik, 1936

Otto Loewi,

Physiologie oder Medizin, 1936

Richard Johann Kuhn

Chemie, 1938

Wolfgang Pauli

Physik, 1945

Gerty Cori

Physiologie oder Medizin, 1947

Carl Ferdinand Cori

Physiologie oder Medizin, 1947

Max Ferdinand Perutz

Chemie, 1962

Konrad Lorenz

Physiologie oder Medizin, 1973

Karl von Frisch

Physiologie oder Medizin, 1973

Friedrich August von Hayek

Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften,

1974

Walter Kohn

Chemie, 1998

Eric Kandel

Physiologie oder Medizin, 2000

Elfriede Jelinek

Literatur, 2004

Martin Karplus

Chemie, 2013

Peter Handke

Literatur, 2019

Anton Zeilinger

Physik, 2022

Informationen über die hier genannten und weitere NobelpreisträgerInnen mit Österreichbezug finden Sie hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_%C3%B6sterreichischen_Nobelpreistr%C3%A4ger

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wenn jemand das inflationär gebrauchte

Attribut „Grande Dame“ zu Recht

trug, dann sie“, hieß es im ORF-Portrait über

Christiane Hörbiger anläßlich ihres 80. Ge -

burtstags. Sie war eine der Größten ihres Fa -

ches. Gleichwohl hat sie – zumal in den vergangenen

rund 15 Jahren – radikal jede Eitel -

keit abgelegt, spielte buchstäblich ungeschminkt

vom Schicksal unbarmherzig ge -

schlagene Frauenfiguren. Die Bürde, die es

wohl auch bedeutet, aus dem berühmtesten

Theaterclan des deutschen Sprachraums zu

kommen, hat sie abgeschüttelt. Seit ihrem

17. Lebensjahr stand sie auf der Bühne, von

der sie sich aber ganz zurückgezogen hatte.

Ab den 1980er-Jahren startete sie eine beispiellose

Film- und Fernsehkarriere und wirkte

in über 130 Film- und Fernsehpro duktionen

mit. Die Kammerschauspielerin war Trä gerin

des Großen goldenen Ehrenzeichens für Verdienste

um das Bundesland Niederösterreich

und mehrfache Romy-Preisträgerin als be -

liebteste Schauspielerin.

„Mit Christiane Hörbiger verlieren wir

eine Grand Dame der österreichischen Filmund

Theaterszene, die ich auch persönlich

sehr geschätzt habe“, sagte Niederöstereichs

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zum

Ableben von Christiane Hörbiger. „In ihrer

großen Rolle als Richterin Julia Laubach

(von 1998 bis 2002, Anm.) zeigte sie das Bild

einer starken und unabhängigen Frau, gleich -

zeitig brachte sie die Weinstadt Retz zu un -

glaublicher Bekanntheit und war damit auch

eine großartige Botschafterin Niederösterreichs

weit über die Grenzen unseres Landes

hinaus. Auch nach den Dreharbeiten zur

Fernsehserie ,Julia‘ blieb sie der Stadt Retz

und unserem Bun desland treu, noch heute

kann man auf ihren Spuren durch Retz wandeln.

Unser großes Mitgefühl gilt in diesen

Stunden ihrer Familie und ihren Freunden“,

so die Landeshaupt frau.

„Christiane Hörbiger war ein Solitär der

deutschsprachigen Theater- und Filmbranche.

Sie war eine solch beständige, eindrucks -

volle Erscheinung und in so hohem Maße

präsent, daß die Nachricht über ihren Tod

fast unwirklich erscheint. Der deutschsprachi -

ge Fernsehfilm ohne Christiane Hörbiger ist

eigentlich unvorstellbar. Mit ihr verlieren

wir alle ein Stück österreichischer Identität“,

Personalia

Christiane Hörbiger †

Die Schauspielerin ist am 30. November im

84 Lebensjahr friedlich in Wien entschlafen.

Foto: ORF / Thomas Ramstorfer

Christiane Hörbiger in der ORF-Sendung „Aus nächster Nähe" am 13. Oktober 2017

sagte Kunst- und Kulturstaatssekretärin An -

drea Mayer zu ihrem Tod. „Mit ihrer hohen

Schauspielkunst und ihrem unvergleichlichen

Charme hat sie auch international große

Erfolge gefeiert und unsere Kunst- und Kulturnation

weit über die heimischen Landesgrenzen

hinweg zum Strahlen gebracht. Sie

wird sehr fehlen. Meine Anteilnahme gilt ihrer

Familie, ihren Freunden und ihren zahlreichen

Weggefährtinnen und -gefährten.“

„Mit Christiane Hörbiger ist eine der

beliebtesten Schauspielerinnen Österreichs

von uns gegangen“, so Wiens Kulturstadträtin

Veronica Kaup-Hasler. „In sieben Schaffensjahrzehnten

hat sich Christiane Hörbiger

in die Herzen eines Millionenpublikums ge -

spielt und bleibt als Grande Dame des österreichischen

Films in Erinnerung. Am Burgtheater,

als ‚Buhlschaft‘ bei den Salzbur ger

Festspielen oder im Ensemble des Schauspiel -

hauses Zürich reüssierte sie auch auf den

Brettern, die die Welt bedeuten, mit einem

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130

beeindruckend vielseitigen Rollenrepertoire.

Aus einer legendären Theaterfamilie stammend,

hatte es Hörbiger dabei nicht immer

leicht, standen Vergleiche mit ihren Eltern,

Paula Wessely und Attila Hörbiger, sowie

den Schwestern Maresa Hörbiger und Elisabeth

Orth doch auf der Tagesordnung. Doch

Christiane Hörbiger hat ihren eigenen Weg

verfolgt und mit Fernsehserien wie ‚Das

Erbe der Guldenburgs‘ oder ‚Julia‘, aber auch

mit Kino- und Fernsehfilmen wie beispielsweise

Helmut Dietls preisgekrönter Satire

‚Schtonk‘ große Erfolge gefeiert.“ Neben

ihrer umfangreichen Filmografie zeuge eine

eindrucksvolle Reihe an Auszeichnungen

von ihren Erfolgen. Auch ihr soziales Engagement

als UNICEF-Botschafterin oder für

die Krebshilfe würden in Erinnerung bleiben,

so die Stadträtin. „Meine Anteilnahme

gilt der Familie und den Freunden Christiane

Hörbigers.“

n

https://de.wikipedia.org/wiki/Christiane_H%C3%B6rbiger


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Karl Merkatz hat in seinem vielfältigen

Schaffen Film- und Fernsehgeschichte

geschrieben und war auch ein großartiger

Theaterschauspieler. Er war aber nicht nur ein

ganz Großer der Schauspielkunst, sondern

vor allem auch ein unglaublich facettenreicher

und liebenswürdiger Mensch“, sagte

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna

Mikl-Leitner zum Ableben von Karl Merkatz.

Karl Merkatz wurde am 17. November

1930 als Sohn eines Werkzeugmachers und

einer Weberin in Wiener Neustadt geboren.

Seine Paraderollen waren „Edmund Sack -

bauer“ in „Ein echter Wiener geht nicht un -

ter“ sowie „Karl Bockerer“ in „Der Bockerer“,

aber auch als Theaterschauspieler feierte

er große Erfolge an den Theatern im ge -

samten deutschsprachigen Raum. 2002 wur -

de ihm das „Große Goldene Ehrenzeichen

für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich“

verliehen, seit 2017 war er Eh -

renbürger seiner Geburtsstadt Wiener Neustadt.

Einer seiner letzten Filme war „Der

Blunznkönig“, in dem er einen Fleischhauer

und Wirt im Weinviertel spielte und der 2014

in Niederösterreich gedreht wurde.

„Trotz seiner vielen Erfolge ist er immer

auch dem Bundesland Niederösterreich eng

verbunden geblieben, so war er mitunter auch

Weinpate. Das Land Niederösterreich wird

ihn als erfolgreichen Volksschauspieler, großen

Künstler, aber auch als beeindruckende

Persönlichkeit und geselligen Menschen in

Erinnerung behalten“, so die Landeshauptfrau:

„Unser Mitgefühl gehört nun in diesen

Stunden seinen Angehörigen.“

„Mit Karl Merkatz verliert Österreich

einen Charakterdarsteller von einzigartigem

Format. Er war auf allen wichtigen Bühnen

des Landes zu Hause und präsent auf den

Bildschirmen der heimischen Wohnzimmer.

Sein Mundl wurde zum generationsübergreifenden

rot-weiß-roten Populärkult, als Bokkerer

spielte er sich ins Gewissen der österreichischen

Nation“, so Kunst- und Kulturstaatssekretärin

Andrea Mayer zum Tod von

Karl Merkatz. „Wir verlieren mit ihm einen

wahren König der Schauspielkunst. Meine

Anteilnahme gilt insbesondere seiner Familie,

seinen Freunden und seinen zahlreichen

Weggefährtinnen und -gefährten.“

Personalia

Karl Merkatz †

Der österreichische Volksschauspieler starb am 17. November im 93. Lebensjahr.

Große Bekanntheit erlangte er durch seine Rollen als »Der Bockerer« und »Mundl«.

© CC BY-SA 3.0 / Foto: Manfred Werner

Karl Merkatz beim Austrian Film Award der Akademie des Österreichischen Films 2013

„Karl Merkatz‘ Tod ist ein unersetzlicher

Verlust für das heimische Kulturleben“,

zeigte sich Wiens Bürgermeister Michael

Lud wig „bestürzt über das Ableben des grossen

Volksschauspielers“. Und Ludwig weiter:

„Karl Merkatz revolutionierte mit der kontroversiellen

Figur des Elektrikers Ed mund

Sackbauer das heimische Fernsehen. Kein

anderer Serien-Charakter polarisierte da mals

das Publikum so stark wie ,der Mundl‘. Er

war so etwas wie ein früher ,Wutbürger‘.

Doch bei aller Grantigkeit hatte dieser be -

reits sprichwörtlich gewordenen ,echte Wiener,

der nicht untergeht‘, letztendlich das

Herz immer am rechten Fleck.“

Und der Stadtchef weiter: „Doch neben

dem aufbrausenden Anti-Helden aus Ernst

Hinterbergers legendärer ORF-Serie schuf

Karl Merkatz noch eine andere typisch wienerische

Figur, die uns allen ans Herz ge -

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

131

wachsen ist: den ,Bockerer‘. In den gleichnamigen

Verfilmungen von Franz Antel nach

der genialen Stückvorlage von Ulrich Be -

cher und Peter Preses gab Merkatz jenen

Wienerinnen und Wienern Gestalt, die sich

weigerten, sich von der antisemitischen Hetze

der Nationalsozialisten nach dem sogenannten

,Anschluß‘ duckmäuserisch vereinnahmen

zu lassen. Karl Merkatz‘ Bockerer wurde

dadurch zum Inbegriff von bodenständigem

Eigensinn und eigenwilliger Zivilcourage.“

„Die Stadt Wien“, so Ludwig, „würdigte

Karl Merkatz, diesen vielseitigen Ausnahme-Schauspieler

und Menschendarsteller,

mit der Ehrenmedaille in Gold für seine Verdienste

um das Wiener Theater und als un -

vergleichlichen Darsteller typisch wienerischer

Charaktere.“

n

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Merkatz

https://www.youtube.com/results?search_query=der+bockerer


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Personalia

US-Preis für Quantenphysiker

Hannes Pichler

132

Die Mit 100.000 US-Dollar dotierte Auszeichnung wird an

Nachwuchswissenschaft lerInnen verliehen, die bereits

erheblichen Einfluß auf ihr Fachgebiet ausgeübt haben.

Der Breakthrough Prize wird seit 2012

vergeben und ist der höchstdotierte

Wissenschaftspreis der Welt. Neben den

Hauptpreisen vergibt die von Internetpionieren

um Mark Zuckerberg geschaffene Stiftung

auch eine Reihe von Nachwuchspreisen.

Am 22. September hat die Breakthrough

Prize Foundation bekanntgegeben, daß der

Theoretische Physiker Hannes Pichler vom

Institut für Theoretische Physik der Universität

Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik

und Quanteninformation der Österreichischen

Akademie der Wissenschaften

mit dem „New Horizons Prize in Physics“

ausgezeichnet wird. Zusammen mit Hannes

Bernien (University of Chicago), Manuel

Endres (California Institute of Technology),

Adam Kaufman (University of Colorado),

Kang-Kuen Ni (Harvard University) und

Jeff Thompson (Princeton University) erhält

Hannes Pichler den Preis „für die Entwick -

lung von optischen Fallen für neutrale Ato -

me und deren Anwendung in Quanteninformationsverarbeitung,

Metrologie und Molekülphysik“.

Pichler forscht auf den Gebieten Quantenoptik,

Quanteninformationsverarbeitung

und Quantenvielteilchenphysik. Seit mehreren

Jahren beschäftigt er sich insbesondere

mit der Physik von einzeln gefangenen neutralen

Atomen. In diesen Systemen kann eine

große Anzahl von Atomen mit optischen Pin -

zetten gezielt in beliebigen Strukturen angeordnet

werden. Mithilfe von Laserlicht können

diese Atome in hochangeregte Zustände,

sogenannte Rydbergzustände, versetzt werden

und dadurch miteinander verschränkt

werden. Die Arbeit von Hannes Pichler und

seinen Kollegen hat gezeigt, wie man damit

verschiedenste Quantenalgorithmen ausführen

kann, und neue Möglichkeiten zur Realisierung

von Quantencomputern eröffnet.

Dar über hinaus hat sich der von Pichler verfolgte

Ansatz auch auf dem Gebiet der Quan -

tensimulation bewährt und dort beispielsweise

zur Entdeckung von neuen Quan -

tenphänomenen geführt.

Foto: M.R.Knabl

Foto: Universität Innsbruck

Quantenphysiker Hannes Pichler wurde

mit dem New Horizons Prize in Physics

ausgezeichnet.

Zur Person

Hannes Pichler, geboren 1986 in Brixen

(Südtirol), hat an der Universität Innsbruck

Physik studiert und in der Arbeitsgruppe von

Peter Zoller promoviert. Von 2016 bis 2019

war er an der Harvard University als ITAMP

Postdoctoral Fellow und von 2019 bis 2020

am California Institute of Technology als

Gordon und Betty Moore Postdoctoral Fellow

tätig. Pichler ist seit Juni 2020 Professor

für Theoretische Physik mit dem Schwerpunkt

Quantenoptik an der Universität Innsbruck

und Arbeitsgruppenleiter am Institut

für Quantenoptik und Quanteninformation

(IQOQI) in Innsbruck.

Hochdotierte Auszeichnung

Der Breakthrough Prize wird in diesem

Jahr zum elften Mal verliehen. Die Auszeichnung

wird in den Bereichen Biowissenschaften,

Physik und Mathematik verliehen

und ist mit jeweils 3 Millionen US-Dollar do -

tiert. Zusätzlich werden jedes Jahr jeweils bis

zu drei Preise an Nachwuchswissenschaft -

lerInnen in Physik und Mathematik sowie

bis zu drei weitere Auszeichnungen an junge

Mathematikerinnen verliehen. Diese sind mit

jeweils 100.000 US-Dollar dotiert. Der Break -

through Prize wurden von Sergey Brin, Priscilla

Chan und Mark Zuckerberg, Yuri und

Julia Milner sowie Anne Wojcicki ins Leben

gerufen.

n

https://iqoqi.at/

https://breakthroughprize.org/

https://www.youtube.com/watch?v=Uv4PM7UGZpg

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Religion und Kirche

Beziehungen zu den

Orient-Christen vertiefen

133

Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof

Franz Lackner, war in Istanbul bei Syrisch-orthodoxer und Armenisch-apostolischer

Kirche zu Gast – Visite auch im ersten Kirchenneubau in Istanbul seit 100 Jahren

Foto: Erzdiözese Salzburg / Georg Pulling

Mutter emerita Perpetua Hilgenberg, Erzbischof Franz Lackner, der Ökumenische Patriarch

Bartholomaios I., Prof. Grigorios Larentzakis, Alterzbischof Alois Kothgasser, Alfons Kloss

(„Pro Oriente“) und Metropolit Arsenios Kardamakis

Zu vertieften Beziehungen mit den Christen

der orientalischen und orthodoxen

Kirchentraditionen hat der Vorsitzende der

Ös terreichischen Bischofskonferenz, der

Salz burger Erzbischof Franz Lackner, aufgerufen.

Lackner hat Anfang Oktober gemeinsam

mit dem orthodoxen Metropoliten von

Ös terreich, Arsenios (Kardamakis), und einer

hochrangigen Delegation der Stiftung „Pro

Oriente“ Istanbul besucht. Er sei beeindruckt,

so der Erzbischof, wie intensiv die Christen

vor Ort unter den eingeschränkten Bedingun -

gen ihren Glauben leben würden. Die Wurzeln

des Christentums würden in der Region

des Nahen Ostens liegen. Deshalb brauche

es den intensiven Kontakt mit den Kirchen

dieser Region. „Die Beziehungen dürfen

nicht abreißen“, so der Appell Lackners.

Die Delegation aus Österreich besuchte

am 3. Oktober unter anderem die neue

syrisch-orthodoxe Kirche im Stadtteil Bakirkoy,

wo sie von Metropolit Mor Filuksinos

Yusuf Cetin empfangen wurde. Der Kirchenneubau

ist der erste in Istanbul seit 100 Jahren.

Die Kirche soll Platz für rund 700 Personen

bieten. Neben dem eigentlichen Kirchenraum

gibt es zwei Obergeschoße mit

Ver sammlungsräumen und eine Tiefgarage

mit Parkplätzen. Der Rohbau ist weitgehend

fertig, der Innenausbau steht freilich noch

an. Man hoffe, bis zum Jahresende mit den

Ar beiten fertig zu werden, so Metropolit

Cetin.

Die Angaben über die Zahl der syrischorthodoxen

Christen in Istanbul schwanken

zwischen 12.000 und 17.000. Die Syrisch-or -

thodoxe Kirche besitzt in Istanbul im Stadtteil

Tarlabasi in Beyoglu eine im 19. Jahrhundert

gebaute Kirche mit angeschlossenem

Gemeindezentrum, wo auch Bischof

Cetin residiert. Die Kirche ist aber längst zu

klein. Deshalb bemühte man sich schon des

längeren um eine zweite Kirche. Derweilen

genossen und genießen die syrisch-orthodoxen

Gläubigen Gastfreundschaft in einigen

katholischen Kirchen. Metropolit Cetin dank -

te stellvertretend dafür Erzbischof Lackner;

ebenso Metropolit Arsenios, denn die Griechisch-orthodoxe

Kirche in Istanbul stellt

den Syrisch-orthodoxen einen Teil eines or -

thodoxen Friedhofs zur Verfügung.

Das Grundstück, auf dem nun die neue

syrische Kirche gebaut wird, war der Katholischen

Kirche im Jahr 1868 von einem Ge -

meindemitglied vermacht und als Friedhof

genutzt worden. Auf dem Gelände befindet

sich auch noch eine kleine katholische Friedhofskapelle.

Im Jahr 1950 wurde das Areal vom Staat

eingezogen und in städtischen Be sitz überführt,

der Friedhof wurde geschlossen. 2009

ordnete der damalige Premierminister Recep

Tayyip Erdogan die Istanbuler Stadtverwaltung

an, nach einem Grundstück für den Kirchenbau

zu suchen. Den Plan für den Neubau

hatte offiziell bereits 2015 der damalige

Ministerpräsident Ahmet Davatoğlu verkündet.

Dann hatte aber nochmals die türkische

Bürokratie den Baubeginn für mehrere Jahre

verzögert. Die feierliche Grundstein legung

erfolgte schließlich 2019.

Metropolit Cetin kündigte gegenüber der

Österreich-Delegation an, daß man sich nach

der Fertigstellung der Kirche auch um die

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Renovierung des Friedhofs und der katholischen

Kapelle annehmen werde. „Die neue

Kirche ist eine Kirche nicht nur für die

Syrisch-orthodoxen, sondern für alle Christen“,

so der Metropolit wörtlich. Und er

fügte hinzu: „Wir sind eine Familie. Jesus

Christus verbindet uns.“

Im armenischen Patriarchat

Am 3. Oktober war die Delegation auch

beim armenischen Patriarchen von Istanbul,

Sahak II. (Mashalian), zu Gast. Laut dem

armenischen Patriarchen leben in der Türkei

maximal noch 85.000 Christen. Angesichts

von 85 Millionen Türken könne man bei 0,1

Prozent der Bevölkerung eigentlich nicht ein -

mal mehr von einer Minderheit sprechen, so

der Patriarch. Er bezeichnete die Situation

auch als „demografische Katastrophe“.

Dennoch versuche die armenische Kirche,

die noch bis zu 60.000 Mitglieder zählt,

das kirchliche und gesellschaftliche Leben

aufrechtzuerhalten. Noch gibt es 17 armenische

Schulen mit insgesamt rund 3.000

SchülerInnen, drei armenischsprachige Ta -

geszeitungen und einer Reihe von armeni-


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Religion und Kirche

134

schen Kulturorganisationen. Die Schulen dür -

fen laut Gesetz nur von armenischen Kindern

besucht werden.

Die überwiegende Mehrheit der armenischen

Christen, die freilich alle türkische

Staatsbürger sind, lebt in Istanbul. Die überwiegende

Mehrheit der armenischen Christen,

die türkische Staatsbürger sind, lebt in

Istanbul. Während der jüngsten Kämpfe zwischen

Aserbaidschan und Armenien mußte

die Polizei die bestehenden Schutzmaßnahmen

für das armenische Patriarchat bzw. die

angrenzende Kathedrale verstärken.

Der Patriarch betonte im Gespräch auch,

daß es für die Christen zwar viele Probleme

im Land gebe, die Situation sich seit dem

Regierungsantritt der AKP aber deutlich verbessert

habe.

Besuch beim

Ökumenischen Patriarchen

Am 2. Oktober war die Österreich-Delegation

vom Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios

empfangen worden. Lackner wie

auch Bartholomaios bekannten sich bei dem

Austausch zu verstärkten Bemühungen in der

Ökumene wie auch zum Einsatz für Frieden

in der Welt. Bei dem Empfang im Phanar,

dem Amtssitz des Patriarchen, wurde auch

gemeinsam für den Frieden und die Einheit

der Kirchen gebetet. Vor dem Empfang nahm

die Delegation an der sonntäglichen Göttlichen

Liturgie in der Georgskathedrale im

Phanar teil.

Metropolit Arsenios, der gemeinsam mit

„Pro Oriente“ die Reise vorbereitet hatte, zog

eine positive Bilanz der zahlreichen Begegnungen.

Solche Besuche vor Ort würden zum

einen die Präsenz der kleinen christlichen

Minderheit stärken, zum anderen seien sie

ein wichtiger Schritt für vertiefte ökumenische

Beziehungen.

Erzbischof Lackner dankte „Pro Oriente“

für das international anerkannte Engagement,

das auch von den Gastgebern in Istanbul

deutlich gewürdigt worden war. Er nahm

die Stiftung für eine Weiterführung ihres ge -

samtkirchlich wichtigen Dienstes aber auch

in die Pflicht. „Pro Oriente“-Präsident Kloss

hob hervor, daß die Reise wieder einmal

deutlich gemacht habe, wie wichtig alle ökumenischen

Bemühungen seien. Die ChristInnen

müßten sich gemeinsam den vielfältigen

Herausforderungen der Gegenwart stellen,

so der Appell des Präsidenten. „Pro Oriente“

wer de sich dafür im Rahmen der Möglichkei -

ten der Stiftung nach Kräften einsetzen. n

https://eds.at/

https://www.pro-oriente.at/

Alle Fotos: Erzdiözese Salzburg / Michael Vereno

Erzbischof Lackner mit dem Metropoliten Mor Filuksinos Yusuf Cetin und mit …

… Erzbischof Boghos Levon Zekian (armenisch-katholischer Erzbischof von Istanbul) und

Alterzbischof Alois Kothgasser …

… und bei der Heiligen Messe in der Kirche der österreichischen St.-Georgs-Gemeinde Istanbul

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Religion und Kirche

75 Jahre Evangelische

Superintendenz Steiermark

Ein Festakt am Reformationstag bildete

den Abschluß der Jubiläumsfeierlichkeiten

zum 75jährigen Bestehen der Evangelischen

Superintendenz Steiermark. Zahlreiche

aktive wie auch ehemalige VertreterInnen

von Kirchen und Religionsgemeinschaften,

aus der Politik und dem öffentlichen Le -

ben waren am 31. Oktober der Einladung in

die Grazer Heilandskirche gefolgt.

Axmann: Vielfalt als Bereicherung

„Tatsächlich findet sich einiges, was die

Steiermark ausmacht und zugleich typisch

protestantisch ist“, sagte Superintendentialkurator

Michael Axmann in seiner Begrüssung.

So sei die Steiermark etwa eine „Hoch -

burg der Innovation“ und ein wissenschaftsfreundliches

Land, die Evangelische Kirche

verstehe sich als Kirche, „die Glauben und

Aufklärung zusammen denkt“. Im Hinblick

auf die Evangelische Kirche als eine Kirche

des Wortes verwies Axmann auf bedeutende

steirische Literaten und daß dem Buch hier

eine besondere Bedeutung zukomme. Oft

wer de auch vom steirischen Klima gesprochen,

„daß man das Gemeinsame über das

Trennende stellt“. Miteinander zu ringen sei

christlich, und „das Ganze in demokratischer

Form zu tun, ist Evangelischen besonders

wichtig“. Nicht zuletzt sei es auch die Vielfalt,

die sowohl Superintendenz wie auch das

Bundesland auszeichne. Aufgrund verschiedener

Wurzeln und Gegebenheiten habe das

Lutherische in der Steiermark viele Facetten.

Diese Vielfalt werde „als Bereicherung empfunden,

bei allen Spannungen, die mit den

Unterschieden einhergehen“. „Wenn man

sich reformatorischen Grundsätzen verbunden

fühlt, ist die Steiermark ein gutes Land

zum Leben“, unterstrich Axmann.

Rehner: Jubiläum im Zeichen des Dankes

Vor genau 500 Jahren traf die reformatorische

Botschaft im Raum Schladming ein,

erinnerte Superintendent Wolfgang Rehner.

Mit Blick auf das Jahr 1947 sei er dankbar

für „für die immer wieder erfahrene Erneuerung

des evangelischen Lebens in der Steiermark“,

für das spätere Entstehen neuer Pfarrgemeinden,

die Errichtung von Kirchen und

Pfarrhäusern, die Gestaltung des evangelischen

Lebens in Gemeinden, Arbeitszweigen,

Foto: Evangelischer Pressedienst für Österreich / Neuhold

v.l.: Superintendentialkurator Michael Axmann, Landeshauptmann Christopher Drexler,

Univ.Prof. Michaela Sohn-Kronthaler mit der neuen Festschrift, Altbischof Michael Bünker

und Superintendent Wolfgang Rehner

Werken und Bereichen. Auch Rehner betonte

die gute ökumenische Zusammenarbeit und

dankte für den gemeinsamen Einsatz für Frie -

den und die Rechte der Minderheiten im Dia -

log mit den Religionsgemeinschaften, aber

auch für den Dialog mit den Kräften aus

Gesellschaft und Öffentlichkeit im Bemühen

um „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung

der Schöpfung“. Dankbar sei er letztlich

auch „für die frohe Zuversicht, daß unser

Glaube in Zeiten der vielfachen Krisen Halt

und Hoffnung vermittelt“.

Drexler: Dank für

evangelische Tugenden

Beeindruckt von den „Tugenden der Evan -

gelischen Kirche, die in der Steiermark sichtbar

werden“, zeigte sich beim Festakt Landeshauptmann

Christopher Drexler. Er würdigte

den „intellektuellen Tiefgang, die un -

glaubliche Fähigkeit zur Selbstreflexion und

den reflektierten Zugang zur eigenen Ge -

schich te“. Historisches Bewußtsein sei „notwendig,

aber nicht selbstverständlich“, so der

Landeshauptmann. Er dankte für den pro -

testantischen Beitrag zur Gesellschaft, „ohne

die Evangelische Kirche wäre die Steiermark

eine ärmere Region“. Die Dialogfähig -

keit gelte es mit in die Zukunft zu nehmen,

gerade in schwierigen Zeiten könnten Kirchen

und Religionsgemeinschaften „Zuversicht

und Perspektiven“ einbringen, Drexler.

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135

Bünker: Das Evangelium leben

und Verantwortung wahrnehmen

In seinem Festvortrag „Evangelisch auf

Steirisch“ kam der frühere evangelisch-lu -

therische Bischof Michael Bünker auf die

Entstehung und Entwicklung der Diözese zu

sprechen. Bereits nach der Wahl des ersten

steirischen Superintendenten Leopold Achberger

kurz nach dem Zweiten Weltkrieg habe

sich das wechselseitige Verhältnis von selbständigen

Kirchengemeinden vor Ort und Su -

perintendenz gezeigt. Um aus den einzelnen

Gemeinden miteinander Kirche werden zu

lassen, „dafür gibt es als erste Ebene übergemeindlicher

Kirchenleitung die Superintendenz“.

In der Steiermark liegt heute die zahlenmäßig

kleinste evangelische Pfarrgemeinde

Österreichs (Eisenerz) und zugleich die zahlenmäßig

größte (Graz-Heilandskirche). In

der Ramsau sind rund 85 Prozent der Bevölkerung

evangelisch, in manchen Gebieten der

Oststeiermark nicht einmal 0,5 Prozent. Ausserdem

gebe es, so Bünker, unter den Pfarrerinnen

und Pfarrern eine enorme theologische

Bandbreite.

Angesichts dieser Heteroge nität der

Superintendenz sei Leitung auf al len Ebenen

„immer auch Widerspruchsmanagement“ mit

dem Bemühen, „daß der Frieden gehalten

wird“.

n

https://evang.at/kirche/ueberblick/steiermark/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Religion und Kirche

70 Jahre Evangelische Superintendenz

Niederösterreich

136

Foto: Evangelischer Pressedienst für Österreich / Neuhold

Superintendentialkuratorin Gisela Malekpour und Superintendent Lars Müller-Marienburg vor der Festversammlung im NÖ Landhaus

Mit einem Festakt im niederösterreichischen

Landtag hat die evangelische Su - die im Evangelium begründet ist

Bischof Chalupka: Hoffnung spenden,

perintendenz Niederösterreich am 21. Okto -

ber ihr 75jähriges Jubiläum gefeiert. Die

Festsitzung der Superintendentialversammlung,

in der Delegierte aus allen niederösterreichischen

Pfarrgemeinden zusammenkommen,

bildete den Abschluß der Feierlichkeiten

im Jubiläumsjahr.

Superintendentialkuratorin Malekpour:

Hoffnungsvoller Blick in die Zukunft

„Die 75 Jahre waren reich an Arbeit und

mancher Unwegsamkeit, aber viel reicher an

Freude und Gemeinsamkeit, das wirft einen

hoffnungsvollen Blick in die Zukunft“, sagte

die niederösterreichische Superintendentialkuratorin

Gisela Malekpour, die gemeinsam

mit Superintendent Lars Müller-Marienburg

an der Spitze der Superintendenz steht und

durch die Festsitzung im Landtagssaal führte.

„Die Evangelische Kirche mußte sich

nach dem Versagen im Zweiten Weltkrieg

völ lig neu aufstellen“, erinnerte Bischof Mi -

chael Chalupka an das Gründungsjahr. Das

Jubiläum präge heute Dankbarkeit und De -

mut, „Dankbarkeit, daß es uns noch gibt, und

Demut, daß wir diese Herausforderung ange -

nommen haben“. Der Auftrag der Kirchen sei

durch alle Jahrzehnte und Jahrhunderte

gleich geblieben: „Trost und Hoffnung spenden,

die begründet ist im Evangelium.“ Das

gelte in Zeiten multipler Krisen ganz beson -

ders.

Superintendent Müller-Marienburg:

Wertschätzendes Zeichen

Daß die kirchliche Festversammlung im

Landtagssitzungssaal stattfinden konnte –

zuletzt war dies 1981 anläßlich der Feiern

zum 200-Jahr-Jubiläum des Toleranzpatents

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

der Fall – ist für Superintendent Lars Müller-

Marienburg „nicht selbstverständlich, sondern

ein wertschätzendes Zeichen, daß das

Land die Evangelische Kirche als Partnerin

und selbstverständlichen Teil dieses Landes

sieht“. Der Auftrag der Kirche ende nicht an

den Kirchenmauern. „Auch wenn wir wenige

sind, sind wir nicht für uns selbst da, sondern

arbeiten für alle, die hier leben und uns

brauchen“, so der Superintendent. In der Zu -

sam menarbeit mit dem Land sei es dabei

„auch normal, daß wir mitunter abweichende

Meinungen haben“.

Landtagspräsident Wilfing:

Signal der Verbundenheit

Die Gratulation des Landes überbrachte

Landtagspräsident Karl Wilfing, der die er -

krankte Landeshauptfrau vertrat. Die Festsitzung

im Landtagssaal sieht Wilfing als „Signal

der Verbundenheit und des Miteinan -

ders“, das über Jahrzehnte gelebt werde


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Religion und Kirche

137

Foto: Evangelischer Pressedienst für Österreich / Neuhold

v.l.: Synodenpräsident Peter Krömer, Bischof Michael Chalupka, Gastgeber Landtagspräsident Karl Wilfing,

Superintendent Lars Müller-Marienburg und der Theologe und Journalist Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach.

„und das wir auch in die Zukunft tragen wollen“.

Schon früh habe der Protestantismus in

Niederösterreich Fuß gefaßt, der Landtagspräsident

erinnerte dabei etwa an die protestantischen

Bauherrn der Schallaburg. Die

Evangelische Kirche zeichne heute „Gemein -

sinn, Verständnis für andere und Verantwortung

für die Schöpfung aus“, erklärte Wilfing.

In der Gegenwart gebe es eine intensive

Zusammenarbeit etwa bei der Renovierung

von Kirchen oder im sozialen Bereich mit

der Diakonie. Es bleibe Auftrag der Kirchen,

Orientierung zu geben, meinte der Landtagspräsident,

denn „wer das Glück hat, einen

festen Glauben zu haben, tut sich leichter in

diesen schwierigen Zeiten“.

Synodenpräsident Krömer: Niederösterreich

»überstark repräsentiert«

Die Bedeutung Niederösterreichs in der

gesamtösterreichischen Evangelischen Kirche

unterstrich Synodenpräsident Peter Krömer,

NiederösterreicherInnen seien hier

„überstark repräsentiert“. Der St. Pöltner

Rechtsanwalt wies darauf hin, daß die Super -

intendenz Niederösterreich als einzige in den

letzten Jahren deutlich gewachsen sei, denn

Pfarrgemeinden am Rand von Wien und im

Weinviertel, die ursprünglich zur Superinten -

denz Wien gehört hatten, wurden in die nie -

derösterreichische Superintendenz integriert.

Superintendent Geist:

»Wohlmeinendes Miteinander«

Für den Wiener Superintendenten Mat -

thias Geist, der ebenfalls Glückwünsche zum

Jubiläum überbrachte, ist das „eine wohlweislich

gut überlegte Entscheidung“, denn

vor allem im Umgang mit Behörden sei vieles

klarer geworden. Heute bestimme ein

Foto: Evangelischer Pressedienst für Österreich / Neuhold

Superintendentialkuratorin Gisela Malekpour

„wohlmeinendes Miteinander“ die Zusam -

menarbeit zwischen den Diözesen.

Lünenbürger-Reidenbach:

Solidarisch mit anderen Minderheiten

Die Festrede im Landtagssaal hielt der in

Norddeutschland lebende Theologe, Journalist

und Pferdezüchter Wolfgang Lünen -

bürger-Reidenbach. Er wandte sich deutlich

gegen einen „Normalitarismus“, den er als

„klei ne Schwester des Autoritarismus“ be -

zeichnete. „Wer von normal redet, ist auf hal -

bem Weg in ein autoritäres System“, sagte

Lünenbürger-Reidenbach. Eine liberale Ge -

sellschaft kenne keinen Normalitarismus

oder Leitkultur, sondern schaffe „Regeln, die

für alle fair sind“.

Die Gesellschaft in Österreich wie in

Deutschland sieht Lüdenbürger-Reidenbach

am Übergang in die „Minderheitenmehrheit“,

dabei helfe die Erfahrung als Minderheit.

Aufgabe einer Minderheit wie der Evangelischen

Kirche sei es, „in Solidarität mit anderen

Minderheiten für Achtsamkeit und Aufmerksamkeit

einzutreten, dem Normalitaris -

mus entschlossen entgegenzutreten und die

liberale Gesellschaft zu feiern“. Eine Gesellschaft,

in der Menschen für ihre Identität ein -

stehen, sei eine „bessere Gesellschaft, die

mehr Freiheit für Menschen bietet“. Die Evan -

gelische Kirche könne hier wichtige Treiberin

sein hin zu einer achtsameren Ge sellschaft

mit Minderheitenmehrheit. Gleich zeitig könne

sie Beispiel geben, „daß es nicht schlimm

ist, Minderheit zu sein und so Botschafterin

einer liberalen Gesellschaft sein“.

Die Feierlichkeiten zu ihrem 75jährigen

Bestehen begann die evangelische Superintendenz

Niederösterreich mit einem Festgottesdienst

und einem multireligiösen Friedensgebet

am 23. Jänner in Baden. Die Feier

erinnerte an die erste Sitzung der demokratisch

gewählten Superintendentialversammlung,

die auf den Tag genau vor 75 Jahren in

Baden stattgefunden hatte. Im Zeichen des

Jubiläums stand auch der Kirchentag im Juni

in Waidhofen a.d.Ybbs, die Festsitzung im

Landtag beschloß nun den Festreigen.

Die Superintendenz (Diözese), deren Sitz

heute in St. Pölten liegt, wurde 1947 in Ba den

gegründet. Bis dahin hatten die niederösterreichischen

Pfarrgemeinden zur Superintendenz

Wien gehört. Die Gemeinden Purkerdorf,

Klosterneuburg, Stockerau, Bruck/Leitha,

Korneuburg, Straßhof, Mistelbach und

Schwechat kamen erst ab 1990 sukzessive

von der Wiener zur niederösterreichischen

Diö zese. Mit Stand 2021 gehörten 36.118

Menschen in 28 Pfarrgemeinden der Evange -

lischen Kirche A.B. in Niederösterreich an. n

https://noe-evang.at/

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

138

300 Jahre Erzdiözese Wien

Der lange Weg zum Erzbistum – Themenschwerpunkt zum Jubiläum vom

Wiener Stadt- und Landesarchiv zusammen mit dem Diözesanarchiv Wien

Anläßlich des Jubiläums „300 Jahre Erzdiözese

Wien“ hat das Wiener Stadt- und

Landearchiv im Wien Geschichte Wiki zu -

sammen mit dem Diözesanarchiv Wien einen

Themenschwerpunkt erarbeitet. Darin werden

die Verwaltung der Erzdiözese Wien, ihre

Bischöfe, ihre Institutionen (Schulen, Or -

den) und Baudenkmäler (Kirchen, Kapellen,

kirchliche Kleindenkmäler) behandelt. Darüber

hinaus werden Erklärungen wesentlicher

Begriffe geboten, die mit der Erzdiözese

Wien und der katholischen Kirche in

Wien in Zusammenhang stehen.

Kardinal Christoph Schönborn

Kardinal Christoph Schönborn führt aus:

„In Wien prägen die zahlreichen katholischen

Kirchen, Kapellen und Denkmäler damals

wie heute das Stadtbild Wiens maßgeblich.

Kaum anderswo findet sich so eine große

Dich te an Kirchenbauten. Wien war seit je -

her ein Schmelztiegel der Völker. Das hat

der Stadt eine hohe Bandbreite in der Sakralarchitektur

geschenkt, sowohl in kultureller

als auch in architektonischer Hinsicht. Kirche

ist aber mehr als nur ein Gebäude aus

Stein. Sie ist lebendige Gemeinschaft, die mit

Jesus verbunden ist. Als vor 300 Jahren das

kleine Bistum Wien zur Erzdiözese erhoben

wurde, war die pastorale Sorge des Wiener

Bischofs und späteren Kardinals Sigismund

von Kollonitz die Errichtung von neuen Gottesdienststätten

und Pfarren angesichts der

Bevölkerungszunahme und die Verbesserung

der Bildung des Klerus. Heute, 300 Jahre da -

nach, stehen wir vor neuen Herausforderungen:

Unseren Glauben und unsere Hoffnung

in die Sprache der Menschen von heute zu

übersetzen und die steingewordenen Glaubenszeugnisse

der Vergangenheit an die Be -

dürfnisse der heutigen Zeit anzupassen.“

Kultur- und Wissenschaftsstadträtin

Veronica Kaup-Hasler

Wiens Kultur- und Wissenschaftsstadträtin

Veronica Kaup-Hasler meint: „Das Wiener

Stadt- und Landesarchiv wird seiner ge -

sellschaftlichen Rolle als Wissensspeicher der

Stadt nicht nur mit der wichtigen archivarischen

Arbeit gerecht, sondern schlägt auch

immer wieder aufs Neue Brücken zur interessierten

Öffentlichkeit. Es freut mich, daß

© Wikipedia / / CC-BY 4.0 /

Der Wiener Stephansdom

in Pierers Universal-Lexikon, 1891

in Kooperation mit dem Diözesanarchiv Wien

nun die Geschichte der Erzdiözese Wien nicht

nur mit digitalisierten Originalquellen neu er -

schlossen wird, sondern auch mit einer Ausstellung

und der für Jänner geplanten Ta -

gung zum Erhebungsakt 1723 und seinen

Folgen die Öffentlichkeit angesprochen

wird.“

Der Weg zur Erzdiözese Wien

Die Geschichte des Bistums bzw. der

Diözese Wien als eigenständige kirchliche

Verwaltungseinheit reicht bis ins ausgehende

Mittelalter zurück. Unter Kaiser Friedrich

III. erfolgte im Jahr 1469 die Gründung des

Bistums Wien. Die anfangs kleine Diözese

wurde zunächst provisorisch von Administratoren

verwaltet und erhielt erst 1513 ihren

ersten Bischof.

Im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts

festigten sich im Rahmen der Reformation

und Gegenreformation die Lehren und

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Praktiken der katholischen Konfession. Ab

dem 17. Jahrhundert war die weltliche Verwaltung

des Landesfürsten so eng mit der

katholischen Kirche verbunden, daß sich der

für Österreich typische Barockkatholizismus

voll ausprägen konnte. Im 17. und 18. Jahrhundert

entstanden daher auch in Wien zahlreiche

katholische Kirchen, Kapellen und

Denkmäler, die das Stadtbild noch heute prägen

und von der Erzdiözese Wien verwaltet

werden. Die Erzdiözese Wien wurde ab dem

Jahr 1631 auch formell aufgewertet, indem

die Wiener Bischöfe zu Reichsfürsten er -

nannt wurden und sich fortan Fürstbischöfe

nennen durften.

Die Erhebung zur Erzdiözese

Die Erhebung Wiens zur Erzdiözese er -

folgte 1722/1723 durch eine Bulle Papst In -

nozenz XIII. vom 1. Juni 1722, die jedoch

erst am 14. Februar 1723 in Wien eintraf.

Der feierliche Festakt zur Erhebung wurde

am 24. Februar veranstaltet. Der Wiener

Bischof Sigismund Kollonitz durfte sich ab

1722 als Erster Fürsterzbischof von Wien

nennen und erhielt auch die Kardinalswürde,

die fortan an alle Wiener Erzbischöfe verliehen

wurde.

Durch die Reformen Josephs II. erreichte

die Erzdiözese Wien gegen Ende des 18.

Jahrhunderts in etwa ihre heutige Ausdehnung

und umfaßte nun auch die östlichen

Regionen Niederösterreichs. Das Verwaltungsgebiet

der Erzdiözese Wien schloß von

1922 bis 1960 auch die neu gegründete Diözese

Eisenstadt mit ein, die schließlich 1960

einen eigenen Bischof erhielt. Zur leichteren

Verwaltung des umfangreichen Gebietes der

Erzdiözese Wien wurden 1969 weitere grössere

Strukturreformen durchgeführt. Heute

besteht die Erzdiözese Wien aus drei Vika -

riat en, von denen das Vikariat Wien Stadt im

We sentlichen das Wiener Stadtgebiet um -

faßt.

Originaldokumente online

Die Artikel des Themenschwerpunkts sind

mit digitalisierten Originalquellen verbunden

und verweisen auf Quellen, die im Wiener

Stadt- und Landesarchiv sowie im Diözesanarchiv

Wien verwahrt werden. n

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erzdiözese_Wien


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Religion und Kirche

Zisterzienser aus Vietnam

besuchen Stift Heiligenkreuz

139

Eine hochrangige Delegation aus der weltweit größten Kongregation des

Zisterzienserordens dankte für Aufnahme vietnamesischer Patenstudenten

an Hochschule Heiligenkreuz – Abtpräses Heim: »Diese Mitbrüder sind

Brückenbauer zwischen Klöstern, Kulturen und Kontinenten.«

Foto: Stift Heiligenkreuz

Abtpräses Abt Maximilian Heim mit Abtpräses Johannes XXIII. Nguyn (Bildmitte) und der Deleagation aus der Abtei Phuoc Son

Eine hochrangige Delegation der Zisterzienserkongregation

„"Von der Heiligen hat.

der Österreichischen Zisterzienserkongrega-

von 9. bis 22. Oktober in Rom stattgefunden den Seiten“, so Heim, der auch Abtpräses

Familie“ aus Vietnam war Ende Oktober im

nie derösterreichischen Stift Heiligenkreuz zu

Gast. An der Hochschule Heiligenkreuz werden

seit vielen Jahren vietnamesische Mönche

als Patenstudenten für weiterführende

Stu dien aufgenommen, wie das Wienerwaldstift

mitteilte. Die vietnamesische Delegation

unter Leitung von Abtpräses Johannes

XXIII. Nguyn aus der Abtei Phuoc Son habe

bei dem Besuch am 27. Oktober der Österreichischen

Zisterzienserkongregation und

dem Stift Heiligenkreuz für diese Zusammenarbeit

gedankt. Der Besuch folgte auf das

Generalkapitel des Zisterzienserordens, das

„Daß Studenten aus Vietnam zu uns kommen

ist keine Einbahnstraße, sondern eine

ge genseitige Bereicherung, weil die viet -

name sischen Mönche auch unsere Gemeinschaft

inspirieren und stärken. Diese Mitbrüder

sind Brückenbauer zwischen den Klöstern,

den Kulturen und Kontinenten“, freute

sich der Heiligenkreuzer Abt Maximilian

Heim über den Besuch. Die Zisterzienserkon -

gregation von Vietnam sei ein wesentlicher

Teil der Zukunft des Ordens. „Die Zeit der

Ausbildung junger Mönche in Heiligenkreuz

ist eine Gelegenheit für theologische, monastische

und menschliche Vertiefung auf beition

ist.

Abtpräses Johannes XXIII. Nguyn wurde

von vier weiteren Äbten, einer Äbtissin und

einer Priorin nach Heiligenkreuz begleitet.

Trotz der schwierigen politischen Situation

im offiziell kommunistischen Vietnam wächst

die 1918 begründete Zisterzienserkongregation

„Von der Heiligen Familie“ stark und ist

derzeit die weltweit größte Kongregation des

Zisterzienserordens. Sie besteht aus neun

Männerklöstern und drei Frauenklöstern mit

insgesamt mehr als 1.000 Ordensleuten. n

https://www.stift-heiligenkreuz.org/

http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Hauptseite

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Sensationsfund in Ephesos

ArchäologInnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnten ein

frühbyzantinisches Geschäfts- und Lokalviertel freilegen. Es ist die bedeutendste

Entdeckung in der Stadt seit vor 50 Jahren die inzwischen berühmten Hanghäuser

gefunden wurden.

140

Foto: ÖAW-ÖAI / Niki Gail

Das Grabungsareal am Domitiansplatz in Ephesos, links die angrenzende obere Agora, rechts die Kuretenstraße.

Bei den diesjährigen Ausgrabungen in

Ephesos in der Türkei haben ArchäologInnen

der Österreichischen Akademie der

Wissenschaften (ÖAW) ein hervorragend er -

haltenes frühbyzantinisches Geschäfts- und

Lokalviertel entdeckt. Das Areal wurde im

Jahr 614/615 n. Chr. offenbar plötzlich zerstört.

Der gesamte Hausrat in den Räumen

wurde von einer mächtigen Brandschicht ver -

siegelt und dadurch für die Nachwelt erhalten,

was heute einzigartige Momentaufnahmen

der damaligen Lebenswelt ermöglicht.

Damit ist der Fund – wenn auch zeithistorisch

völlig anders einzuordnen – vergleichbar mit

der archäologischen Stätte von Pompeji.

Grabung am Domitiansplatz

im Stadtzentrum

Der neu entdeckte Stadtteil liegt am

Domitiansplatz, einer prominenten Platzan-

Foto: ÖAW-ÖAI / Niki Gail

Die christlichen Pilgerampullen waren nur wenige Zentimeter groß und konnten um den Hals

getragen werden. Sie enthielten geheiligte Substanzen, wie etwa heiligen Staub, die so von

christlichen Pilgerstätten mitgenommen werden konnten.

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

141

lage direkt anschließend an das politische

Zentrum der römischen Stadt, der Oberen

Agora. Die hier 2022 durchgeführten Grabungen

sind Teil eines großen Forschungsprojekts,

das sich den Veränderungen der

Stadt zwischen römischer Kaiserzeit und

Spätantike widmet.

„Daß die ursprünglich große römische

Platzanlage in der Spätantike durch Geschäfte

und Werkstätten überbaut wurde, war zu

erwarten. Völlig unerwartet war jedoch der

Erhaltungszustand sowie der exakte Zerstörungszeitpunkt

und die daraus ableitbaren

Implikationen für die Stadtgeschichte“, sagt

Sabine Ladstätter. Sie ist Direktorin des Ös -

terreichischen Archäologischen Instituts der

ÖAW und leitet seit 2009 die Ausgrabungen

in Ephesos.

Amphoren mit Makrelen,

Geschäftskassen mit Goldmünzen

Bislang wurde auf einer Fläche von rund

170 Quadratmetern eine kleinteilige Verbauung

bestehend aus mehreren Geschäftslokalen

freigelegt. Der gesamte Gebäudekomplex

war bis in das Jahr 614/615 in voller Blüte,

davon zeugen die dort gefundenen Münzen.

Einzelne Räume dieses Viertels sind bis zu

3,4 Meter hoch erhalten und waren durch eine

massive Zerstörungsschicht komplett versiegelt.

Unter den Schichten kam ein unglaublich

reichhaltiges Inventar zum Vorschein. Ge -

funden wurde etwa unzähliges Geschirr, das

in die Tausende geht, darunter im Ganzen

erhaltene Schüsseln mit Resten von Meeresfrüchten

wie Herzmuschel oder Austern oder

Amphoren gefüllt mit eingesalzenen Makrelen.

Daneben fanden sich auch Kerne von

Pfirsichen, Mandeln und Oliven aber auch

verkohlte Erbsen und Hülsenfrüchte. Be -

sonders spektakulär sind vier zusammengehörige

Goldmünzen (Solidi) sowie mehrere

Geschäftskassen mit über 700 Kupfermünzen.

Bei den ausgegrabenen Räumen handelt

es sich um eine Garküche, einen Lagerraum,

eine Taberne, ein Geschäft für Lampen und

christliche Pilgerandenken sowie eine Werkstätte

mit angeschlossenem Verkaufsraum.

Einzigartig ist der Fund von rund 600 kleinen

Pilgerfläschchen, die christlichen Wallfahrern

hier verkauft wurden und um den

Hals getragen werden konnten.

„Dieser Fund in der Grabungsstätte von

Ephesos ist spektakulär und in seiner Bedeutung

gar nicht hoch genug einzuschätzen.

Hervorragend erhaltene Goldmünzen, Südfrüchte,

Amphoren, ja ein ganzes Geschäfts-

Alle Fotos: ÖAW-ÖAI / Niki Gail

In großen Mengen wurden auch Amphoren gefunden, manche davon stammen aus Ephesos(braun),

andere wurden aus Nordafrika importiert (beige).

Diese Becher waren offensichtlich das übliche Trinkgeschirr, aus dem Wein konsumiert wurde.

Numismatiker Nikolaus Schindel bei der Analyse der Münzfunde

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

142

Foto: ÖAW-ÖAI / Niki Gail

Bislang wurde auf einer Fläche von rund 170 m² eine kleinteilige Verbauung bestehend aus mehreren Geschäftslokalen freigelegt.

viertel konnten die Archäologinnen und Ar -

chäologen der ÖAW freilegen. Die Auswertung

der Fundstücke wird noch viele neue

Erkenntnisse über die damalige Zeit und die

Hintergründe der plötzlichen Zerstörung

bringen. Die ganze Akademie freut sich mit

Grabungsleiterin Sabine Ladstätter und ihrem

Team”, sagt ÖAW-Präsident Heinz Faßmann.

Zerstörung des Viertels

und die Sasaniden

„Der archäologische Befund zeigt uns

eine massive Brandzerstörung, die plötzlich,

dramatisch und folgenschwer gewesen sein

muß“, erklärt Sabine Ladstätter. „Den ge -

nauen Tag der Zerstörung wird man nicht

mehr feststellen können, aber die Auswertung

der vorgefundenen Früchte wird zumindest

die Jahreszeit klären.“ War es ein Erdbeben?

Darauf gibt es keinerlei Hinweise.

Weder sind Mauern verschoben, noch Böden

aufgewölbt. Es wurden auch keine menschlichen

Überreste geborgen.

Es fanden sich aber etliche Pfeil- sowie

Lanzenspitzen, die einen Hinweis auf eine

kriegerische Auseinandersetzung liefern.

Dazu paßt, daß um dieselbe Zeit in der rund

100 Kilometer von Ephesos entfernten türkischen

Stadt Sardis Münzfunde ebenfalls Zerstörungen

belegen. Diese wurden bereits früher

mit Einfällen der persischen Sasaniden

ins westliche Kleinasien in Verbindung ge -

bracht, was aber bisher in der Forschung um -

stritten ist.

Foto: ÖAW-ÖAI / Niki Gail

Entdeckt werden konnte auch ein Lagerraum, der vollgeräumt war mit Gefäßen, die noch mit

ihrem ursprünglichen Inhalt gefunden werden konnten. Zudem fand sich in diesem Raum eine

Geschäftskasse mit über 400 Kupfermünzen.

Rätsel der Stadtgeschichte

könnte gelöst sein

Die neuen Funde am Domitiansplatz

könnten nun ein Rätsel der Stadtgeschichte

von Ephesos lösen. Dazu Ladstätter: „Zwar

konnte man bislang archäologisch beobachten,

daß die Stadt im 7. Jahrhundert sprunghaft

kleiner wurde und der Lebensstandard

deutlich gesunken war, jedoch waren die

Gründe dafür nicht klar.“ Auch der Münzumlauf

brach stark ein und fiel auf ein deutlich

niedrigeres Niveau als in den Jahrhunderten

davor. „Man wird diese Zäsur in der

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Stadtgeschichte von Ephesos nun wohl mit

den Sasanidenkriegen in Zusammenhang

bringen müssen“, so die ÖAW-Archäologin.

Grabungsteam

Die Auswertung der Funde und Befunde

erfolgt durch ein Team von Forschern der

ÖAW um Sabine Ladstätter: Helmut Schwaiger

(Archäologie), Alfred Galik (Archäozoologie),

Andreas G. Heiss (Archäobotanik)

und Nikolaus Schindel (Numismatik). n

https://www.oeaw.ac.at

https://de.wikipedia.org/wiki/Ephesos


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Luftmassentransport

bei El Niño-Phänomen

143

Transport von Luftmassen im Zusammenhang mit »El Niño« erklärt

Wetterkapriolen von Amerika über Australien bis zum Mittelmeerraum

© Baier et al. 2022, Geophysical Research Letters. CC BY 4.0

Zusammenfassung des atmosphärischen Transports aus dem Tropischen Pazifik: Die durchgezogenen Pfeile zeigen eine Zunahme des Massentransports

während El Niño, während gestrichelte Pfeile eine Abnahme zeigen. Blaue Pfeile zeigen den Transport von relativ feuchter Luft

an; braune von relativ trockener Luft. Blaue Schattierungen zeigen anomal feuchte lokale Bedingungen (braune Schattierungen trockene).

Rote Kreise zeigen den Transport warmer Luft in der Höhe, die stabile Bedingungen begünstigt. Die orangen Schattierungen zeigen den

Transport der anomal größeren Wärmemenge aus dem Pazifik in den Tropischen Atlantik.

Das El-Niño-Phänomen beeinflußt das

Wetter in weit entfernten Gegenden, bis

hin nach Australien, Indien oder dem Mittelmeer,

doch wie diese so genannten Telekonnektionen

genau funktionieren, war bisher

noch nicht geklärt. AtmosphärenforscherInnen

der Universität Wien konnten nun zeigen,

daß für diese Klima-Anomalien Schwankungen

des Transports von Luftmassen, Wär -

me, Feuchtigkeit und Energie aus dem tropischen

Pazifik verantwortlich sind. Und: El

Niño wärmt auch den Atlantik auf, so die

aktuell im Fachjournal „Geophysical Research

Letters“ publizierte Studie.

Die El-Niño-Südliche Oszillation (EN-

SO) – eine der wichtigsten Klimaschwankungen

weltweit – sorgt regelmäßig für

weltweite Wetterkapriolen mit großen Auswirkungen

etwa auf Fischerei oder Landwirtschaft.

ENSO steht im Zusammenhang

mit Veränderungen der Oberflächentemperatur

des tropischen Pazifiks. Alle zwei bis sieben

Jahre gibt es Perioden mit höheren Temperaturen

– diese verursachen dann das so

genannte El-Niño-Phänomen, welches wie -

derum in vielen Regionen der Welt zu ausgeprägten

Wetteranomalien führt, wie zum Bei -

spiel Dürren im Amazonasbecken und in Au -

stralien, verstärkten Niederschlägen im

Süden der USA oder stärkeren Monsunereignissen

in Indien. Diese weitreichenden Auswirkungen

bzw. ihre Zusammenhänge werden

als Telekonnektionen bezeichnet.

Die Mechanismen hinter diesen Telekonnektionen

waren bisher – trotz zahlreicher

Forschungsarbeiten über ENSO – noch nicht

ausreichend geklärt. Am Institut für Meteorologie

und Geophysik der Universität Wien

gelang nun ein Durchbruch im Verständnis

der Rolle des Luftmassentransports bei Telekonnektionen:

Ein Forschungsteam konnte

zeigen, daß Schwankungen des Transports

von Luftmassen, Wärme, Feuchtigkeit und

Energie aus dem tropischen Pazifik für viele

der beobachteten Klimaanomalien kausal

ver antwortlich sind.

„In unserer Studie betrachteten wir diese

Telekonnektionen aus einer neuen Perspektive

– konkret untersuchten wir, wie die Wär -

me und Feuchtigkeit aus dem Pazifik über

die Atmosphäre transportiert wird. Dadurch

können wir eine direkte Verbindung zwischen

dem Pazifik und entfernten Regionen herstellen“,

erklärt Katharina Baier, Erstautorin

und Nachwuchswissenschafterin der Vienna

International School of Earth and Space

Sciences. So zeigt sich beispielsweise in der

Studie, daß während El Niño anomal trockene

Luft in Richtung Amazonasbecken transportiert

wird und dort Dürren verursacht.

„Im Gegensatz dazu wird besonders feuchte

Luft in Richtung des Südostens der USA

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

transportiert, was dort wiederum vermehrte

Niederschläge begünstigt“, erklärt Baier.

Auch Atmosphärenforscher Andreas Stohl

von der Universität Wien, der Leiter der ak -

tuell im Journal Geophysical Research Letters

publizierten Studie, betont: „Unsere Er -

gebnisse tragen zum Verständnis von Wetterphänomenen

weltweit bei, zum Beispiel

auch in Australien, Afrika oder dem Mittelmeerraum.

Außerdem können wir zeigen,

daß während El Niño anomal große Wärmemengen

aus dem tropischen Pazifik in den

Atlantik transportiert werden, der daraufhin

mit einer Erwärmung reagiert“, so der Leiter

des Instituts für Meteorologie und Geophysik

und des Forschungsverbundes VINAR.

Methodisch setzte das Forschungsteam

der Universität Wien auf atmosphärische

Aus breitungsmodelle, die so genannten La -

grangeʼschen Modelle. Während herkömmliche

Modelle meteorologische Parameter

wie Luftfeuchtigkeit oder Temperatur an

fixen Punkten erfassen, folgen die sogenannten

Lagrangeʼschen Modelle den einzelnen

Partikeln und erfassen, wie sich die meteorologischen

Parameter entlang deren Weges

ändern. Mithilfe dieser Modelle kann auch

die Ausbreitung von Partikeln wie Ruß oder

Mikroplastik beziehungsweise von Treibhausgasen

analysiert werden.

n

https://www.univie.ac.at


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Gefunden im Untergrund

Im Zuge einer 80 Meter tiefen Bohrung im

Garten der Geologischen Bundesanstalt

im 3. Wiener Gemeindebezirk (Landstraße)

wurden in einer Tonschicht des Wiener Bekkens

die Ablagerungen zweier Flüsse entdeckt:

Die Ur-Wien und die Ur-Liesing. Die

Beprobung und Analyse des Bohrkerns bringen

nun neue Erkenntnisse aus der Ära des

einstigen Pannonsees vor 10,4 Millionen

Jahren. Der Bohrkern wurde wissenschaftlich

analysiert und gibt auch Einblicke in die

geologische Geschichte Wiens: Hier mündete

vor 10,4 Millionen Jahren die Ur-Wien und

die Ur-Liesing in den einstigen Pannonsee,

der vom heutigen Alpenrand in Wien über

Budapest bis Belgrad reichte.

Im Zeitraum von 11,6 bis 9 Millionen

Jahren lag Wien mit dem Wiener Becken am

Ostrand des Pannonsees. „Der See war vor

10,4 Millionen Jahren etwa halb so groß wie

das heutige Schwarze Meer und damit der

größte See Europas. Wien lag am Westufer

dieses Sees. Über seine Zuflüsse aus den Al -

pen war aber bisher sehr wenig bekannt“, so

Univ. Prof. Mathias Harzhauser, Leiter der

Geologisch-Paläontologischen Abteilung am

NHM Wien. Die blaugrauen, feinkörnigen

tonreichen Ablagerungen des Sees bilden in

weiten Bereichen der Stadt den Grundwasserstauhorizont

(undurchlässige Tonschicht

im Unterboden, bzw. Untergrund) und wurden

im 19. und frühen 20. Jahrhundert in

zahlreichen Tongruben für die Herstellung

von Ziegeln abgebaut.

Die engmaschige Beprobung und multidisziplinäre

Analyse des Bohrkerns an der

Geologischen Bundesanstalt bringt nun neue

Erkenntnisse aus der Ära des einstigen Pannonsees.

Tonmineralogische Analysen ermög -

lichten Rückschlüsse auf das einstige Klima

und den Sedimenteintrag aus dem etwa acht

Kilometer entfernten Hinterland im Westen,

dem heutigen Wienerwald mit der Flyschzone

(Sandstein- und Mergelwechselfolgen)

und den Nördlichen Kalkalpen (Kalke und

Dolomite).

Unter der Leitung von Univ. Prof. Mathias

Harzhauser erfolgte die Auswertung der

tonmineralogischen und geochemischen Un -

tersuchungen von Mandana Peresson und

Christian Benold von der Geologischen Bun -

desanstalt (GBA). Stjepan Ćorić (GBA)

bearbeitete Nannofossilien, Oleg Mandic

Die Ur-Wien und die Ur-Liesing in Wien-Landstraße

Foto: NHM Wien

Foto: NHM Wien

Kisten mit Bohrkernen im Garten der Geologischen Bundesanstalt im Juli 2019 mit Univ. Prof,

Mathias Harzhauser und Mandana Peresson

(NHM Wien) untersuchte Mikrofossilien.

Prof. Gert J. De Lange aus Utrecht (Niederlande)

half bei der Interpretation der geochemischen

Parameter.

„Die mineralogische Analytik zeigt klar

den Einfluß des Hinterlandes, wobei wir gut

zwischen Sedimenteintrag der Ur-Liesing

und der Ur-Wien unterscheiden können“, so

Mandana Peresson von der Abteilung Rohstoffgeologie

der Geologischen Bundesanstalt.

Die Spuren der Ur-Wien

und der Ur-Liesing

Dominieren im oberen Bereich der Bohrung

im Tegel umgelagerte Nannofossilien

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

144

(kleiner als drei hundertstel Millimeter) aus

der Flyschzone, können damit Vergleiche zu

einem Fluß ähnlich der heutigen Wien gezogen

werden, die in der Flyschzone entspringt.

Auch ein gröberer Horizont (ausgedehnte

Ton- oder Gesteinsschicht) bei 30,7 Metern

Tiefe ist eindeutig der Flyschzone zuzuordnen.

Ein Bereich mit 10fach überhöhten Karbonatwerten

und Kiesen bei 32,5 Metern

wird als Schüttung aus den Nördlichen Kalkalpen

interpretiert und ist als Ur-Liesing zu

betrachten. Dazu kommen vereinzelte Fossil -

horizonte, die ebenfalls den Süßwassereinfluß

des Hinterlandes zeigen.

n

https://www.nhm-wien.ac.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Weltrekord bei Quantenverschränkung

in Glasfaser

145

PhysikerInnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist es

erstmals gelungen, Photonen über 248 Kilometer Glasfaser zu verschränken.

© ÖAW/Harald Ritsch

Einmal mehr haben WissenschaftlerInnen

des Wiener Instituts für Quantenoptik

und Quanteninformation der Österreichischen

Akademie der Wissenschaften (ÖAW)

einen neuen Weltrekord bei der Quantenverschränkung

aufgestellt: Erstmals ist es ge -

lungen, verschränkte Photonen, also Lichtteilchen,

über 248 Kilometer verlegter Glasfaser

zu schicken. Die bisherige Rekorddistanz

über knapp 100 Kilometer aus dem Jahr

2019 wurde somit mehr als verdoppelt. De -

tails wurden jetzt im Fachmagazin Nature

Communications publiziert.

Ziel des jüngsten Experiments war die

Erstellung eines ersten Knotens im QUAPI-

TAL-Netzwerk, einem Forschungsprojekt

für ein zentraleuropäisches Quanteninternet.

Quantennetzwerke versprechen absolut ab -

hörsichere Kommunikation und leistungsstar -

ke verteilte Sensornetzwerke für Forschung

und Technologie – sie gelten als Kommunikationswege

der Zukunft. Bahnbrechende

Vorarbeiten hat in diesem Bereich auch

Nobelpreisträger Anton Zeilinger geleistet.

»Spukhafte Fernwirkung«

Im Rahmen des QUAPITAL-Projekts

schickte ein Sendeapparat in Wien stabil

über mehrere Tage Quantenzustände nach

Sankt Pölten und Bratislava. Dort wurden

sie gemessen und ihre quantenphysikalischen

Eigenschaften nachgewiesen. Dabei

Das Bild zeigt eine künstlerische Illustration der Quantenverschränkung zwischen zwei Orten.

wurde eine Quelle für verschränkte Photonenpaare

im Keller des Physikinstituts der

Universität Wien an zwei bereits verlegte

Glasfasern angeschlossen. Die beiden je

zirka 125 Kilometer langen Faserleitungen

führten zu Empfangsstationen in der Nähe

von Sankt Pölten sowie in der Slowakischen

Akademie der Wissenschaften in Bratislava.

„Quantenverschränkung ermöglicht es,

sogenannten korrelierten Zufall zu erzeugen.

Das ist, als ob zwei Münzen, die an verschiedenen

Orten – in unserem Fall Sankt Pölten

und Bratislava – geworfen werden, stets auf

dieselbe Seite fallen“, erklärt Rupert Ursin,

wissenschaftlicher Leiter des Projekts an der

ÖAW. Dieser von Einstein als „spukhafte

Fernwirkung“ bezeichnete Effekt sei nicht

nur aus physikalischer Sicht interessant, sondern

habe ganz konkrete Anwendungen. Die

auch kommerziell ausgereifteste davon ist

die verschlüsselte Datenübertragung mithilfe

von Quantentechnologie. Bei dieser sogenannten

Quantenkryptographie können die

„Münzwürfe“ dazu verwendet werden, Nach -

richten prinzipiell unknackbar zu verschlüsseln.

Aber auch die Verknüpfung von zu -

künftigen Quantencomputern wird durch die

Übertragung von Verschränkung ermöglicht.

Wichtige für künftiges Quanteninternet

Sebastian Neumann, ÖAW-Erstautor der

Publikation und mit der Durchführung des

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Experiments betraut, schildert die größten

Herausforderungen: „Im Unterschied zum

‚normalen‘ Internetsignal können Quantenzustände

nicht am Weg ausgelesen und verstärkt

werden. Dadurch werden die Leitungsverluste

zu einem Problem, weil nur

etwa jedes hundertmillionste weggeschickte

Photonenpaar auch tatsächlich an den Detektoren

ankommt.“

Dementsprechend hoch müsse die Rate

der in Wien erzeugten Photonen sein. „Dafür

haben wir eine spezielle Photonenquelle

konstruiert, über die wir sogar eigens publiziert

haben“, sagt Neumann. Weiters müsse

das Signal gegen Temperaturschwankungen

in der Faser unempfindlich gemacht werden,

wofür ein eigenes Stabilisierungssystem er -

sonnen wurde. Dies ermöglicht einen unun -

terbrochenen Betrieb der Leitung, eine weitere

wichtige Voraussetzung für ein zukünftiges

Quanteninternet.

Für die Erforschung der Quantenverschränkung

mit Photonen wurde Anton Zeilinger

am 10. Dezember mit dem Nobelpreis

für Physik bedacht. Österreichische Forschung

zur Quantenphysik, wie sie an der

ÖAW betrieben wird und an der auch Zeilinger

forscht, befindet sich hier im internationalen

Spitzenfeld.

n

https://www.oeaw.ac.at

Lesen Sie den Beitrag über die Verleihung

des Nobelpreises ab der Seite 124.


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Grüner Wasserstoff

aus Wien für Wien

146

Wien Energie und Wiener Netze errichten bis 2023 eine

Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff

Wien Energie und Wiener Netze starten

mit der Errichtung der ersten städtischen

Wasserstoff-Erzeugungsanlage in Wien-

Simmering. Die Elektrolyseanlage erzeugt

mit einer Leistung von 3 Megawatt ab Sommer

2023 täglich bis zu 1.300 Kilogramm

grünen Wasserstoff (H2) aus Ökostrom. „Wir

treiben die Energiewende in Wien voran!

Die Wasserstoff-Erzeugungsanlage ist der

näch ste wichtige Schritt, mit dem wir die

Wasserstoff-Strategie der Wiener Stadtwerke

konsequent umsetzen. Wien Energie und

Wiener Netze bündeln hier ihre Kompetenz

und sorgen dafür, daß wir künftig grünen

Wasserstoff ‚Made in Vienna‘ zur Verfügung

haben“, freute sich Wirtschaftsstadtrat Peter

Hanke am 16. November anläßlich des Spatenstichs

der Anlage.

Die H2-Erzeugungsanlage entsteht am

Campus der Wiener Netze, betrieben wird

sie künftig von Wien Energie. Das Investitionsvolumen

beträgt rund 10 Millionen

Euro, auch Förderungen für die vollumfängliche

Umsetzung des Projekts wurden beantragt.

Die Anlage wird die erste ihrer Art und

Größenordnung sein, mit der direkt in Wien

Foto: Wien Energie / Martin Steiger

Beim Spatenstich (v.l.): Peter Weinelt (Generaldirektor-Stellvertreter Wiener Stadtwerke),

Gudrun Senk (Geschäftsführerin Wiener Linien), Gerhard Fida (Geschäftsführer Wiener

Netze), Peter Hanke (Stadtrat), Michael Strebl (Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung),

Thomas Steinhart (Bezirksvorsteher Simmering), Karl Gruber (Geschäftsführer Wien

Energie) und Helmut Meixner (Wasserstoff-Experte Wiener Netze)

grüner Wasserstoff aus Ökostrom erzeugt

wird.

„Ab nächstem Jahr erzeugen wir grünen

Wasserstoff in Wien für Wien! Neben dem

Mobilitätsbereich im Schwerlastverkehr bietet

Wasserstoff viel Potential für die Industrie

und für den Energiesektor – dort, wo

bestehende fossile Gase nicht gut durch an -

dere Technologien ersetzt werden können.

Klar ist, daß der Wasserstoff dabei aus er -

© Wien Energie/Harald Ströbel

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

147

neuerbaren Quellen wie etwa Ökostrom er -

zeugt werden muß. Nur so gelingt uns die

Energiewende und die Klimaneutralität

2040“, ist Michael Strebl, Vorsitzender der

Wien Energie-Geschäftsführung, überzeugt.

Wasser wird in Einzelteile zerlegt

Für die Wasserstoff-Erzeugung in Simmering

kommt ausschließlich Strom aus

erneuerbaren Quellen, wie Sonnen-, Windund

Wasserkraft zum Einsatz. Um aus Ökostrom

grünen Wasserstoff zu erzeugen, wird

Elektrolyse als Verfahren eingesetzt. Bei diesem

Verfahren wird Wasser (H 2 O) in seine

Bestandteile zerlegt: Sauerstoff und Wasserstoff.

Der freigesetzte Sauerstoff entweicht

in die Luft. Der Wasserstoff wird direkt vor

Ort verdichtet. Er ist unter hohem Druck gut

und platzsparend lager- und transportierbar.

„Der Campus der Wiener Netze ist der

ideale Ort, um grünen Wasserstoff zu erzeugen“,

erklärt Wiener Netze-Geschäftsführer

Gerhard Fida. „Wir haben auf dem Gelände

in Simmering die besten Voraussetzungen

und verfügen über mehr als 100 Jahre Erfahrung

im Umgang mit verschiedenen Energien

in fester, flüssiger und gasförmiger Form.

Mit unserem Wissen tragen wir dazu bei, daß

die Produktion, die Verdichtung und der

Transport von Wasserstoff zu den Tankstellen

gut über die Bühne geht. Wir leiten die

Zukunft ein!“

Wasserstoff-Tanken in Simmering

und in der Leopoldau möglich

Die täglich produzierte Wasserstoffmenge

von bis zu 1.300 Kilogramm reicht aus,

um etwa 60 Busse/LKW zu betanken. Neben

der H2-Erzeugungsanlage entsteht in Simmering

auch eine weitere Wasserstoff-Tankstelle

für Busse und LKWs. Dort können

Verkehrs- und Logistikunternehmen künftig

mit 350 oder 700 bar grünen Wasserstoff tan -

ken. Nicht nur Mobilitäts-, sondern auch In -

dustriepartner können dann den Wasserstoff

beziehen. Dazu wird ein eigener Bereich für

die Abholung mit Trailern eingerichtet. Auch

die H2-Tankstelle am Gelände der Wiener

Linien-Busgarage in der Leopoldau wird in

Zukunft von Simmering aus beliefert.

Wiener Linien bis 2025 mit zehn

Wasserstoff-Bussen unterwegs

Bei den Wiener Linien kommt klimaneutraler

Wasserstoff als Treibstoff für Busse

be reits zum Einsatz. In den vergangenen Mo -

naten wurde getestet, ab sofort ist der erste

H2-Bus auf der Linie 39A im regulären

Fahrgastbetrieb unterwegs. Erst kürzlich hat

das Verkehrsunternehmen verkündet, daß

die Linie 39A bis 2025 komplett auf emissionslose

Antriebe umgestellt wird. Zehn

Wasserstoff-Busse werden dann zwischen

Heiligenstadt und Sievering unterwegs sein.

„Als Wiener Stadtwerke-Gruppe bilden

wir als erste in Österreich die gesamte Wertschöpfungskette

ab. Wir produzieren, vertreiben

und verwenden den Wasserstoff, beispielsweise

in unseren Bussen – und das

geschieht gänzlich emissionsfrei“, so der

stellvertretende Generaldirektor der Wiener

Stadtwerke, Peter Weinelt.

Die Wiener Linien sind damit die ersten

Mobilitätskunden von Wien Energie für grünen

Wasserstoff. Mit weiteren Partnern aus

der Verkehrs- und Logistikbranche ist Wien

Energie bereits im Gespräch.

2023: Erster Wasserstoff-Betriebsversuch

im Kraftwerk Donaustadt

Daß grüner Wasserstoff nicht nur im Mo -

bilitätsbereich eingesetzt werden kann, zeigt

Wien Energie 2023 vor: Im Kraftwerk Do -

naustadt wird im Rahmen eines Betriebsversuchs

Wasserstoff zum Erdgas beigemischt.

Es ist der weltweit erste Versuch dieser Art,

den Wien Energie gemeinsam mit Partnern

umsetzt.

Der Anwendungsbereich ist vielversprechend:

Allein mit 15 Prozent Wasserstoff-

Beimischung könnten jedes Jahr 33.000

Tonnen CO 2 eingespart werden. Auch hier

soll zum Teil Wasserstoff aus der neuen eigenen

H2-Erzeugungsanlage zum Einsatz kom -

men.

Die Wiener Stadtwerke-Gruppe als

Wasserstoff-Partner der Ostregion

Die Wiener Stadtwerke-Gruppe treibt ge -

meinsam die Nutzung von grünem Wasserstoff

voran. 2021 hat der Konzern mit einer

eigenen Wasserstoff-Strategie einen klaren

Fahrplan vorgelegt, wie Wien bis 2030 zur

zentralen Wasserstoff-Drehscheibe im Osten

Österreichs wird. Mit Wien Energie, den

Wiener Netzen und den Wiener Linien kann

die Wiener Stadtwerke-Gruppe die gesamte

Wertschöpfungskette abbilden: Von der Produktion

über die Verteilung und Speicherung

bis zur Nutzung von H2.

n

https://www.wienernetze.at/

Foto: Wiener Linien / M.Helmer

H2-Bus der Wiener Linien im Testbetrieb auf der Strecke des 10A in der Nähe vor dem Schloß Schönbrunn

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Schiffe mit Robotern

inspizieren und reinigen

148

Die Reinigung eines Rumpfs eines Containerschiffes dauert derzeit

rund acht Tage und verursacht Kosten von 100.000 bis 200.000 Euro.

Foto: Universität Klagenfurt

Foto: Universität Klagenfurt

Auf dem Laptop kann das vom Unterwasserroboter übertragene Bild verfolgt werden

Ein Team, dem auch ForscherInnen am

Institut für Intelligente Systemtechnologien

angehören, möchte autonome Roboter

für diese Aufgabe einsetzen. Nun laufen da -

für Tests am Wörthersee.

„Es gibt zwar ferngesteuerte Anlagen, die

den Menschen bei der Wartung der Schiffe

unterstützen, aber bisher ist es noch nicht

gelungen, komplett autonome Roboter hierfür

zum Einsatz zu bringen. Die Robustheit

und Verläßlichkeit solcher Systeme konnte

noch nicht hinreichend nachgewiesen werden,

um Reedereien und Endnutzer vom Po -

tential zu überzeugen“, erläutert Stephan

Weiss, Leiter der Gruppe Control of Networked

Systems (CNS) an der Universität Klagenfurt.

Er wirkt gemeinsam mit seinem Kol -

legen Jan Steinbrener und seinem Team an

mehreren Arbeitspaketen des EU-HORI-

ZON2020-Projekts „BugWright2 Autonomous

Robotic Inspection and Maintenance

on Ship Hulls and Storage Tank“ mit.

Die Technologie sieht den Einsatz unterschiedlicher

Roboter vor: Sowohl kleine

Helikopter, so genannte Micro Aerial Vehicles

(MAV) als auch kleine autonome Unterwasserfahrzeuge

(Autonomous Underwater

Vehicles, AUV) sollen ihre Dienste gemeinsam

mit Teams von magnetischen Radroboter

an den verschiedenen Schiffsoberflächen

tun. Die Struktur soll visuell und akustisch

inspiziert werden, um Korrosionsflecken zu

identifizieren und die Oberfläche wie erforderlich

zu reinigen.

Das Problem dabei: Der Unterwasserroboter

muß dafür ohne GPS Signal wissen,

wo er sich befindet, und autonom navigieren

können. Schwierigkeiten bereiten die geringe

Textur und glatte Oberfläche des Schiffskörpers,

die eine genaue Kamera oder sonarbasierte

Navigation erschweren.

Aktuell ist es dem Team gelungen, erste

Methoden hierfür vorzustellen, die mit mehreren

Sensoren zusammenarbeiten können.

Jüngst fand auch ein erstes Experiment in

der Drohnenhalle der Universität Klagenfurt

statt. Stephan Weiss erzählt: „Unsere Projektpartner

von der RWTH Aachen haben

über deren virtuelle Brille Drohnen in unserer

Drohnenhalle gesteuert. Wir haben dabei

ein Schiff im Maßstab 1:10 simuliert und die

Bilder sowie reale Positionsdaten der Drohne

nach Aachen geschickt, die das wiederum

in der virtuellen Welt dargestellt haben.“

Der Unterwasserroboter

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Testwoche für die Drohnen

Das Ziel der bilateralen Integrationswoche

in der Drohnenhalle der Universität Klagenfurt

zwischen dem UNI-KLU-Team und

dem UIB-Team war zweierlei:

m Sicherstellung der korrekten Integration

aller Bewegungsschätzungsmodule in die

visuell inspektionsorientierte UIB-Drohne,

und

m Evaluierung des visuellen Wegmessers

(UNI-KLU) und des laserbasierten Wegmessers

(UIB), die im Rahmen von

BUGWRIGHT2 entwickelt wurden, und

vor allem ihre Fusion durch MaRS (UNI-

KLU) im Hinblick auf eine belastbarere

Schätzung des Plattformzustands und da -

mit der Drohnenbewegung.

Projektpartner im Konsortium ist unter

anderem die Norwegian University of Science

and Technology (NTNU), an der Alexandre

Cardaillac als PhD-Kandidat am Department

of Marine Technology im Applied Un -

derwater Robotics Laboratory (AURLab)

arbeitet. Er wird nun gemeinsam mit Martin

Scheiber und Alessandro Fornasier, PhD-

Kandidaten in der CNS-Gruppe an der Universität

Klagenfurt, Tests am Wörthersee

durchführen. Dafür stehen Schiffe der Wörtherseeschifffahrt

zur Verfügung. n

https://www.aau.at/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Babys besitzen größere

Vorstellungskraft …

149

… als bisher bekannt – neue Studie der Central European University

Foto: Pixabay / Tú Nguyễn

Die Studienergebnisse weisen darauf hin, daß die Basis für unsere Vorstellungskraft und die

Fähigkeit über alternative Möglichkeiten nachdenken zu können, bereits sehr früh vorhanden

ist, nämlich noch bevor Kleinkinder sprechen können.

In einer neuen am 31. Oktober im „Journal

Philosophical Transactions of the Royal

Society B“ erschienenen Studie haben WissenschaftlerInnen

der in Wien ansässigen

Cen tral European University herausgefunden,

daß bereits 14 Monate alte Babys von

sich aus mehrere Alternativen in Betracht zie -

hen können, wenn ihnen ein nicht klar er -

kennbares Objekt, das mehrere Interpretationsmöglichkeiten

offenließ, gezeigt wurde.

Durch die Messung des Pupillendurchmessers

von Kleinkindern konnten die Forscher

rund um Nicolò Cesana-Arlotti und Baĺint

Varga auf die mentale Anforderung schliessen,

die mit der Generierung von mehreren

alternativen Hypothesen verbunden ist. Die -

se Ergebnisse weisen darauf hin, daß die Ba -

sis für unsere Vorstellungskraft und die Fä -

higkeit über alternative Möglichkeiten nachdenken

zu können, bereits sehr früh vorhanden

ist, nämlich noch bevor Kleinkinder spre -

chen können.

Die Fähigkeit, sich mehrere mögliche

Szenarien vorstellen und untereinander vergleichen

zu können, spielt eine enorm wichtige

Rolle – sowohl in den Künsten und Wissenschaften

als auch im täglichen Leben.

Wenn wir beispielsweise im Restaurant Es sen

bestellen möchten, vergleichen wir oft verschiedene

Alternativen (Sushi oder Steak?),

ziehen mögliche Hypothesen in Betracht

(gehört roher Fisch oder gegrilltes Fleisch zu

den Spezialitäten des Restaurants?) und

spielen verschiedene Szenarien durch. Diese

Fähigkeit, mehrere Möglichkeiten in Be -

tracht ziehen zu können, ist also grundlegend,

um auf mögliche zukünftige Geschehnisse

gut vorbereitet zu sein.

In kurzen Filmsequenzen haben die

CEU-ForscherInnen des Zentrums für kognitive

Entwicklung 14 Monate alten Kindern

Babys gezeigt, in denen die Identität eines

Objekts nicht deutlich zu erkennen war, weil

es teilweise verdeckt wurde. Alle Objekte in

diesen Animationen besaßen ein paar Ge -

meinsamkeiten: beispielsweise sah der obere

Teil des Spielzeugelefanten, der Puppe und

des Balls gleich aus. Dann zeigten die Forscher

eine Reihe von Szenarien, in denen

verschiedene Teile verdeckt wurden. In diesen

wurden die Kleinkinder darin gefordert,

über die mögliche Identität des Objekts

nachzudenken (ist das die Puppe oder ist das

der Ball?). Dann wurden die Messungen des

Pupillendurchmessers des einen Szenarios

mit jenen des anderen Szenarios verglichen.

Die Untersuchungen zeigten, daß die Pupillen

sich mehr weiteten, wenn die Kleinkinder

eine Szene betrachteten, die mehrere Mög -

lichkeiten offenließ, als wenn das betrachtete

Objekt eindeutig zu identifizieren war. Diese

Ergebnisse bestärken ebenfalls die Annahme,

daß Kleinkinder von sich aus als Reaktion

auf unklare Gegebenheiten mehrere al -

ternative Möglichkeiten mental abbilden

können.

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Über das KIKO Babylab - CEU Forschungszentrum

für KinderKognition

KIKO Babylab ist eine Forschungseinrichtung

am Institut für Kognitionswissenschaft

der Central European University in

Wien Favoriten, die die Entwicklung der

menschlichen Kognition untersucht. Dort

wird erforscht, wie Babys und Kleinkinder

lernen die Welt um sich herum zu verstehen.

Die Studien sollen Kindern Spaß machen:

Sie sind kurzweilig und beinhalten Spiele

oder das Ansehen von kurzen Filmen.

Gleichzeitig versucht das Babylab Antworten

auf verschiedene Forschungsfragen zu

finden. Die Studien sind für Kinder im Alter

von drei Monaten bis zu acht Jahren konzipiert.

Das Team des KIKO Babylab ist stets

auf der Suche nach Familien, die freiwillig

an einer Studie teilnehmen wollen – entweder

indem sie dem Babylab in Wien Favoriten

einen Besuch abstatten oder indem sie

bei einer Onlinestudie mitmachen. n

https://www.ceu.edu/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Nationalbibliothek erwirbt

Nachlaß von Thomas Bernhard

Nach jahrelangen Bemühungen ist es der Österreichischen Nationalbibliothek

mit Unterstützung des Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst

und Sport gelungen, einen der bedeutendsten deutschsprachigen Nachlässe

des 20. Jahrhunderts zu erwerben.

150

© Österreichische Nationalbibliothek / Harry Weber

Thomas Bernhard während einer Probe zu „Heldenplatz“ am Wiener Burgtheater, 1988

Thomas Bernhards Nachlaß ist nahezu

vollständig überliefert, er deckt die ge -

samte literarische Produktion ab und liefert

damit Einsicht in einen Schreibprozeß, der

über Jahrzehnte kaum je ins Stocken geriet.

Zu diesem Ganzen gehören die vielen Teile,

die im Nachlass überlieferten Fragmente und

Entwürfe. Somit bildet dieser Bestand eine

unverzichtbare Materialbasis, aus der der Zu -

sammenhang zwischen Leben und Werk, von

Bernhards Schreibanfängen bis zu seinem

Tod, deutlich wird.

„Ich freue mich, daß der umfangreiche

schriftstellerische Nachlaß Thomas Bernhards,

der auch die Schriften und Briefe seines

Großvaters, Johannes Freumbichler, um -

faßt, an die Österreichische Nationalbibliothek

geht“, so Kunst- und Kulturstaatssekretärin

Andrea Mayer. „Großer Dank gilt dem

Verhandlungsteam und Dr. Peter Fabjan, der

das Erbe seines Bruders mehr als drei Jahrzehnte

lang professionell und mit großer Um -

sicht betreut und wesentlich zur internationalen

Wirkung dieses einzigartigen Autors beigetragen

hat. Der Erwerb des Nachlasses ist

auch ein Auftrag: nämlich das Werk Bernhards

in seiner Entstehung zu erforschen, im -

mer wieder aufs Neue auf seine Aktualität

hin zu befragen und in Ausstellungen, Son -

derschauen, Lesungen, Diskussionen und an -

deren Formaten dem literaturinteressierten

Publikum zu präsentieren. Und es gibt keinen

besseren Ort dafür als die Österreichische

Nationalbibliothek mit ihrem Literaturarchiv

im Michaelertrakt der Hofburg und dem

Literaturmuseum in der Johannesgasse“.

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

Die Generaldirektorin der Österreichischen

Nationalbibliothek, Johanna Rachinger, be -

tont: „Thomas Bernhards Werk ist einzigartig

in der deutschsprachigen Literatur nach

1945, es ist Teil der Weltliteratur. Für mich

ist dieser Nachlaß einer der bedeutendsten

Zu gänge in der Geschichte der Österreichischen

Nationalbibliothek. Wir sind uns der

Verantwortung bewußt, diesen Bestand langfristig

für die Forschung und die Allgemeinheit

zu sichern.“

Der Nachlaß umfaßt sämtliche veröffentlichten

und unveröffentlichten Werke sowie

alle überlieferten Korrespondenzen. Allein an

unveröffentlichten Texten sind über 150 Ti -

tel verzeichnet, hinzu kommen Notizen und

autobiografische Aufzeichnungen. Der Werk-

Bestand macht knapp 30.000 Blätter mit


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

151

© Österreichische Nationalbibliothek

Thomas Bernhard: Alte Meister. Erste Seite des Typoskripts mit Korrekturen

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

152

Handschriften, handschriftlich korrigierten

Typoskripten und Fahnenkorrekturen aus.

Die Korrespondenz setzt sich aus der Familienkorrespondenz,

der Verlagskorrespondenz,

sowie aus Briefen von Einzelpersonen

und Institutionen zusammen. Die umfangreichen

Korrespondenzen mit Bernhards Verlagen,

hier vor allem mit Siegfried Unseld und

dem Suhrkamp Verlag, aber auch mit dem

Residenz-Verlag, lassen die Entstehung und

die Rezeption der Bücher und Theatertexte

nachzeichnen. Bernhards Verhältnis zu seinen

Verlegern ist ebenso aufschluß- wie konfliktreich.

In den insgesamt 15 Archivboxen mit

Kor respondenzen finden sich Briefe von u.a.

Ingeborg Bachmann, Werner Bergengruen,

Heinrich Böll, Elias Canetti, Peter Handke,

Marlen Haushofer, Hans Werner Henze,

Bernhard Minetti, Claus Peymann, Hilde

Spiel, Siegfried Unseld oder Alice und Carl

Zuckmayer. Die Korrespondenz mit Thomas

Bernhards Lebensmenschen Hedwig Stavianicek

nimmt was Laufzeit, Umfang und In -

halt anbelangt, eine Sonderstellung ein. Al -

leine dieser Briefwechsel umfaßt 381 handund

maschinenschriftliche Briefe von Thomas

Bernhard und 245 Briefe von Hedwig

Stavianicek. Er ist für die Dauer von zehn

Jahre nur mit Zustimmung der Erben einsehbar.

Thomas Bernhard hat unablässig ge -

schrieben, korrigiert, Entwürfe verfaßt und

wieder verworfen. Der Schreibprozeß ist

wiederholt Thema seiner Texte. Im Roman

„Alte Meister“ heißt es: „Die höchste Lust

haben wir ja an den Fragmenten, wie wir am

Leben ja auch dann die höchste Lust empfinden,

wenn wir es als Fragment betrachten,

und wie grauenhaft ist das Ganze und ist uns

im Grunde das fertige Vollkommene.“

Der Nachlaß eröffnet vielfältige Perspektiven

für Publikationen, digitale Editionen,

Online-Präsentationen oder Veranstaltungen,

um dieses einzigartige Lebenswerk einer

breiten Öffentlichkeit noch zugänglicher zu

machen. Das Literaturmuseum der Österreichischen

Nationalbibliothek, in dessen Dauerausstellung

zur österreichischen Literatur

bereits jetzt Filme, Fotos, Briefe und Manu -

skripte von und zu Thomas Bernhard gezeigt

werden, soll Ort für weitere Begegnungen

mit Thomas Bernhards literarischem Vermächtnis

werden.

Durch die bereits in der Anfangsphase

der Bearbeitung des Nachlasses am Thomas

Bernhard-Archiv in Gmunden erfolgte Einbindung

des Literaturarchivs der Österreichischen

Nationalbibliothek ist eine Kontinuität

in der Bearbeitung gewährleistet. Das

Literaturarchiv beherbergt die wichtigsten

literarischen Nachlässe und Sammlungen

aus Österreich im 20. Jahrhundert, von Karl

Kraus und Robert Musil über die mit Bernhard

bekannte Hilde Spiel bis zu der von ihm

verehrten Ingeborg Bachmann und zu Peter

Handke. In diesen Beständen finden sich

zahlreiche Bezüge zu Thomas Bernhard, klei -

nere Sammlungen mit Briefen, Zeichnungen

und Lebensdokumenten wurden in den letzten

Jahren kontinuierlich erworben.

„Thomas Bernhard hat einen singulären

literarischen Kosmos geschaffen, in dem

Sprache, Stil und Weltanschauung unauflöslich

ineinander verwoben sind. Der Nachlaß

gewährt Einblicke in die Werkstatt, in der

Bernhards Themen wie die Verdrängung der

nationalsozialistischen Vergangenheit und das

Verhältnis von Geist und Körper angesichts

des Todes bearbeitet werden“, so Bernhard

Fetz, Direktor des Literaturarchivs und des

Literaturmuseums der Österreichischen Na -

tionalbibliothek

In Bernhards Autobiographie spielt die

Beziehung zum Großvater, dem Schriftsteller

Johannes Freumbichler (1881-1949), eine

zentrale Rolle. „Die Großväter sind die Lehrer,

die eigentlichen Philosophen jedes Menschen“,

heißt es in „Ein Kind“ (1982). Der

zeitlebens weitgehend erfolglose Schriftsteller

Johannes Freumbichler kann als Modell

für die vielen scheiternden Künstlerfiguren

und Privatgelehrten im Werk Bernhards

gesehen werden. Sein 1937 im Zsolnay Verlag

erschienener „Salzburger Bauernroman“

„Philomena Ellenhub“ wurde zum „erste(n)

und einzige(n) Erfolg“, wie Bernhard in „Ein

Kind“ feststellt. Johannes Freumbichlers

kompletter Nachlaß, bestehend aus Werkmanuskripten,

Korrespondenzen, Lebensdokumenten

und Sammelstücken im Umfang von

44 Archivboxen wurde ebenfalls erworben.

Werk und Wirkung

Kultfigur und Objekt der Bewunderung

für seine Fans, Reibebaum für bereits mehrere

Generationen von AutorInnen – Thomas

Bernhard ist einer der international wichtigsten

und meistdiskutierten Vertreter der

deutschsprachigen Literatur nach 1945. Ab

Mitte der 1960er-Jahre bis zu seinem Tod

sorgten Werk und Person Thomas Bernhards

(1931-1989) für ständig wachsendes Aufsehen.

Eine Reihe von öffentlichen Erregungen

begleiteten die Rezeption seines Werks. Die

öffentlichen Attacken des Autors auf Politiker

sind legendär, ebenso wie die Anfeindungen,

denen Bernhard ausgesetzt war. Die

Aufführung des Stückes „Heldenplatz“ im

Gedenkjahr 1988 wurde zu einem Prüfstein

für Österreichs Umgang mit der nationalsozialistischen

Vergangenheit. Weit über einen

engeren Kreis der Leserschaft wurde der Au -

tor zu einer öffentlichen Figur, eine Rolle,

die Bernhard in Interviews und öffentlichen

Stellungna! hmen über Jahrzehnte virtuos

einnahm.

Bernhard studierte ab 1956 Schauspiel,

Regie und Dramaturgie am Salzburger Mozarteum.

Im Juni 1957 legte er die Reifeprüfung

am Schauspielseminar ab. Das frühe

Interesse an Musik und Theater zeigt sich

auch an den vielen unveröffentlichten Entwürfen

im Nachlaß.

Mit dem Stück „Ein Fest für Boris“, das

am 29. Juni 1970 unter der Regie von Claus

Peymann in Hamburg uraufgeführt wurde,

begann Bernhards internationale Theaterkarriere,

die Anfang der 1960er-Jahre mit kurzen

Einaktern und zwei Opernlibretti zur

Musik von Gerhard Lampersberg am Kärntner

Tonhof eingesetzt hatte. Neben frühen,

vor allem Gerichtsreportagen für das Salzburger

„Demokratische Volksblatt“ (1952

bis 1954) und Lyrikbänden („In hora mortis“,

„Unter dem Eisen des Mondes“, beide

1958) folgten von „Frost“ (1963) über „Verstörung“

(1967) bis zu „Heldenplatz“ (1988)

eine große Zahl an Prosawerken und insgesamt

18 abendfüllenden Theaterstücken, die

heute zum Kernbestand der deutschsprachigen

Literatur zählen. Das literarische Vexierspiel

mit Wirklichkeit und Fiktion im Roman

„Holzfällen“ oder in der Autobiografie

(1975-1982) sorgte für Skandale in der

Öffentlichkeit und für literaturtheoretische

wissenschaftliche Arbeiten.

Die Wirkung des Autors läßt sich an den

zahlreichen künstlerischen Bearbeitungen

seiner Werke ablesen, ebenso wie an den stilistischen

Anleihen und direkten Bezugnahmen

durch viele zeitgenössische Autorinnen

und Autoren, vom ungarischen Nobelpreisträger

und KZ-Überlebenden Imre Kertész

bis zum französischen Skandalautor Michel

Houellebecq. Ungezählt sind die wissenschaftlichen

Arbeiten, die auf der ganzen

Welt zu Bernhards Leben und Werk entstanden.

Bernhards Präsenz belegen außerdem

die zahlreichen Übersetzungen und aktuellen

Theater-Inszenierungen.

Es gibt sehr wenige AutorInnen, deren

Werk auch Jahrzehnte nach ihrem Tod noch

eine vergleichbare internationale Wirkung

entfaltet.

n

https://www.onb.ac.at/

https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Bernhard

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wissenschaft & Technik

Den Schreibern des

Mittelalters auf der Spur

153

Ein Forschungsprojekt der FH St. Pölten ordnet Handschriften den Urhebern zu

Credit: : Martin Haltrich / Stift Klosterneuburg

Ein Pergament aus dem 3. Drittel des 12. Jahrhunderts zu Verwendung von Psalmen. Geschrieben von 2 „Händen“ (Schreibern).

Niederösterreichs Klöster verfügen über Einsatz von Active Machine

schinellem Lernen wird die große Menge an

umfangreiche Sammlungen mittelalterlicher

Learning zur Schreibstilanalyse

Seiten rascher analysiert. Dabei geht es nicht

Handschriften. Es gibt meistens keine

Hinweise darauf, wie viele Schreiber in ei -

nem Kloster tätig waren, ob diese zwischen

Klöstern wechselten und wie die Schreibstuben

organisiert waren.

Ein Forschungsprojekt unter der Leitung

der FH St. Pölten unterstützt die historische

Forschung und identifiziert mittels künstli -

cher Intelligenz Kopisten von Manuskripten

aus dem 12. Jahrhundert in der Bibliothek

des Stifts Klosterneuburg.

Das Projekt analysiert eben anhand von

künstlicher Intelligenz die Schreibweisen ver -

schiedener Schreiber und identifiziert diese

durch stilistische Merkmale ihrer Handschrift.

Das gibt Aufschluß über die Verteilung

der Schreiber in den Manuskripten und

die Organisation der Schreibstuben.

Die klassische manuelle Schreibstilanalyse

erfolgt bisher durch ExpertInnen und ist

ein langwieriger und zeitaufwendiger Prozess.

Zudem besteht die Gefahr, daß die

Ergebnisse subjektiv durch individuelle Eindrücke

beeinflußt werden.

„Es gibt Ansätze, die Handschriften mit -

telalterlicher Schreiber durch maschinelles

Lernen zu identifizieren. Diese sind jedoch

für große Textsammlungen nicht verwendbar.

Es geht hier um zehntausende Seiten“,

sagt Markus Seidl, vom Institut für Creative\

Media/Technologies an der FH St. Pölten,

der das Projekt leitet und mit seinem Team

ein Verfahren entwickelt hat, damit die automatische

Analyse auf große Mengen von

Manuskripten angewendet werden kann.

Mit hilfe von künstlicher Intelligenz und ma -

darum, einzelne Schreiber als Personen oder

mit Namen zu identifizieren, aber festzustellen,

ob verschiedene Texte vom selben

Schreiber stammen oder von unterschiedlichen

Händen.

Zusammenarbeit von Mensch und

Maschine

In diesem interdisziplinären Projekt ar -

beiten HistorikerInnen und InformatikerInnen

zusammen. Grundlage für die Untersuchung

sind alle in der Stiftsbibliothek Klosterneuburg

aufbewahrten und mittlerweile

digitalisierten Handschriften des 12. Jahrhunderts.

Die TU Wien ist Projektpartner.

„Wir verbinden die Vorteile des maschinellen

Lernens mit der menschlichen Expertise“,

sagt Seidl. Die Maschine macht den

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

154

Credit: : Martin Haltrich / Stift Klosterneuburg

Credit: Julius Weißmann / FHSTP

Credit: Marton Doka / FHSTP

SchriftforscherInnen, den PaläografInnen,

einen Vorschlag zur Schreiberhand. Die Ex -

Manuskript mit Wechsel des Schreibers

Ein Schreiber („Eine Schreiberhand“) in drei Manuskripten

pertInnen können diesen annehmen, ablehnen

oder einen anderen Vorschlag machen.

Benutzerschnittstelle des im Projekt entwickelten Active Learning AI Editors

Durch die Bewertung der ExpertInnen wird

das Computermodell laufend verbessert. „Der

Vorteil ist, eine große Menge an Manuskripten

viel schneller in einem ersten Schritt einordnen

zu können, als dies Menschen ma -

chen könnten“, so Seidl.

„Dieses Projekt hilft nicht nur, ein bedeutendes

Desiderat der Geschichtsforschung

interaktiv zu bearbeiten, sondern schafft auch

neue Analysemöglichkeiten und -werkzeuge,

die ein tieferes Wissen über alle anderen

mittelalterlichen Schreibsstuben im heutigen

Niederösterreich ermöglichen. Basierend auf

dem Studium des Klosterneuburger Skriptoriums

im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts

können größere ungelöste Fragen zur Organisation

der Schriftlichkeit in den hochmit -

telalterlichen (nieder)österreichischen Klöstern

beantwortet werden“, sagt Martin Halt -

rich, Leiter der Stiftsbibliothek Klosterneuburg.

Forschung – Lehre – Abschlußarbeiten

Das Projekt ist auch ein hervorragendes

Beispiel für die internationale und interdisziplinäre

Verknüpfung von Lehre und Forschung.

Im Laufe des Projekts sind schon

zwei Masterarbeiten fertiggestellt worden,

eine befindet sich in Arbeit. Die Masterarbeiten

stammen von der Universität Mainz

(Digital Humanities), der Universität Wien

(Geschichte) und der FH St. Pölten (Interactive

Technologies):

m „Maschinelles Lernen zur Untersuchung

von Schreiberhänden des Klosterneuburger

Skriptoriums im letzten Drittel des

12. Jahrhunderts“ von Julius Weißmann

m „Das erste Skriptorium des Stiftes Klosterneuburg

im 12. Jahrhundert. Studie

zur Methodenentwicklung in der Skriptorienforschung“

von Viktoria Reich

m „Development of a Siamese Convolutional

Neural Network for Handwritten Text

Similarity Estimation in Medieval Manu -

scripts“ von David Schaupp

Weiters haben mehrere Studierende aus den

Bachelor Studiengängen Creative Computing

und Medientechnik sowie dem Ma ster

Digital Innovation and Research das Projekt

im Rahmen von Lehrveranstaltungen und

Praktika und als Research Assistants begleitet.

Projekt Scribe ID

Das Projekt wird von der Gesellschaft für

Forschungsförderung Niederösterreich (GFF

vormals NFB) über den FTI Call 2018 Digitalisierung

gefördert. PartnerInnen im Projekt

sind Stift Klosterneuburg und TU Wien. n

https://www.fhstp.ac.at/

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Nach fast zweijähriger, pandemiebedingter

Pause konnte am 7. Oktober der schon

lange angekündigte 15. Bibliophile Salon im

Antiquariat Kainbacher in Baden veranstaltet

werden. Wie bei den vorangegangenen Veranstaltungen

war die Teilnehmerzahl für die

geladenen Gäste begrenzt, was der Attraktivität

der Veranstaltung jedoch keinen Ab -

bruch tat. Die rund 35 nach Anmeldung ausgewählten

Gäste durften sich auf einen ab -

wechslungsreichen Abend freuen. Diesmal

waren als Vortragende der Kulturanthropologe

und Ethnohistoriker Univ.Prof. Hermann

Mückler sowie der Weltreisende und Reisebuchschriftsteller

Peter Steiner geladen.

Er sterer berichtete in seiner bildreichen

Präsentation über die Bedeutung von Kleidung

und Schmuck sowie das Verhältnis von

Nacktheit zu Verhüllung anhand zahlreicher

Beispiele aus Ozeanien. Peter Steiner reflektierte

anschließend die ökologischen Veränderungen

in Westafrika anhand von Vergleichen

der Gegenwart zu den 1970er Jahren so -

wie Veränderungen in der sprachlichen Auseinandersetzung

mit dem Thema Afrika. Bei -

de Vorträge erlaubten eine eingehende Dis -

kussion der aufgetauchten Fragen. Sowohl

in der Pause zwischen den Vorträgen als

auch an diese anschließend, ergaben sich bei

Speis und Trank weitere Gelegenheiten zum

fachlichen Austausch.

Die Bibliophilen Salons im 1998 gegründeten

Antiquariat Kainbacher schließen be -

wußt an die bildungsbürgerliche Tradition

solcher kleiner, aber exklusiver Veranstaltun -

gen an, um einem interessierten Publikum

den unmittelbaren Kontakt zu Fachwissenschaftlern,

Literaten, Kunst- und BücherexpertInnen

sowie -sammleInnen zu ermögli -

chen. Die zwischenzeitig selbst schon Tradition

gewordenen Vortragsabende im Ambien -

te tausender alter und zum Teil sehr wertvoller

Bücher im Antiquariatslokal erfreuen sich

einer großen Beliebtheit.

Der Gastgeber, der Geograph und Antiquar

Paul Kainbacher, gilt selbst als Experte

für die wissenschaftliche Aufarbeitung der

schrittweisen Entdeckung und (kolonialen)

Erschließung Afrikas sowie anderer Weltregionen,

wozu er zahlreiche Bücher veröffent -

lichte. Zusammen mit seiner Frau Doris

empfängt er bei den Salons die Gäste und

Wissenschaft & Technik

15. Bibliophiler Salon

Fachvorträge zu Entdeckungs-, Reise- und

Kolonialgeschichte im Antiquariat Kainbacher

Foto: privat

Foto: privat

Der Kulturanthropologe und Ethnohistoriker Univ.Prof. Hermann Mückler bei seinem Vortrag

Vortragenden und moderiert die Veranstaltungen.

Zu den Vortragenden der bereits stattgefundenen

Salons zählten Fachwissenschaftler

aus den verschiedensten geistes-, kultur-,

sozial- und naturwissenschaftlichen Fächern.

Dazu zählten u.a. Univ.Prof. Walter Sauer,

Afrikaexperte am Institut für Wirtschaftsund

Sozialgeschichte sowie wissenschaftlicher

Leiter des Dokumentations- und Koope -

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155

rationszentrums Südliches Afrika (SADOCC),

die Leiterin des Photoinstituts Bonartes

Monika Faber, der Afrikanist der Universität

Wien, Univ.Prof. Michael Zach, der von der

Technischen Universität Istanbul stammende

Geologe Prof. A. M. Celâl Şengör, die Nordpazifik-Expertin

Gudrun Bucher, der Historiker

und Schriftsteller David G. L. Weiss,

der Biologe und Feuerlandexperte Univ.

Prof. Manfred Niekisch, der Historiker

Univ.Prof. Hubert Szemethy, sowie private

Fachleute mit ihren jeweiligen Expertisen

wie z.B. Anke Oberlies, Leopold Kremser

und Franz Kotrba.

Die Bibliophilen Salons untermauern den

Anspruch des Antiquariats, qualitativ hochwertige,

äußerst seltene und daher attraktive

Werke insbesondere aus den Bereichen der

Reiseliteratur sowie europäisch-überseeischer

Entdeckungs- und Forschungsgeschichte

sicht bar zu machen und einem interessierten

Käuferpublikum zu präsentieren. Dies ge -

schieht auch primär im Rahmen aufwendig

gestalteter Kataloge. Damit zählt das Antiquariat

Kainbacher, welches auch mit wissenschaftlichen

Institutionen zusammenarbei -

tet, international zur ersten Liga führender

An tiquariate und ist auf den namhaftesten

Büchermessen weltweit vertreten. hm


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Im Reich der alten Bücher –

das Antiquariat Kainbacher

Das Antiquariat Kainbacher wurde 1998

von Paul Kainbacher gegründet. Das Ge -

schäft, „das Buchhaus“ genannt, in der Eichwaldgasse

1 in Baden bei Wien besteht seit

2004. Sie können auf 250 m² auf zwei Ebenen

im Bestand von ca. 10.000 antiquarischen

Büchern gustieren. Das Antiquariat ist spezialisiert

auf antiquarische Bücher zum Thema

Reisen, Expeditionen, Weltreisen und Völkerkunde,

aber auch Naturwissenschaften. Die

Reisebeschreibungen von Humboldt, Cook,

Nansen, Stanley und vielen anderen, als auch

die naturwissenschaftlichen Publikationen der

österreichischen Expeditionen der Mitglieder

der Novara-Expedition oder der Brasilien-

Expeditionen um 1825 sind Teile des Angebots.

Grundsätzlich sind alle Teile der Erde

Thema. Bei den Naturwissenschaften ist Kain -

bacher auf jene Publikationen fokussiert, wel -

che „die Welt veränderten“. Darunter befinden

sich Werke von Euler, Einstein, Planck,

Kepler, Boltzmann, Röntgen und Freud.

Gerade in der heutigen, schnell-lebigen

Welt, einer Welt der Massenproduktion, stellen

Qualität und Seriosität entscheidende Fak -

toren dar. So bemüht sich Paul Kainbacher

Foto: Antiquariat Kainbacher

Kultur

Paul Kainbacher vor einem Teil

seiner antiquarischen Schätze

156

um seltene und gut erhaltene Bücher. Sollten

diese in einem schlechten Zustand angekauft

werden, so wird eine Restauratorin mit der Er -

haltung beauftragt. Diese alten Bücher sind

für Kainbacher ein Teil der Menschheitsgeschichte

und unserer Kultur. Er möchte diese

erhalten und danach an eine private oder öf -

fentliche Bibliothek verkaufen.

Paul Kainbacher fährt sowohl zum An -

kauf vor allem in Österreich und Deutschland

zu Besichtigungen, aber auch auf Antiquariatsmessen

wie in Stuttgart, London, New

York oder Hongkong wird an- und verkauft.

Ein wichtiger Punkt beim Verkauf dieser al -

ten Bücher ist eine exakte Zustandsbeschreibung

sowie eine kurze Beschreibung über die

Bedeutung des Buches. Dabei ist die Vollständigkeit

wichtig – es sollten alle Seiten,

Tafeln und Karten vorhanden sein, wenn

nicht, ist dies zu vermerken – und der Zu -

stand. Pro Jahr pu bliziert Paul Kainbacher

drei bis vier Kataloge, in denen die Neueingänge

angeboten sind. Designt zusammen mit

einer Graphikerin sind die Ka taloge selbst zu

Sammelobjekten geworden.

Dreimal im Jahr veranstalten Doris und

Paul Kainbacher den Bi bliophilen Salon, bei

dem Vorträge von Wis senschaftlern zu den

Themen zahlreiche Samm ler, Kollegen und

Interessierte versam meln.

n

https://antiquariat-kainbacher.at/

kainbacher@kabsi.at

Tel.: ++43 / 699 / 110 19 221

Sehen Sie hier Beispiele aus dem Kainbacher-Katalog „Reisen und Expeditionen“ – zwei seltene Reiseberichte aus dem 19.Jajhrhundert

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Kultur

Ruth Baumgarte – Africa:

Visions of Light and Color

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Von 7. Dezember 2022 bis 5. März 2023 in der Albertina Wien

© Kunststiftung Ruth Baumgarte

Mit der deutschen Malerin Ruth Baumgarte

(1923 – 2013) präsentiert die

Albertina eine Künstlerinnenposition des 20.

Jahrhunderts: Das Werk der großen Koloristin

wird erstmals in Österreich gezeigt.

Im Mittelpunkt der Schau in der Pfeilerhalle

steht Baumgartes umfassender Werkkorpus,

dem Reisen der Künstlerin in afrikanische

Länder wie Ägypten, Südafrika, Ke -

nia, Tansania, Uganda, Äthiopien, Sudan und

Simbabwe zugrunde liegen. Die insgesamt

38 Ölgemälde besitzen bei ihrer Betrachtung

Ruth Baumgarte, African Vision, 1998, Öl auf Leinwand

eine geradezu magische Qualität. Der simbabwische

Dichter Chirikure Chirikure sagt

über die Künstlerin: „Die Länder Afrikas

und seine Völker waren für sie keine Modelle,

die es auf der Leinwand festzuhalten galt,

sondern ein integraler Bestandteil ihrer

Lebensreise.“

Ab den 1950er-Jahren bis ins hohe Alter

reist die Künstlerin über 40 Mal nach Afrika,

wo sie die Menschen aufmerksam beobachtet,

sich empathisch in sie einfühlt. Sie interessiert

sich für die fremden Kulturen eines

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damals für europäische Kunstschaffende noch

unerschlossenen Kontinents. Zentral für das

Verständnis von Ruth Baumgartes Kunst ist

das Verhältnis von Mensch und Natur, die

Ver schmelzung von Figur und Landschaft.

Auf Basis schneller Skizzen, die sie vor Ort

anfertigt, schafft sie später – wieder zuhause

in ihrem Atelier in Deutschland – farbintensive

Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen.

Zu sehen war das Werk Baumgartes zu -

letzt im Museum für Kunst und Kulturgeschichte

in Dortmund, im Ludwig Museum


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Kultur

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im Marmorpalast, im Staatlichen Russischen

Museum Sankt Petersburg sowie im Ludwig

Museum Koblenz. In Österreich wird die

Künstlerin erstmals gezeigt.

Eine große Koloristin unserer Zeit

„Dynamische Farbströme überziehen

gleich einer glühenden Lava die Bilder. Ne -

ben den strahlenden, geradezu das Auge

blendenden hellen Bereichen treten tief

leuchtende Farbpartien von nicht geringerer

Intensität auf, die dieselbe Sättigung wie das

intensive Rot, Gelb und Orange aufweisen.

Durch ihre zahlreichen Reisen nach Afrika,

begegnet Ruth Baumgarte jenen intensiven

Farbimpressionen, denen sie in der deutschen

Heimat nicht begegnen konnte. Formal

und koloristisch war Afrika mit seinem

grellen Licht und der hohen Farbintensität

für sie, was Tunis ein halbes Jahrhundert

zuvor für Paul Klee und August Macke war:

die Befreiung ihrer Malerei aus der mitteleuropäischen

Tradition“, so Albertina-Generaldirektor

Klaus Albrecht Schröder.

„Ruth Baumgarte hat ihre Afrikabilder zu

einem Zeitpunkt angefertigt, als Fragen nach

künstlerischer Aneignung und kultureller

Enteignung im Sinn aktueller Diskurse noch

nicht existierten. Trotzdem erkennt sie intuitiv,

daß politische Asymmetrien, die sich als

Culture Clash manifestieren, nicht in oberflächlicher

Harmonie aufgelöst werden können,

sondern in spannungsgeladenen Farbkompositionen

gestalterisch gleichsam als

Formproblem bewältigt werden müssen. So

entsteht ein spannungsreicher Kosmos, der,

ausgehend von flammenden Rottönen und

sattem Orange-Ocker über Gelb, Rosa und

Violett zu entschiedenen Violett-Blau-Tönen

in die Tiefe verfließt“, so Kuratorin und

Albertina-Modern-Direktorin Angela Stief

zum Werk der Künstlerin.

Ruth Baumgarte fertigte ihre Bilder Afrikas

zu einem Zeitpunkt an, als Fragen nach

künstlerischer Aneignung und kultureller Ent -

eignung noch nicht – wie heute im Zeitalter

postkolonialer Diskurse –zur Debatte standen.

Dennoch erkannte sie intuitiv, daß politische,

soziale und kulturelle Asymmetrien,

die sich als Culture Clash manifestieren, nicht

in einer oberflächlichen Harmonie aufgelöst

werden können, sondern in spannungsgeladenen

Farbkompositionen gestalterisch –

gleichsam als formal-ästhetisches Sediment

realer Gegensätze – problematisiert werden

müssen. So entstand ein koloristischer Kosmos,

der, ausgehend von flammenden Rottönen

und sattem Orange- Ocker über Gelb,

Rosa und Violett zu entschiedenen Violett-

© Kunststiftung Ruth Baumgarte

Ruth Baumgarte, Even the Elephant's Death Will Occur on a Single Day, 1995-1997

Öl auf Leinwand

Blau-Tönen in die Tiefe verfließt. Emotion

wird in Baumgartes Werken durch Farbigkeit

bis auf das Äußerste gesteigert.

Das sehr spezielle Licht, das auf den afrikanischen

Landschaften ruht, findet auf

diese Weise malerischen Ausdruck, während

die Auflösung der Formen und eine Allegorisierung

der Motive vom Unbehagen der

Künstlerin beim Erleben eines Kontinents

zwischen Aufbruch und bestehender Un -

gleichheit sowie Ausbeutung künden.

Ruth Baumgarte brachte mit ihrem ex -

pressiv-explosiven Spätwerk das gleißende

Licht Afrikas nach Europa. Licht als Farbe

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und Farbe als Licht zu begreifen, wird in

ihren Werken zu einem künstlerischen Ereignis,

zu einer dramatischen Kraft. Lavaströme

von Farben und eine geradezu trunken

machende rhythmisch fließende Bewegung

durchströmen die Bildgefüge.

Mit der herausragenden Intensität ihrer

Gemälde reiht sich Baumgarte in die Genealogie

der großen Koloristen des 20. Jahrhunderts

ein. Reisen durch zahlreiche afrikanische

Länder waren für sie der Motor, um je -

ne Farbimpressionen freisetzen zu können,

denen sie unter dem verhangenen Himmel

ihrer deutschen Heimat nicht begegnen konn -


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

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te. Baumgartes Kunst läßt sich weder auf

Genremalerei noch auf irgendeine narrative

oder beschreibende Kunst reduzieren: Das

Erlebnis des afrikanischen Lichts hinterließ

bei ihr einen ähnlich einschneidenden Eindruck

wie die Sonne der Provence bei Vincent

van Gogh, wie insgesamt das Licht Südfrankreichs

bei den Fauves um 1905.

Athi-Patra Ruga

In die Ausstellung von Ruth Baumgarte

integriert, finden sich zwei großformatige

Ta pisserien und eine Zeichnung von Athi-

Patra Ruga. Die Porträts des südafrikanischen

Künstlers geben keine realen Personen

wieder, vielmehr handelt es sich um hybride

Gestalten, die häufig feste Zuschreibungen

von Klasse, Ethnie und Geschlecht unterlaufen.

Athi-Patra Ruga ist der diesjährige Preisträger

der Ruth Baumgarte Stiftung und folgt

damit William Kentridge, Michael Armitage,

Nan Goldin, Mona Hatoum u. a. Ruga, der

1984 in Umtata (Südafrika) geboren wurde,

lebt zwischen Johannesburg und Kapstadt.

In seinem multimedialen Werk, das neben

Tapisserien und Zeichnungen auch Glasbilder

und Performances umfaßt, verfolgt er

eine opulente, schillernd bunte Ästhetik.

Mittels der Aneignung von westlichen Kontexten

und Stilrichtungen wie dem Expressionismus

vermischt er in seinem Werk verschiedene

kulturelle Einflüsse.

Ruga versucht in Auseinandersetzung mit

der postkolonialen Geschichte und der Anti-

Apartheid-Bewegung der 1950er-Jahre die

Traumata der Vergangenheit aus einem Ort

der Distanz zu betrachten. Er imaginiert ein

gleichwertiges Südafrika ohne Rassismus,

das jenseits persönlicher Trauer und subjektiver

Abwehr existiert.

Der Strom der Zeit

In dem Triptychon, das aus den Gemälden

„Sogar der Elefant stirbt innerhalb eines

© Privatbesitz Ruth Baumgarte

Ruth Baumgarte, Rückkehr, 1994, Öl auf Leinwand

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Kultur

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Tages“, „Feuerwende“ und „Der Strom der

Zeit“ besteht, kreisen auf der linken Arbeit

Geier vor einer giftig gelben Landschaft,

während auf dem rechten Bild Adler auf

Felsformationen thronen und in der Mitte

Frauen Reisig sammeln. Alle Szenerien finden

vor einem dramatisch kolorierten Himmel

statt und lassen sich als ein Verweis auf

die blutige Geschichte Südafrikas lesen. Traditionell

gilt die Frau als Dreh- und Angelpunkt

für das Leben und Überleben auf dem

afrikanischen Kontinent. Die beiden symbolisch

aufgeladenen Flügeltafeln verkörpern

mit Geiern und Adlern die Antipoden Leben

und Unsterblichkeit. Große Bedrohung und

der Eindruck einer latenten Gefahr für die

Frauen ist offensichtlich. Der mißtrauische

Blick der Protagonistin betont die unheimliche

Bildatmosphäre.

African Beat I & II

Bis in ihr Spätwerk beschäftigten Baumgarte

die künstlerischen Möglichkeiten, Fi -

guren mittels einer dynamischen Bildkomposition

in Bewegung zu versetzen. Im Zentrum

der großformatigen Arbeiten African

Beat I und II steht der Tanz und die Ekstase.

Bewegte Körper fügen sich zu einer arabesken

energiegeladenen Collage. Der Rhythmus

der Bilder wird von einem vibrierenden

Hell-Dunkel-Kontrast und der Verschränkung

zahlreicher Techniken wie Gouache, Pastellkreide,

Kohle und Bleistift bestimmt.

Burning Sky

Burning Sky zählt zu den späteren Ölgemälden

aus Baumgartes Afrika-Zyklus, als

die Künstlerin verstärkt Menschen in infernoartigen

Landschaften auf der Flucht zeigt.

Dabei strukturiert sie den Raum spannungsreich

in mehrere Ebenen und verwebt die

Figuren mit dem natürlichen Umraum. Der

Himmel brennt wie Feuer und taucht die

Um gebung in ein apokalyptisch leuchtendes

Rot. Die Figur gleicht einer modernen Interpretation

des Titanen Atlas aus der antiken

Mythologie, der das Himmelsgewölbe auf

seinen Schultern zu tragen scheint.

Anatomical Landscape II

Das fast abstrakte Gemälde Anatomical

Landscape II wird von einer kaum erkennbaren

Rückenfigur dominiert. Der Körper des

Dargestellten verschmilzt vollkommen mit

der Landschaft. Baumgarte modulierte ihre

Bilder nahezu plastisch, vergleichbar mit Paul

Cezanne, der seine Gemälde durch das Ne -

beneinandersetzen von Farbflächen konstruierte.

© Kunststiftung Ruth Baumgarte

Ruth Baumgarte, Misunderstanding, 1993, Öl auf Karton

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Werkverzeichnis in drei Bänden

Das künstlerische Gesamtwerk der gegen -

ständlich und expressiv arbeitenden Künstlerin

wird auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher

Forschungen und mit einem auf

Vollständigkeit angelegten Verzeichnis in

einer opulenten dreibändigen Ausgabe präsentiert.

Ebenfalls wird das bisher noch un -

erforschte Kapitel der Illustrationsgeschichte

im Frühwerk der Künstlerin eröffnet.

Der Essayband verortet mit seinen biografischen,

kunst- und kulturhistorischen

Beiträgen Ruth Baumgartes Œuvre erstmals

und umfassend in der deutschen Kunstgeschichte.

Hinzutreten Betrachtungen über

die besondere, jahrzehntelange Beziehung

der Künstlerin zu Afrika und darüber, welche

Wechselwirkungen es zwischen ihren

Werken und der Filmografie zu entdecken

gibt. Weitergehend wird ihr gesamtes bildkünstlerisches

Werk aus acht Jahrzehnten im

zweiten Band chronologisch aufgeführt. Der

umfangreiche dritte Band des Werkverzeichnisses

gibt auch einen vollständigen Überblick

über die frühen Nachkriegs-Illustrationen

der Künstlerin.

n

https://www.albertina.at/

https://de.wikipedia.org/wiki/Ruth_Baumgarte

https://www.hirmerverlag.de/de/titel-1-1/ruth_baumgarte-2248/

Ab 27. Jänner 2023 in der Albertina zu sehen:

„Dürer, Munch, Miró – The Great Masters

of Printmaking“ ein grandioses Ausstellungsduett

zur Druck grafik der letzten sechs

Jahrhunderte.


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Die Heidi Horten Collection

Das Heidi Horten Museum im vormaligen erzherzoglichen Kanzleigebäude liegt

in prominenter Lage im Herzen Wiens zwischen Staatsoper, Albertina und

Burggarten – Ausstellung LOOK von 21. Oktober 2022 – 16. April 2023

161

© Heidi Horten Collection

Heidi Goëss-Horten in den 1980er-Jahren

In einem Innenhof gelegen, wurde das ehemalige

Verwaltungsgebäude, erbaut 1914

von Erzherzog Friedrich, nach dem Entwurf

von the next ENTERprise architects in rund

20 Monaten in ein Museum für moderne und

zeitgenössische Kunst verwandelt.

Drei Ausstellungsebenen, die durch freischwebende

Treppen verbunden sind, bieten

auf rund 1.500 m² großzügige Ausstellungsflächen.

Ein Atelier mit Terrasse ist kreativen

Vermittlungsaktivitäten gewidmet, die

Heidi Goëss-Horten ein großes Anliegen

waren. Ein besonderer Ort im Museum mit

historischem Bezug ist der Tea Room: Ge -

staltet von den Künstlern Markus Schinwald

und Hans Kupelwieser, lädt er BesucherInnen

ein, in den Kosmos der Sammlerin einzutauchen

und nach dem Museumsbesuch zu

entspannen. Ein kleiner Museumsgarten eignet

sich zur Aufstellung von Skulpturen der

Sammlung und bildet eine unerwartete

Ruheinsel im Getriebe der Stadt.

Heidi Goëss-Horten stellte 2018 einen

relevanten Teil ihrer Kunstsammlung für die

Ausstellung „WOW! The Heidi Horten Collection“

im Leopold Museum zur Verfügung

und gewährte damit einer breiten Öffentlichkeit

zum ersten Mal Einblick in ihre Sammlungstätigkeit.

Die überwältigende Resonanz

auf die Ausstellung ließ in ihr den Wunsch

wachsen, die Kunstsammlung für alle Interessierten

dauerhaft zugänglich zu machen

und für kommende Generationen zu erhalten.

Mit dem Museum lädt Heidi Goëss-Horten

die BesucherInnen zu einer neuen Art

des Kunstgenusses und der Teilhabe an ihrer

außergewöhnlichen Sammlung ein. An dieser

Stelle sei auch erwähnt, daß sich die Heidi

Horten Collection im Gegensatz zu anderen

Privatsammlungen ausschließlich aus eigenen

Mitteln finanziert.

Der Aufbau der Privatsammlung nahm

seinen Anfang in den 1990er-Jahren nach

Helmut Hortens Tod. Helmut Horten erwarb

in den 1960er- und 1970er-Jahren einzelne

wenige frühe Werke Pablo Picassos, Emil

Noldes und Marc Chagalls für die Wohnsitze.

Heidi Goëss-Horten ersteigerte zunächst

auf eigene Initiative bei Auktionen, bald ließ

sie sich von Agnes Husslein-Arco fachlich

be raten und konnte so in rund 35 Jahren eine

der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen

schaffen.

Heidi Goëss-Horten hat unternehmerisches

Geschick bewiesen, indem sie in

Kunst investiert hat, welche eine bedeutende

Wertsteigerung erfahren hat. Die Kunstsammlung

in ihrer heutigen Gestalt ist im

überwiegenden Teil auf die Sammlungstätigkeit

sowie das damit verbundene Gespür und

Geschick der Sammlerin Heidi Goëss-Horten

zurückzuführen.

Ziel von Heidi Goëss-Horten war es, die

Kunstsammlung langfristig zu erhalten und

für alle Interessierten im neuen Privatmuseum

zugänglich zu machen. Betrieb und Er -

haltung des Museums sind auch nach ihrem

Tod langfristig abgesichert. Sie verstarb am

12. Juni 2022, nur wenige Tage nach der grossen

Eröffnung ihres Museums, im Kärtnter

Maria Wörth im Alter von 81 Jahren. „Ich se -

he mein Museum als Ort des Entdeckens, des

sinnlichen Erlebens, des Kunstgenießens –

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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

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denn genau das war und ist die Kunst bis

heu te für mich: ein unverzichtbarer Genuß!

Ich wünsche mir, daß die Menschen, die mein

Museum besuchen, dieses Gefühl genauso

erleben“, sagte sie über ihr Herzensprojekt.

Die erste Themenausstellung ab Herbst

2022 widmet sich unter dem Titel LOOK der

Museumsgründerin selbst und stellt einen

wesentlichen Gesichtspunkt ihrer Sammlung

in den Fokus: Frauenbildnisse und Aspekte

von Weiblichkeit.

LOOK

© Heidi Horten Collection/Bildrecht, Vienna, 2022

Das Bild der Frau und der Blick auf Frauen.

Dieses Wechselspiel bildet einen Schwer -

punkt in der Heidi Horten Collection. Die

erste Themenausstellung des Museums ist so

auch als Hommage an die Stifterin zu lesen

und widmet sich diesem Aspekt in der perspektivischen

Gegenüberstellung von Kunst

und Mode, Image und Images. In thematisch

gegliederten Kapiteln wirft die Ausstellung

Streiflichter auf dieses inspirierende Spannungsverhältnis.

Das Spektrum der gezeigten

Kunst reicht vom 18. Jahrhundert bis zur

Gegenwart, von glamourösen Diven, modernen

Frauen der Avantgarde, kontemplativen

Porträts und psychologisierenden Weiblichkeitsdarstellungen

über Accessoires mit Fe -

tischcharakter und Aktbildnissen bis hin zu

feministischen Gegenpositionen. Die in der

Ausstellung gezeigten Werke gehörten zum

direkten Lebensumfeld der Sammlerin, zeigen

ihre sehr persönliche Auswahl und spiegeln

in gewisser Art und Weise Seiten ihrer

starken und selbstbewussten Persönlichkeit.

LOOK ist keine „Modeausstellung“, dennoch

gehen Kunst und Mode auch durch das

Mitwirken des Modedesigners Arthur Arbesser

eine neue Beziehung – einen intimen

Dialog – ein.

Angelika Loderer, Untitled (Shoes),2016

© Heidi Horten Collection

Friedrich von Amerling, Der Brief, 1837

Das erste Kapitel der Ausstellung

kreist thematisch um Stars und Glamour in

der Kunst – in der Heidi Horten Collection

ist dieser Aspekt vor allem durch zentrale

Werke von Andy Warhol vertreten. Warhol –

„Papst“ der Pop-Art und Meister in der Kreation

seines glamourösen Selbstbildes – verfügte

aufgrund eigener Erfahrungen über ein

feines Gespür für die oft tragischen Schattenseiten

des Berühmtseins, die den zumeist

weiblichen Stars der Celebrity Gesellschaft

und des Films vielfach zum Verhängnis wurden.

In der Heidi Horten Collection finden

sich ikonische Porträts von den berühmtesten

Protagonistinnen wie Liz Tailor, Farah

Diba, Jacky Kennedy und natürlich Marilyn

Monroe, die selbst in diesem bereits exklusiven

Ensemble eine Sonderstellung einnimmt.

Die Zurschaustellung von Glamour und

Starkult gehen bei Warhol oftmals einher mit

deren Dekonstruktion und der Offenlegung

von Zerbrechlichkeit – wie dies etwa die

Siebdrucke der berühmten Diven eindrucksvoll

demonstrieren.

Ein weiteres Kapitel

steht ganz im Zeichen des Aufbruchs in die

Moderne und dem damit einhergehenden

Wandel des Bildes der Frau z.B. in der bürgerlichen

Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen.

Anschaulich wird diese Transfor-

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© Heidi Horten Collection

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Egon Schiele, Damenbildnis (Wally), 1912

mation beispielsweise an Lyonel Feiningers

Doppelporträt Die Hochzeitsreise (1908), das

den Künstler und seine Frau Julia zeigt. Klei -

dung und Aussehen des Paares lassen auf

eine emanzipierte Haltung schließen, Ge -

schlechterrollen und Attribute werden aufgebrochen.

Ein gegensätzliches, traditionelleres

Bild liefert August Mackes Gemälde

Zwei Frauen vor dem Hutladen (1913). Der

Künstler vermittelt in seinem Werk keine

Details, sondern vielmehr einen bestimmten

Gesellschaftsstil, der sich in den flanierenden

Figuren mit extravaganten Hüten widerspiegelt.

Eine zentrale Arbeit dieses Kapitels

ist Commedia (Montparnasse Blues, 1925)

von Kees van Dongen. Das Werk verkörpert

alle Facetten der „Roaring Twenties“, und

damit auch ein modernes Frauenbild, wie an

der idealtypischen Darstellung der beiden

Figuren mit Kurzhaarfrisur – ein Zeichen der

Befreiung – und selbstbewußter Pose er -

kennbar wird.

Die Entwicklung des Porträts

steht im Mittelpunkt eines weiteren Kapitels

und markiert Brüche und Übergänge dieser

Disziplin – zwischen Rollenporträt und antiker

Paraphrase. Die Ausstellung spannt

einen Bogen vom träumerischen Blick von

© Heidi Horten Collection, Foto: www.kunst-dokumentation.com /Manuel Carreon Lopez

Kultur

Friedrich von Amerlings unbekanntem jungen

Mädchen bis hin zum völlig deformierten

Gesicht von Bacons Study for Portrait of

Henrietta Moraes. Amerling und Bacon stehen

sich in ihrer Porträtauffassung diametral

entgegen, weisen aber dennoch offenkundige

Gemeinsamkeiten auf: Beide sind fest in

ihrer Zeit und in ihrem gesellschaftlichen

Milieu verwurzelt und haben sich ganz der

Skizzenset von Yves Saint Laurent

163

Suche nach einem spezifischen Ausdruck

verschrieben. Anhand der Beispiele aus der

Heidi Horten Collection läßt sich die Entwicklung

des Porträts über drei Jahrhunderte

verfolgen, von der Darstellung einer Person

in ihrer ganz eigenen Individualität bis hin

zum allgemeingültigen Bild des Menschen:

Alexej von Jawlensky zeigt den Menschen

als vergeistigtes Wesen, Niki de Saint Phalle

als eine irdisch-weltliche Frau und Gerhard

Richter in seinem Verschwinden.

Der male gaze, also der objektifizierende

männliche Blick auf die Frau, dominiert die

Kunstgeschichte bis weit ins 20. Jahrhundert

hinein und spiegelt die gesellschaftlich tief

verwurzelte Ungleichheit der Geschlechter

wider. Mit der zweiten Welle der Frauenbewegung

Ende der 1960er-Jahre stellten sich

weibliche Kunstschaffende gegen tradierte

Geschlechterrollen sowie gegen Stereotypisierung

und Sexualisierung der Frau. Frauenbildnisse

entstehen nun aus der Perspektive

der Frau selbst. Der weibliche Körper so -

wie am Körper getragene, weiblich konnotierte

Gegenstände wie Kleidungsstücke und

Schuhe werden zum Vehikel und künstlerischem

Material, mit dem sich gesellschaftliche

Mißstände aufzeigen und Gegenmodelle

schaffen lassen. In der Ausstellung wird die -

se Entwicklung mit Arbeiten von Birgit Jürgenssen,

Gudrun Kampl oder Michèle Pagel

belegt. Schließlich zeigt die Ausstellung auch

eine Reihe von Aktbildern, die ausschließlich

von männlichen Künstlern stammen und

deren Blick auf Frauen zeigen. Gesammelt

wurden diese Werke allerdings von einer

Frau. Die ausgestellten Arbeiten bilden eine

Zeitspanne von 100 Jahren ab und geben so

einen Überblick über die Entwicklung des

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Kultur

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© Heidi Horten Collection, Foto: www.kunst-dokumentation.com /Manuel Carreon Lopez

Givenchy, Modell 90 / 1981,

Abendkleid, Bustier aus schwarzem Samt

© Heidi Horten Collection, Foto: www.kunst-dokumentation.com /Manuel Carreon Lopez

Christian Dior, Modell 59 / 1981.

Abendkleid aus changierendem Seidentaft

Genres – von Edgar Degas‘ Rückenakt Torse

de femme (1886) bis zu Tom Wesselmans

Sitting Monica aus dem Jahr 1986. Dazwischen

finden sich berühmte Aktbildnisse des

Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner

Weiblicher Akt mit Badezuber (1912) oder

die während einer Performance entstandenen

Anthropometrien von Yves Klein, der schonungsloser

als jeder andere über das Verhältnis

von Maler und Modell sprach, indem er

postulierte, seine Modelle seien „seine Pinsel“.

Die präsentierten Bilder von Frauen, wie

sie sich zeigen und wie sie gesehen werden

und welche Gegenbilder von Künstlerinnen

geschaffen wurden, spiegeln gesellschaftliche

Vorstellungen und Normen. Dagegen

bie tet die Mode ein Experimentierfeld, um

Rollen aufzubrechen oder auch zu stabilisieren.

Seit dem 19. Jahrhundert wird Mode als

Paradigma der modernen Kultur verstanden

und ist das beherrschende Modell für das Hier

und Jetzt, für Zeitgeist, Gesellschaft und

deren Wandel. Kleidung ist textiles Medium

der Kommunikation, sie verbirgt und legt

gleichermaßen offen, dient der Selbstdarstellung,

ebenso wie dem Schutz und der Verhüllung

des Körpers.

So präsentiert die Ausstellung Haute-

Couture-Kleider von Christian Dior, Hubert

de Givenchy, Yves Saint Laurent, Jean Patou

und Jean-Louis Scherrer, die sich Heidi Horten

exklusiv schneidern ließ, um sie bei ge -

sellschaftlichen Anlässen zu tragen. Die Aus -

stellung zeigt neben 22 Roben auch Originalzeichnungen

mit Stoffmustern von Mode -

entwürfen, die sich Heidi Horten von den

Couturiers bzw. ihren Ateliers aus Paris

schicken ließ. Bestellscheine und Korres -

pondenz mit den Modemachern geben dar -

über hinaus einen Einblick in Heidi Hortens

persönliche Vorstellungen, die bei der Anfertigung

der Kleider berücksichtigt wurden.

Zu den Anproben fuhr sie gelegentlich auch

nach Paris. Wie Heidi Horten in ihren Kleidern

gewirkt haben könnte, welche Ausstrahlung

sie hatte oder welche Haltung in

solchen Kleidern angenommen werden

mußte, zeigt die auf die Museumswand projizierte

Videoarbeit, die der Designer Arthur

Arbesser und die Videokünstlerin Rosa Lisa

di Natale entwickelt haben.

Schließlich wird der von der Ausstellung

offenlegte Blick ins Private durch die Präsentation

von Preziosen und kostbaren Näh-

Necessaires in der Vitrine des Tea Rooms

erweitert. Heidi Horten zeigte Zeit ihres Le -

bens Interesse für Handarbeit. Dieses Interesse

gab den Anstoß für eine umfangreiche

Sammlung von Kostbarkeiten en miniature.

LOOK spielt pointiert mit der Bedeutung

von Aussehen und Erscheinungsbild im

Spannungsverhältnis von Privatheit und Öf -

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Kultur

165

© Heidi Horten Collection/Bildrecht, Vienna, 2022

Andy Warhol, Nine Multicolored Marilyns (Reversal Series),1979-1986

fentlichkeit sowie von Identität und Selbstverständnis.

Gleichzeitig versteht sich der Ti -

tel auch als eine Einladung, die unterschiedlichen

Facetten der Sammlung wie auch

ihrer Sammlerin auf eine sinnliche Art und

Weise zu betrachten. Die Ausstellung wurde

von Agnes Husslein- Arco gemeinsam mit

Heidi Goëss-Horten zu Lebzeiten geplant.n

https://hortencollection.com/

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Kultur

Tilla Durieux

Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen – Ausstellung im

Leopold Museum Wien von 14. Oktober 2022 bis 27. Februar 2023

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© Akademie der Künste, Berlin, Tilla-Durieux-Archiv, Nr. 248_5, Foto: Akademie der Künste, Berlin, Tilla-Durieux-Archiv, Nr. 248_5

Das Leopold Museum widmet dem

gefeierten Theater- und Filmstar Tilla

Durieux (1880–1971) die erste umfassende

Ausstellung. Durieux war sowohl moderne

Frau der 1920er-Jahre als auch politisch en -

gagierte Zeitgenossin, deren Rollen ebenso

vielfältig waren wie die Liste jener Künst -

lerInnen, denen sie Modell saß – unter ihnen

Auguste Renoir, Lovis Corinth, Franz von

Stuck, Max Slevogt, August Gaul, Emil Or -

lik, Ernst Barlach, Olaf Gulbransson, Max

Oppenheimer, Oskar Kokoschka, Frieda

Riess, Charley Toorop, Sasha Stone, Lotte

Jacobi und Mary Duras. Die Präsentation

geht erstmals der Faszination auf den Grund,

welche die gebürtige Wienerin und Wahlberlinerin

bereits auf ihre ZeitgenossInnen ausübte,

und folgt anhand von Bildnissen quer

durch alle Medien den Spuren dieser schillernden

Persönlichkeit.

Alexander Binder, Tilla Durieux, 1924–27

Geburtsstunde eines Stars

und erste private Porträts

Tilla Durieux, geborene Ottilie Helene

Angela Godeffroy, kam in Wien als Tochter

eines Chemieprofessors und einer Pianistin

in einer gutbürgerlichen Familie zur Welt.

Sie beschrieb ihr Elternhaus im noblen Wiener

Währinger Cottage als lieb- sowie freudlos

und flüchtete schon früh in eine Fantasiewelt.

Als 16jährige, ein Jahr nach dem Tod

ihres Vaters, beschloß sie – gegen den Willen

ihrer Mutter – Schauspielerin zu werden.

Nach einer Schauspielausbildung in Wien

schaffte sie es über Stationen in Olmütz 1902

und Breslau 1903 schließlich nach Berlin zu

Max Reinhardt ans Deutsche Theater. Im be -

kannten Schauspielensemble erhielt die

Nachwuchskünstlerin kleinere Engagements,

bis der gefeierte Star Gertrud Eysoldt (1870–

1955) erkrankte, Durieux für sie einsprang,

deren Hauptrolle in Oscar Wildes Stück Sa -

lome übernahm und brillierte – dies sollte

die Geburtsstunde der legendären Bühnenfigur

Tilla Durieux sein. Über die Jahre hinweg

spielte sie in allen wichtigen Häusern

Europas und stellte sich gerne – nicht nur auf

der Bühne, sondern ab 1914 auch vereinzelt

vor den Kameras der Stummfilm-Ära – herausfordernden

Rollen. Ihren Durchbruch als

Film- schauspielerin erlebte sie allerdings

erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Als Durieux 1902 ihren ersten Ehemann

Eugen Spiro (1874–1972) in Breslau kennen -

lernte, standen beide am Beginn ihrer Karrieren.

Der Maler und Grafiker – er hatte an der

Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe

studiert und seine Ausbildung als

Meisterschüler von Franz von Stuck (1863–

1928) in München abgeschlossen – führte

sie an die bildende Kunst heran. Aus Spiro

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© Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien © Bildrecht, Wien 2022

und Durieux wurde ein Paar, das in Berlin

Hochzeit feierte. In der Ausstellung im Leopold

Museum ist zu sehen, wie der Künstler

seine Frau aus unmittelbarer Nähe im privaten

Umfeld porträtierte und so Momente des

vertrauten gemeinsamen Glücks festhielt. Die

Ehe wurde jedoch 1905 geschieden, nachdem

Durieux den Kunsthändler und Verleger Paul

Cassirer kennengelernt hatte.

KünstlerInnenkreis um Cassirer und

Durieux – Entstehung zahlreicher

Auftragsporträts

Cassirer, ab 1910 Durieux‘ Ehemann, aus

einer wohlhabenden, einflußreichen Familie

stammend, förderte die bereits erfolgreiche,

ehrgeizige Schauspielerin und führte sie in

die Kunst- und Literaturkreise Berlins ein.

Ne ben Künstlern wie Max Liebermann, Lo -

vis Corinth, Max Slevogt, August Gaul,

Ernst Barlach oder Leo von König gehörten

im Laufe der Jahre ebenso Kulturschaffende

wie die Schauspielerin Tilly Wedekind und

Theater- autor Frank Wedekind, der Pianist

Leo Kestenberg, die Dichterin Else Lasker-

Schüler, der Schriftsteller Heinrich Mann, der

Sammler und umtriebige Chronist Harry Graf

Kessler, der Verleger Samuel Fischer, die

Kunstschriftsteller Julius Elias, Julius Meier-

Graefe, Max Osborn oder der Kritiker Alfred

Kerr zu dieser illustren Runde.

Von Gesprächen mit dem zur Zeit der

Porträtsitzungen bereits kranken Auguste Re -

noir (1841–1919), dessen Porträt als Leihgabe

aus dem Metropolitan Museum in New

Eugen Spiro, Dame mit Hund (Tilla Durieux), 1905

© Akademie der Künste, Berlin, Tilla-Durieux-Archiv, Nr. 213_1, Foto: Akademie der Künste, Berlin, Tilla-Durieux-Archiv, Nr. 213_1 © Stiftung Stadtmuseum Berlin

Harry Croner, Tilla Durieux und Ernst Ginsberg in Robespierre, 1963

York angereist ist, fühlte sich Tilla Durieux

hingegen tief berührt, und auch Ernst Barlach

(1870– 1938) stand der Künstlerin mit

der Zeit nahe. Nicht nur auf Papier oder Lein -

wand wurde sie verewigt, sondern auch in

vie len plastischen Arbeiten sämtlicher medialer

und materieller Ausformungen. Das

Leopold Museum zeigt Skulpturen etwa von

Ernst Barlach, Hermann Haller oder Hugo

Lederer.

In Berlin führten Cassirer und Durieux

einen Haushalt mit großen Abendgesellschaften,

an der holländischen Küste luden

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sie zur Sommerfrische. Von der Notwendigkeit

seines Einsatzes überzeugt, meldete sich

Cassirer 1914 zum Fronteinsatz, Durieux ar -

beitete als Krankenschwester in Berlin und

ließ diese Tätigkeit fotografisch dokumentie -

ren. Beide quittierten jedoch bald den Dienst

und kämpften fortan für den Frieden. Auch

im Schweizer Exil ab 1917 versammelte das

Ehepaar einen Kreis von Kulturschaffenden

und Intellektuellen um sich.

Rollenporträts und Theaterfotografien

Während viele der privaten Porträts in

Auftrag gegeben wurden, zählte das Posieren

in Theaterrollen oder in Zivilkleidung zu

den Begleiterscheinungen eines SchauspielerInnenlebens.

Für die diversen Rollenporträts

als Salome oder Potiphars Weib, welche

in der Präsentation im Leopold Museum zu

sehen sind, bildeten die ausführenden KünstlerInnen

Durieux in Aktion ab, für Franz von

Stucks (1863–1928) unterschiedliche – eben -

falls in der Ausstellung präsentierte – Versionen

der Circe hingegen posierte die Schauspielerin

im Atelier vor der Kamera wie auch

vor der Leinwand. Daß Stucks Circe heute zu

den bekanntesten Bildnissen Durieux’ zählt,

ist dessen Talent für die Vermarktung von

Reproduktionen geschuldet.

Erfolgreiche Inszenierungen in der

Presse und Schattenseiten medialer

Aufmerksamkeit

Mit wachsendem Erfolg wurde Tilla Durieux

zu einer Person des öffentlichen Lebens,

deren Rezeption sie aktiv gestaltete: Für

Zeitschriften wie Die Bühne, Moderne Welt


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oder Sport im Bild inszenierte sie sich als

Dame von Welt, suggerierte nachzueifernde

Sehnsuchtsbilder, zeigte sich als unerschrokkene

Pilotin und Modeikone oder gewährte

in Homestorys intime Einblicke in ihr Le -

ben. Doch auch die Schattenseiten der medialen

Aufmerksamkeit mußte Durieux kennenlernen:

Die Ehe mit Cassirer war geprägt

von unzähligen Konflikten, seine psychischen

Probleme wurden durch die Erfahrungen

des Ersten Weltkrieges an der Front verstärkt.

Nachdem Tilla Durieux 1926 die

Scheidung einreichte, unternahm Paul Cassirer

einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen

er bald darauf starb. Sein tragischer Tod

entwickelte sich zu einem Skandal, in der

Klatschpresse wurde die Schauspielerin zum

todbringenden Racheengel stilisiert. Nach

dem Suizid Cassirers zog sich Durieux eine

Zeitlang weitestgehend von der Bühne zu -

rück. Zur emotionalen Stütze wurde bereits

in der Zeit vor Cassirers Suizid der Industrielle

Ludwig Katzenellenbogen (1877–

1944), der 1930 Durieux‘ dritter Ehemann

werden sollte

Der Star als Paradebeispiel für

die sogenannte »Neue Frau«

In den 1920er-Jahren galt der Star als Pa -

radebeispiel für die sogenannte „Neue Frau“.

Ein Wandel im Scheidungsrecht, die Industrialisierung,

der Zugang zu Hochschulen

für Frauen, ein mit dem ersten Weltkrieg einhergehender

Mangel an männlichen Arbeitskräften,

das Wahlrecht für Frauen im Großteil

Europas und modische Neuerungen, wie

die endgültige Ablegung des Korsetts, führten

zur maßgeblichen Modernisierung des

Frauenbildes. Künst- lerinnen wie Charley

Toorop, Martel Schwichtenberg oder die Fo -

tografinnen Lotte Jacobi und Frieda Riess

befaßten sich mit Durieux als „Neue Frau“

auf Papier oder Leinwand. Im Alltag war es

jedoch weiterhin meist die Frau, die Geringverdienerin

war und sich um Haus- halt und

Kinder kümmerte – die „Neue Frau“ blieb

vorerst eine Modeerscheinung.

© Deutsches Theatermuseum München Foto: Deutsches Theatermuseum, München, Inv. Nr. II 35621(ID 219507)

Becker & Maass, Berlin, Tilla Durieux als Salome in dem gleichnamigen Stück, 1903

Soziales und politisches Engagement,

erneut Exil während des Zweiten

Weltkriegs

Als Schauspielerin blieb Tilla Durieux

bis zum Beginn der nationalsozialistischen

Schreckensherrschaft in Deutschland aktiv.

Sie zeigte sich nicht nur künstlerisch, sondern

auch in sozialen wie politischen Fragen en -

gagiert: Begleitet von Leo Kestenberg (1882–

1962) trug sie vor dem Ersten Weltkrieg in

den Berliner Arbeitervierteln Klassiker der

Literatur vor. Im Zuge dessen lernte sie Rosa

Luxemburg (1871–1919) kennen, die sie

während deren Gefängnisaufenthalt finanziell

unterstützte. In den Wirren der Münchner

Räterepublik versteckte sie den wegen

Hochverrats gesuchten sozialistischen Revolutionär

und Schriftsteller Ernst Toller (1893–

1939). Während des Ersten Weltkrieges richteten

Paul Cassirer und sie in ihrer Berliner

Wohnung zwischenzeitlich einen „Mittags -

tisch für unbemittelte Künstler“ ein. Gemein -

sam mit Ludwig Katzenellenbogen unterstützte

sie Erwin Piscator (1893–1966) bei

der Finanzierung seiner Avantgardetheater-

Bühne und der Übernahme der Leitung des

Theaters am Berliner Nollendorfplatz. Nach

ihrer Flucht aus dem faschistischen Deutschland

beteiligte sich Durieux von Zagreb aus

an der Widerstandsbewegung.

Wie ihre beiden ersten Ehemänner war

auch Katzenellenbogen jüdischer Abstammung.

Als er sein Vermögen verlor, war es

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© Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien

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Max Slevogt, Die Schauspielerin Tilla Durieux als Kleopatra, 1907

Kultur

Durieux, die ihr Leben und später ihre Flucht

durch Gastspielauftritte sowie den Verkauf

von Schmuck und Bildern finanzierte. Ab

1933 zählten Prag, Ascona, Opatija – wo sie

das Hotel Cristallo betrieben – und schließlich

Zagreb, wo sich heute noch ein Teil von

Durieux‘ Sammlung im Stadtmuseum befindet,

zu den Stationen ihrer Flucht. Die Schau -

spielerin gab Gastspiele in Ländern, die sie

bereisen durfte und unterrichtete im Salzburger

Mozarteum.

Trotz mehrerer Versuche ge lang dem

Ehepaar die Flucht in die USA nicht. In Ab -

wesenheit von Durieux wurde Katzenellenbogen

nach Berlin verschleppt, wo er 1944

starb.

Späte Darstellungen, Auftritte

und das Erbe Durieux‘

Ab 1952 spielte Tilla Durieux wieder zö -

gerlich in Berlin Theater, 1955 kehrte sie

nach Deutschland zurück. Bis kurz vor ihrem

Lebensende war sie für Film, Hörfunk, Fernsehen

und vor allem für das Theater tätig,

ohne zu einem Ensemble zu gehören. Sie re -

konstruierte ihre frühere Sammlung anhand

von Fotografien, bereiste Ausstellungen, in

denen ihre Porträts gezeigt wurden, und hielt

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Vorträge sowie Lesungen aus ihren Memoiren.

Als Interviewpartnerin gab sie sich als

auskunftsfreudige Zeitzeugin und auch als

Bildmotiv war die Grande Dame des deutschen

Schauspiels nach wie vor gefragt.

Nachdem sie Ende der 1920er-Jahre mit dem

Schlüsselroman Eine Tür fällt ins Schloß

nach Cassirers Suizid eine Abrechnung mit

dessen Familie verfaßt hatte, vollendete sie

1954 ihre Memoiren unter dem Titel Eine

Tür steht offen.

Am 21. Februar 1971 verstarb Tilla Du -

rieux 90jährig in Berlin. Neben zahlreichen

Bühnenauftritten, Dreharbeiten, Gastspielen,

Lesungen und Vorträgen bis ins hohe Alter

ordnete Durieux ihren Nachlaß und be -

stimmte so selbst über das Bild ihrer eigenen,

bemerkenswerten Persönlichkeit, wie es

sich heute rekonstruieren läßt.

Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin

und ihre Rollen zeigt rund 233 Werke, darunter

14 Gemälde, 81 Arbeiten auf Papier

und 84 Fotografien. Begleitend zur Ausstellung

ist ein Katalog in deutscher und engli -

scher Sprache mit Beiträgen von Stephan

Dröschel, Daniela Gregori, Hannah Reisinger,

Aline Marion Steinwender und einem

Pro log des Direktors des Leopold Museums,

Hans-Peter Wipplinger, erschienen.

Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin

und ihre Rollen entstand in Kooperation mit

dem Georg Kolbe Museum, wo die Berliner

Version der Ausstellung ab Mai 2023 zu se -

hen sein wird, und dem Berliner Archiv der

Akademie der Künste, welches seit 1977 den

Nachlaß der Schauspielerin bewahrt. n

https://www.leopoldmuseum.org/

© Leopold Museum, Wien, Foto: Lisa Rastl

Ausstellungsansicht „Tilla Durieux – eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“

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Kaiserschild Walls of Vision

Im Rahmen des Projekts »Kaiserschild Walls of Vision« werden Gemälde aus der

Kunstsammlung der Kaiserschild-Stiftung von Streetart-KünstlerInnen neu und

zeitgenössisch interpretiert und auf Fassaden im öffentlichen Raum aufgebracht.

Hans Riegel, HARIBO-Miteigentümer

und Stifter der Kaiserschild-Stiftung,

war begeisterter Kunstsammler. Aufgabe der

Stiftung ist es, diese Sammlung zu pflegen,

zu erhalten und Werke daraus der Öffentlichkeit

zugänglich zu machen. Mit „Kaiserschild

Walls of Vision“ möchte die Stiftung

ihre Kunstsammlung nun in neue Kontexte

setzen. „Besonders interessant ist es mitzuerleben,

wie zeitgenössische KünstlerInnen

ihren Blick auf Gemälde aus dem 16. oder

17. Jahrhundert richten, wie sie mit dem

kunsthistorischen Hintergrund umgehen und

wie sie das Werk technisch und stilistisch an

der Wand umsetzen“, so Sanda Sonnleitner,

Geschäftsführerin der Kaiserschild-Stiftung.

Die erste Interpretation dieser Art entstand in

Wien, in der Schäffergasse 2, an einer Fassade,

die von home4students zur Verfügung ge -

stellt wurde.

Grundlage für die Interpretation

Grundlage für die Interpretation ist das

Gemälde „Dorfstraße mit Drehleierspieler“

aus dem 17. Jahrhundert von Adriaen van

Ostade, das sich als Leihgabe in der Alten

Galerie in Graz befindet. In diesem Werk ist

vor einem schrägperspektivisch erfaßten

Bauernhaus ein Drehleierspieler zu sehen,

um den ein kleines Publikum steht und der

auf Gaben hofft. Van Ostade hat sich der

Darstellung des Bauern- und Handwerkermilieus

gewidmet, räumte aber auch jenen

Menschen einen besonderen Platz in seinem

Werk ein, die erwerbslos und auf die Hilfe

ihrer Mitwelt angewiesen sind. „Dass die

Umsetzung des Themas des 17. Jahrhunderts

in die heutige Zeit so gut funktioniert, zeigt,

wie präsent Geschichte ist und diese sich

doch immer wiederholt“, so Karin Leitner-

Ruhe, Chefkuratorin der Alten Galerie.

Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner

Gemälde „Dorfstraße mit Drehleierspieler“ aus dem 17. Jahrhundert von Adriaen van Ostade,

das sich als Leihgabe in der Alten Galerie in Graz befindet

Das Künstlerduo Jana&Js

Das Künstlerduo Jana&Js hat sich in seiner

Neuinterpretation am Motiv van Ostades

orientiert, die Szene aber zeitgenössisch aufbereitet

und in ihrem unverkennbaren Stil

dargestellt. Das so entstandene Werk trägt den

Titel „Dorfplatz mit Ukulelespielerin“. Es

hat eine ähnliche Struktur und zeigt die gleiche

Anzahl an Personen in nahezu gleichen

Positionen wie das Werk von Adriaen van

Ostade. Statt der drei Männer sind die Er -

wachsenen in der Szene bei Jana&Js aber

Frauen. Adriaen van Ostade hat seine Heimatstadt

Harleem zeitlebens nicht verlassen

und Motive aus seiner unmittelbaren Umgebung

gewählt. Auch Jana&Js haben sich für

„Dorfstraße mit Ukulelespielerin“ von ihrer

unmittelbaren Umgebung inspirieren lassen.

Der Dorfplatz in der Szene befindet sich in

der kleinen Stadt, in dem das Künstlerduo

und einige der abgebildeten Personen leben.

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Somit spannen Jana&Js einen künstlerischen

Bogen von van Ostades Blick auf die Strassen

des niederländischen Harleem im 17.

Jahrhundert in die heutige Zeit.

Starke Unterscheidung

Ein interessanter Umstand für die Arbeit

des Künstlerduos war auch, daß sich die

Dimensionen der beiden Werke stark unterscheiden:

„Dorf straße mit Drehleierspieler“

ist 25,7 x 20,7 cm groß, während „Dorfplatz

mit Ukulelespielerin“ 15,6 x 7,9 m umfaßt.

Das Entstehen der Neuinterpretationen im


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Foto: Jana_Js

öffentlichen Raum ermöglicht es, die Kunstwerke

barrierefrei zu besichtigen und den

Schaffensprozeß mitzuerleben. Diese Fassade

wurde in Kooperation mit dem Verein

Calle Libre umgesetzt.

Weitere Interpretationen

Ausgangspunkt für weitere Interpretationen

sind Werke niederländischer Meister, die

als Dauerleihgabe der Kaiserschild-Stiftung

an die Alte Galerie in Schloß Eggenberg in

Graz gingen. Die Alte Galerie hat dies 2019

zum Anlaß genommen, eine Ausstellung zu

konzipieren, die sich in 15 Räumen den zentralen

Themen des Zeitalters zwischen 1500

und 1800 widmet.

Unter dem Titel „Zwischen Tanz und Tod“

werden Werke zu Krieg, Vertreibung, Religion,

Mobilität, Glück und Überfluss

gezeigt. Aus der Sammlung der Kaiserschild-Stiftung

geben Werke von Grif fier,

Kaiserschild Walls of Vision Neuinterpretation

van Goyen, van Ruysdael oder Lingelbach

Einblick in damalige Lebenswelten in der

Stadt und auf dem Land.

„Unser Haus freut sich sehr über die Ko -

operation mit ,Kaiserschild Walls of Vision‘

– geht damit doch alte Kunst zeitgenössisch

interpretiert in die breite Öffentlichkeit!“, so

Paul Schuster, Leiter von Schloß Eggenberg

und der Alten Galerie.

Das Universalmuseum Joanneum

ist Österreichs ältestes und zweitgrößtes

Museum. Es wurde 1811 von Erzherzog Jo -

hann dem Land Steiermark mit dem Auftrag

gestiftet, Zeugnisse der Natur, Kunst und

Kultur des Landes zu sammeln und zu erforschen,

um damit die geistige und technologische

Entwicklung der Steiermark aktiv zu

fördern.

Heute umfassen die 20 Sammlungen des

Universalmuseums Joanneum rund fünf

Millionen Objekte. Als Gedächtnis und Realienarchiv

der Steiermark bilden sie eine

vielseitige Grundlage für unsere Ausstellungen,

die an 14 architektonisch wertvollen

Standorten präsentiert werden. Die universale

Vielfalt der Sammlungen werdem genutzt,

um über fachliche und geografische Grenzen

hinweg aktuelle Fragen im wissenschaftli -

chen und künstlerischen Kontext zu diskutieren.

Das Universalmuseum Joanneum ist ein

Museum, das seinen BesucherInnen Wissen

zugänglich macht und damit kritische Reflexion

fördert. Auf dieser Grundlage verstehen

sich das Universalmuseum Joanneum als

wichtiges gesellschaftliches Handlungsfeld,

welches das intellektuelle und kulturelle

Bewußtsein in der Steiermark als einen Teil

Europas mitbestimmt.

n

https://www.museum-joanneum.at/

https://www.kaiserschild-stiftung.at/

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Menschheitsdämmerung

Malerei der Zwischenkriegszeit 1918–38 und Reflexe der Gegenwart aus den

Sammlungen Leopold Wien und MMKK – 21. November 2022 bis 19. Februar 2023

Die Ausstellung „Memnschheitsdämmerung.

Malerei der Zwischenkriegszeit

1918–38 und Reflexe der Gegenwart“, die

im Museum Moderner Kunst Kärnten/

MMKK und im kärnten.museum zu sehen

ist, wurde vom MMKK kuratiert und in Zu -

sammenarbeit mit dem kärnten.museum

organisiert und finanziert.

Sie basiert auf einer Auswahl von elf

malerischen Positionen der Zwischenkriegszeit,

die das Leopold Museum in Wien aus

eigenen Beständen in der gleichnamigen Ex -

position im Jahr 2021 präsentiert hat. Diese

Inhalte wurden nach Kärnten übernommen,

durch Werke aus der Kunstsammlung des

MMKK erweitert und im diskursiven Ge -

genüber zu einer neuen Schau geordnet, die

die Auseinandersetzung mit der Malerei der

Zwischenkriegszeit in verschiedenen, den

Menschen und seine Existenz betreffenden

Themenbereichen vertieft, die dem MMKK

und dem kärnten.museum laut ihren herkömmlichen

inhaltlichen Bestimmungen zu -

geordnet sind.

Der Ausstellungstitel bezieht sich auf eine

Anthologie expressionistischer Lyrik, die

Kurt Pinthus 1919 herausgab und die heute

als Standardwerk des literarischen Expressionismus

gilt. „Die bildende Kunst dieser

Jahre zeigt dieselben Motive und Symptome,

zeigt das gleiche Zersprengen der alten

Formen und das Durchlaufen aller formalen

Möglichkeiten bis zur Konsequenz völliger

Auflösung der Realität, zeigt den gleichen

Einbruch und Ausbruch des Menschlichen

und den gleichen Glauben an die lösende,

bindende Macht des menschlichen Geistes,

der Idee“, schreibt Pinthus in seinem Vorwort.

So kann die Malerei des Expressionis -

mus, die in der Zwischenkriegszeit in Österreich

umfänglich Ausdruck findet, in idealer

Weise auf das literarische Werk Bezug nehmen.

So wie Kurt Pinthus seine Gedichte nach

dynamischem, motivischem Zusammenklingen

anordnet, treffen auch die Bilder in der

Ausstellung aufeinander; kontrapunktisch er -

gänzt aus der Sammlung des MMKK durch

solitäre Werke aus der zweiten Hälfte des 20.

Jahrhunderts und danach, von 19 weib lichen

Kunstschaffenden, jenem Geschlecht, das in

der Zwischenkriegszeit unerwähnt blieb.

© Courtesy Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK, Foto: F. Neumüller

Franz Wiegele, Abschied von der Jugend,1932/1938/1941, Öl auf Leinwand, 105 x 70 cm

Damit wird nicht nur eine notwendige Korrektur

vollzogen sowie die Brücke zur mo -

dernen und zeitgenössischen Kunst geschlagen,

sondern zugleich die Thematik der

Menschheitsdämmerung in die Gegenwart

transportiert, wo sie heute, angesichts der

brisanten gesellschaftlichen Situation, wieder

von allergrößter Aktualität ist.

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Zur Ausstellung erscheint im Verlag

Johannes Heyn eine umfangreiche Publikation

mit Texten von Matthias Boeckl, Igor

Pucker, Manfred Wagner, Christine Wetzlinger-Grundnig

und Hans-Peter Wipplinger in

deutscher und englischer Sprache. n

https://mmkk.ktn.gv.at/

http://www.verlagheyn.at/buch/detail/menschheitsdaemmerung/


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Der Weltkünstler

Gustav Klimt ist online

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Peter Weinhäupl und Sandra Tretter, das

Direktorium der Klimt-Foundation, präsentierten

mit ihrem Forschungsteam am die

erste Gustav Klimt-Datenbank. Die multimediale

Datenstruktur ist das erste Online-

Portal, das – neben dem künstlerischen

Œuvre des Jugendstilmalers – auch sein privates

und öffentliches Leben im künstlerischen

und gesellschaftspolitischen Netzwerk

seiner Zeit sichtbar macht. Ein besonderes

Feature dieser Plattform sind außerdem erste

digitale Verzeichnisse zu Klimts Gemälden,

Fotografien und Autografen von, an und über

den Künstler. Das komplexe Datenarchiv

umfaßt derzeit mehr als 2.000 Datensätze so -

wie umfangreiches Text- und Bildmaterial

und wird kontinuierlich erweitert. Die Klimt-

Database ist damit die wichtigste Online-

Quelle für die Forschung und Recherche

rund um Gustav Klimt und seine Zeit, insbesondere

die Epoche „Wien 1900“.

„Es ist uns ein wichtiges Anliegen, das

Werk und das Wirken Gustav Klimts zu vermitteln.

Mit der neuen Datenbank setzen

wir – nach einer Flut an kunsthistorischen

und populärwissenschaftlichen Publikationen

– neue Maßstäbe in der Digitalisierung

und Aufbereitung von wissenschaftlichen In -

halten und Quellen und unterstützen damit

weltweit die Klimt-Forschung“, so Peter

Weinhäupl, Direktor der Klimt-Foundation.

Datenbank mit Mehrwert

für viele Zielgruppen

Im Zentrum der Datenbank-Entwick -

lungsarbeit – mit einer Dauer von rund fünf

Jahren – stand für das gesamte Forschungsteam

die möglichst umfangreiche Erfassung

und Darstellung des Werkes von Gustav

Klimt. Dies führte neben neu gewonnenen

Erkenntnissen auch zur gelegentlichen Revidierung

bisher publizierter Annahmen. Die

Klimt-Datenbank wird darüber hinaus weitere

Erkenntnisgewinne ermöglichen und so -

mit die Klimt-Forschung entscheidend bereichern.

Abgesehen von diesen wichtigen Aspekten

geht es der Klimt-Foundation auch dar -

um, die Lebenswelt des Künstlers, die Welt

Die Klimt-Foundation präsentierte das erste

virtuelle Gedächtnis über den Jugendstilkünstler

Foto: dform.at

der Wiener Moderne mit all ihren Phänomenen,

Errungenschaften und Persönlichkeiten

zu präsentieren und erfahrbar zu machen. Die

Gustav Klimt-Datenbank zeichnet sich da -

mit im Vergleich zu Datenbanken anderer

internationaler KünstlerInnen insofern aus,

als zahlreiche redaktionelle Artikel und Beiträge,

chronologisch oder thematisch sortiert,

abrufbar sind. Außerdem zählen die Vernetzungsebenen

innerhalb der Website zu den

Stärken der Datenbank, die viele Querverweise

und weitergehende Recherchen erlauben.

Der populärwissenschaftlich aufbereitete

Informationsbereich ist für alle Interessierten

zugänglich, der Forschungsbereich mit

Volltextsuche nach einer einmaligen, kostenlosen

Registrierung benützbar. Die Datenbank

ist mit der umfangreichen Aufarbeitung

und Kommentierung sowie genauen Verzeichnissen

sowohl für KuratorInnen, WissenschaftlerInnen

und Studierende von In -

teresse als auch als Informationsplattform für

Personen, die mehr über den Künstler

Gustav Klimt oder die Epoche „Wien 1900“

erfahren möchten und MedienvertreterInnen

gedacht. Wichtigstes Ziel der Klimt-Datenbank

ist es, die Zusammenhänge und Verbindungen

in Klimts Werk, Leben und Umfeld

erstmals gebündelt vor Augen zu führen und

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

damit neue, beachtenswerte Aspekte öffentlich

zugänglich zu machen.

Weitere Ausbaustufen

der Datenbank geplant

Neben der laufenden Aktualisierung und

Ergänzung der heute gelaunchten, zu 100

Prozent aus Eigenmitteln finanzierten Da -

tenbank, wird bereits an der englischen Version

gearbeitet, die 2023 online gehen soll,

darüber hinaus sind die Aufbereitung von

didaktischem Material für Lehrpersonal so -

wie ein umfangreiches Ausstellungsverzeichnis

geplant. Im Jahr 2024 wird der Forschungsbereich

„Gemälde“ um Werkkom -

men tare und aktuelle Provenienzen erwei -

tert.

„Wir möchten die erste Anlaufstelle für

Themen rund um Gustav Klimt und seine

Zeit sein. Ein digitales Klimt-Lexikon mit

zeitgemäßem Interface, das kulturwissenschaftliche

Informationen multimedial und

innovativ aufbereitet und stetig erweiterbar

ist. Das bewußt magazinhafte Layout spricht

sowohl ein breites Kulturpublikum als auch

die Forschungscommunity an und ist weltweit

auf Handy-, Tablet- oder Desktopdisplays

abrufbar“, so Sandra Tretter, stv. Di -

rektorin der Klimt-Foundation. n

https://www.klimt-database.com/


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Wien ist eine stolze Stadt. Und sie hat wohl allen Grund dazu,

wie zahlreiche und regelmäßige internationale Studien zeigen.

Und Wien kann auch stolz sein auf seine Musik, die in allen Genres

vertreten ist und vielfach internationales Renommé ge nießt. Und es

gibt wohl keine Hauptstadt auf der ganzen Welt, die in so vielen

Liedtexten besungen wird. Alles in Ordnung also. Oder?

Leider ist es nicht ganz so, denn das Wienerlied hat in den vergangenen

Jahrzehnten – vor allem in der Wienerstadt selbst – massiv an

Stellenwert verloren. Wie es dazu kam? Nun, dafür gibt es einige

Gründe.

Aus Zeiten, wo die Abendunterhaltung vornehmlich beim typischen

Heurigen, beim Vierterl Wein stattfand, gehörten Schrammeln

und Wienerlied sozusagen zum Inventar. Fröhliche Urständ feierte es

zu Zeiten der unzähligen Wien-Filme mit Annie Rosar, Susanne von

Almassy, Hans Moser, Paul Hörbinger, Fritz Imhoff und vielen anderen.

Alles ging ins Kino und man hörte Wienerlieder, interpretiert von

den VolksschauspielerInnen und Publikumslieblingen. Auch das

Radio hatte damals noch Zeit fürs Wienerische.

Dann brach eine Zeit an, in der es im (Wiener) städtischen Bereich

einfach nicht mehr „in“ war, bodenständige Musik zu hö ren. Man

wollte modern sein und sich von dem „Gedudel“ und der „Jammerei“

der El tern und Großeltern abheben. Hörte man als Halbwüchsiger –

übrigens damals wie heu te – Volksmusik, wurde man von Gleichaltrigen

bestenfalls mitleidig angesehen. Hier ist das Wienerlied nicht

alleine, was die Sache an sich nicht besser macht: Eine bestimmte

Personengruppe zieht in der (Fernseh-)Öf fentlichkeit genauso gerne

und regelmäßig wie untergriffig über alles her, was Abermillionen

Menschen Freude bereitet. Ob sie nun Helene Fischer, Hansi Hinterseer

oder Florian Silbereisen heißen, sie erreichen mit einer einzigen

ihrer im Fernsehen übertragenen Sendung mehr ZuhörerInnen wie

die, die sich darüber verächtlich zeigen – und solche Einschaltziffern

wahrscheinlich in ihrer gesamten Laufbahn nicht erlangen werden.

Was auch einmal gesagt werden muß.

Mit dem Tod des Publikumslieblings und begeisterten Wienerliedinterpreten

Heinz Conrads kam das Aus der Radiosendung „Was

gibt es Neues“ und mit und dem Ende des „Seniorenclubs“ war das

Wienerlied in traditioneller Form aus dem „Äther“ geworfen. Wer im

April 1998 darauf gehofft hatte, es würde sich eines der auf Sendung

gegangenen Privatradios in Wien bodenständiger Musik widmen,

wurde enttäuscht: deren Pro grammie rung richtete sich großteils mit

junger Musik an junges Publikum oder mit Ol dies an die ein oder

zwei Generationen da vor. Im Fernsehen wars nicht anders, das eine

oder andere Mal singt Andi Borg ein Wie nerlied im Rahmen einer

deutschen Mu sikshow. Ein kleiner Wiener Stadtsender bringt eine

von Sängerin Agnes Palmisano un terstützte Serie, in der sie selbst

„dudelt“, wie diese traditionelle Art zu singen in Wien genannt wird,

und in der sie InterpretInnen des Wienerlieds verschiedener Stile präsentiert:

mitunter das „neue“ Wienerlied, das das Wienerische wieder

entdeckt hat und durch andere, vielleicht zügigere Rhythmen und

teils moderne Textinhalte auch neues und junges Publikum anspricht.

Großer Einsatz fürs Wienerlied

Wer sich um das „klassische“ Wienerlied be sonders bemüht – und

das seit vielen Jahren –, sind der Wienerlied-Musiker Erich Zib und

seine Tochter Marion Zib-Rolzhauser. Sie treten ge meinsam und in

Kultur

Neues Wienerlied-Magazin

»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at

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verschiedenen Formationen auf, gestalten und produzieren regelmässige

Radiosendungen, die von vielen Stationen auf der ganzen Welt

ausgestrahlt werden, stellen einen No ten dienst zur Verfügung und

Marion Zib-Rolzhauser betreibt einen Mu sikshop mit umfangreicher

CD-Auswahl. Dort gibt es auch eigene Bücher wie „Wienerlieder

von gestern und heute“ Band 1 als Neuauflage mit 125 und Band 2

mit 118 alten und neuen Wienerliedern notiert für Harmonika mit Gi -

tarrenakkorden und Text. Dazu gibt es jeweils eine dazugehörige 3er-

CD mit über 70 Titeln aus dem jeweiligen Buch von verschiedensten

Interpreten mit insgesamt vier Stunden Spielzeit. Und jetzt hat

Marion auch die einzige Wienerlied-Zeitschrift vor der Einstellung

bewahrt.

Neues Magazin

Nach dem Tod des Herausgeber wäre „Wienerlied aktuell“ nach

30 Jahren vielen treuen LeserInnen abhanden gekommen. Doch

Marion Zib-Rolzhauser hat sich dazu entschlossen, es mit dem neuen

Titel „Wienerlied Magazin“ und neuer Gestaltung herauszugeben. Es

berichet über aktuelles Geschehen, Historisches, beinhaltet einen um -

fangreichen Terminkalender – und kann in Österreich per Post, im

Aus land einfach in Form eines pdf abonniert werden. mm

Finden Sie hier alle Informationen dazu und zum umfangreichen

Shop-Angebot:

https://radiowienerlied.at/

© Radio Wienerlied Musikverlag

Marion Zib-Rolzhauser mit der ersten Ausgabe des neuen Magazins


ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022

Kultur

Der Japanische Garten

im Schloßpark Schönbrunn

175

Seit November gibt es auf Youtube ein elfminütiges Video über den einzigen der

rund 500 japanischen Gärten weltweit, der ohne japanische Hilfe und nur von

Österreichern umgesetzt wurde.

Der Japanische Garten befindet sich in

der Nähe des Eingangs zum Tiergarten

Schönbrunn. Er wurde im Jahr 1913 von

österreichischen Gartenbauspezialisten an -

ge legt. Es gibt auch andere in Wien: den

Takasaki-Garten in Oberlaa, den Setagaya

Park in Döbling, den Tora-San-Park in Do -

naustadt und den Garten der Berufsschule

für Floristik und Gartenbau in Kagran.

Michael Mössmer (Kamera, Musik und

Schnitt) hat sich für den in Schönbrunn ent -

schieden, da er nämlich der einzige der rund

500 japanischen Gärten weltweit ist, der

ohne japanische Hilfe und nur von Österreichern

umgesetzt wurde.

Berichten zufolge soll er nach den Vor -

stellungen des Erzherzogs Franz Ferdinand

angelegt worden sein. Der Thronfolger hatte

im Rahmen seiner Weltreise1892/1893 Ja -

pan besucht und war vom Kinkaku ji Tempel

in Kyoto tief beeindruckt. 1912 reisten k. und

k. Gärtner zur internationalen Gartenschau

nach London und kehrten, von der japani -

schen Gartenkunst be eindruckt, nach Wien

zurück. Schon ein Jahr darauf errichteten sie

den kleinen Garten beim Palmenhaus.

Während der beiden Weltkriege ist der

Garten dann völlig unter Efeu verschwunden

und es hatte sich niemand mehr darum ge -

kümmert, bis 1996 eine japanische Delegation

das Denkmal des Japanforschers und

Sammlers Freiherr Heinrich von Siebold im

Schloßpark besuchte.

Eine in Wien lebende Japanerin bemerkte

dabei durch Zufall eine Stelle, die seltsame

Unebenheiten aufwies und japanisches Flair

verströmte. Sie berichtete ihrem in Japan

lebenden Vater Eishin Harada, einem ausgewiesenen

Fachmann für japanische Gär -

ten, von dem vermutlichen Fund in Wien…

Deutsche Fassung:

https://youtu.be/Vb8yW1nYzFc

Englische Fassung:

https://youtu.be/c0-PbdoogsY

Französische Fassung:

https://youtu.be/oE4SLs9skYo

Eine japanische Fassung ist in Arbeit und

für Februar 2023 geplant.

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