Ausgabe 205
Magazin mit Berichten von der Politik bis zur Kultur – vier Mal jährlich mit bis zu 175 Seiten Österreich.
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Ausg. Nr. 205 • 19. Dez. 2022
Das unparteiische, unabhängige Magazin
für Österrei cherInnen in aller Welt mit dem
Schwerpunkt „Österreich, Europa und die
Welt“ erscheint vier Mal im Jahr
http://kiosk.oesterreichjournal.at
© Jacqueline Godany / ÖAW
Nobelpreisträger Prof. Anton Zeilinger
Der Nobelpreis für Physik krönt die Laufbahn des oberösterreichischen Quantenphysikers,
der für seine wissenschaftlichen Durchbrüche auf diesem Gebiet zahlreiche nationale
wie internationale Auszeichnungen und Ehrungen erhielt. Wir gratulieren! (ab der Seite 124)
Wir sind strategischer Partner des »Dachverbands aller österreichisch-ausländischen Gesellschaften - PaN«
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022 2
Die Seite 2
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Landsleute,
mit großer Freude dürfen wir einen neuen Rekord an Zugriffen auf unsere
Magazine vermelden: die Ausgabe 204 vom 19. September 2022 zählt mit
dem Erscheinen der nun vorliegenden 430.000 LeserInnen – und wir hoffen,
daß wir auch künftig mit derartigem Interesse rechnen dürfen. Unser Dank gilt
auch Yumpu, worüber wir seit vielen Jahren unsere Magazine veröffentlichen.
Nun wünscher wir Ihnen und den Ihren wunderschöne, fröhliche Weihnachten
und alles erdenklich Gute für ein hoffentlich friedvolleres Neues Jahr!
Liebe Grüße aus Wien
Michael Mössmer
Bundespräsidentenwahl 2022 99
Der Inhalt der Ausgabe 205
Aus der Hofburg 3
Aus dem Parlament 12
Aus dem Bundeskanzleramt 26
Aus dem Außenministerium 39
Maori-Delegation übernahm
Überreste ihrer Vorfahren 60
Plus 45 % bei Einbürgerungen 62
Aus den Bundesländern 63
Ötzi starb am Schnee,
nicht am Fundplatz 73
Internationale Auszeichnung
für Virtual Anatomy 75
Artemis – Nachrichten vom Mond 77
ÖBB: Neue Gesellschaft in China 78
70 Jahre Internationale
Chopin-Gesellschaft 79
Aus dem Dachverband PaN 85
Bundespräsidentenwahl 99
Parlament: Proben für den
Echtbetrieb 104
IHS: Herbst-Prognose der österr.
Wirtschaft 2022–2023 105
Hohe Inflation und schwache
Konjunktur 108
Konjunkturausblicke bleiben
mehrheitlich skeptisch 110
Oö Innovationskaiser 2022 111
Oberösterreich feiert
seine Landeshymne 114
Stille Nacht, heilige Nacht 115
Das Digital Skills Barometer 117
Himmlische Einblicke auf Graz 119
Gault&Millau Guide 2023 120
Bierkulturbericht 2022 122
Physik-Nobelreisträger
Prof. Anton Zeilinger 124
Christiane Hörbiger † 130
Karl Merkatz † 131
US-Preis für Quantenphysiker
Hannes Pichler 132
Beziehungen zu den Orient-
Christen vertiefen 133
75 Jahre Evangelische
Superintendenz Steiermark 135
70 Jahre Evangelische Superintendenz
Niederösterreich 136
300 Jahre Erzdiözese Wien 138
Zisterzienser aus Vietnam
besuchen Stift Heiligenkreuz 139
Sensationsfund in Ephesos 140
Luftmassentransport bei
El Niño-Phänomen 143
Die Ur-Wien und die Ur-Liesing
in Wien-Landstraße 144
Weltrekord bei Quantenverschränkung
in Glasfaser 145
Grüner Wasserstoff aus Wien 146
Schiffe mit Robotern inspizieren
und reinigen 148
Babys besitzen größere
Vorstellungskraft … 149
Nationalbibliothek erwirbt
Nachlaß von Thomas Bernhard 150
Den Schreibern des Mittelalters
auf der Spur 153
15. Bibliophiler Salon 155
Ruth Baumgarte – Africa:
Visions of Light and Color 157
Die Heidi Horten Collection 161
Tilla Durieux – Eine Jahrhundertzeugin
und ihre Rollen 166
Kaiserschild Walls of Vision 170
Menschheitsdämmerung
Malerei der Zwischenkriegszeit 172
Der Weltkünstler Gustav Klimt
ist online 173
Neues Wienerlied-Magazin 174
Video: Der Japanische Garten
im Schloßpark Schönbrunn 175
Ötzi starb am Schnee… 73
Sensationsfund in Ephesos 140
ONB erwirbt Thomas Berhards Nachlaß 150
Ruth Baumgarte in der Albertina 157
Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich
Journal Verlag, A-1130 Wien, Dr. Scho ber-Str. 8/1;
alleiniger Eigentümer, für den Inhalt verantwortlicher
Her ausgeber und Chefredakteur: Michael
Mössmer. Unternehmensgegenstand: regelmäßige
Herausgabe einer Zeitschrift für unsere Landsleute
im Ausland. Fotos Seite 2: Fabi Sackl/Lukas Kafenda;
Südtiroler Archäologiemuseum/EURAC/Samadelli/
Staschitz; ÖAW-ÖAI/Niki Gail; Öst. Nationalbiblio -
thek/ Harry Weber; Kunststiftung Ruth Baumgarte
In Zusammenarbeit mit PaN – Partner aller Nationen http://www.dachverband-pan.org/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Bundespräsident bei der
UNO-Generalversammlung
3
Auf dem Programm standen u.a. Gespräche mit seinem türkischem Amtskollegen
Recep Tayyip Erdoğan und UN-Generalsekretär António Guterres.
Foto: HBF / Peter Lechner
Bundespräsident Alexander Van der Bellen
reiste am 20. September nach New
York, wo er er im Rahmen der UNO-Generalversammlung
ein 48-stündiges Marathon-
Programm am internationalen Polit-Parkett
absolvierte. Länderübergreifende Kooperation
ist angesichts der aktuellen Herausforderungen
besonders wichtig, wie der Bun -
despräsident im Vorfeld seiner Reise betonte.
Er hat in New York daher eine Reihe von
bilateralen Gesprächen geführt, die den russischen
Angriffskrieg in der Ukraine sowie
dessen Folgen zum Thema hatten. So traf er
neben UNO-Generalsekretär António Guterres
auch Staatsoberhäupter von Ländern, die
eine wesentliche Rolle als Vermittler spielen,
wichtige Energieproduzenten sind, oder die
von den Auswirkungen des russischen An -
griffskriegs auf die Ukraine als direkte Nach -
barn besonders betroffen sind. Dem Bundespräsidenten
ist es wichtig, mit den internationalen
Verantwortungsträgern im engen
Bei der UN-Generalversammlung in New York (v.l.): Bundeskanzler Karl Nehammer,
Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister Alexander Schallenberg
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Austausch zu bleiben und ihnen die österreichische
Position zu vermitteln.
Im Anschluß an eine hochrangige „Welcome
Reception“, gegeben von UNO-Generalsekretär
Antonio Guterres für die angereisten
Staatsoberhäupter, stand die Eröffnung
der 77. Generalversammlung der Vereinten
Na tionen auf dem Programm. Direkt im An -
schluß traf der Bundespräsident den kasachischen
Präsidenten Kassym-Jomart Tokayev
sowie Moldaus Präsidentin Maia Sandu zu
bilateralen Gesprächen.
„Kasachstan ist der größte Öllieferant
Österreichs – so haben wir uns heute neben
Möglichkeiten der Konfliktlösung im Ukraine-Krieg
auch intensiv darüber unterhalten,
wie wir die Versorgungssicherheit aufrecht
erhalten können“, ließ Van der Bellen im An -
schluß an sein Gespräch mit Tokajew wissen.
Österreich pflege eine gute Beziehung
zu Kasachstan, „vor allem im Wirtschaftsbereich“,
so Van der Bellen. „Das haben Präsident
Tokajew und ich bei unserem Gespräch
erneut bekräftigt.“ Der zentralasiatische Staat
liegt am Kaspischen Meer. Die Grenze zu
Ruß land ist die einzige Nordgrenze des Landes
und über 7.600 Kilometer lang.
Nach dem Treffen mit Sandu hielt der
Bundespräsident fest: „Die Republik Moldau
kann sich weiterhin der ungebrochenen Un -
terstützung und Solidarität Österreichs in der
derzeit herausfordernden Situation angesichts
der Auswirkungen des Krieges in der
Ukraine sicher sein.“ Moldau sei als Nachbarland
ja besonders stark von den Auswirkungen
der russischen Aggression in der
Ukraine betroffen. „Wir tun als europäischer
Nachbar weiterhin, was wir können, um un -
terstützend zur Seite zu stehen. Zusammenhalt
ist aktuell wichtiger denn je“, versprach
Van der Bellen.
Am 21. September traf der Bundespräsident
den 77. Präsidenten der UNO-Generalversammlung,
Csaba Körösi. Anschließend
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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wurde die auf österreichische Initiative zu -
rückgehende Hochrangige Veranstaltung zu
Minderheiten im UNO-Hauptquartier eröffnet.
Nach der Eröffnung durch Guterres hielt
Van der Bellen dort als erster Staatenvertreter
eine Rede: „Wir stehen zu sammen gegen
diesen illegalen und brutalen russischen An -
griffskrieg und gegen die Grau samkeiten, die
begangen wurden und begangen werden“,
erklärte Van der Bellen. Mos kau setze mit
der neuerlichen Drohung mit Nuklearwaffen
und den geplanten Schein-Referenden weitere
bewußte Eskalationsschritte. „Ein Ende
des Krieges rückt damit in weitere Ferne. Die
Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden
ist das Respektieren und Einhalten der internationalen
Regeln, die wir uns als Weltgemeinschaft
gemeinsam gegeben haben“, er -
klärte der Bundespräsident. „Eine gute welt -
weite Entwicklung unseres Wohlstands wird
es nur geben, wenn wir die se gemeinsamen
Regeln als unsere gemeinsame Basis sehen
und sie gemeinsam verteidigen.“
Österreich und die EU würden ihre Un -
terstützung insbesondere im humanitären Be -
reich für die Ukraine weiter fortsetzen, be -
kräftigte Van der Bellen. „Wir sind ein sicherer
Ort für Menschen aus der Ukraine, und
wir sollten es auch sein für Russinnen und
Russen, die gezwungen sind, jetzt ihre Heimat
zu verlassen.“
Van der Bellen ist auch mit dem türkischen
Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zu -
sammengetroffen. „Die bilateralen Beziehungen
zwischen Österreich und der Türkei ha -
ben sich in diesem Jahr sehr positiv entwikkelt“,
resümierte er. „Es gilt diese Dynamik
aufrecht zu erhalten.“ Er habe Erdogan für
seinen Einsatz gedankt, „im Konflikt zwischen
Rußland und der Ukraine nach Lö -
sungsansätzen zu suchen“, ließ der Bundespräsident
wissen. „Die aktuelle Entwicklung
ist allerdings sehr ernst zu nehmen. Jetzt geht
es umso mehr um internationale Geschlossenheit
und Entschlossenheit.“
Die Türkei pflegt sowohl zur Ukraine als
auch zu Rußland enge Beziehungen und sieht
sich als Vermittler zwischen beiden Parteien.
Unter Vermittlung der Vereinten Nationen
und der Türkei hatten sich beide Kriegsparteien
im Frühsommer darauf geeinigt, die
Ausfuhr von Getreide aus drei blockierten,
ukrainischen Häfen wieder aufzunehmen.
Die Stimmung zwischen Wien und Ankara
war längere Zeit frostig gewesen, insbesondere
in der Außenminister- und Kanzler-Zeit
von Sebastian Kurz. In den vergangenen Wo -
chen kam es aber zu mehreren bilateralen
Begegnungen, auch auf Regierungsebene.
Foto: HBF / Peter Lechner Foto: HBF / Peter Lechner Foto: HBF / Peter Lechner
Der Bundespräsident traf den kasachischen Präsidenten Kassym-Jomart Tokayev …
… Moldaus Präsidentin Maia Sandu …
… sowie seinen türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan zu bilateralen Gesprächen.
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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Foto: HBF / Peter Lechner
v.l.: Bundeskanzler Karl Nehammer, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister Alexander Schallenberg
„Die bilateralen Beziehungen zwischen
Österreich und der Türkei haben sich in diesem
Jahr sehr positiv entwickelt“, resümierte
Van der Bellen. „Es gilt diese Dynamik aufrecht
zu erhalten. Deshalb war es mir wichtig,
im Rahmen meines New York-Besuchs
auch den türkischen Präsidenten zu treffen.“
Er habe Erdogan für seinen Einsatz ge -
dankt, „im Konflikt zwischen Rußland und
der Ukraine nach Lösungsansätzen zu su -
chen“, ließ der Bundespräsident wissen.
„Die aktuelle Entwicklung ist allerdings sehr
ernst zu nehmen. Jetzt geht es umso mehr um
internationale Geschlossenheit und Entschlossenheit.“
Gemeinsame Pressekonferenz mit
Bundeskanzler und Außenminister
Auch wenn die Entwicklungen im Ukraine-Krieg
die Themen der UNO-Versammlung
beherrschen, dürfen andere Ziele wie
die Bekämpfung der Klimakrise nicht aus
den Augen verloren werden. Diese Forderung
erhob Bundespräsident Alexander Van
der Bellen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz
mit Bundeskanzler Karl Nehammer
und Außenminister Alexander Schallenberg.
„Wir haben die Auswirkungen der Klimakrise
in diesem Sommer erlebt“, erklärte
Van der Bellen und nannte vernichtete Ernten
oder gefährliche Unwetter und Überschwemmungen
als Beispiele. Bei einem ge -
meinsamen Gespräch habe UNO-Generalsekretär
António Guterres „rasche Schritte aus
der Klima- und Nahrungsmittelkrise“ gefordert,
berichtete der Bundespräsident. „Ich
schließe mich zu 100 Prozent an.“
Van der Bellen erwähnte in diesem Zu -
sammenhang auch, daß der russische An -
griffskrieg in der Ukraine die Abhängigkeit
Österreichs von russischem Öl und Gas aufgezeigt
habe. Rußlands Präsident Wladimir
Putin versuche „zu erpressen“, meinte der
Bun despräsident und zog die Schlußfolgerung:
„Wir müssen raus aus fossilen Energien
und an erneuerbaren Energien und an
Energieeffizienz arbeiten.“
Zu der damaligen Ankündigung Putins,
daß es in Rußland eine Teilmobilmachung ge -
be, unterstrich Van der Bellen bereits früher
getätigte Stellungnahmen. Das russische Re -
gime setze mit dieser Ankündigung und der
Drohung mit Nuklearwaffen und Scheinreferenden
„weitere Eskalationsschritte“. Ein
Ende des Kriegs rücke in weite Ferne, so
Van der Bellen, der dies aufs Schärfste verurteilte.
Bundeskanzler Nehammer warnte angesichts
des Ukraine-Konflikts: „Wir sind nicht
davor gefeit, daß daraus ein Weltkrieg werden
kann.“ Rußland versuche, in der EU Un -
einigkeit und Zwietracht zu säen. Umso mehr
brauche es seitens der Europäischen Union
eine enge Abstimmung und „klare Botschaften“.
Trotz aller Widrigkeiten müsse es das
Ziel sein, den Krieg mit Verhandlungen zu
beenden. Österreich bemühe sich, „eine konstruktive
Rolle zu spielen, damit dieser
Krieg aufhört“. Auch er habe bei diversen
bilateralen Gesprächen – etwa mit Delegationen
aus Pakistan, dem Irak oder Serbien –
versucht, wichtige Themen abseits des
Ukraine-Krieg anzusprechen, meinte Neham -
mer und nannte als Schwerpunkt insbesondere
den Bereich „irreguläre Migration“.
(siehe ab Seite 26)
Außenminister Schallenberg konstatierte,
daß der Ukraine-Krieg und all seine Folgen
wie Energie- oder Nahrungsmittelkrise oder
Teuerungen bei der UNO-Vollversammlung
für eine „düstere Stimmung“ gesorgt habe.
Gerade nach den jüngsten Ankündigungen
Putin gelte es aber „Nerven und Augenmaß“
zu bewahren. Daß Putin diese ausgerechnet
während der UNO-Session in News geäußert
habe, sei „ja kein Zufall“, diagnostizierte
Schallenberg. Zwar scheue Putin, der nicht
nach New York gekommen war, den direkten
Kontakt, der russische Präsident versuche
aber, von der „Seitenlinie“ aus, „Angst und
Ner vosität“ zu säen. Putin nehme eine Verlängerung
des Kriegs in Kauf. Da gelte es
aber auch seitens der EU „klare Kante“ zu
zei gen.
Anschließend fand ein Treffen des
Bundespräsidenten – in Begleitung von
Nehammer und Alexander Schallenberg –
mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres
statt. Auch gab es ein Treffen mit dem Mitte
September ernannten neuen UNO-Hochkommissar
für Menschenrechte, dem Österreicher
Volker Türk.
»High Level Meeting« zum
Thema »Rights of Minorities«
Der Bundespräsident sieht Südtirol in Italien,
aber auch die slowenische Minderheit
in Österreich, als beispielhaft für die „erfolgreiche
Umsetzung von Minderheitenrechten“
an. Bei einer Rede im Rahmen eines „High
Le vel Meetings“ zum Thema „Rights of Mi -
norities“ betonte er, daß „Förderung und
Schutz von Minderheitenrechten“ zur politischen
und sozialen Stabilität von Staaten bei -
tragen würden.
Van der Bellen bezeichnete dies als die
„positive Seite der Minderheitenrechte“. In
der vor 30 Jahren verabschiedeten „Erklärung
über die Rechte von Personen, die einer Grup -
pe nationaler, ethnischer, religiöser oder
sprachlicher Zugehörigkeit angehören“, an
die im UN Head Quarter am Hudson River
erinnert wurde, erzählte Van der Bellen, er
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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könne aus persönlicher Erfahrung bestätigen,
daß positiv gelebte Minderheitenrechte
„auch zur Stärkung der Freundschaft und Zu -
sammenarbeit zwischen Völkern und Staaten
beitragen können“.
„Als Tiroler mit der Geschichte der
deutschsprachigen Minderheit in Südtirol in
Italien im Hinterkopf, liegen mir Minderheitenfragen
seit jeher am Herzen“, betonte der
Bundespräsident. „Nach einer langen und
schwierigen Geschichte ist die Autonomie
Südtirols heute ein Vorbild für die erfolgreiche
Umsetzung von Minderheitenrechten“,
erinnerte er an die entsprechenden Entwick -
lungen seit dem Ersten Weltkrieg.
Vor zwei Jahren habe er sich als Bundespräsident
bei den Angehörigen der slowenischsprachigen
Minderheit für das erlittene
Unrecht und für die Versäumnisse der Vergangenheit
entschuldigt, erinnerte Van der
Bellen. „Denn ich bin überzeugt: Wir müssen
uns unserer Geschichte und unseren Fehlern
der Vergangenheit stellen, um heute und
in Zukunft voranzukommen. Diese beiden
Minderheiten, die früher, wie so oft, der Zank -
apfel zwischen den Nachbarländern waren,
haben mittlerweile eine Brückenfunktion
übernommen, die Österreich mit seinen
Nachbarn in besonderer Weise verbindet.“
Diese Ergebnisse seien in jeder Hinsicht
positiv, freute sich der Bundespräsident. Des -
halb lege Österreich auch ein besonderes
Au genmerk auf den Unterricht in den Minderheitensprachen.
„In den zweisprachigen
Schu len in Kärnten lernen österreichische
Kinder der slowenischen Minderheit mit
ihren deutschsprachigen Nachbarn und mit
Kindern aus Slowenien. Sie lernen gemeinsam.
Und sie lernen von einander. Das macht
mich zuversichtlich. Durch sie wächst die
Welt näher zusammen, wird friedlicher. So
stelle ich mir unsere Zukunft vor!“
In vielen Ländern gebe es noch erhebliche
Lücken beim Schutz der Minderheitenrechte.
„Weltweit hat sich die Zahl der ge -
waltsamen Konflikte in den vergangenen
zehn Jahren verdreifacht – in der überwiegenden
Mehrheit mit ethnischer, religiöser,
kultureller oder sprachlicher Begründung“,
bedauerte Van der Bellen und unterstrich in
diesem Konnex einmal mehr: „Österreich
verurteilt auf das Schärfste den illegalen und
unprovozierten brutalen Angriffskrieg, den
Rußland gegen die Ukraine führt, einschließlich
der Instrumentalisierung von Min -
derheitenfragen.“
Seinen 48stündigen New York-Marathon
beendete der Bundespräsident bei ei nem
Empfang von US-Präsident Joe Biden. n
Foto: HBF / Peter Lechner Foto: HBF / Peter Lechner Foto: HBF / Peter Lechner
Der Bundespräsident bei seinemTreffen mit dem Mitte September ernannten neuen UNO-
Hochkommissar für Menschenrechte, dem Österreicher Volker Türk…
… bei seiner Rede im Rahmen eines „High Le vel Meetings“ zum Thema „Rights of Mi norities“…
… und bei seinem Zusammentreffen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres gemeinsam
mit Bundeskanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Besuch aus Lettland
Der Bundespräsident traf seinen lettischen Amtskollegen, Eglis Levits, in Wien
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Foto: HBF / Peter Lechner und Paul Kulec
Bundespräsident Alexander Van der Bellen (r.) hat seinen lettischen Amtskollegen Egils Levits in Wien zu einem Gespräch getroffen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen
hat am 30. September seinen lettischen
Amtskollegen Egils Levits in Wien ge -
troffen. Hauptthema des Gesprächs war der
russische Angriffskrieg gegen die Ukraine
und dessen wirtschaftliche Folgen. Die da -
mals geplante „Aufnahme“ der okkupierten
Gebiete in Rußland sei „eine illegale Annexion,
die wir nie akzeptieren können“, be -
tonte Alexander Van der Bellen.
Die Annexion der Gebiete ist „ein weiterer
schwerwiegender Angriff auf die Souveränität
und territoriale Integrität der Ukraine“,
erklärte Bundespräsident Van der Bellen
weiter. Die zuvor „durchgeführten Scheinreferenden
in den durch Rußland besetzten
ukrainischen Gebieten waren eine völkerrechtswidrige
Maßnahme des russischen Re -
gimes und eine reine Farce. Sie sind auf das
Schärfste zu verurteilen“.
Der lettische Staatspräsident Egils Levits bei seiner Rede am Verfassungstag 2022
Bundespräsident Alexander Van der Bellen
nahm gemeinsam mit seinem Amtskollegen
Eglis Levits am Festakt zum „Verfassungstag“
in Wien teil. Dabei sprach der lettische
Staatspräsident über die Bedeutung der
Rechtsstaatlichkeit in Europa. Levits wurde
vom Verfassungsgerichtshof eingeladen. Er
war 15 Jahre Richter am Europäischen Ge -
richtshof und zehn Jahre am Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte sowie in
den 1990er-Jahren Botschafter in Wien.
Auch wenn die Verfassungen der Mitgliedsländer
zwar ähnlich, aber nicht ident
lich sein. Dies betonte Lettlands Staatpräsident
Egils Levits als Festredner am Verfassungsgerichtshof
in Wien.
Am Verfassungstag, am 1. Oktober, erin -
nert der VfGH alljährlich an den Beschluß
des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Konstituierenden
Nationalversammlung am 1. Ok -
tober 1920. VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter
konnte Bundespräsident Van der
Bellen, Bundeskanzler Nehammer, National -
ratspräsidentin Bures und zahlreiche weitere
Ehrengäste begrüßen.
kön ne. Die Tatsache aber, daß dann allein
per Mehrheitsentscheid entschieden werde,
führe dazu, daß andere fundamentale Werte
der EU wie die Wahrung der Menschenrechte
oder die Gleichheit vor dem Gesetz ausgehebelt
werden könnten. „In einigen EU-Mitgliedsländern
wird der Rechtsstaat zurückgedrängt“,
stellte Levits fest. Aufgabe der na -
tionalen Verfassungsgerichte sei es, die je -
weilige Verfassung zu schützen. Aber „wenn
ein nationales Verfassungsgericht das nicht
tut, kommt der Europäische Gerichtshof ins
sind: Die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit
Der lettische Präsident betonte, daß es Spiel.“
n
müssen in der gesamten EU einheit-
zwar Demokratie ohne Rechtsstaat geben Quellen: https://www.bundespraesident.at ,
https://www.vfgh.gv.at/
Foto: VfGH / Achim Bieniek
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Besuch aus Ungarn
Der Bundespräsident traf die Präsidentin von Ungarn, Katalin Novák, in Wien
8
Foto: HBF / Peter Lechner
Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing Ungarns Präsidentin Katalin Novák mit militärischen Ehren am Inneren Burghof.
Ungarn freut sich über ein stärkeres En -
gagement Österreichs in Zukunft bei
der Bekämpfung der illegalen Migration. Das
sagte Staatspräsidentin Katalin Novák am
27. Oktober in Wien. Sie verwies dabei auf
eine zu dieser Zeit laufende Serie von Treffen
zwischen Ungarn, Serbien und Österreich,
bei denen eine Verbesserung der Kooperation
in diesem Bereich vereinbart werden soll.
Die Präsidentin wies in diesem Zusam -
men hang darauf hin, daß angesichts der zu -
letzt verstärkten Migrationsbewegungen auf
der Balkanroute eine Stärkung des Schutzes
der serbisch-nordmazedonischen Grenze von
großer Bedeutung sei. Der serbische Präsident
Aleksandar Vučić hatte Anfang Oktober
in Budapest bei einem Treffen mit Bundeskanzler
Karl Nehammer und Ungarns Regierungschef
Viktor Orbán im Prinzip eine Än -
derung der Visaregelungen seines Landes
zu gesagt. (siehe Seiten XX und XX)
Durch die Visafreiheit waren über Belgrad
in den vergangenen Monaten etwa deutlich
mehr indische oder tunesische Migranten
illegal nach Österreich eingereist als zu -
vor. Innenminister Gerhard Karner hatte
angekündigt, daß Österreich den Grenzschutz
an der serbisch-nordmazedonischen
Foto: HBF / Peter Lechner
Grenze mit Drohnen und anderen technischen
Geräten unterstützen will. Novák be -
tonte, eine Unterscheidung zwischen „Flücht -
lingen, legalen Wirtschaftsmigranten und
illegalen Einwanderern“ sei unbedingt notwendig.
„Die Aufnahme von Flüchtlingen ist
unsere humanitäre Aufgabe“, so die Präsidentin
vor allem mit Verweis auf die Kriegsflüchtlinge
aus der Ukraine. „Die legale Einwanderung
ist das Recht souveräner Staaten,
wenn auch nicht der Weg Ungarns.“ Das
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Auftreten gegen illegale Migration sei hingegen
sehr wichtig.
Bezüglich des Ukraine-Kriegs verurteilte
Novák die russische Aggression gegen ein
souveränes Land: „Wir erkennen die annektierten
Gebiete nicht als Teil Rußlands an
und stehen hinter der Ukraine.“ Sie bezeichnete
die bisher acht EU-Sanktionspakete
gegen Rußland als „guten Kompromiß“.
Auch Bundespräsident Alexander Van
der Bellen dankte Ungarn für die Versorgung
von Flüchtlingen aus der Ukraine und verwies
dabei auch auf die Situation der ungarischen
Minderheit in der ukrainischen Region
Transkarpatien. Der Krieg im Nachbarland
sei für Ungarn „von besonderer Bedeutung“,
auch angesichts „des ukrainischen Verhaltens
gegenüber Minderheiten, die – sagen wir
mal so – vor Kritik nicht gefeit ist“. Zwischen
den beiden Nachbarländern hatte es in den
Jahren vor dem Krieg verstärkte Spannungen
ge ge ben, nachdem Kiew die verpflichtende
Verwendung der ukrainischen Sprache
auf im mer mehr Lebensbereiche ausgeweitet
hat te.
Es war dies der erste Besuch von Staatspräsidentin
Katalin Novák bei Van der Bellen
seit ihrem Amtsantritt im Mai. n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Bundespräsident bei
Klimakonferenz in Ägypten
9
Die erste Auslandsreise von Alexander Van der Bellen
nach der Wiederwahl führte ihn zur Weltklimakonferenz
Foto: HBF / Peter Lechner
Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei seiner Rede zur Eröffnung der Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheihk …
Mit gemischten Gefühlen ging Bundespräsident
Alexander Van der Bellen in
die Weltklimakonferenz COP27 im ägyptischen
Sharm el-Sheihk. Angesichts der bisherigen
ungenügenden oder ungenügend um -
gesetzten Ergebnisse vorangegange ner Klimagipfel
ist Optimismus „nicht leicht – aber
notwendig“, meinte er am 7. November am
Tagungsort. „Wo sonst sollen solche Verhandlungen
stattfinden? Die UNO ist die ein -
zige weltweite Plattform, die wir haben.“
Auf seiner ersten Auslandsreise nach seiner
Wiederwahl – „wenn es zu einer Stichwahl
gekommen wäre, dann säße ich heute
nicht hier“ – hat der Bundespräsident im
Rahmen eines Treffens der Staatsoberhäupter
und Regierungschefs über die Bewältigung
der Klimakrise gesprochen und am
Rand des Gipfels auch mehrere bilaterale Ge -
spräche geführt – vor allem auch mit UNO-
Generalsekretär Antonio Guterres.
Guterres ist es auch, dem Alexander Van
der Bellen großen Respekt für sein Engagement
im Kampf um Maßnahmen gegen den
Klimawandel zollt: „Es ist ein historischer
Glücksfall, daß Guterres, der nicht aus einer
Foto: HBF / Peter Lechner
… und im Gespräch mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres
Grünen Partei kommt, als UNO-Generalsekretär
wiederbestellt worden ist.“ Der portugiesische
Sozialdemokrat ist „der inzwischen
heftigste, engagierteste Kämpfer gegen den
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Klimanotstand, den man sich nur wünschen
kann“.
Wie für den UNO-Generalsekretär ist auch
für Bundespräsident Van der Bellen klar, daß
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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das Ziel des Pariser Klimavertrags von 2015,
die Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts
möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, „mit
den derzeitigen Maßnahmen nicht zu erreichen
ist, sondern wir eher bei 2,5 bis 4 Grad
landen“.
Wobei sich Alexander Van der Bellen klar
darüber ist, wie schwierig es ist, dieses The -
ma angesichts eines gerade erlebten Oktobers
zu vermitteln, der allgemein als angenehme
Verlängerung des Spätsommers empfunden
wurde – bei Temperaturen, die um
rund zehn Grad über dem langjährigen Oktoberdurchschnitt
lagen. „Was ist, wenn das
gleiche im März, April passiert, im Juli, ohne
Regen? Was passiert mit der Landwirtschaft,
überhaupt mit der Natur?“ Es gehe darum,
zu vermitteln, „daß es nicht wurscht ist, sondern
daß jedes Zehntelgrad, nicht nur irgendwo
in Afrika, sondern speziell auch bei uns
in den Alpen eine große Rolle spielt, wo die
Erhitzung ungefähr doppelt so schnell vorangeht
als im Rest der Welt.“
In diesem Zusammenhang traf der Bun -
despräsident in Sharm El-Sheikh auch mit
einer Delegation österreichischer Jugendli -
cher zusammen: „Die jungen Leute haben
we sentlich dazu beigetragen, daß die Sensibilität
und die Aufmerksamkeit für das The -
ma gestiegen ist, angefangen bei Greta Thun -
berg – aber nicht nur.“
Seine persönlichen Erwartungen an den
Gipfel waren pragmatisch: „Versucht wird
je denfalls, im Bereich der Finanzierung und
im Bereich der Verantwortung für das, was
schon passiert ist und – auch bei Erreichen
des Eineinhalb-Grad-Ziels – noch passieren
wird, weiterzukommen.“ Hier erwartet der
„harte Auseinandersetzungen, letztlich um
Geldfragen, aber auch um Moral und Verantwortung.
Die Industriestaaten zögern, diese
Verantwortung anzunehmen und der globale
Süden wird – mit recht – nicht müde, darauf
hinzuweisen. Wobei nicht alles, was im globalen
Süden passiert, dem Verhalten der In -
dustrieländer zuzuschreiben sein wird.“
Rede des Bundesrpäsidenten zur Eröffnung
der Weltklimakonferenz in Sharm El-Sheik
Sehr geehrter Herr Präsident El-Sisi,
sehr geehrter Herr UNO-Generalsekretär
Guterres, Exzellenzen, sehr geehrte Vertreterinnen
und Vertreter der Zivilgesellschaft!
2015 haben wir bei der Weltklimakonferenz
das Pariser Klimaabkommen beschlossen.
Ein gemeinsames Ziel für die Begrenzung
der Erderhitzung auf 1,5 Grad. Doch
so ehrlich müssen wir sein, wir sind nach
wie vor weit davon entfernt, das 1,5 Grad
Foto: HBF / Peter Lechner
Der Bundespräsident traf auch mit einer Delegation österreichischer Jugendlicher zusammen.
Ziel zu erreichen. Das Gegenteil ist der Fall:
Die globalen Emissionen steigen nach der
Pandemie wieder. Weltweit spüren wir die
verheerenden Auswirkungen der Klimakata -
s trophe.
Wir befinden uns heute hier in einem afrikanischen
Land. Große Teile des globalen
Südens sind besonders stark von den Auswirkungen
der Klimakrise betroffen. Zu recht
pochen diese Länder auf finanzielle Un ter -
stützung bei Anpassungsmaßnahmen und
klimabedingten Verlusten und Schäden.
Wir Länder im globalen Norden sind für
einen großen Teil der CO 2 Emissionen verantwortlich.
Österreich wird dieser Verantwortung
nachkommen. Wir werden das Budget
für die internationale Klimafinanzierung
deutlich erhöhen. Für die kommenden Jahre
– bis 2026 – wird das Klimaschutzministerium
zusätzlich 220 Millionen Euro für in -
ternationale Klimafinanzierung zur Verfügung
stellen. Das ist eine signifikante Erhöhung
der Mittel. Daß Österreich hier durch
einen höheren Beitrag Solidarität zeigt, war
auch mir als Bundespräsident wichtig.
Damit können wir unseren Teil dazu beitragen,
daß wir unsere Regenwälder vor
dem Verschwinden retten, daß unsere Meere
wieder voller Leben sind, die Menschen im
globalen Süden sich besser gegen Flutkatastrophen
schützen können und mit den
dadurch entstehenden Schäden nicht alleine
gelassen werden.
Gleichzeitig warne ich davor, daß wir uns
nur auf Fragen der Finanzierung beschränken.
Denn eines ist klar: Wir können uns von
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
der Klimakrise nicht freikaufen. Geld alleine
macht unsere Luft nicht sauberer, Geld alleine
stoppt die Erderhitzung nicht, und es läßt
die Gletscher nicht aufhören zu schmelzen.
Österreich hat sich zum Ziel gesetzt, bis
2040 klimaneutral zu sein. Viele andere Staa -
ten haben ähnliche Ziele. Diese Ziele müssen
jetzt rasch mit konkreten Taten untermauert
werden. Sonst sind sie nur bla bla bla, wie
Greta Thunberg sagen würde.
Wenn wir uns den letzten UNEP Report
ansehen, wird klar: Es gibt noch viel zu viel
bla bla bla und viel zu wenige Taten im Klimaschutz.
Ich verstehe Gretas Kritik an den
Weltklimakonferenzen. Ich verstehe, daß der
Jugend – aber nicht nur der Jugend – die
Geduld ausgeht. Es liegt an uns, alles dafür
zu tun, um das Vertrauen zurück zu gewinnen.
Durch konkrete Taten und durch Verbindlichkeit.
Österreich wird seinen Beitrag leisten.
Wir bauen die Erneuerbaren Energien stark
aus. Wir beenden Schritt für Schritt das Heizen
mit Kohle, Öl und Gas. Wir investieren
Rekordsummen in den öffentlichen Verkehr.
Das ist gut. Aber wir müssen noch besser
werden.
Wir alle, egal welchem Land wir kommen,
welcher Partei oder welcher Institution
wir angehören, müssen uns jeden Tag die
Frage stellen, wie wir noch wirksamer im Kli -
maschutz werden können.
Ich appelliere an Sie: Tun wir gemeinsam
alles dafür, daß zukünftige Generationen auf
einem lebenswerten Planeten zuhause sein
können. Vielen Dank!
n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Besuch in Slowenien
Offizieller Besuch des Bundespräsidenten bei seinem Amtskollegen
Borut Pahor – Abschiedstreffen zwischen »persönlichen Freunden«
11
Foto: HBF / Peter Lechner
Borut Pahor empfing Alexander Van der Bellen mit militärischen Ehren auf dem Kongressplatz im Zentrum Ljubljanas.
Bilaterale Beziehungen, Westbalkan und
der Krieg in der Ukraine sind im Fokus
des letzten Treffens zwischen Bundespräsident
Alexander Van der Bellen und seinem
scheidenden slowenischen Amtskollegen
Borut Pahor gestanden. Alexander Van der
Bellen war am 9. Dezember als letztes ausländisches
Staatsoberhaupt bei Pa hor zu Gast,
bevor dieser am 23. Dezember sein Amt an
Nataša Pirc Mu sar übergibt.
Borut Pahor empfing Alexander Van der
Bellen mit militärischen Ehren auf dem Kon -
greßplatz im Zentrum Ljubljanas. Er bereitete
dem Bundespräsidenten einen ebenso be -
tont herzlichen Empfang wie bei Alexander
Van der Bellens Antrittsbesuch im Jahr 2017.
Auch diesmal kam eine Gruppe von Kindergartenkindern
auf den Kongressplatz, um
slo wenische, österreichische und europäische
Fähnchen zu schwenken.
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz be -
tonte Borut Pahor, es sei eine „große Ehre“,
kurz vor seinem Amtsende den österreichischen
Präsidenten, den er als „persönlichen
Freund“ bezeichnete, beim offiziellen Besuch
in Ljubljana begrüßen zu dürfen. Ein Treffen
zwischen Bundespräsident Van der Bellen
und der designierten Präsidentin Pirc Musar,
die ebenfalls informell zusammenkamen,
sieht Borut Pahor als Zeichen, daß die beiden
Staatschefs auch künftig ausgezeichnete
Foto: HBF / Peter Lechner
Van der Bellen bei seinem Treffem mit der designierten Staatspräsidentin Nataša Pirc Musar
persönliche Beziehungen pflegen werden.
Auch Alexander Van der Bellen dankte Bo -
rut Pahor – den er ebenfalls als Freund be -
zeichnete – für seinen Einsatz bei der Stärkung
der bilateralen Beziehungen.
Als ein wichtiges Thema besprachen die
beiden Staatsoberhäupter die Lage der slowenischen
Minderheit in Österreich. „Manche
Dinge sind nicht so, wie man sie gerne
hätte“, sagte Borut Pahor mit Blick auf die
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Enttäuschung der slowenischen Volksgruppe,
weil bestimmte Minderheitenrechte nicht
so schnell wie gehofft umgesetzt wurden. Er
lobte Alexander Van der Bellen allerdings
für seine Rede beim Gedenken an den 100.
Jahrestag der Kärntner Volksabstimmung und
bezeichnete sie als einen Wendepunkt in der
Bemühung um die Umsetzung der Rechte
der Minderheit.
n
https://www.bundespraesident.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Aus dem Parlament
12
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Österreichische Delegation mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (4. v.l.) und Anthony Rota (5. v.l.), Speaker des House of Commons
Nationalratspräsident Sobotka
zu Besuch in Kanada
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
hielt sich Ende September im Rahmen
eines offiziellen Besuchs in Kanada auf. An -
laß für die Reise war der 70. Jahrestag der
Aufnahme von diplomatischen Beziehungen
mit dem nordamerikanischen Land. Auch die
Parlamentsumbauten in beiden Ländern bildeten
den Gegenstand eines regen Erfahrungsaustausches.
In Ottawa traf Sobotka un -
ter anderem mit dem Sprecher des kanadischen
Unterhauses, Anthony Rota, und dem
Spre cher des kanadischen Senats, George
Furey, zusammen. Ebenso fanden Gespräche
mit Abgeordneten und Senatoren, den Projektleitern
des Parlamentsumbaus und den
Sicherheitsverantwortlichen des Parlaments
statt. In Toronto stand ein Austausch mit dem
Präsidenten und CEO der United Jewish
Appeal-Federation of Greater Toronto,
Adam Minsky, zum Thema Antisemitismus
auf dem Programm.
Sobotka: Weitere Stärkung der bilateralen
Wirtschafts- und Handelsbeziehungen
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Treffen mit Deputy Speaker of the House of Commons Chris D'Entremont
Im Gespräch mit dem Sprecher des kanadischen
Unterhauses, Anthony Rota, hob So -
botka die 70 Jahre diplomatischer Beziehungen
zwischen Kanada und Österreich als
vielseitiges Band hervor, das die beiden Länder
verbindet. Er bezeichnete diesen Anlaß
als Chance zur weiteren Stärkung der bilateralen
Wirtschafts- und Handelsbeziehungen
und ging auch auf die wissenschaftliche Zu -
sammenarbeit bzw. den Austausch der beiden
Länder ein. Was den Bereich der parlamentarischen
Kooperationen betrifft, beeindrucke
das kanadische Parlament durch sei -
ne Expertise in internationalen Kooperationen,
so der Nationalratspräsident. Zum kanadischen
„Parliamentary Officers‘ Study Programme“
sei hohe internationale Resonanz
wahrzunehmen. Sobotka unterstrich, daß es
auch auf der Verwaltungsebene ein großes
Interesse am Austausch gebe und bot umgekehrt
an, bei einem Besuch des kanadischen
Parlaments in Wien die vielfältigen Angebote
der Demokratievermittlung des österreichischen
Parlaments zu präsentieren. Auch
der Erfahrungsaustausch über die Renovierungen
der Parlamentsgebäude in Kanada
bzw. in Österreich brachte viele Parallelen zu -
tage, unter anderem das Anliegen einer stärkeren
Öffnung der Parlamente für die Bevölkerungen,
als auch die Modernisierung der
Gebäude bei gleichzeitigem Erhalt der historischen
Strukturen.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Mit dem Sprecher des kanadischen Se -
nats, George Furey, tauschte sich Sobotka
unter anderem über die Einschätzung der
der zeitigen Lage im Krieg in der Ukraine
aus. Von österreichischer Seite würden keine
Waf fen geliefert, zumal das nicht vereinbar
mit der militärischen Neutralität wäre, zu der
sich Österreich verpflichtet hat.
Was die Sank tionen gegen Rußland
betrifft, trage Österreich diese in Abstimmung
mit der EU voll mit und stehe dahinter,
unterstrich der Nationalratspräsident.
Auch die kanadische Seite bekräftigte
ihre Unterstützung für die Ukraine, unter
anderem, ebenso wie Österreich, durch die
Aufnahme von Vertriebenen. Ge sprächs -
thema war auch die Energiekrise in Europa
und die Möglichkeiten der EU, Zu gänge zu
alternativer Energiebeschaffung zu eröffnen.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
13
Ein wichtiger Gegenstand der Erörterung mit den GesprächspartnerInnen
im kanadischen Parlament sowie mit dem Exekutivdirektor
des „Information Integrity Lab“ der Universität Ottawa, Serge
Blais, waren auch die Gefahren der Digitalisierung, durch die Verbrei -
tung von Desinformation und vor al lem Hass im Netz auf sozialen
Plattformen. In beiden Ländern haben diese Phänomene, nicht zu -
letzt durch die COVID-19-Pandemie, in den letzten Jahren stark zu -
genommen und stellen eine große Herausforderung für die demokratischen
Systeme und Gesellschaften dar. Sobotka betonte, daß diesen
Gefahren nur durch gemeinsame Maßnahmen auf internationaler
Ebene, auch zusammen mit kanadischen Partnern, begegnet werden
könne.
Sobotka reiste von Ottawa weiter nach Toronto, wo er unter an -
derem mit dem Präsi denten und CEO der UJA Federation of Greater
Toronto, Adam Minsky, zusammentraf. Gesprächsthema war die Sicht
der jüdischen Community in To ronto auf die Situation mit Anti se mi -
tis mus in Kanada. Geplant war auch Treffen mit VertreterInnen des
Regionalparlaments und mit dem Wirtschaftsminister von Ontario. n
Eintrag ins Gästebuch mit dem Speaker of the Senate George J. Furey
Minister of Economic Development, Job Creation and Trade der
Provinz Ontario Victor Fedel
Präsident und Geschäftsführer der UJA Federation of Greater
Toronto, Adam Minsky
Alle Fotos: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Treffen mit dem Speaker der Legislative Assembly of Ontario Ted Arnott
Lieutenant Governor of Ontario Elizabeth Dowdeswell O.C.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
14
Besuch des Vizepräsidenten des
indonesischen Repräsentantenhauses
Die Beziehungen zwischen Österreich
und Indonesien, der Ukraine-Krieg und
die Vermittlerrolle des südostasiatischen Lan -
des zwischen Rußland und der Ukraine standen
im Mittelpunkt des Gesprächs zwischen
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und
Sjarifuddin Hasan. Der Vizepräsident des Re -
präsentantenhauses der Republik Indonesien
traf am 29. September im Rahmen seines
Wien-Besuchs mit Sobotka zusammen.
Der Besuch ermögliche es, die guten Be -
ziehungen zwischen den beiden Ländern auch
auf parlamentarischer Ebene zu pflegen, so
der Nationalratspräsident. Österreich habe
großes Interesse am Ausbau der wirtschaftlichen
Beziehungen mit Indonesien, der viel
Potential vor allem im Bereich der erneuerbaren
Energien sieht. Hasan zeigte sich
ebenso bemüht, die Zusammenarbeit zwischen
dem indonesischen und dem österreichischen
Parlament zu intensivieren.
Im Zentrum des Gesprächs stand einmal
mehr der Ukraine-Krieg. Die Vermittlungsbemühungen
Indonesiens zwischen Kiew und
Moskau seien begrüßenswert, so der Nationalratspräsident.
Er unterstrich erneut, daß
alles getan werden müsse, um die territoriale
Integrität der Ukraine zu wahren und die Ein -
haltung des Völkerrechts einzufordern. Es
gel te, alle Initiativen zu ergreifen, um den
Krieg zu einem Ende zu bringen. Die Bestrebungen
von Indonesien, Rußland und die
Ukraine im Rahmen des G20-Gipfels im No -
vember auf Bali an den Verhandlungstisch
zu bringen, unterstütze Österreich daher
nachdrücklich.
Weil in Indonesien gerade an einer No -
velle der Verfassung gearbeitet wird, zeigte
Hasan großes Interesse an der österreichischen
Verfassung und ihrem Schöpfer Hans
Kelsen. Das österreichische Parlament sei
bereit, den Dialog zu diesem Thema insbesondere
auf Ebene der Parlamentsverwaltung
zu intensivieren, so Sobotka. In diesem
Zusammenhang berichtete er von Kooperationen
mit den Parlamenten des Westbalkans,
die von Österreich auf ihrem Weg zur
Europäischen Union unterstützt werden. n
Besuch des vietnamesischen
Außenministers Bui Thanh Son
Für den Ausbau der wirtschaftlichen Be -
ziehungen zwischen Österreich und Viet -
nam plädierte Nationalratspräsident Wolfgang
Sobotka am 29. September bei einem
Gespräch mit dem vietnamesischen Außenminister
Bui Thanh Son, in Wien. Dazu soll
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka begrüßt den Vizepräsidenten der Nationalversammlung
von Indonesien, Sjarifuddin Hasan …
… und dem Außenminister der Sozialistischen Republik Vietnam, Bui Thanh Son
auch das von der EU mit Vietnam abgeschlossene
Investitionsschutzabkommen bei -
tragen. Ein weiterer Gesprächspunkt war der
Krieg in der Ukraine. Es gehe darum, alle
Möglichkeiten auszunützen, um den russischen
Präsidenten zum Einlenken zu bringen,
so Sobotka.
„Der 50. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer
Beziehungen zwischen Österreich
und Vietnam ist ein würdiger Anlaß, um die
wirtschaftliche und politische Annäherung
beider Länder voranzutreiben“, betonte der
Nationalratspräsident gegenüber dem vietnamesischen
Außenminister. Vietnam sei ein
bedeutender Markt für österreichische Un -
ternehmen, das würde auch das Handelsvolumen
von rund 1,4 Mrd. € zeigen.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Sobotka sprach in diesem Zusammenhang
das Investitionsschutzabkommen zwischen
der EU und Vietnam an. Er geht von einer
baldigen Ratifizierung durch Österreich aus.
Grundsätzlich gebe es ein weites Feld der
wirtschaftlichen Kooperationsmöglichkeiten.
Österreich habe etwa im Bereich der nachhaltigen
Industrieentwicklung, in der Ab fall -
wirtschaft sowie in der Wasseraufbereitung,
Unternehmen mit Weltruf vorzuweisen.
„Wir müssen international alle Möglichkeiten
ausnutzen, um Putin zum Einlenken
zu bringen“, hielt Sobotka zur Situation in
der Ukraine fest. Er ersuchte den vietnamesischen
Außenminister um seine Unterstützung
in dieser Sache. Die russische Aggression
sei ein klarer Verstoß gegen das Völker-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
15
recht, gleichzeitig müsse das diplomatische
Wort immer Vorrang vor dem Einsatz von
Waffen haben, so Sobotka weiter. Das sah Bui
Thanh Son ähnlich. Die Achtung des Völkerrechts
sowie die Souveränität jedes Landes
hätten für Vietnam höchste Priorität. Vietnam
sei zur Unterstützung bei der Konfliktlösung
bereit.
Was die damit in Zusammenhang stehenden
hohen Energiepreise betrifft, sei die Re -
duzierung der Abhängigkeit von russischem
Gas bei gleichzeitigem Ausbau der erneuerbaren
Energien für Österreich entscheidend,
ergänzte der Nationalratspräsident. n
Afghanistans starke
Frauen im Parlament
Seit der neuerlichen Machtübernahme der
Taliban in Afghanistan vor einem Jahr
kämpfen insbesondere Frauen und Mädchen
dort um ihre Freiheit und Rechte. Einige dieser
Kämpferinnen standen im Mittelpunkt
der Veranstaltung „Afghanistans starke Frauen:
Ein Jahr Widerstand gegen die Taliban-
Herrschaft“, zu der Zweite Nationalratspräsidentin
Doris Bures gemeinsam mit dem
Thinktank Vienna Institute for International
Dialogue and Cooperation (VIDC) und der
NGO „Frauen ohne Grenzen“ / „Women
without Borders“ (WwB) am 3. Oktober ins
Parlament eingeladen hatte. Die Frauen ga -
ben Einblicke in ihre aktuelle Situation in
ihrer Heimat und im Exil und berichteten von
ihrem Widerstand.
Die Machtübernahme der Taliban im
August 2021 sei für viele, insbesondere für
Frauen, die Wiederholung eines Albtraums
gewesen, sagte Parlamentsvizedirektorin Su -
sanne Janistyn-Novák, die die Zweite Nationalratspräsidentin
Doris Bures vertrat. Trotz
allem gebe es mutige, willensstarke, solidarische
Frauen, die nicht aufgeben und durch
ihr Wirken anderen Hoffnung geben. Sie
würden trotz ihrer Bedrängnis alles in ihrer
Macht Stehende tun, um für die Frauen in
ihrem Land zu kämpfen. Um die Situation
von Frauen in Afghanistan zu verbessern,
brauche es aber auch Engagement, Beistand
und Beharrlichkeit der internationalen Staatengemeinschaft.
„Wir lassen nicht zu, daß
Frauen in Afghanistan unsichtbar werden.
Wir schauen hin, erheben mit ihnen und für
sie unsere Stimmen“, so Janistyn-Novák.
Es sei nicht selbstverständlich, daß man
auf die Situation von Frauen am anderen
Ende der Welt blicke, sagte Sybille Straubinger,
Direktorin des Vienna Institute for International
Dialogue and Cooperation (VIDC).
Das mediale Scheinwerferlicht richte sich
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Begrüßung durch Parlamentsvizedirektorin Susanne Janistyn-Novák
Edit Schlaffer Vorsitzende Women without Borders, Michael Fanizadeh Projektkoordinator,
Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation
leider schnell auf die nächste Krise. Deshalb
sei es Teil ihrer Arbeit, die Situation in Af -
ghanistan nicht in Vergessenheit geraten zu
lassen, „denn die Frauen Afghanistans geben
Hoffnung, machen Mut und sie gehören ge -
hört“, so Straubinger.
Für Laura Kropiunigg, Executive Director
von Women without Borders (WwB), sind
die Frauen in Afghanistan „politische Gefangene
eines Systems, das ihnen einen einzigen
Vorwurf macht: Sie sind Frauen“. Sie sprach
von einer Gender-Apartheid, die mit Gewalt
durchgesetzt werde. Frauen, die Wider stand
leisten, werden verfolgt, verschleppt, vergewaltigt
oder getötet, so Kropiunigg.
Die Machtübernahme der Taliban betreffe
alle Menschen in Afghanistan, sagte die
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Botschafterin der Islamischen Republik Af -
ghanistan in Österreich, Manizha Bakhtari,
in ihren Grußworten. Besonders aber seien
Frauen und Mädchen betroffen, deren Rechte
vor ihren Augen verschwinden. Die Diskriminierung
trete jeden Tag auf, etwa wenn
Frauen nicht in die Schule oder zur Arbeit
gehen dürfen oder sich an strenge Kleidungsvorschriften
halten müssen. Protesten
begegne das Regime mit Gewalt. Doch die
Afghaninnen seien weiterhin stark, so Bakhtari,
die die internationale Gemeinschaft aufrief,
die Frauen in Afghanistan zu unterstützen.
Die Botschafterin nutzte ihre Rede auch
für eine Schweigeminute in Gedenken an die
Opfer eines Anschlags auf eine Schule in
Ka bul am 30. September.
n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
16
Besuch der kosovarischen
Außenministerin Gërvalla-Schwarz
Für eine rasche Heranführung der sechs
Staaten des Westbalkans an die EU sprach
sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
am 12. Oktober bei seinem Zusammentreffen
mit der kosovarischen Außenministerin
Donika Gërvalla-Schwarz in Wien aus.
Neben den Auswirkungen des Ukraine-Krieges
standen zudem der Dialog mit Serbien,
die aktuellen Gefahren für die Demokratie
sowie die Sensibilisierung von jungen Menschen
für politische Prozesse im Mittelpunkt
der Aussprache.
Österreich pflege seit vielen Jahren eine
Partnerschaft mit den Ländern des Westbalkans,
unterstrich Sobotka, und führte dabei
sicherheitspolitische, wirtschaftspolitische
und demokratiepolitische Gründe an. Man
müsse gerade jetzt alles unternehmen, damit
es zu keinen weiteren Spannungen in der
gesamten Region komme. Eine weitere Heranführung
des Kosovo an die Europäische
Union sowie an den Europarat werde von
österreichischer Seite unterstützt.
Der Nationalratspräsident hob die guten
bilateralen Beziehungen hervor und verwies
dabei unter anderem auf die Einrichtung
einer Demokratiewerkstatt im kosovarischen
Parlament nach österreichischem Vorbild. In
einer Zeit, in der die Demokratie besonders
auf dem Prüfstand stehe, sei es sehr wichtig,
junge Menschen für politische Fragen zu sen -
sibilisieren und ihnen die Gesetzgebungsprozesse
näher zu bringen. Große Herausforderungen
stellten sich derzeit vor allem durch
autoritäre Bestrebungen und ein verstärktes
Anwachsen des Antisemitismus dar. Erneut
machte sich Sobotka dafür stark, rechtliche
Rahmenbedingungen für die großen Online-
Plattformen zu schaffen.
Die neue Regierung des Kosovo setze
sehr stark auf einen Anti-Korruptionskurs,
der von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung
unterstützt werde, erklärte Gërvalla-Schwarz.
Was den Dialog mit Serbien betrifft, so regte
sie an, VertreterInnen der Zivilgesellschaften
noch stärker einzubinden, um die demokratischen
Kräfte zu stärken und warnte zudem
vor den Auswirkungen des Krieges in der
Ukraine, der sich destabilisierend auf die
ganze Region auswirken könne. Auch wenn
etwa die Wahlen in Bosnien-Herzegowina
nun geschlagen seien, müsse man die weiteren
Entwicklungen im Land genau beobachten.
Angesichts der vielen Falschinformationen
und Propaganda, die derzeit verbreitet
werden, trete sie daher ebenso für eine stärkere
Regulierung der Online-Plattformen ein.
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
Foto: Parlamentsdirektion / Matthias Matuschek
Besuch der stellvertretenden Premierministerin und Außenministerin der Republik Kosovo,
Donika Gërvalla-Schwarz, in Wien
Da sie selbst in zwei Diktaturen aufgewachsen
sei bzw. gelebt habe, sei ihr die Vermittlung
von demokratischen Werten ein sehr
großes Anliegen, betonte Gërvalla-Schwarz.
Sie werde sich daher persönlich stark dafür
einsetzen, daß möglichst viele Jugendliche
im Kosovo die Demokratiewerkstatt besuchen
können.
n
145. IPU-Versammlung in Ruanda
Bei der von 11. bis 15. Oktober abgehalte -
nen 145. Versammlung der Interparlamentarischen
Union (IPU) standen Fragen der Ge -
schlechtergerechtigkeit im Mittelpunkt der Be -
ratungen. Gastgeber der weltweit größten Ver -
sammlung von ParlamentarierInnen war das
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Parlament in Ruanda. Es hat mit über 60 Prozent
weltweit den höchsten Anteil an Frauen.
An der IPU-Versammlung nahmen Delegationen
aus mehr als 120 Ländern teil. Auch der
Krieg in der Ukraine stand im Zentrum der
Gespräche – wie bereits beim letzten Treffen.
Die österreichische Delegation bestand aus
Reinhold Lopatka (ÖVP), Petra Bayr (SPÖ),
Gerhard Deimek(FPÖ), Ewa Ernst-Dziedzic
(Grüne) und Nikolaus Scherak (NEOS).
Die Generaldebatte der IPU-Versammlung
stand unter dem Titel „Gender equality
and gender-sensitive parliaments as drivers
of change for a more resilient and peaceful
world“ (Anm.: Gleichstellung der Geschlechter
und geschlechtersensible Parlamente als
Österreichische Delegation (v.l.): Nikolaus Scherak (NEOS), Petra Bayr (SPÖ), Reinhold
Lopatka (ÖVP), Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) und Gerhard Deimek (FPÖ)
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
17
Foto: Parlamentsdirektion / Matthias Matuschek
Die Österreichische Delegation unter der Leitung von Reinhold Lopatka bei der Kranzniederlegung in der Genozid-Gedenkstätte in Kigali
Motor des Wandels für eine widerstandsfähigere
und friedlichere Welt). Dabei einigten
sich die ParlamentarierInnen auf die Annahme
der Kigali-Deklaration. Darin wird die
Vor reiterrolle von Parlamenten zur Förderung
der rechtlichen, politischen sowie ge -
sellschaftlichen Gleichstellung betont. Zu -
dem verurteilte die IPU-Versammlung in
einer gemeinsamen dringlichen Resolution
die russische Invasion in der Ukraine.
Österreichs Delegierte zur
Geschlechtergleichstellung
„Wir leben in einer Zeit multipler Krisen,
die alle starke geschlechtsspezifische Dimen -
sionen beinhalten“, unterstrich Delegationsleiter
Reinhold Lopatka in seiner Re de vor
der IPU-Versammlung. „Lassen Sie uns die
Dynamik des Wandels nutzen, um die
Gleichstellung der Geschlechter für eine bes -
sere Zukunft voranzutreiben!“, erklärte der
ÖVP-Mandatar.
Bei einer Veranstaltung der Weltgesundheitsorganisation
zur Rolle von ParlamentarierInnen
beim barrierefreien Zugang zu se -
xuellen und reproduktiven Rechten plädierte
die SPÖ-Mandatarin Petra Bayr dafür, diese
Grundrechte nicht mehr als ideologische
Fragen zu sehen: „Un abhängig von fortschrittlich
oder konservativ, von links oder
rechts, von religiös oder nicht, ist der Zu -
gang zu Serviceangeboten in diesem Bereich
eine Frage von grundlegenden Menschenrechten,
Selbstbestimmung und der Menschenwürde.“
Grünen-Mandatarin Ewa Ernst-Dziedzic
betonte, daß die weltweiten Konflikte nicht
ursächlich für die Ungleichheit seien, Kriege
aber zu einer Verschlimmerung von deren
Folgen führten. Die gleichberechtigte Repräsentanz
von Frauen in einflußreichen politischen
Positionen bedeute nicht nur Gerechtigkeit,
„sondern sie ist ein Schritt auf dem
Weg zu mehr Sicherheit und Frieden in der
Praxis“.
NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak erklärte
in der IPU-Versammlung: „Gerade in Zeiten
wie diesen ist es wichtiger denn je, daß
sich Parlamentarier aus der ganzen Welt treffen
und gemeinsam nach Lösungen für die
vielfältigen Probleme unserer Zeit suchen.
Genau dafür sind Parlamente da: den Dialog
zu fördern und aufrechtzuerhalten.“
Dringliche Resolution zum Ukraine-Krieg
In einer gemeinsamen dringlichen Resolution
verurteilte die IPU-Versammlung die
russische Invasion, Besetzung und die Annexion
von Teilgebieten in der Ukraine sowie
die Menschenrechtsverletzungen, die in den
Regionen KiewCharkiw, Sumy, Tschernihiw
und anderen begangen werden. Sie fordert
die Wiederherstellung der territorialen Integrität
des Landes in seinen international an -
erkannten Grenzen und unterstützt Untersuchung
und Verfolgung von Kriegsverbrechen.
In der Resolution werden auch die wirtschaftlichen
und humanitären Auswirkungen
des Krieges angesprochen. Die UNO sowie
sämtliche Regierungen und Parlamente der
Welt werden aufgerufen, sozialpolitische
Pro gramme zu implementieren, um den Folgen
steigender Preise für Nahrung, Treibstoff
und Düngemittel entgegenzuwirken.
„Österreich ist ein neutrales Land – Öster -
reich kann aber niemals neutral sein, wenn
Völkerrecht gebrochen und die Souveränität
und territoriale Integrität eines Staates verletzt
wird“, sagte Lopatka in seiner Wortmeldung
bei Annahme der Resolution durch die
Versammlung.
Österreichische Delegation
besucht Genozid-Memorial in Kigali
Am Rande der Konferenz besuchten die
österreichischen Abgeordneten die Genozid-
Gedenkstätte in Kigali, an der ca. 250.000
Opfer des Völkermords an der Tutsi-Minderheit
beerdigt sind, und legten einen Kranz
nieder. Dem Völkermord fielen im Jahr 1994
eine Million Menschen zum Opfer, auch
viele Angehörige der Hutu-Mehrheit, die sich
nicht am Morden beteiligt hatten. Dabei traf
die Delegation mit zwei ÖsterreicherInnen
zu einem Austausch zusammen, die bei der
Ge denkstätte ihren Friedensdienst leisten.
Weiters präsentierte Reinhold Lopatka in
der geopolitischen 12plus-Gruppe den
UNOCT-Koordinierungsmechanismus (United
Nations Office of Counter-Terrorism) für
Parlamentarische Versammlungen zur Terrorismusbekämpfung
und Prävention von ge -
walttätigem Extremismus, dessen Vorsitz er
im Rahmen der Parlamentarischen Versamm -
lung der OSZE seit Juni 2022 innehat. Der
Schwerpunkt liegt dabei auf der Sahelregion.
Das deckt sich mit dem Fokus der hochrangigen
Beratergruppe zur Bekämpfung von
Ter rorismus und gewalttätigem Extremis mus
der IPU, in der Lopatka aktives Mitglied ist.
Als internationale Vereinigung von Parlamenten
ist die 1889 gegründete IPU ein welt -
weites Forum für parlamentarischen Dialog
in enger Kooperation mit den Vereinten Na -
tionen. Ihre Ziele sind Friedenssicherung,
Wahrung der Menschenrechte und Förderung
des Demokratieverständnisses. Derzeit
umfaßt die IPU 178 Mitgliedsparlamente und
14 assoziierte Mitglieder. n
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
18
Foto: Parlamentsdirektion / Anna Rauchenberger
Besuch des Präsidenten des Bundesparlaments von Somalia, Sheikh Adan Mohamed Nur
Präsident des Bundesparlaments von
Somalia Sheikh Adan Mohamed Nur
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
tauschte sich am Nachmittag des 13.
Oktober in Wien mit dem Präsidenten des
Bundesparlaments von Somalia, Sheikh Adan
Mohamed Nur aus. Themen waren die bilateralen
Beziehungen, Migration, die humanitäre
und sicherheitspolitische Lage in Somalia
sowie die politische Situation in der Re -
gion.
Illegale Migration – nicht zuletzt aus afrikanischen
Staaten – sei für Österreich eine
große Herausforderung, erklärte Sobotka. So -
malische StaatsbürgerInnen befanden sich
im Jahr 2021 an vierter Stelle der Asylstatistik.
Sobotka begrüßte die guten bilateralen
Beziehungen zwischen Österreich und So -
malia. Er stimmte mit seinem Amtskollegen
überein, daß es wichtig sei, Somalia auf seinem
Weg zur Stabilisierung und Demokratisierung
des Landes zu unterstützen.
Somalia sei mit großen Herausforderungen
konfrontiert, erklärte Sobotka. Österreich
sei sich der angespannten humanitären Lage
in Somalia aufgrund der kriegerischen Konflikte,
der Dürre und nicht zuletzt wegen der
schleppenden Getreideimporte aufgrund des
Ukraine-Krieges bewußt. Die EU sei bereits
einer der zentralen politischen und humanitären
Akteure im Land, versicherte Sobotka
die weitere Unterstützung Österreichs und
der EU bei der Bewältigung für mehr Frieden
und Sicherheit. Insbesondere im Kampf
gegen Terrorismus und die organisierte Kriminalität
spiele Somalia eine Schlüsselrolle
am Horn von Afrika, erkundigte sich Sobotka
nach dem aktuellen Stand im Kampf ge -
gen die Terror-Miliz Al-Shabaab. n
Aktuelles Arbeitsprogramm
der EU-Kommission
Aktuelle europapolitische Fragestellungen,
die von den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs
bis zur Bewältigung der Energiekrise
reichten, standen am 20. Oktober im
Mit telpunkt des Austausches zwischen dem
Leiter der Vertretung der Europäischen
Kommission in Österreich, Martin Selmayr,
und Nationalratsabgeordneten fast aller
Fraktionen. Der 24. Februar 2022 habe eine
Zeitenwende eingeleitet, deren Auswirkungen
auf allen Ebenen sichtbar seien, meinte
Selmayr. Alle 27 Mitgliedsstaaten der Union
seien sich darin einig, daß nach dem An -
griffskrieg von Putin auf die Ukraine nicht
einfach zur Tagesordnung übergegangen
werden könne. In dieser Auseinandersetzung
zwischen Autokratie und Demokratie dürfe
man nicht „einknicken“, appellierte er, zumal
die Ressourcen Rußlands auch nicht unbegrenzt
seien. An der Aussprache nahmen die
ÖVP-MandatarInnen Reinhold Lopatka,
Georg Strasser und Carmen Jeitler-Cincelli,
Michel Reimon von den Grünen sowie die
Abgeordneten Petra Steger (FPÖ) sowie Ni -
kolaus Scherak (NEOS) teil.
Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser
Aussprache mit dem Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich (v.l.): die Nationalratsabgeordneten Nikolaus Scherak (NEOS), Carmen
Jeitler-Cincelli (ÖVP), Petra Steger (FPÖ), Reinhold Lopatka (ÖVP), Martin Selmayr, Michel Reimon (GRÜNE) und Georg Strasser (ÖVP)
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
19
Neben den Folgen des Krieges in der
Ukraine werden auch die vor kurzem präsentierten
Vorschläge der EU-Kommission zur
Bewältigung der Energiekrise auf dem derzeit
in Brüssel stattfindenden EU-Gipfel der
Staats- und Regierungschefs erörtert werden,
informierte Selmayr. Man habe allerdings
schon im Frühjahr Maßnahmen beschlossen,
die unter anderem dazu geführt haben, daß
93,65 Prozent (zum damaligen Zeitpunkt,
Anm.d.Red.) der Gasspeicher in Europa ge -
füllt seien. Weiters setze die Kommission
auf Solidaritätsvereinbarungen zwischen den
EU-Staaten sowie auf die Diversifizierung
des Angebots. Dadurch konnte der Anteil der
europäischen Gasimporte, die aus Rußland
stammen, von ursprünglich 40 auf 7,5 Prozent
gesenkt werden. Um auch für den Winter
im nächsten Jahr gerüstet zu sein, schlägt
die Kommission für einen gewissen Zeitraum
die koordinierte gemeinsame Beschaffung
von rund 15 Prozent des erforderlichen
Gasvolumens am Weltmarkt vor, wie dies be -
reits im REPower-Plan auf freiwilliger Basis
enthalten war. Ein Erfolg konnte bereits bei
der Reduktion der Nachfrage erzielt werden,
da es schon jetzt gelungen sei, 15 Prozent
des Gasverbrauchs einzusparen. Der schwierigste
Punkt betreffe die Änderung des Preismechanismus,
da dies in einem liberalisierten
Markt nicht „auf Knopfdruck“ erfolgen
kön ne. Derzeit würde es innerhalb der EU-
Länder keine Mehrheit für die Einführung
eines Gaspreisdeckels geben. Das aktuelle Ar -
beitsprogramm der Kommission sehe je den -
falls im Sinne des Green Deals vor, da0
generell die Abhängigkeit von fossilen Energien
verringert und der Ausbau der erneuerbaren
Energien vorangetrieben werden müs -
se.
Bezüglich einer Frage des Abgeordneten
Nikolaus Scherak (NEOS) zur Weiterentwicklung
der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik vertrat Selmayr die Meinung,
daß dieser Bereich durch die Beitrittsansuchen
von Schweden und Finnland zur
Nato einen „Boost“ erfahren habe. Er sehe
Österreich auch nicht als „Trittbrettfahrer“ in
dieser Frage, da jeder Staat etwas zur GASP
beitragen könne. Was die Sanktionen gegenüber
Rußland betrifft, so merkte er in Richtung
der Abgeordneten Petra Steger (FPÖ)
an, daß diese sehr wirksam seien. Außerdem
werde das bereits beschlossene Ölembargo
über den Seeweg erst Anfang Dezember in
Kraft treten.
Im Gegensatz zu den ökonomischen Problemen
in Rußland weise der Euro-Raum
nicht nur ein Wachstum von 3,1 Prozent auf,
sondern auch die niedrigste Ar beitslosenrate
aller Zeiten. Dem Abgeordnetem Georg
Strasser (ÖVP) gegenüber hob Selmayr hervor,
daß die Gemeinsame Agrarpolitik sehr
gut funktioniere und sich Österreich dabei
auch immer stark eingebracht habe. Er
stimmte mit ihm überein, daß es da bei oft
um Themen gehe, die im Spannungsfeld
zwischen Klimaschutz und Aufrechterhaltung
der landwirtschaftlichen Strukturen in
den jeweiligen Ländern stehen würden. n
Treffen der Internationalen
Krimplattform in Zagreb
Der russische Angriffskrieg ist auch ein
Krieg gegen unsere demokratischen
Prinzipien und Werte – wobei Parlamente
das Herzstück jedes demokratischen Systems
darstellen“, betonte Nationalratspräsident
Wolfgang Sobotka in seiner Rede im Rahmen
des Ersten Parlamentarischen Gipfels
der Internationalen Krimplattform. Die Konferenz
fand von 24. bis 25. Oktober auf Einladung
der ukrainischen und kroatischen
Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk
und Gordan Jandroković in Zagreb statt.
Die 2021 von der Ukraine gegründete Ini -
tiative versteht sich als beratendes und koordinierendes
Format, mit dem Ziel, die volle
völkerrechtlich legitimierte Souveränität der
Ukraine über die Krim wiederherzustellen.
Nach den bisherigen zwei Treffen auf Regierungsebene
fanden in der kroatischen Hauptstadt
nun hochrangige Beratungen auf internationaler
parlamentarischer Ebene statt.
Insgesamt nahmen über 40 VertreterInnen
von nationalen Parlamenten, des Europäischen
Parlaments, der IPU sowie der parlamentarischen
Versammlungen der OSZE,
des Europarats und der NATO in Zagreb teil.
Ergebnis des Treffens war die Verabschiedung
einer gemeinsamen Erklärung, in der
das Engagement aller TeilnehmerInnen für
die Souveränität, Unabhängigkeit und territo -
riale Integrität der Ukraine bekräftigt sowie
die rechtswidrige Annexion der Krim verurteilt
wird.
„Parlamente müssen all ihre Möglichkeiten
nutzen, um die Ukraine bestmöglich zu
unterstützen. Deshalb ist das heutige Treffen
von großer Bedeutung“, hielt Sobotka vor
seinen AmtskollegInnen fest. Dies beinhalte
etwa, vereint gegen falsche russische Narrative
aufzutreten.
„Die Ukraine kämpft nicht nur für ihre
eigene Souveränität und Unabhängigkeit, sie
verteidigt auch unsere gemeinsamen Werte,
zu denen wir uns als demokratische Institution
verpflichtet haben“, so der Nationalratspräsident.
Österreich sei zwar militärisch
neutral, „wir sind aber niemals politisch neutral,
wenn es um die Einhaltung von internationalem
Recht und der territorialen Unversehrtheit
von Staaten geht“.
Der Nationalratspräsident nutzte das
internationale Treffen auch für bilaterale Ge -
spräche mit seinen ukrainischen, kroatischen,
slowenischen, schwedischen, moldawischen
und georgischen AmtskollegInnen. Zudem
tauschte er sich mit dem kroatischen Staatspräsidenten
Zoran Milanović, mit Premierminister
Andrej Plenković sowie mit Außenminister
Gordan Grlić Radman aus. n
© Croatian Parliament
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Personalia
20
Simon-Wiesenthal-Preis an Liliana
Segre in Mailand verliehen
Im Rahmen eines Empfangs im österreichischen
Generalkonsulat in Mailand übergab
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
am Nachmittag des 3. November den Simon-
Wiesenthal-Preis an die Preisträgerin und
Zeitzeugin Liliana Segre.
Mit ihrem vielfältigen Engagement im
Kampf gegen Antisemitismus mache Liliane
Segre Mut, ihrem Beispiel zu folgen. Es müs -
se allen DemokratInnen ein Anliegen sein,
die Erinnerung an die Shoah zu ehren und
die eigene Stimme zu erheben, wenn Antisemitismus
in Erscheinung tritt, so Sobotka.
Sobotka zeigte sich erfreut, Liliane Segre den
Simon-Wiesenthal-Preis für ihr Lebenswerk
persönlich in Mailand überreichen zu dürfen.
Der Hauptpreis des Simon-Wiesenthal-
Preises ging dieses Jahr neben Liliana Segre
an Lily Ebert, Zwi Nigal sowie Karl Pfeifer
und damit an alle vier nominierten ZeitzeugInnen
gemeinsam. Liliana Segre stammt aus
Mailand und wurde 1944 mit 13 Jahren als
eines von 776 italienischen Kindern nach
Auschwitz deportiert – nur 25 von ihnen
überlebten. Bis heute ist sie als Zeitzeugin in
Fernsehen, Theatern und Schulen sowie im
italienischen Parlament aktiv. Sie ist damit
eine der wichtigsten moralischen Instanzen
in Italien, betonte Sobotka. Wegen dieses be -
sonderen Engagements ist sie 2018 auch von
Präsident Sergio Mattarella zur Senatorin
auf Lebenszeit ernannt worden.
Der Simon-Wiesenthal-Preis wurde 2022
zum zweiten Mal ausgeschrieben und wird
Anfang 2023 schließlich vergeben. Einreichungen
und Nominierungen waren bis Mit -
te September möglich. Der Preis wurde 2021
auf Initiative von Nationalratspräsident Wolf -
gang Sobotka und nach Beschluß im Nationalrat
ins Leben gerufen, um zivilgesellschaftliches
Engagement gegen Antisemitis -
mus zu ehren. Die Vergabe des Simon-Wiesenthal-Preises
erfolgt in den zwei Kate -
gorien zivilgesellschaftliches Engagement
gegen Antisemitismus (7.500 €) sowie zivilgesellschaftliches
Engagement bei der Aufklärung
über den Holocaust (7.500 €). Dar -
über hinaus wird ein Hauptpreis als Auszeichnung
für besonderes zivilgesellschaftliches
Engagement gegen Antisemitismus und/
oder in der Aufklärung über den Holocaust
vergeben, der mit 15.000 € dotiert ist.
© Parlamentsdirektion / Clemens Mantl © Parlamentsdirektion / Clemens Mantl
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit Preisträgerin Senatorin Liliana Segre …
… und dem Präsidenten der Region Lombardei, Attilio Fontana
Treffen mit dem Präsidenten der
Region Lombardei Attilio Fontana
Sobotka traf auch mit dem Präsidenten der
Region Lombardei, Attilio Fontana, zusammen.
In einem Gespräch thematisierten sie
die bilateralen Beziehungen. Die re gionale
Kooperation der Bundesländer mit den italienischen
Regionen spiele dabei eine zentrale
Rolle, hob Sobotka hervor. Auch
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tauschten sich beide über die aktuelle innenpolitische
Lage in Italien sowie europapolitische
Themen aus, über den Um gang mit der
Teuerung, die Einspeicherung von Gas und
der Wassermangel in der Lombardei. n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
21
Kosovarische Staatspräsidentin
Vjosa Osmani-Sadriu in Wien
Aktuelle außenpolitische Themen, insbesondere
die Situation am Westbalkan
und die europäische Perspektive des Kosovo,
waren Gegenstand eines Treffens zwischen
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und
der Präsidentin des Kosovo Vjosa Osmani-
Sadriu am 17. November.
Die Gesprächspartner unterstrichen die
guten bilateralen Beziehungen zwischen den
beiden Ländern und erörterten Möglichkeiten
zur weiteren Intensivierung der Zusam -
menarbeit. Die Präsidentin hob unter anderem
die engen Wirtschaftsbeziehungen hervor
und bekräftigte die Bereitschaft, diese
noch weiter zu verstärken. Auch im Bildungs-
und Kulturbereich bestehe Potential
für weitere Kooperationen. Als frühere Präsidentin
des kosovarischen Parlaments be–
tonte die Staatspräsidentin auch die Wichtigkeit
der parlamentarischen Diplomatie.
Gerade vor dem Hintergrund des Krieges
in der Ukraine hob Sobotka hervor, wie wich -
tig eine europäische Perspektive des Westbalkans
ist sowie die Gewährleistung von Si -
cherheit und Stabilität in der Region. Er verwies
auf die langjährige Partnerschaft Österreichs
mit den Ländern des Westbalkans und
die Wichtigkeit einer engen sicherheits-,
wirtschafts- und demokratiepolitischen Ab -
stimmung. Man müsse gerade jetzt alles unter -
nehmen, damit es zu keinen weiteren Spannungen
in der Region komme. Der Dialog
zwischen Kosovo und Serbien sei ein zentraler
Bestandteil dieser Bemühungen. Eine wei -
tere Heranführung des Kosovo an die Europäische
Union sowie an den Europarat wer -
de von österreichischer Seite unterstützt.
Die Präsidentin bekräftigte das Bekenntnis
ihres Landes zum europäischen Integrationsprozeß
und unterstrich, daß der Kosovo,
auch ohne Kandidatenstatus zu haben, seinen
Rechtsbestand bereits weitgehend an den
EU-Acquis angepaßt habe. Für die Bevölkerung
sei es wichtig, eine klare Perspektive zu
haben, damit die Akzeptanz für die mit dem
Prozeß einhergehenden Kompromisse erhalten
bleibe. Dies gelte auch für den Dialog mit
Serbien. So sei es wichtig, daß bereits ge trof -
fene Vereinbarungen umgesetzt und laufende
Verhandlungsprozesse zügig fortgeführt
werden.
n
Nationalratspräsident auf
Arbeitsreise in Ostasien
Zukunftsthemen und Gedenken gingen
beim Besuch von Nationalratspräsident
Wolfgang Sobotka in Südkorea Hand in
Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bei der Begrüßung der Staatspräsidentin der Republik
Kosovo, Vjosa Osmani, im Parlament in Wien
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit Parlamentspräsident Kim Jin-Pyo
Hand. Bis 25. November absolvierte er ein
dichtes Arbeitsprogramm in dem ostasiatischen
Land. Neben Terminen im südkoreanischen
Parlament, bei der Handelskammer so -
wie Treffen mit VertreterIinnen von Wirtschaft,
Wissenschaft und Kultur besuchte
Sobotka auch die demilitarisierte Sicherheitszone
zwischen Nord- und Südkorea, in
der von 1951 bis 1953 das Ende des Koreakrieges
verhandelt wurde. Eine engere Zu -
sammenarbeit in den Bereichen Bildung und
Tourismus sowie eine kontinuierliche Ko -
operation auf parlamentarischer Ebene sind
Anliegen des Besuchs.
Bei einem Arbeitstreffen mit dem Präsidenten
der Nationalversammlung Südkoreas,
Kim Jin-pyo, verurteilte der Nationalratspräsident
die jüngsten Raketentests Nordkoreas.
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Angesichts der jahrzehntelangen diplomatischen
Beziehungen zwischen Österreich und
Südkorea sprach er sich zudem für die Vertiefung
der bilateralen Beziehungen in Um -
setzung der im Vorjahr abgeschlossenen strategischen
Partnerschaft beider Länder aus.
Korea zähle zu den innovativsten Ländern
Asiens und sei für Österreich bereits heute
ein bedeutender Export- und Handelspartner
sowie zweitwichtigster Tourismusmarkt auf
diesem Kontinent. Als wichtiger Partner Ös -
terreichs und demokratisches Land im ostasiatischen
Raum werde auch eine weitere
Vertiefung der Kooperation auf parlamentarischer
Ebene mit Südkorea angestrebt. Die
beiden Parlamentspräsidenten stimmten
überein, daß gerade in Zeiten multipler, globaler
Konflikte die Zusammenarbeit der na -
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
22
Mitglieder der österreichischen Delegation, Österreichischer Botschafter in Südkorea Wolfgang Angerholzer
(4.v.l.), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (5.v.l.) und Parlamentspräsident Kim Jin-Pyo (5.v.l.)
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zintionalen
Parlamente immer mehr an Bedeutung
gewinne. Neben dem Gespräch mit
Kim Jin-pyo tauschte sich Sobotka auch mit
dem ehemaligen Parlamentspräsidenten, Park
Byeong-seug, der Sobotka bei einem Treffen
im Rahmen der Fünften IPU-Weltkonferenz
der ParlamentspräsidentInnen in Wien im
September 2021 zu dem Besuch nach Südkorea
eingeladen hatte, über die aktuelle La -
ge in Ostasien, das Verhältnis zu Nordkorea
sowie die Beziehungen Südkoreas zu den
USA bzw. zu China und Russland aus. Auch
der Krieg in der Ukraine war wichtiger
Gegenstand der Gespräche.
Zudem traf Sobotka mit dem früheren
UNO-Generalsekretär, Ban Ki-moon, zu
einem Austausch zusammen. Dabei wurden
insbesondere globale Herausforderungen
wie der Klimawandel und der Einsatz Ban
Ki-moons für die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele
(SDGs) erörtert.
Im Hauptquartier der südkoreanischen
Han delskammer – Federation of Korean In -
dustries (FKI) – erörterte der Nationalratspräsident
mit CEO Kwon Tae-shin die künftige
Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation
Österreichs mit Südkorea, insbesondere
im Technologiebereich. Praxiseinblicke
in die Wirtschaftskraft des asiatischen Staats
erhielt er im Technologiekonzern NAVER
und im Hyundai Motor Studio. Zudem traf er
Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zinner
Höflichkeitsbesuch beim ehemaligen VN-Generalsekretär Ban Ki-Moon.
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weitere Persönlichkeiten aus den Bereichen
Wissenschaft und Wirtschaft, darunter den
Präsidenten der Seoul National University
(SNU), Oh Se-Jung, sowie den früheren
stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater
und nunmehrigen Senior Research Fellow
am Institut der Zukunftsstrategie der
SNU, Kim Hyoung-zhin. Eine weitere Un -
terredung fand mit Kang Chul-ho statt, der
das Komitee für die Bewerbung von Südkoreas
zweitgrößter Stadt Busan für die Weltausstellung
2030 leitet.
Weitere Programmpunkte waren ein Ge -
denken an die Opfer der Massenpanik vom
29. Oktober 2022 bei Halloweenfeiern in
Itaewon und ein Besuch der nationalen Ge -
denkstätte an den Korea-Krieg.
An der Deutschen Schule Seoul hielt
Sobotka einen Vortrag über Demokratie und
Parlamentarismus.
n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
23
Präsident der Großen Nationalversammlung
der Türkei in Wien
Am 29. November empfing Nationalratspräsident
Wolfgang Sobotka den Präsidenten
der Großen Nationalversammlung der Türkischen
Republik, Mustafa Şentop, zu einem
Gespräch. Die Bedeutung der parlamentarischen
Diplomatie und des Dialogs, insbesondere
vor dem Hintergrund des Kriegs in
der Ukraine, war zentrales Thema im Austausch
der Parlamentspräsidenten. Sobotka
unterstrich, daß die derzeitige Lage in der
Ukraine betroffen mache. Es sei von großer
Bedeutung, alles zu unternehmen, um zu -
mindest das Leid der Bevölkerung zu lindern.
Vor diesem Hintergrund sprach Sobotka der
Türkei Anerkennung für ihren Einsatz als
Vermittlerin im Konflikt aus. Dank des türkischen
Engagements sei es etwa gelungen,
die Getreideausfuhr aus der Ukraine weiter
zu gewährleisten. Von seinem Amtskollegen
wollte er wissen, wie dieser die Lage und das
Potential diplomatischer Bemühungen ak -
tuell einschätze und wieso die Türkei keine
Sanktionen gegen Rußland verhängt habe.
Die Türkei habe wiederholt betont, daß der
russische Angriffskrieg auf die Ukraine
internationalem Recht widerspreche, so Şen -
top. Sein Land werde sich weiterhin bemühen,
zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln
und auf eine Waffenruhe hinzuwirken.
Es gelte, die Dialogkanäle weiterhin of -
fenzuhalten, zeigte er sich überzeugt.
Als weiteres Thema sprach der türkische
Parlamentspräsident den Beitrittsprozeß seines
Landes zur Europäischen Union an. Für
die Türkei sei es von zentraler Bedeutung,
daß dieser vorangetrieben werde, sagte Şen -
top. Angesichts der engen wirtschaftlichen,
politischen und kulturellen Verflechtung
Europas mit der Türkei sprach Sobotka sich
für eine Intensivierung der Beziehungen aus.
Einig zeigten sich die beiden Parlamentspräsidenten
darin, daß die Region des Westbalkans
bedeutend für die Sicherheit und Stabilität
ganz Europas ist. Für Sobotka ist es
daher bedeutend, daß die Türkei ebenso wie
Österreich die EU-Perspektive der Balkanstaaten
unterstütze. Er sprach in diesem Zu -
sammenhang auch das Westbalkan-Stipendienprogramm
und die Demokratiewerkstatt
des österreichischen Parlaments an.
Thema im Gespräch waren auch die bilateralen
Beziehungen zwischen Österreich und
der Türkei. Sobotka bezeichnete es als wichtig,
den direkten und offenen Dialog fortzusetzen.
Aus seiner Sicht leisten die verstärkten
parlamentarischen Kontakte in den vergangenen
Jahren einen wichtigen Beitrag da -
Foto: Parlamentsdirektion / Thomas Topf
@ European Union 2022 - Source : EP / Daina le Lardic
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka begrüßt den Präsidenten der Großen Nationalversammlung
der Republik Türkei, Mustafa Şentop in Wien
zu. Insbesondere die Bilaterale Parlamentarische
Gruppe Türkei-Österreich bringe hier
positive Impulse, waren sich die beiden Parlamentspräsidenten
einig. Diese könnte sich
künftig auch verstärkt mit Projekten auseinandersetzen,
die das gute Zusammenleben mit
der türkischen Gemeinschaft in Österreich
weiter fördern, so Sobotka.
n
Sobotka im Austausch mit
EU-SpitzenvertreterInnen
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
hat am 5.Dezember im Rahmen seines
Besuchs in Brüssel mehrere Gespräche mit
hochrangigen VertreterInnen der EU-Institutionen
geführt. Er traf EU-Parlamentspräsidentin
Roberta Metsola, die Vizepräsidenten
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des EU-Parlaments Othmar Karas und Nicola
Beer und die EU-Kommissare Johannes
Hahn und Vera Jourova sowie die Koordinatorin
der Europäischen Kommission zur Be -
kämpfung von Antisemitismus, Katharina
von Schnurbein.
Die Intensivierung parlamentarischer Be -
ziehungen mit dem EP, die Auswirkungen
von Desinformation und Haßreden online
auf die Demokratien sowie das Thema Be -
kämpfung von Antisemitismus standen im
Zentrum des Gesprächs mit der EU-Parlamentspräsidentin.
Auch die Wiedereröffnung
des österreichischen Parlaments war Gegenstand
des Austausches.
Sobotka trat dafür ein, daß strafrechtliche
Inhalte idealerweise nicht auf sozialen Platt-
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
24
@ European Union 2022
Katharina von Schnurbein
formen verbreitet werden können. Der Digital
Services Act wurde als erster Schritt zur
Bekämpfung dieser Phänomene begrüßt.
Wirksame Maßnahmen zur Verfolgung strafrechtlicher
Inhalte sowie eine effektive
Rechtsdurchsetzung seien zentral, auch zum
Schutz der Demokratien.
Die Bekämpfung antisemitischer Tendenzen
war auch mit der Koordinatorin der Eu -
ropäischen Kommission zur Bekämpfung
von Antisemitismus, Katharina von Schnurbein,
und der Vizepräsidentin des EP, Nicola
Beer, Gesprächsthema.
„Antisemitismus ist eine Bedrohung für
uns alle – für unsere Demokratie, für unsere
Werte sowie für die Vielfalt in der Gesellschaft
– es muß unser gemeinsames Ziel sein,
dem Kampf gegen Antisemitismus in Österreich
und ganz Europa unbedingte Priorität
einräumen“, betonte der Nationalratspräsident.
„Es muß selbstverständlich sein, daß
sich Menschen jüdischen Glaubens in unserer
Gesellschaft frei und sicher fühlen können.“
Das österreichische Parlament verstehe
sich als wichtiger Ort der Gedenk- und Er -
innerungskultur und fördere seit Jahren Maß -
nahmen und Projekte, „um unserer gemeinsamen
historischen Verantwortung gerecht
zu werden“, hielt Sobotka gegenüber von
Schnurbein fest.
Bei den Treffen mit der Vizepräsidentin
der EU-Kommission und Kommissarin für
die Themen Werte und Transparenz, Věra
Jourová, mit EU-Kommissar Johannes Hahn
sowie mit den beiden VizepräsidentInnen
des EU-Parlaments, Nicola Beer und Othmar
Karas, kamen auch die Themen Rechtsstaatlichkeit
und Verteidigung der europäischen
Werte zur Sprache.
n
@ European Union 2022 / Jennifer Jacquemart @ European Union 2022 / Aurore Martignoni @ European Union 2022 - Source : EP / Alexis Haulot
Nationalratspräsident Sobotka mit EU Parlaments-Vizepräsident Othmar Karas …
… mit der Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für die Themen Werte und
Transparenz, Věra Jourová …
… und mit dem aus Österreich stammenden EU-Kommissar Johannes Hahn
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
25
»Niemals wieder« heißt,
Verantwortung zu übernehmen
Vergiß nie, daß du ein jüdisches Kind
bist“ lautet der Titel des Buchs von Anna
Wexberg-Kubesch, das den sogenannten
„Kindertransporten“ in den Jahren 1938/39
ge widmet ist. Er stand auch über der Ge -
denkveranstaltung, zu der Bundesratspräsi -
den tin Korinna Schumann am 13. Dezember
ins Palais Epstein eingeladen hatte. Der
Abend erinnerte an jene Gruppe jüdischer
Kinder in Europa, die auf unterschiedlichste
Weise den Holocaust überlebten, während
rund 1,5 Millionen ihrer Altersgenoss:innen,
die dem mörderischen NS-Regime zum
Opfer fielen.
Die Bundesratspräsidentin betonte in ihren
Eröffnungsworten die Wichtigkeit einer aktiven
Erinnerungspolitik für die Bewahrung
des kollektiven Gedächtnisses. Die Forderung
„Niemals wieder!“ bedeute, sich der
Vergangenheit zu stellen und Verantwortung
für die Gegenwart zu übernehmen. Das ös -
terreichische Parlament trage in diesem Sin -
ne mit regelmäßigen Veranstaltungen und
Gedenkfeiern zur Erinnerungskultur bei. Dies -
mal erinnere man an das Schicksal der Kinder,
die dem so genannten „Großdeutschen
Reich“ 1938 und 1939 aufgrund des Engagements
von britisch-jüdischen Hilfsorganisationen
entfliehen konnten. Auch sie müssten
ihren Platz in der kollektiven Erinnerung er -
halten, sagte Schumann.
Viele der Kinder, deren Familien versuchten,
sie mit einem „Kindertransport“ vor
der Verfolgung zu retten, stammten aus
Wien. Auch wenn sie oberflächlich betrachtet
zu den „Glücklichen“ gehören würden,
sei ihnen allen die Erfahrung der Entwurzelung
und das Trauma der Flucht gemeinsam.
Das offizielle Österreich habe nach 1945
auch dieser Gruppe gegenüber zu lange versäumt,
seine Verantwortung wahrzunehmen
und ein Angebot der Wiedergutmachung
aus zusprechen. Erst 2019 sei vom Parlament
ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz auf den
Weg gebracht worden, das sich auch an die
Nachkommen von Menschen richte, die
einen Anspruch auf die österreichische
Staatsbürgerschaft hatten. Dieses Gesetz sei
wichtig als ein später und kleiner Versuch,
geschehenes Unrecht wiedergutzumachen,
meinte Schumann.
Serloth: Eine beispiellose Hilfsaktion
Die Politikwissenschaftlerin Barbara Serloth
führte aus, wie es dazu kam, daß eine
kleine Gruppe von Kindern durch die Aktion
„Kindertransport“ gerettet werden konnte.
Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser
v.l.: Anna Wexberg-Kubesch, Autorin von „Vergiß nie, daß du ein jüdisches Kind bist“, Vizepräsidentin
der IKG Claudia Prutscher, Mili Segal, Museum zur Erinnerung „Für das Kind“,
Bundesratspräsidentin Korinna Schumann und Moderatorin Barbara Serloth
Ausgangspunkt und Hauptziel der beispiellosen
Hilfsaktion war Großbritannien, führte
Serloth aus. Jüdische Hilfsorganisationen re -
agierten auf den Novemberpogrom 1938,
indem sie sich an offizielle Stellen wandten
und erreichten, daß die strengen Visabestimmung
für Kinder und Jugendliche im Alter
von 4 bis 17 Jahren gelockert wurden. In
Zusammenarbeit vieler Stellen gelang es,
10.000 bis 12.000 Kinder aus verfolgten Fa -
milien von Dezember 1938 bis August 1939
in mehreren Gruppen ohne ihre Eltern aus
dem Gebiet bzw. dem Einflußbereich des
Großdeutschen Reichs herauszubringen. In
Großbritannien wurden sie von Pflegefamilien,
Heimen und karitativen Einrichtungen
aufgenommen. Viele von ihnen sahen die
Familienmitglieder, die sie zurücklassen hatten
müssen, nicht wieder.
Entwurzelung als nachwirkendes Trauma
Serloth diskutierte in weiterer Folge mit
zwei Wissenschafterinnen auf dem Gebiet
der Erinnerungskultur. Anna Wexberg-Ku -
besch und Milli Segal berichteten über ihre
Erfahrungen mit Menschen, die als Kinder
vor den Nationalsozialisten gerettet werden
konnten. Die Erfahrung der Kindertransporte
hat demnach bei aller Unterschiedlichkeit
der Einzelschicksale eine Gruppenidentität
geschaffen. Bis heute bezeichnen sich die
Menschen, deren Flucht auf diese Weise
organisiert wurde, als „Kinder“. Segal er -
innerte daran, daß nicht nur die Entwurzelung
der Flucht eine prägende und nachwirkende
Erfahrung war. Die Kinder hätten be -
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
reits vorher traumatische Erfahrungen durch -
machen müssen. Sie waren ZeugInnen des
NS-Terrors und erlebten, wie sich praktisch
über Nacht NachbarInnen und FreundInnen
von ihnen abwandten. Wexberg-Kubesch
meinte, eine Rückkehr nach Österreich hätte
1945 vermutlich nur für Einzelne eine Op -
tion dargestellt, da nach sieben Jahren in
Großbritannien die Kinder bereits in ihre neue
Heimat integriert waren. Österreich hätte
aber den Überlebenden gegenüber sehr viel
früher ein Angebot als alte Heimat machen
sollen, meinte sie. Hier sei vieles versäumt
worden, das nun nicht mehr nachgeholt werden
könne.
Mit Blick auf die Gegenwart thematisierte
Bunderatspräsidentin Schumann die Verantwortung
von Politik und Zivilgesellschaft
im Umgang mit der Vergangenheit. Dem
weltweit zu beobachtenden Wiedererstarken
des Antisemitismus dürfe keinesfalls mit
Wegschauen und Verharmlosung begegnet
wer den, sondern man müsse ihm aktiv entgegentreten,
mahnte die Bundesratspräsidentin.
Man riskiere sonst, daß demokratiefeindliche
Kräfte den Diskurs und das kollektive
Gedächtnis in ihrem Sinne manipulieren
können. Eine solche Relativierung und
Verleugnung der Vergangenheit nicht zuzulassen,
das schulde man auch den aus Österreich
geflüchteten Kindern.
n
https://www.parlament.gv.at/
Quelle: Parlamentskorrespondenz
https://www.millisegal.at/
Siehe auch den Beitrag in:
https://kiosk.oesterreichjournal.at/ausgabe-187/62772364/37
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Aus dem Bundeskanzleramt
26
Bundeskanzler Karl Nehammer bei einer Rede in der UNO in New York
Zusammenarbeit im Rahmen der
UNO hat an Bedeutung gewonnen
Durch den Angriffskrieg Rußlands auf
die Ukraine und seine Auswirkungen
hat die internationale Zusammenarbeit im
Rah men der Vereinten Nationen noch weiter
an Bedeutung gewonnen“, hielt Bundeskanzler
Karl Nehammer im Vorfeld seines
Aufenthalts in New York fest. „Gerade die
Er folge, die durch die Bemühungen von UN-
Generalsekretär Antonio Guterres und seinem
Team durch die Einrichtung grüner Kor ridore
zum Export der ukrainischen Getreideernte
für die weltweite Ernährungssicherheit er -
reicht wurden, zeigen das einmal mehr.“
Friede und Sicherheit seien für Europa
keine Selbstverständlichkeit mehr. „Die Si -
cherheitsarchitektur unseres Kontinents hat
sich verändert. Wir müssen noch viel stärker
auf mögliche Konfliktherde achten und jede
Möglichkeit zum Dialog nützen“, so der
österreichische Regierungschef, der in New
York unter anderem an der offiziellen Eröffnung
der 77. UN-Generaldebatte und an
einem bilateralen Treffen mit UN-Generalsekretär
Antonio Guterres teilnahm.
Ebenso stand eine Rede des Bundeskanzlers
beim „Transforming Education Summit“
auf dem Programm. „Bildung und Digitalisierung
sind in unserer globalisierten
Welt wichtige Themen, um uns für die Zu -
kunft unserer Kinder zu rüsten, nachdem die
Pandemie den Schulalltag massiv beeinträchtigt
hat“, erläuterte Nehammer. Zusam -
menarbeit in der Aus- und Weiterbildung
über die Landesgrenzen hinweg gewinne im -
mer mehr an Bedeutung. „Die Herausforderungen
für unsere Bildungssysteme und vor
allem Lösungsansätze hochwertiger Bildung
im Sinne der UN-Nachhaltigkeitsziele sollen
Fotos: BKA / Dragan Tatic
Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) traf in New York den Premier des Irak Mustafa Al-Khademi…
… und den Präsidenten von Serbien, Aleksandar Vučić
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
27
daher bei diesem Gipfel diskutiert werden“, betonte Bundeskanzler
Karl Nehammer.
Wir müssen in dieser ernsten Situation besonnen reagieren
Er nahm auch zur Bekanntgabe der Teilmobilmachung in der Russischen
Föderation Stellung. Er verurteilte diese klar, da sie eine Verschärfung
der Lage bedeute und „einen eindeutigen Schritt zur weiteren
Eskalation im Angriffskrieg gegen die Ukraine“ darstelle. „Das
ist eine ernste Situation, in der es jetzt umso wichtiger ist, besonnen
zu agieren und nicht in die Kriegslogik Putins einzusteigen. Denn die
russische Strategie beruht auch darauf, Angst zu verbreiten, andere
Länder zu destabilisieren und Europa zu spalten“, so der Kanzler.
Um Frieden zu schaffen und Sicherheit zu gewährleisten, müsse die
internationale Staatengemeinschaft alles tun, damit untereinander
wieder Gespräche stattfinden. „Unser aller Ziel muß sein, daß der
Krieg so bald wie möglich am Verhandlungstisch beendet wird. Dazu
braucht es eine klare Linie der Europäischen Union“, hielt Karl
Nehammer fest.
Bereits davor hatte sich der Bundeskanzler zu den gegenüber Ruß -
land verhängten Sanktionen geäußert: „Sanktionen sind die friedlichste
Form, um gegen Krieg und Leid zu protestieren. Sie dürfen uns
nicht mehr schwächen als jene, denen sie gelten sollen. Es geht
darum, sie zu evaluieren und zu schauen, ob sie treffsicher sind. Ziel
muß es sein, daß man die Möglichkeit eines Waffenstillstands findet.
Man muß also Brücken bauen, damit die Kriegsparteien wieder miteinander
sprechen. Die UN-Vollversammlung ist für solche Avancen
prinzipiell ein guter Ort“, erläuterte Nehammer.
Er traf zu bilateralen Gesprächen mit den Staats- und Regierungschefs
aus dem Irak, Pakistan sowie Norwegen und Serbien zusammen.
Ein Fokus der Gespräche richtete sich auf die Migration. „All
jene, die kein Bleiberecht in Österreich haben, müssen in ihre Heimatländer
zurückgeführt werden. Das kann aber nur mit einer guten
Kooperation und starken bilateralen Beziehungen funktionieren.
Das Gespräch mit dem irakischen Premierminister war dazu ein
wichtiger Schritt in diese Richtung“, sagte er nach seinem Treffen
mit dem irakischen Premier Mustafa Al-Kadhimi. Das Thema Migration
dominierte auch das Gespräch mit Serbiens Präsident Aleksandar
Vučić. Nehammer ortete eine enorme „Steigerung der Asylantragszahlen
aus sicheren Herkunftsstaaten bei Nationalitäten wie
Indien und Tunesien“. Menschen aus diesen Ländern würden le gal in
Serbien einreisen und sodann ihre Reise mit Hilfe von Schleppern in
Richtung der Europäischen Union fortsetzen. Österreich müsse sich
hier „selbst helfen“, so Nehammer. Serbien sei ein wichtiger Partner
bei der Bekämpfung der illegalen Migration und bereit, Österreichs
Karl Nehammer mit dem Schweizer Bundespräsidenten Ignazi Chassis
… mit dem Bürgermeister von New York, Eric Adams,
… mit dem Sultan Al Jaber, Industrieminister
der Vereinigten Arabischen Emirate,
Alle Fotos: BKA / Dragan Tatic
… mit dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger,
… mit dem Premier von Norwegen, Gahr Store,
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Österreich, Europa und die Welt
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Interessen zu unterstützen. Aus diesem Grund kündigte er an, auch
Anfang Oktober nach Ungarn reisen zu wollen, um mit Ministerpräsident
Viktor Orbán und Präsident Vučić die weitere Vorgehensweise
zu besprechen.
Mit Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif besprach der Kanzler
vor allem die Folgen der massiven Überschwemmungen durch an -
haltenden starken Monsunregen. „Selbstverständlich helfen wir Pakistan
aufgrund der Überschwemmungen in dieser schwierigen humanitären
Notsituation“, beteuerte Nehammer.
Im Gespräch mit Norwegens Premierminister Jonas Gahr Støre
war eine stärkere Kooperation mit Norwegen bei der Energieversorgungssicherheit
Thema. „Norwegen ist darüber hinaus ein wichtiger
Partner Österreichs, was die Gasversorgung und die stärkere Unabhängigkeit
von russischem Gas betrifft“, betonte der Bundeskanzler.
Am Rande der UN-Vollversammlung führte der Kanzler zudem
Gespräche mit dem marokkanischen Premierminister, Aziz Akhannouch,
dem ukrainischen Premierminister, Denys Schmyhal, sowie
dem Präsidenten des internationalen Roten Kreuzes, Peter Maurer.
„Bildung ist die Grundlage für Frieden und Wohlstand, aber auch
für Klimaschutz sowie technologischen Wandel. Österreich hat vom
öffentlichen Zugang zu Bildung auf hohem Niveau enorm profitiert“,
hielt Nehammer in seiner Rede beim „Transformation Education Sum -
mit“ fest, der den Auftakt zu seinem Aufenthalt in New York bildete.
Er verwies dabei darauf, daß man erst kürzlich das 50jährige Jubiläum
der Gratisschulbuchaktion begangen habe. „Die Corona-Pandemie
hat zwar den Lernverlust beschleunigt, aber auch gleichzeitig zu
einem digitalen Schub geführt. Im Hinblick auf den Zukunftsgipfel
2023 schlage ich den Vereinten Nationen weitere Kooperationen vor,
um an der Transformation von Bildung zu arbeiten. Denn sie ist die
Grundlage für eine friedliche globale Zukunft für unsere Kinder und
unsere Gesellschaften“, betonte der österreichische Regierungschef.
Im Zuge der USA-Reise stand zunächst die Teilnahme an der
Eröffnung der Generaldebatte der 77. UN-Vollversammlung gemeinsam
mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister
Alexander Schallenberg auf dem Plan. Weiters fanden bi- und
multilaterale Treffen, unter anderem mit UN-Generalsekretär António
Guterres statt.
… mit dem Premier von Pakistan,Shehbaz Sharif, und
… mit Rabbi Arthur Schneier in der Park East Synagogue
Abschließend fand die Überreichung von Staatsbürgerschaftsbescheiden
an Nachfahren von Holocaust-Überlebenden im österreichischen
Generalkonsulat und ein Gespräch mit Rabbi Arthur Schneier in
der Park East Synagogue statt: „Österreich ist sich seiner historischen
Verantwortung und Vergangenheit bewußt. Wir werden auch weiterhin
alles tun, um gegen alle Formen von Antisemitismus anzukämpfen
und jüdisches Leben zu schützen“, so der Bundeskanzler. n
Fotos: BKA / Dragan Tatic
Der Bundeskanzler bei der Verleihung von österreichischen Staatsbürgerschaften an Angehörige von vertriebenen Jüdeninnen und Juden
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Österreich, Europa und die Welt
29
Warsaw Security Forum
Albanien und Nordmazedonien haben
viel getan, um der Europäischen Union
näherzukommen. Ein Justizsystem zu reformieren,
ist ein harter Schritt“, betonte Europaministerin
Karoline Edtstadler am 5. Okto -
ber beim Warsaw Security Forum, bei dem
sie unter anderem mit dem kroatischen Aussenminister
Gordan Radman zusammentraf.
„Die Integration der Westbalkan-Staaten ist
eine Frage der Sicherheit für Europa. Es war
wichtig, der Ukraine den Beitrittsstatus zu
geben, aber wir dürfen nicht auf den Westbalkan
vergessen“, hielt Edtstadler fest.
Im Zuge ihres Aufenthalts in Warschau
traf die Europaministerin auch mit Olena
Selenska zusammen: „Die Gattin des ukrainischen
Präsidenten begrüßt den Plan mehrerer
Europaministerinnen, im November nach
Kiew zu kommen, um insbesondere die
weibliche Sicht auf den Krieg in den Fokus
zu rücken. Frauen sind in ihren vielfältigen
Rollen massiv vom Krieg betroffen. Es gibt
etwa Schätzungen, wonach ein Viertel der
Militärangehörigen weiblich ist.“ Ebenso
kam es zu einer Unterredung mit Vizepremierministerin
Olha Stefanishyna, mit der
die Europaministerin über die aktuelle Situation
in der Ukraine sprach.
Die Situation in der Ukraine stand auch
bereits davor beim Besuch einer von der Stra -
bag mitfinanzierten Unterkunft für ukrainische
Vertriebene im Mittelpunkt sowie beim
Besuch des „Ukraine Haus“, dem Ukrainski
Dom. „Ich bin tief beeindruckt vom großen
Engagement Polens und der polnischen Zi -
vilgesellschaft. Und ich bin froh, daß auch
Österreich für die Ukraine und die betroffenen
Staaten Hilfsleistungen im Umfang von
über 80 Millionen Euro bereitstellt“, erläuterte
Edtstadler.
Gasabkommen mit den
Vereinigten Arabischen Emiraten
Für den kommenden Winter haben wir
unsere Hausaufgaben gemacht, unsere
Speicher sind fast voll. Jetzt geht es um Versorgungssicherheit
für das nächste Jahr“,
betonte Bundeskanzler Karl Nehammer wäh -
rend seines Aufenthalts in Abu Dhabi. Die
Regierungsdelegation, bestehend aus dem
Kanzler, Finanzminister Magnus Brunner
und Energieministerin Leonore Gewessler,
trifft Vorsorge, um die Energieversorgung
auch für die Heizsaison 2023/24 zu sichern.
Ein wichtiger Bestandteil davon ist die Di -
versifizierung der Gasversorgung durch neue
Zuliefererländer, etwa durch die Vereinigten
Arabischen Emirate (VAE).
Fotos: BKA / Florian Schrötter
Europaministerin Karoline Edtstadler mit Kroatiens Außenminister, Gordan Grlić Radman, …
… mit der ukrainischen Vize Ministerpräsidentin, Olha Stefanishyna, und …
… mit der Gattin des ukrainischen Präsidentin, Olena Zelenska
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
30
„Wir haben unsere Abhängigkeit von russischem
Gas deutlich reduziert, von 80 Prozent
auf 50 Prozent“, so der Bundeskanzler.
Das hochrangige Treffen in Abu Dhabi sei
ein weiterer Meilenstein in der langjährigen
strategischen Zusammenarbeit zwischen den
Vereinigten Arabischen Emiraten und Österreich.
„Die VAE sind ein wichtiger strategischer
Partner und helfen uns, unsere Energiesicherheit
zu gewährleisten. Die Gespräche
gingen weit über die Lieferung von LNG
für Österreichs Energieversorgung hinaus und
umfaßten auch die wirtschaftliche Zusam -
menarbeit und den gemeinsamen Kampf ge -
gen den Klimawandel. Ich freue mich, daß
wir dies auch in einer gemeinsamen Erklärung
festhalten konnten.“
Ein Eckpfeiler der Vereinbarung zwischen
OMV, einem der größten Industrieunternehmen
Österreichs, und ADNOC, der Abu
Dhabi National Oil Company, ist die Lieferung
von einer Terawattstunde LNG aus den
Emiraten an die OMV. Das entspricht in
etwa dem Jahresverbrauch von rund 65.000
Haushalten mit Gasheizung. „Das ist eine
gute Menge, mit der wir jetzt beginnen können,
die Versorgungssicherheit für nächstes
Jahr vorzubereiten“, zeigte sich Nehammer
erfreut. Zum Vergleich: Deutschland be -
kommt mit Jahresanfang 2023 eine vergleichbare
Menge LNG, dies wurde beim
Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in
den VAE am 25. September vereinbart.
Darüber hinaus wurde eine gemeinsame
Vereinbarung zwischen der österreichischen
Bundesregierung und den VAE über die Zu -
sammenarbeit in Energiefragen zur Sicherstellung
der Energieversorgungssicherheit
und beim Klimaschutz getroffen. Darin ist
festgehalten, daß beide Partner weitere
Schritte im Sinne des „Comprehensive Strategic
Partnership Agreements"“ vom Juli
2021 setzen. Dabei geht es um die Weiterentwicklungen
für die Bereiche Energiesicherheit,
Klimaschutz und Industriekooperation
und die Schaffung der Strategic Energy
Security and Industrial Cooperation (SESIC).
Die Vereinigten Arabischen Emirate und
Österreich entsenden Vertreter mit den Zielen
der Förderung von Projekten im Energiebereich
und der Vernetzung von österreichischen
Unternehmen mit VAE-Unternehmen
sowie der verstärkten Nutzung der Plattformen
ABA (Austrian Business Agency) und
der „Make it in the Emirates“-Kampagne.
Zudem geht es um das Vorantreiben ge -
genseitiger Investitionen unter Berücksichtigung
möglicher Synergien mit der Österreichische
Beteiligungs AG, ÖBAG. n
Fotos: BKA / Dragan Tatic
Bundeskanzler Karl Nehammer mit VAE-Präsident Sheikh Mohamed Bin Zayed Alnahyan …
… mit Sultan Ahmed Al Jaber, CEO der Abu Dhabi Oil Company, und …
… mit Finanzminister Magnus Brunner und Umweltministerin Leonore Gewessler
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Österreich, Europa und die Welt
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Arbeitsbesuch in Sarajewo
und Banja Luka
Eine europäische Perspektive für unsere
Partner am Westbalkan kann nur die
Vollmitgliedschaft in der EU bedeuten. Die
EU ist ohne unsere Partner am Westbalkan
nicht komplett.“ Das betonte Europaministerin
Karoline Edtstadler bei ihren Arbeitsgesprächen
am 3. und 4. November in Sarajewo
und Banja Luka. Es bestehe die „historische
Chance“, daß Bosnien und Herzegowina
– einer Empfehlung der Europäischen
Kommission im Oktober folgend – noch
2022 der Kandidatenstatus erteilt werden
kön ne. Die Europaministerin strich hervor,
daß Österreich „alles tun wird, um zu unterstützen“.
Gleichzeitig hielt Edtstadler fest,
daß weitere „sichtbare Zeichen für Reformen“
in Bosnien und Herzegowina gesetzt
werden müßten. Denn der Beitrittsprozeß
fuße auf konkreten Bemühungen seitens je -
nes Landes, welches den EU-Beitritt anstrebe.
Edtstadler traf im Rahmen ihres Arbeitsbesuchs
in Sarajewo das dreiköpfige bosnische
Staatspräsidium. Anschließend reiste sie
in den serbischen Landesteil, die Republika
Sprska, weiter, wo sie von Präsidentin Željka
Cvijanović empfangen wurde. Zuvor hatte
die Europaministerin den internationalen
Bosnien-Beauftragten Christian Schmidt so -
wie den stellvertretenden Außenminister Jo -
sip Brkić getroffen. Gespräche führte Edtstadler
zudem mit der Bürgermeisterin von
Sarajewo, Benjamina Karić, und Draško
Stanivuković, dem Bürgermeister von Banja
Luka.
Die Verflechtungen zwischen Österreich
und Bosnien und Herzegowina waren schon
immer eng – aus historischen Gründen, aber
auch auf politischer, kultureller und wirtschaftlicher
Ebene, etwa durch die Rolle
Österreichs als größter Investor im Land.
Österreich zählt seit jeher auch zu den stärksten
Befürwortern einer europäischen Perspektive
für das 3,3 Millionen EinwohnerInnen
zählende Land.
„Österreich wird sich beim Europäischen
Rat im Dezember für den Kandidatenstatus
für Bosnien und Herzegowina aussprechen.
Wir müssen jetzt unsere Versprechen einhalten
und Nägel mit Köpfen machen“, forderte
Edtstadler. Es sei eine Frage der Sicherheit
und Glaubwürdigkeit für die EU, gehe aber
auch um europäische Zukunftsperspektiven
für eine Region, die geopolitisch in den vergangenen
Monaten an Bedeutung gewonnen
habe, so Europaministerin Karoline Edtstadler
abschließend.
n
Fotos: BKA / Andy Wenzel
Europaministerin Karoline Edtstadler mit der Präsidentin der Republika Srpska, Željka Cvijanović
… mit dem stellvertretenden Außenminister von Bosnien und Herzegowina, Josip Brkić,
… und mit dem hohen Vertreter für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt
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Österreich, Europa und die Welt
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Western Balkans Youth Summit
Der Auftrag ist ganz klar: Wir müssen
den Westbalkan einbeziehen, wenn wir
über die Zukunft Europas sprechen“, hielt
Europaministerin Karoline Edtstadler am 11.
November an läß lich der Westbalkanjugendkonferenz
in Wien fest. Sie und Jugendstaatssekretärin
Claudia Plakolm haben die
Abschlussveranstaltung des Europäischen
Jahres der Jugend in Wien genützt, um diese
Konferenz mit TeilnehmerInnen aus allen
sechs Staaten des Westbalkans zu organisieren.
Die Veranstaltung endete mit der Unterzeichnung
einer gemeinsamen „Vienna We -
stern Balkans Youth Summit Declaration“.
„Die Europäische Union ist ohne die sechs
Staaten des Westbalkans nicht komplett. Wir
müssen sie unterstützen, ihnen eine glaubwürdige
Perspektive geben und den Vertrauensverlust,
den wir als Europäische Union
erlitten haben, wieder gut machen“, so Edtstadler.
Dies dürfe, angesichts der Bedrohungen
von außen, auch nicht in kleinen Schritten
passieren. „Es ist Zeit, zusammenzustehen“,
betonte Edtstadler.
Wichtig sei es, hier auch die Jugend einzubeziehen,
auf sie zuzugehen, denn insbesondere
die Jugend in den Westbalkanländern
würde an eine Zukunft in der Europäischen
Union glauben. „Das ist unsere Chance, hier
große Schritte nach vorne zu machen“, schloß
die Europaministerin.
„Es ist richtig, das Europäische Jahr der
Ju gend mit der Zukunft, nämlich mit dem
Westbalkan, ausklingen zu lassen. Deswe -
gen freut es mich, daß wir erstmalig einen
Westbalkan-Jugendgipfel ins Leben gerufen
haben“, hielt Jugendstaatssekretärin Claudia
Plakolm im Bundeskanzleramt fest. „Es ist
extrem wichtig, daß wir jungen Menschen am
Westbalkan eine starke Perspektive geben,
weil ein Drittel der jungen Menschen beruflich
bedingt sagt, daß sie einen starken
Wunsch haben, auszuwandern. Wegen der
Politikverdrossenheit müssen wir als Europäische
Union sorgfältiger mit unseren Versprechungen
werden“, so Plakolm. „Wer die
Bedingungen erfüllt, muß umgehend Beitrittskandidat
werden und darf nicht im Vorzimmer
auf das nächste gute Wetter warten
müssen.“
„Wir und der Westbalkan: Das ist eine
Mannschaft – nur manchen fehlt halt noch
die Spielerlizenz. Daran müssen wir miteinander
arbeiten“, erläuterte die Jugendstaatssekretärin.
Der Angriffskrieg in der Ukraine
habe zu einem gewissen Umdenken geführt,
weil Österreich davor ein bißchen für sein
Engagement in diesem Bereich belächelt
Fotos: BKA / Andy Wenzel
Fotos: BKA / Dragan Tatic
Europaministerin Karoline Edtstadler (r.) und Staatssekretärin Claudia Plakolm
wor den sei. Jetzt sei aber klar, daß alle miteinander
auf diesem Kontinent an einem
Strang ziehen müßten. „Bei den Jugendli -
chen zeigen sich bereits kleine Schritte, etwa
in den Mobilitätsprojekten der Europäischen
Union, wodurch man den Kontinent besser
kennenlernen kann, was nur durch das ge–
meinsame Erleben möglich wird. Auch bei
unserer Jugend in Österreich müssen wir das
Bewußtsein schaffen, welche neuen Chancen
sich durch eine EU-Erweiterung im West -
balkan auftun“, betonte Claudia Plakolm ab -
schließend.
n
Bundeskanzler Karl Nehammer
reiste nach Serbien
Zu Beginn seiner Reise in die Westbalkanregion
traf Bundeskanzler Karl Ne -
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hammer am 17. November mit der Ministerpräsidentin
von Serbien, Ana Brnabić, zu -
sammen. „Wir können die Westbalkanstaaten
nicht jemand anders überlassen. Eine
Beschleunigung des EU-Beitrittsprozesses
dieser Region wäre wegen einer zu befürchtenden
Destabilisierung des Westbalkan
durch Rußland wichtig“, betonte der österreichische
Regierungschef im Rahmen seiner
Unterredung in Belgrad. Dabei sei es
auch von Bedeutung, daß die EU bei den
Bei trittsverhandlungen ihre Hausaufgaben
erledige. „Aus unserer Sicht ist es wichtig,
daß wir an der Seite Serbiens als Brückenbauer
in die Europäische Union hinein stehen.
Denn dieses Land ist ein wichtiger geostrategischer
und geopolitischer Partner. Ich
bin auch zuversichtlich, daß nun die Vorbe-
Bundeskanzler Karl Nehammer wurde in Belgrad von Serbiens Premierministerin Ana Brnabic
mit militärischen Ehren empfangen
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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Bundeskanzler Karl Nehammer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Serbiens Premierministerin Ana Brnabic
halte innerhalb der EU gegen eine Erweiterung
kleiner geworden sind“, so Nehammer.
Es gebe eine andere Stimmung in der Europäischen
Union. Perspektiven für einen Beitritt
seien wichtig, damit die Staaten nicht in
anderen Einflußsphären landen.
Der Bundeskanzler äußerte sich auch zur
Tatsache, daß sich Serbien nicht an den Sank -
tionen gegen Rußland beteiligt: „Das Land
ist selbst von Sanktionen gekennzeichnet und
die Wirtschaft wächst erst langsam.“ Daher
seien Maßnahmen, die Serbien zusätzlich be -
schränken würden, einfach nicht durchführbar.
„Als wichtiger Handelspartner Österreichs
werden die Sanktionen zudem automa -
tisch mitgetragen“, erläuterte Nehammer ab -
schließend, der vor seiner Weiterreise mit dem
serbisch-orthodoxen Patriarchen Porfirije
zu sammentraf.
n
Foto: Dragan Tatic
Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) mit Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. …
Foto: Dragan Tatic
Foto: Dragan Tatic
Foto: Dragan Tatic
Treffen mit Patriarch Porfirije Periæ
…und mit dem serbischen Innenminister Aleksandar Vulin.
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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Foto: BKA / Andy Wenzel
Bundeskanzler Karl Nehammer wurde von Kroatiens Premierminister Andrej Plenković in Zagreb mit militärischen Ehren empfangen
Partnerschaft mit Kroatien bei Energieversorgung
ausbauen
Es ist beeindruckend, was durch Technologie
und Innovationskraft möglich ist“,
betonte Bundeskanzler Karl Nehammer am
24. November im Rahmen eines mit Kroatiens
Premierminister Andrej Plenković und
Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder
abgehaltenen Pressegesprächs auf der Insel
Krk, und sprach damit den dort präsentierten
LNG-Flüssiggas-Terminal an. Österreich ha -
be es 2022 geschafft, die Abhängigkeit von
russischem Gas von 80 auf 21 Prozent zu re -
duzieren. Der Füllstand in den Gasspeichern
betrage derzeit 95 Prozent. „Besonders dabei
ist die Diversifizierung, die Unabhängigkeit
von russischem Gas. Das ist nur mög lich,
wenn man kooperiert und neue Möglichkeiten
sucht, die dann auch weiterentwickelt
werden“, so Nehammer.
Beim Energieministerrat gab es einen be -
sonders wichtigen Beschluß, wodurch Ge -
neh migungsverfahren für erneuerbare Energien
deutlich beschleunigt werden. „Das ist
wichtig für den Infrastrukturausbau und
wenn es darum geht, unabhängiger von fossiler
Energie und widerstandsfähiger gegenüber
Abhängigkeiten zu werden“, hielt der
österreichische Bundeskanzler fest. „Um
auch den Technologiewandel zu vollziehen –
die heutige Pipeline, das heutige Terminal,
ist morgen das Terminal für Wasserstoff, für
die neue Speicherenergie der Zukunft –
braucht es den Ausbau gemeinsamer Projekte.
Deshalb freut es mich sehr, daß Kroatien,
Bayern und Österreich die Steuerungsgruppe
Foto: BKA / Andy Wenzel
Der Bundeskanzler bei einem Treffen mit Kroatiens Staatspräsident Zoran Milanević…
Energie ins Leben gerufen haben. Von unserer
Seite werden die Klimaschutzministerin
sowie der Wirtschafts- und Arbeitsminister
ver treten sein, um möglichst rasch zu konkreten,
notwendigen Umsetzungsschritten zu
kommen. Damit investieren wir in die Zu -
kunft, um freier und abhängiger von fossiler
Energie zu werden“, sagte Nehammer.
Enormer Druck für Österreich
durch illegale Migration
Bereits am ersten Tag des Aufenthalts in
Kroatien traf Bundeskanzler Karl Nehammer
unter anderem mit dem kroatischen Premierminister
Andrej Plenković zusammen.
„Österreich und Kroatien verbindet eine
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langjährige und tiefgehende Freundschaft.
Wir feiern heute 30 Jahre bilaterale Beziehungen.
Wir sind wirtschaftlich stark miteinander
verbunden, es gibt auch eine enge ge -
schichtlich-kulturelle und eine enge sicherheitspolitische
Verbindung“, betonte der
Bundeskanzler bei einer Pressekonferenz in
Zagreb. Österreich verzeichne einen enormen
Druck aufgrund der irregulären Migration,
und das, obwohl man ein EU-Binnenland
sei: „Seit 2015 hat man viele Menschen
aufgenommen. Aktuell bietet man Zehntausenden
aus der Ukraine Schutz. Wir haben
95.000 Asylanträge zusätzlich zu den Ukrainerinnen
und Ukrainern, die versorgt werden
müssen. Das größte Problem ist, daß viele
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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keine Asylberechtigung haben und der Großteil
ist nicht registriert“, so der österreichische
Regierungschef. Insgesamt habe es über
100.000 irreguläre Aufgriffe gegeben, wo -
von rund 75.000 nicht registriert gewesen
seien. Das Problem könne man nur gemeinsam
lösen.
Zurückweisungsrichtlinie für Menschen
aus sicheren Herkunftsländern
„Wir diskutieren über die Schengen-Er -
weiterung, während wir gleichzeitig sehen,
daß die Außengrenzen mangelhaft oder nicht
geschützt sind – und dafür braucht es Maßnahmen.
Wir respektieren das, was Kroatien
für unseren Grenzschutz getan hat. Wenn wir
über Schengen sprechen und kritisieren, daß
der Plan von der Kommission vollendet werden
soll, ist von unserer Kritik Kroatien
nicht umfaßt“, hielt der Bundeskanzler fest.
„Von den 75.000 nicht registrierten Menschen
kommen zwar 40 Prozent über die
Westbalkanroute zu uns, aber 40 Prozent
über die Türkei, Rumänien und Ungarn.
Daher hat der Innenminister der Kom -
mission ein klares Zeichen gegeben. Das
Europäische Asylsystem ist gescheitert. Wir
brauchen eine Zurückweisungsrichtlinie,
damit Asylwerber aus sicheren Herkunftsstaaten
schneller zurückgewiesen werden
kön nen“, so Nehammer. Österreich entsende
Hunderte Polizeikräfte und erhalte dabei
überhaupt keine Unterstützung seitens der
Kommission. Jedoch leiste man sich Frontex
mit rund 750 Millionen Euro an Kosten.
„Wir sind den Menschen in der EU schuldig,
daß wir das Problem lösen.“
Abhängigkeit von fossiler
Energie zurückdrängen
Eigentlicher Grund des Aufenthalts in
Kroatien sei jedoch die Sicherheit der Energieversorgung
gewesen. Österreich habe viel
gegen die Abhängigkeit von russischem Gas
unternommen. „Das ist gelungen, weil es
eine gute Zusammenarbeit mit den Institutionen
der EU gegeben hat und weil alle in
Österreich Verantwortlichen zusammengewirkt
haben. Jetzt kann die Partnerschaft mit
Kroatien weiter ausgebaut werden. Es geht
um Zukunftsthemen. Diese Themen bewe -
gen uns als politische Verantwortliche für
un sere beiden Länder“, schloß Nehammer
und bedankte sich bei seinem kroatischen
Amtskollegen für die Gastfreundschaft.
Auf dem Programm standen noch weitere
bilaterale Gespräche mit Staatspräsident Zo -
ran Milanović und Parlamentspräsident Gordan
Jandroković.
n
Foto: BKA / Andy Wenzel
Foto: BKA / Christopher Dunker
… und bei einem Treffen mit Kroatiens Parlamentspräsidenten Gordan Jandrokovic
Edtstadler ins Führungsgremium
des IGF berufen
Das Internet ist ein unverzichtbarer Teil
unseres Lebens geworden. Insbesondere
während der Pandemie waren wir froh,
daß wir auf diesem Weg kommunizieren
konn ten“, so Verfassungsministerin Karoline
Edtstadler. „Das hat der Digitalisierung einen
wahren Boost verliehen. Wir haben aber
auch die Schattenseiten gesehen: Wir reden
vom Haß im Internet, wir reden davon, daß
Menschen sich im Internet eine zweite Identität
kreieren. Das Leben im Internet darf
aber kein rechtsfreier Raum sein. Unsere
Rechte offline müssen auch online gelten. Es
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liegt in der Verantwortung der Staaten und
ihrer Parlamente, hier die entsprechenden
Re gelungen auf dem Weg zu bringen. Ich
denke, daß das weltumspannend wichtig
ist“, hielt Edtstadler im Rahmen des Internet
Governance Forums der Vereinten Nationen
(UNO) fest, das vom 28. November bis 2.
Dezember in Addis Abeba stattfand. Dabei
standen Themen wie der bessere Zugang
zum Internet, Cybersecurity, Menschenrechte
im Onlinebereich sowie Haß im Netz im
Zentrum.
Um die Inhalte und Bedeutung des Internet
Governance Forums zu erhöhen, wurde
ein zehnköpfiges Leadership Panel unter Vor -
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler bei der Sitzung der hochrangigen UN-Führungskräfte
zum Thema „Digitale Rechte“ in Addis Abeba
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Österreich, Europa und die Welt
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sitz des US-Informatikers Vinton Gray Cerf
eingerichtet. Edtstadler wurde von UNO-
Ge neralsekretär Antonio Guterres in dieses
Führungsgremium berufen.
„Ich würde mir wünschen, daß wir in we -
nigen Jahren gleiche Rechte für alle im Inter -
net haben und daß es nicht die großen Konzerne
und die Social-Media-Plattformen
sind, die uns diktieren, wie die User vorzugehen
haben. Die Menschenrechte, die offline
gelten, müssen auch online gelten. Wir
müssen also schnell zu einem gemeinsamen
Verständnis kommen, wie wir diese im digitalen
Raum verankern können. Mein Anliegen
als ehemalige Richterin ist, im Bereich
Haß im Netz etwas beizutragen“, so die Verfassungsministerin.
n
Bundeskanzler Nehammer bei
Westbalkan-Gipfel in Tirana
Als „ersten wichtigen Schritt“ bezeichnete
Bundeskanzler Karl Nehammer am
6. Dezember den EU-Aktionsplan für die
Balkanroute nach dem EU-Westbalkangipfel
in Tirana. Es gehe ihm aber nicht nur um die
Westbalkanroute, sondern auch um die Mi -
grationsroute über Bulgarien und Rumänien
nach Österreich. Erneut bekräftigte er Österreichs
Nein zur Schengen-Erweiterung um
Bulgarien und Rumänien. In Bezug auf das
Thema Migration habe Österreich mit der
EU-Kommission „noch viele Themen zu be -
sprechen“. Nehammer nannte etwa Asylverfahren
in sicheren Drittstaaten oder eine „Zu-
rückweisungsrichtlinie“ für Menschen aus
Ländern, die keine Bleibeberechtigung ha -
ben. Als Erfolg sei jedoch zu werten, daß die
EU anerkenne, daß „der Westbalkan ein
wichtiger geostrategischer Partner ist, wenn
es um illegale Migration geht“.
Der Westbalkangipfel fand erstmals in der
Region statt. Die Hauptthemen waren die
ge meinsame Bewältigung der Folgen des
Ukraine-Kriegs, der EU-Erweiterungsprozeß,
die Stärkung der gemeinsamen Sicherheit und
der Kampf gegen illegale Migration. Außerdem
ging es um die Verhinderung von Einflußnahme
aus dem Ausland. Neben den 27
EU-Mitgliedsstaaten – außer Spanien – nahmen
die sechs Partnerländer des westlichen
Balkans, Albanien, Bosnien-Herzegowina,
Serbien, Montenegro, Nordmazedonien und
Kosovo, an dem Gipfel teil.
EU-Aktionsplan – Neue Europol-Taskforce
Der Aktionsplan zur Balkanroute war be -
reits im Vorfeld des Gipfels von der EU-Kom -
mission präsentiert worden. Dieser umfaßt
20 Maßnahmen. Die EU-Kommission will
Foto: BKA / Andy Wenzel Foto: BKA / Andy Wenzel
Der Bundeskanzler mit Željka Cvijanović, Präsidentin von Bosnien und Herzegowina, und…
… mit dem albanischen Premierminister Edi Rama
die Westbalkanländer bei den Asyl- und Re -
gistrierungsverfahren sowie bei der „Ge -
währ leistung angemessener Aufnahmebedingungen“
unterstützen. Für das kommende
Jahr kündigte sie ein Programm für Rück -
führungen an. Die EU-Grenzschutzbehörde
Frontex soll bei der Verstärkung des EU-Aussengrenzschutzes
helfen. An der Grenze
zwi schen Ungarn und Serbien wird eine neu
eingesetzte Europol-Taskforce ihre Tätigkeit
aufnehmen.
Laut EU-Grenzschutzagentur Fron tex ist
die Westbalkanroute über die Westbalkanländer
und Ungarn eine der ak tivsten Migrationsrouten.
128.438 Menschen seien hier in
den ersten zehn Monaten 2022 eingereist.
Das sei im Vergleich zum Vorjahr ein Plus
von 168 Prozent.
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Keine Zustimmung zu Schengen-Erweiterung
Zum Thema Schengen machte Nehammer
angesichts der hohen Zahl an illegal eingereisten
Migranten die österreichische Po -
sition erneut klar: „Es gibt derzeit keine Zu -
stimmung zu einer Erweiterung um Bulgarien
und Rumänien.“ Aus österreichischer
Sicht sei eine Erweiterung nicht denkbar,
wenn nicht Maßnahmen gesetzt würden, um
die Zahlen zu reduzieren. „Wir haben 75.000
nicht registrierte Migranten“, stellte Nehammer
fest. Diese würden vor allem über Bulgarien
in die EU gelangen, einige tausend
aber auch über Rumänien. Durch Befragungen
von Asylwerbern und Schleppern sowie
der entsprechenden Handydatenauswertung
wis se man, daß 40 Prozent die Route über
die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Un -
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
37
garn nach Österreich wählen. In Ungarn wur -
den nur rund 100 Asylanträge gestellt.
Strategische Partnerschaft EU-Westbalkan
Nehammer verwies auch auf die enge
wirtschaftliche Kooperation zwischen dem
Westbalkan und der EU etwa bei der Energieversorgung.
Die EU stelle den Westbalkan-Staaten
hierfür eine Milliarde Euro zur
Verfügung. Der Gipfel sei, so Nehammer,
„ein total starkes Lebenszeichen für die Be -
ziehungen der Europäischen Union zum
Westbalkan“. Problemfelder und Bereiche,
in denen es noch Nachholbedarf gebe seien
„sehr offen angesprochen worden“, so der
Kanzler.
Der EU-Gipfel gab überdies ein Bekenntnis
zur Bedeutung der strategischen Partnerschaft
zwischen der EU und den sechs Westbalkanländern
vor dem Hintergrund des russischen
Angriffskriegs gegen die Ukraine ab.
Der Beschluß, die gemeinsame Beschaffung
von Gas, Flüssiggas und Wasserstoff für den
Westbalkan zu öffnen, wurde bekräftigt. Die
Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit
und Verteidigung soll vertieft werden.
Für eine Beschleunigung des Beitrittsprozesses
sollten notwendige Reformen vorangetrieben
werden, insbesondere in Bezug auf
den Kampf gegen Korruption und organisierte
Kriminalität. Im Bereich Migration wird
eine Anpassung der Visapolitik der Westbalkan-Staaten
an die EU-Standards angestrebt,
sowie eine verstärkte Zusammenarbeit bei
Rückführungen.
Serbien beendet Visafreiheit
mit Indien zum Jahresende
Im Bereich Migration hat Serbien angekündigt,
die Visa-Liberalisierung mit Indien
mit Jahreswechsel zu beenden; mit Tunesien
wurde die Visaliberalisierung bereits abgeschafft.
Dies könnte auch Auswirkungen auf
Österreich haben, wo es bei der Zahl der
Asylanträge aus Indien und Tunesien im
Herbst eine dramatische Steigerung auf
mehr als das Zwanzigfache gegeben hatte.
Foto: BKA / Florian Schrötter
„Starkes Signal der Annäherung“
Bereits im Vorfeld des Gipfels hatte sich
Bundeskanzler Nehammer zum Gipfel geäussert:
„Es ist ein starkes Signal der Annäherung,
daß der EU-Westbalkangipfel dieses
Mal in der Region stattfindet. Ich hoffe, daß
wir im Dezember gemeinsam ein ebenso
starkes Signal mit der Verleihung des Kandidatenstatus
an Bosnien und Herzegowina
setzen können“, sagte Nehammer. Die Annäherung
und enge Verbindung zu den Westbalkanländern
sei zudem für Österreich eine
historische Selbstverständlichkeit. Für die
Eu ropäische Union sei sie auch eine Sicherheitsfrage.
„Gerade im Kampf gegen illegale
Migration und organisierte Kriminalität
müs sen wir unsere Zusammenarbeit mit den
West balkan-Ländern noch weiter stärken“,
so der Bundeskanzler.
n
Edtstadler zu Gesprächen über den EU-
Ratsvorsitz in Schweden
Europaministerin Karoline Edtstadler
befand am 6. und 7. Dezember auf Ar -
beitsbesuch in der schwedischen Hauptstadt
Stockholm und ist dort mit ihrer Amtskollegin
Jessika Roswall zusammengetroffen.
„Schweden übernimmt am 1. Jänner 2023 den
Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Es
gibt daher viele Dinge zu besprechen, et wa
das Arbeitsprogramm des schwedischen Rats -
vorsitzes. Darunter sind natürlich auch die
brennenden Themen wie der Kampf gegen
il legale Migration und gegen den Klimawandel
sowie Maßnahmen für mehr Wettbewerbs -
fähigkeit in Europa.“
Bei dem Gespräch hat Karoline Edtstadler
Österreichs Nein zu Schengen-Er we -
iterung be kräftigt: „Wir können nicht für die
Erweiterung des Schengen-Raums stimmen,
weil es dabei auch um die Frage der Si cher -
heit der europäischen Bürgerinnen und Bürger
geht.“
„Mit Schweden übernimmt ein Staat den
Vorsitz im Rat der Europäischen Union, der
vie le Erfahrungen hat, was hohe Zahlen an
Mi gration betrifft. Deshalb bin ich sehr zu -
Bundesministerin Karoline Edtstadler mit der schwedischen EU-Ministerin, Jessika Roswall,
Foto: BKA / Florian Schrötter
… bei einem Treffen mit Nobelpreisträger Prof. Anton Zeilinger …
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
38
versichtlich, daß Schweden unter der Präsidentschaft
alles tun wird, um tatsächlich Lö -
sungen voranzutreiben“, betonte Edtstadler.
Zwar müsse die Ratspräsidentschaft ein ehrlicher
Vermittler sein, doch „wenn man diese
Dinge im eigenen Land erlebt hat“, bemühe
man sich besonders um Lösungen für die ei -
gene Bevölkerung. Die Europaministerin be -
tonte, daß der Schengen-Raum „nicht funktioniert“.
75 Prozent der nach Österreich kom -
menden Asylwerber seien nämlich zuvor
nicht registriert worden, obwohl dies europa -
rechtswidrig sei. Sie sei aber froh, daß es nun
„etwas Bewegung in der Debatte“ gebe und
etwa die EU-Kommission einen Aktionsplan
zur Balkanroute vorgelegt habe, den Österreich
begrüße. „Wir sind dafür, daß man das
Thema im Gespräch hält“, sagte die Ministerin.
Auf EU-Ebene habe es „selten eine so ho -
he Aufmerksamkeit“ für das Thema Migration
gegeben wie jetzt.
Edtstadler hat bei ihrem Aufenthalt in
Stockholm zudem den Sitz der schwedischen
Migrationsbehörde und ein Abschiebezentrum
im Norden der Ostseemetropole besuchen.
Nobelpreis an Zeilinger: Starker Beweis
für Wissenschaftsstandort Österreich
Bereits am 5. Dezember traf Edtstadler
am Stockholmer Flughafen mit dem diesjährigen
Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger
zusammen. „Der Nobelpreis für Physik
ist ein starker Beweis für den Wissenschaftsstandort
Europa und eine verdiente Anerkennung
für das beeindruckende Lebenswerk
von Anton Zeilinger. Ich gratuliere von ganzem
Herzen zu dieser Auszeichnung. Österreich
ist stolz, solche Wissenschaftler zu ha -
ben“, betonte die Ministerin. (Anm.d.Red.:
siehe unseren Beitrag ab der Seite 125)
Im Anschluß besuchte Edtstadler die Kon -
zernzentrale des Telekomkonzerns Ericsson.
Dort führte sie in ihrer Rolle als Mitglied des
von UN-Generalsekretär António Guterres ins
Leben gerufenen „Internet Governance Fo -
rum“ Gespräche zur globalen Regelung des
Internets. „Ericsson ist weltweit führend in
der Kommunikationstechnologie. Das Unter -
nehmen setzt einen Schwerpunkt auf den
Ausbau von 5G. Alles, vom fahrerlosen Auto
bis zum Wetterballon, wird auf 5G angewiesen
sein, um zu funktionieren“, so die Europaministerin.
Am späten besuchte Edtstadler zudem
eine Lichtinstallation der österreichischen
Künstlerin Eva Beierhammer anläßlich der
„Nobel Week Lights“ in der Stockholmer In -
nenstadt.
n
Foto: BKA / Florian Schrötter
… und beim Besuch der Ericsson Konzernzentrale in Stockholm
Boost für weitere Beitrittsprozesse
am Westbalkan
Wir haben wieder wichtige Punkte auf
der Tagesordnung: In erster Linie ist
hier die Vorbereitung des Europäischen Ra -
tes zu nennen, wo Themen wie Ukraine –
Rußland, aber auch Energie, Wirtschaft, Si -
cherheit und Verteidigung und natürlich die
Außenbeziehungen der Union in dieser De -
batte eine Rolle spielen werden. Aus österreichischer
Sicht ist dabei auch das Thema
Migration ganz wesentlich“, sagte Europaministerin
Karoline Edtstadler in den Doorsteps
vor dem Rat Allgemeine Angelegenheiten
in Brüssel. Da es sich um den letzten
Rat der EuropaministerInnen unter tschechischem
Vorsitz handelt, bedankte sie sich für
eine nicht einfache Vorsitzführung in herausfordernden
Zeiten, die aber sehr umsichtig
erfolgt sei.
Kandidatenstatus für Bosnien-Herzegowina
Ein weiterer Tagesordnungspunkt betraf
die Empfehlung der Europäischen Kommission,
Bosnien-Herzegowina den EU-Kandidatenstatus
zu verleihen. Die Europaministerin
zeigte sich darüber hocherfreut: „Das ist
ein wichtiges Zeichen für die Region und
gerade in Zeiten, wo es viele Herausforderungen
gibt, erhoffe ich mir davon auch, daß
ein wahrer Boost entsteht, was die weiteren
Schritte im Beitrittsprozeß der anderen Länder
am Westbalkan betrifft“, so Edtstadler.
Rechtstaatlichkeit und Ungarn
Zum jüngsten Beschluß der EU-Staaten
betreffend Ungarn betonte die Europaministerin
einmal mehr, daß es bei der Rechtstaatlichkeit
Klarheit brauche und es keine
Abstriche geben dürfe. „Daher halte ich es
für notwendig, hier auch weiterhin über 50
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Prozent der Gelder eingefroren zu halten, um
die begonnenen Reformschritte, die man
anerkennen muß, fortzusetzen.“ Es sei das er -
ste Mal, daß der Konditionalitätsmechanis -
mus Anwendung finde. „Es braucht auf der
einen Seite Klarheit und auf der anderen
Seite Fairness.“
Zudem sei es wichtig, Überzeugungsarbeit
dafür zu leisten, daß die Hilfe für die
Ukraine, die Ungarn blockiert habe, jetzt
notwendig sei. Umgekehrt sei es jedoch auch
für Ungarn wichtig, Gelder freizubekommen,
da jeder Cent, der für Unterstützungsleistungen
gewährt werden könne, zähle.
„Das muß in die richtige Richtung gehen
und dafür wird Österreich immer eintreten“,
hielt Edtstadler fest.
Korruptionsvorwürfen begegnen
Tief erschüttert zeigte sich die Europaministerin
über die mutmaßlichen Korruptionsvorwürfe
im Europäischen Parlament. „Was
es jetzt braucht, ist Aufklärung und Transparenz.
Ich bin der Präsidentin Roberta Metsola
zutiefst dankbar, daß sie diese harten
Schritte zur Aufklärung setzt. Die, die verantwortlich
sind, müssen zur Verantwortung
gezogen werden“, so Edtstadler. Es sei unerträglich,
daß eine Institution gerade in einer
Zeit „in den Dreck gezogen“ werde, in der
De mokratie etwas ganz Wichtiges sei und
wo sehr viel Vertrauensverlust vorherrsche.
Es sei wichtig, daß entsprechende Schritte
gesetzt werden, um das Vertrauen wiederaufzubauen
und alles auszuräumen, was am
Tische liege.
„Ich unterstütze die Europäische Parlamentspräsidentin,
die für Aufklärung und
Transparenz steht, zu 100 Prozent“, so die
Europaministerin.
n
https://www.bundeskanzleramt.gv.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Aus dem Außenministerium *)
39
Isländische Außenministerin Thórdís
Kolbrún Reykfjörd Gylfadóttir in Wien
Anläßlich der Wiedereröffnung der bilateralen
isländischen Botschaft in Wien
empfing Außenminister Alexander Schallenberg
am 16. September seine isländische
Amts kollegin Thórdís Kolbrún Reykfjörd
Gylfadóttir. Neben bilateralen Themen wa -
ren auch die Sicherheitslage in Europa und
die anstehende isländische Präsidentschaft
im Europarat Thema. Schallenberg begrüßte
ihr gegenüber die Entscheidung, die 2017 ge -
schlossene bilaterale Botschaft wiederzueröffnen.
„Die Wiedereröffnung der Botschaft
ist ein wichtiges Zeichen, vor allem aber gibt
es dadurch einen zusätzlichen Kanal über
den Österreich und Island in Zukunft noch
enger zusammenarbeiten können. Die ohnehin
sehr guten bilateralen Beziehungen werden
so nochmals deutlich aufgewertet“,
zeigte er sich erfreut.
Weitere Möglichkeiten für eine engere
Zusammenarbeit gibt es durch die laufenden
Investitionen in die Infrastruktur und den
Energiesektor Islands. Auf diesen Gebieten
können österreichische Firmen viel Know-
How vorweisen von dem auch Island profitieren
kann.
Abschließend wünschte der Außenminister
seiner Amtskollegin alles Gute und viel
Erfolg für den Vorsitz im Europarat, den Is -
land im November übernommen hat. Auch
in diesem Gremium müssen die Mitgliedsstaaten
Einigkeit gegen die russische Ag -
gression gegen die politische Ordnung, die
sich nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert
hat, demonstrieren. Darüber hinaus äußerte
Schallenberg seine Hoffnung, daß es während
des isländischen Vorsitzes Fortschritte be -
züglich Kosovos Aufnahme in den Europarat
gibt.
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Außenminister Alexander Schallenberg traf seine isländische Amtskollegin Thordis Kolbrun
Reykfjörd Gylfadottir zu Gesprächen in Wien
ganz im Zeichen des russischen Angriffskrieges
gegen die Ukraine stand. Österreich
war dabei auch durch Außenminister Alexander
Schallenberg vertreten. Um weiterhin
ein gemeinsames Vorgehen abzusprechen,
trafen die EU-AußenministerInnen im Vorfeld
in New York zusammen, um die geopolitischen
Auswirkungen der russischen Invasion
der Ukraine zu erörtern. Dabei hat sich
Österreich einmal mehr für ein entschlossenes
und einheitliches Vorgehen mit Augenmaß
eingesetzt. Zudem stand ein Austausch
mit jüdischen Organisationen auf dem dicht
gefüllten Programm.
Höhepunkt der Arbeitsreise in New York
war die Rede des Außenministers vor der
VN-Generalversammlung. Darin forderte er
dazu auf, Konflikte auf diplomatischem We -
ge zu lösen und für die Grundlagen der regel -
basierten Internationalen Ordnung einzustehen.
Während Schallenberg bei seiner Rede
vor einem Jahr noch vorsichtig optimistisch
war, daß es nach der COVID-Pandemie wie-
Schallenberg bei der Generalversammlung
der Vereinten Nationen
Von 20. bis 26. September fand die 77.
Generalversammlung der Vereinten Na -
tionen in New York statt, die in diesem Jahr
*) Anmerkung der Redaktion: Wir berichten seit Jahren
umfassend über Österreichs außenpolitische
Ereignisse. Es würde jedoch viele zusätzliche Seiten
erfordern, würden wir bei jedem Bericht aus dem
Außenministerium alle Aussagen zum Ukraine-
Krieg der vergangenen Monate aufnehmen. Deshalb
haben wir uns entschlossen, großteils nur in
den letztaktuellen Beiträgen darauf einzugehen –
und bitten um Verständnis dafür.
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Außenminister Alexander Schallenberg bei seiner Rede vor der UN-Generalversammlung
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
40
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Foto: BMEIA / Michael Gruber
der bergauf geht, stand seine diesjährige Rede
ganz im Zeichen des brutalen russischen
Angriffskriegs auf die Ukraine.
„Am 24. Februar kehrte der Krieg nach
Europa zurück, als Rußland die Ukraine –
ein unabhängiges und souveränes Land –
brutal angriff. Rußland versucht, mit Panzern
und Raketen die Grenzen neu zu ziehen
[...]. Es setzt explizite nukleare Erpressung
und fingierte ,Referenden‘ ein und verstößt
damit eindeutig gegen das Völkerrecht“, so
Schallenberg zu Anfang seiner Rede.
Dieser Krieg habe mehrere Illusionen
zerstört. Jene, daß die Sicherheitsarchitektur,
die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
geschaffen wurde, weiterhin eine Friedensdividende
abwirft und Stabilität und Wohlstand
garantiert, sowie jene, daß alle Krisen
und Spannungen letztlich mit friedlichen Mit -
teln gelöst werden können und würden. Mit
Verweis auf die Charta der Vereinten Nationen
betonte der Außenminister, daß dieser
Krieg ein Angriff auf die regelbasierte internationale
Ordnung, die die Staatengemeinschaft
in den letzten Jahrzehnten gemeinsam
aufgebaut hat und ein eklatanter und vorsätzlicher
Verstoß gegen das Gründungsdokument
der VN ist.
„In dieser Charta hat sich jeder einzelne
Staat in diesem Saal verpflichtet, internationale
Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln
beizulegen und von der Androhung von Ge -
walt gegen die territoriale Unversehrtheit
oder politische Unabhängigkeit eines Staates
abzusehen. Und dieser Verstoß wurde nicht
von irgendeinem Staat begangen, sondern
von einem ständigen Mitglied des Sicherheitsrates
– dem Organ, das für die Wahrung
der Charta, des Weltfriedens und der internationalen
Sicherheit zuständig ist“, erinnerte
der Außenminister Rußland an seine Verpflichtungen.
Im Schlußteil seiner Rede wies er darauf
hin, daß wirksamer Multilateralismus und
die Achtung der Rechtsstaatlichkeit seit
Jahrzehnten im Mittelpunkt der österreichischen
Außenpolitik stehen und rief alle Staaten
auf, ebenfalls für ein funktionierendes
multilaterales System und eine regelbasierte
internationale Ordnung zu kämpfen. Denn
das heutige Handeln wird das internationale
System von morgen prägen. „Laßt uns standhaft
sein. Laßt uns bereit sein, unsere Werte
zu verteidigen. Die Werte unserer Vereinten
Nationen“, appellierte der Außenminister
ab schließend.
Abseits von den politischen Terminen
war Außenminister Schallenberg mit Vertretern
jüdischer Organisationen zusammengetroffen
und hat an der Verleihung der österreichischen
Staatsbürgerschaft an direkte
Nachkommen von Verfolgten des NS-Regimes
mitgewirkt: „Die Möglichkeit zur Überreichung
der Staatsbürgerschaft bewegt mich
sehr. Die Erinnerung an die Verbrechen der
Shoah wachzuhalten und Antisemitismus in
jeder Form zu bekämpfen, ist unsere moralische
und politische Pflicht – wir danken unse -
ren neuen Österreicherinnen und Österreichern
für ihr Vertrauen, mit dem wir sorgsam
umgehen werden“, so Schallenberg, der be -
grüßt, daß weltweit bereits mehr als 17.000
derartige Staatsbürgerschafts-Ansuchen po -
sitiv abgeschlossen werden konnten.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Treffen mit Vertretern jüdischer
Organisationen in New York
Am 22. September traf Außenminister
Schallenberg am Rande der 77. Generalversammlung
der Vereinten Nationen in New
York den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses
(WJC), Ronald Lauder, und den
CEO des Amerikanisch-Jüdischen Komitees
(AJC), David Harris. Darüber hinaus tauschte
er sich mit VertreterInnen weiterer jüdischer
Organisationen – B’nai B’rith, der Anti-Diffamierungsliga
(ADL), der Nationalen Koalition
zur Unterstützung des Eurasischen Ju -
dentums (NCSEJ) sowie dem Dachverband
jüdischer Organisationen in den USA, der
Außenminister Alexander Schallenberg traf den Präsidenten des World Jewish Congress,
Ronald Lauder, am Rande der UN-Generalversammlung in New York
v.l.: Außenminister Alexander Schallenberg, Bundeskanzler Karl Nehammer und Österreichs
Generalkonsulin in New York, Helene Steinhäusl
Foto: BMEIA / Michael Gruber
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
41
Außenminister Alexander Schallenberg beim Austrian-American Day Empfang im Österreichischen Generalkonsulat in New York
Conference of Presidents of Major American
Jewish Organizations – aus.
Im Mittelpunkt der Gespräche standen
die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen
zwischen Österreich und Israel, Österreichs
Engagement im Kampf gegen Antisemitis -
mus und der russische Angriffskrieg gegen
die Ukraine.
„Österreich nimmt seine historische Verantwortung
ernst. Jüdinnen und Juden weltweit
haben ein Recht auf ein Leben in Si -
cherheit und Freiheit. Wir werden unseren
Kampf gegen Antisemitismus fortführen und
weiter verstärken“, unterstrich der Außenminister
die historische Verantwortung.
In Hinblick auf das Verhältnis zwischen
Österreich und Israel betonte er, daß die bilateralen
Beziehungen exzellent und vermutlich
so gut wie nie zuvor seien. Ein Zeichen
des ausgezeichneten Verhältnisses sei die im
Juli 2022 von Bundeskanzler Karl Nehammer
und Ministerpräsident Yair Lapid vereinbarte
Strategische Partnerschaft zwischen
bei den Ländern. Ziel der Kooperation sei un -
ter anderem die Verstärkung des gemeinsa -
men Kampfes gegen Antisemitismus. (siehe:
„Österreich Journal“-Ausgabe 204, Seite 22)
Der Außenminister konstatierte, daß die
COVID-19-Pandemie zu einem Anstieg an -
tisemitischer Vorfälle geführt habe. Österreich
verfolge diesbezüglich eine Nulltoleranzpolitik:
„Im Zuge der Pandemie haben
wir in den letzten zwei Jahren leider eine Zu -
nahme an antisemitischen Straftaten beobachtet.
Die österreichischen Behörden gehen
entschieden gegen dieses Phänomen vor.“
Darüber hinaus präsentierte er konkrete
Fortschritte bei der Implementierung der Na -
tionalen Strategie gegen Antisemitismus. Da -
Foto: BMEIA / Michael Gruber
zu zählen eine Verdreifachung der Investitionen
zur Förderung jüdischen Lebens und dem
Schutz jüdischer Institutionen in Österreich,
eine Ausweitung relevanter Trainingskurse
für die Polizei- und Justizbehörden, so wie die
Schaffung eines Nationalen Fo rums gegen
Antisemitismus im Juni 2022. Zudem wird
Österreich 1,5 Million Euro für die Zu sam -
menarbeit mit der Holocaust-Gedenkstätte
Yad Vashem in Jerusalem für den Zeitraum
2022 bis 2024 bereitstellen. n
Atomwaffen bieten keine Sicherheit
Der Außenminister nahm am 26. September,
dem Internationalen Tag zur vollständigen
Eliminierung von Atomwaffen, an
der Eröffnung der 66. Generalkonferenz der
Internationalen Atomenergie Organisation
(IAEO) in Wien teil, zu der insgesamt 175
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Staaten eingeladen wurden. Unter dem Mot -
to „Global Cooperation in the Nuclear Field“
standen neben der nuklearen Sicherheit und
der Rolle der IAEO auch die Aufstockung
der hochangereicherten Uran-Bestände des
Irans sowie der russische Angriffskrieg auf
die Ukraine und die damit einhergehenden
nuklearen Drohungen vonseiten Rußlands
im Fokus.
„Seit Jahrzehnten waren die nuklearen
Risiken nicht mehr so hoch. Die Handlungen
Rußlands zeigen ein alarmierendes Maß an
Verantwortungslosigkeit und könnten katastrophale
Konsequenzen für uns alle mit
sich ziehen. Atomwaffen sind ein Damokles-
Schwert, das über der gesamten Menschheit
hängt. Sie bieten keinerlei Sicherheit. Atomwaffen
sind ein Risiko für uns alle und kennen
keine Grenzen“, unterstrich Schallenberg
Außenminister Alexander Schallenberg bei der 66. IAEO-Generalkonferenz in Wien.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
42
die existenzielle Bedrohung und das derzeit
erhöhte Risiko eines Einsatzes dieser Waffen
aufgrund der jüngsten nuklearen Drohungen
Rußlands.
Neben dem Versuch der nuklearen Er -
pressung verurteilte Schallenberg auch den
Beschuß von Atomreaktoren oder anderen
Kernanlagen, wie etwa im russisch besetzten
Atomkraftwerk Saporischschja. Daher
drückte er seine Unterstützung für die Er -
richtung einer Sicherheitszone rund um das
Atomkraftwerk aus und betonte neuerlich,
wie wichtig die Arbeit der Internationalen
Atomenergieorganisation vor Ort sei.
Genauso hob er die Bedeutung der Organisation
für das JCPOA-Abkommen aus
2015 hervor: „Österreich steht als Gastgeber
weiterhin hinter den Atomgesprächen. Wir
unterstützen die Bemühungen der EU, allen
Seiten eine vollständige Teilnahme am Ab -
kommen zu ermöglichen. Wir rufen die Islamische
Republik Iran auf, die Zusammenarbeit
mit der IAEO wiederaufzunehmen und
Inspektionen wieder in vollem Umfang
zuzulassen.“
Die IAEO liefert unabhängige Expertise,
weshalb sie nicht nur bei den Iran-Gesprächen
ein wichtiger Partner für Österreich ist.
Auch im Bereich der Abrüstung spielt die
IAEO eine tragende Rolle. Die Mehrheit der
Staaten lehnt einen neuen nuklearen Rü -
stungswettlauf ab, was sich im Atomwaffenverbotsvertrag
widerspiegelt. Im Rahmen
der Generalkonferenz der IAEO rief der
Außenminister erneut zu dringenden Fortschritten
hin zu einer Welt frei von Nuklearwaffen
auf: „Der nukleare Status Quo ist
nicht tragbar, wir brauchen einen Paradigmenwechsel.
Gerade deshalb wird sich Ös -
terreich weiterhin für die vollständige Eliminierung
aller Nuklearwaffen einsetzen“,
hielt Schallenberg abschließend fest.
Argentiniens Außenminister
Santiago Andrés Cafiero in Wien
Außenminister Alexander Schallenberg
empfing am 27. September den argentinischen
Außenminister, Santiago Andrés Ca -
fiero, der an der 66. Generalkonferenz der
IAEO in Wien teilnahm, zu einem Arbeitstreffen.
Im Gespräch dankte Schallenberg sei -
nem Amtskollegen für die hochrangige Teilnahme
Argentiniens an der IAEO-Generalkonferenz.
Dabei unterstrich er die wichtige
Rolle der in Wien ansässigen Organisation
im Kontext der russischen Angriffe auf das
ukrainische Atomkraftwerk in Saporischschja
sowie nuklearer Drohgebärden der Russischen
Föderation. Besonders hervorgehoben
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Außenminister Schallenberg mit seinem argentinischen Amtskollegen Santiago Andres Cafiero
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
wurde in diesem Zusammenhang auch der
Argentinier Rafael Mariano Grossi, der als
aktueller Generaldirektor der IAEO federführend
dazu beiträgt die Sicherheit der ukra -
inischen Atomkraftwerke wie derherzu stel -
len.
Ebenso begrüßte Außenminister Schallenberg
auch die klare Haltung Argentiniens
und die scharfe Verurteilung des russischen
Angriffskriegs in der Ukraine. So hat sich
Argentinien der überwältigenden Mehrheit
der internationalen Gemeinschaft angeschlossen,
die die russische Invasion im
Rahmen der Generalversammlung der Vereinten
Nationen verurteilt hat. Dahingehend
appellierte Außenminister Schallenberg, auf
diesem Schritt aufzubauen und dazu beizutragen,
daß dieser Krieg so bald wie möglich
beendet wird.
„Wir dürfen all jene Länder, die unsere
Werte teilen, dazu gehört selbstverständlich
auch Argentinien, nicht im Glauben lassen,
daß die aktuellen Krisen rund um Energie
und Teuerung die Folge der westlichen
Sanktionen sind. Sie sind einzig und allein
die Folge von Putins Angriff auf die Ukraine“,
so Schallenberg.
Darüber hinaus waren auch die Möglichkeiten
zur Intensivierung der wirtschaftli -
chen Beziehungen zwischen Österreich und
Argentinien ein zentrales Gesprächsthema.
So ist Argentinien der drittgrößte Handelspartner
Österreichs in Lateinamerika und bie -
tet nach wie vor großes Potential für österreichische
Betriebe. Vor allem im Bereich der
erneuerbaren Energien, wie Wasser- und
Windkraft, aber auch Wasserstoff bieten heimische
Betriebe enormes Know-How. Zu -
dem sind heimische Firmen in der Holzindustrie
führend und können so zu einem wichtigen
strategischen Partner für Argentinien
werden.
Abschließend sprachen die beiden
Außenminister auch über die starke emotionale
Bindung der beiden Länder, die auf die
rund 30.000 in Argentinien lebenden, direkten
Nachkommen von Verfolgten des NS-Re -
gimes zurückzuführen ist. Seit einer Novellierung
des Staatsbürgerschaftsgesetzes im
September 2020 haben auch sie die Möglichkeit,
die österreichische Staatsbürgerschaft
zu erlangen.
n
Vietnams Außenminister
Bùi Thanh Sơn in Wien
Anläßlich des 50jährigen Jubiläums der
Aufnahme diplomatischer Beziehungen
empfing Außenminister Alexander Schallenberg
seinen Amtskollegen aus Vietnam, Bùi
Thanh Sơn, am 28. September in Wien und
unterstrich insbesondere die engen Handelsbeziehungen,
die sich in den letzten 50 Jahren
zwischen den beiden Staaten entwickelt
haben. So konnte das österreichisch-vietnamesische
Handelsvolumen alleine zwischen
1995 und 2021 auf ein Rekordniveau von
1,38 Milliarden Euro vervierzigfacht werden.
„Aktuell sind rund 60 österreichische Firmen
mit einem Gesamtinvestitionsvolumen
von etwa 150 Millionen Euro in Vietnam tä -
tig. Das zeigt, daß unsere Unternehmen Inter -
esse am vielfältigen, noch bestehenden Po -
tential Vietnams haben. Mit ihrer rot-weißroten
Expertise können sie zu wichtigen Part -
nern werden. „VinFast“, das erste vietnamesische
Auto mit Teilen aus Österreich oder
das „Austria Vietnam Future Mobility Sym-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
43
posium“ in Hanoi sind nur einige Beispiele
für die exzellente Kooperation, die bereits
jetzt besteht. Unser Ziel muß es nun aber
sein, die eigenen Exporte noch wesentlich zu
steigern“, so Schallenberg im Hinblick auf
das bestehende Handelsdefizit (Anm.: im Ok -
tober hat eine steirische Wirtschaftsdelegation
in Vietnam neue Möglichkeiten in den
Bereichen der Kernkompetenzen der heimischen
Wirtschaft erkundet. Smart Cities, E-
Mobilität, erneuerbare Energien, Infrastruktur
und Kreislaufwirtschaft sind Bereiche,
die enormes Investitionspotential in Südostasien
bieten.
Außenminister Schallenberg kündigte im
Rahmen des Gesprächs an, daß für 2023 eine
Reise nach Fernost geplant ist und er auch
Vietnam besuchen wird.
n
Belgische Außenministerin
Hadja Lahbib in Wien
Außenminister Alexander Schallenberg
traf am 28. September mit der belgischen
Außenministerin Hadja Lahbib zu einem Ar -
beitsgespräch in Wien zusammen. Eingangs
gratulierte er seiner Amtskollegin zu ihrer
Er nennung im Juli 2022. Im Gespräch betonte
er das exzellente Verhältnis zwischen Ös -
terreich und Belgien und regte eine verstärkte
Kooperation im Bereich Asyl und Migration
an. Beide Länder würden diesbezüglich
vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
Mit Hinblick auf den Stand der EU-Erweiterung
in den Staaten des Westbalkans unterstrich
Schallenberg die Notwendigkeit, noch
in diesem Jahr sichtbare Fortschritte zu er -
reichen.
„Der russische Angriffskrieg gegen die
Ukraine hat uns die geopolitische Bedeutung
des EU-Erweiterungsprozesses erneut vor
Au gen geführt. Um eine Destabilisierung der
Region durch Rußland zu verhindern, müssen
wir den Ländern des Westbalkans eine
glaubwürdige Beitrittsperspektive bieten.
Hierfür sind konkrete Fortschritte bis Ende
2022 dringend notwendig. So sind etwa die
Gewährung des EU-Kandidatenstatus an
Bosnien und Herzegowina sowie die Visaliberalisierung
für Kosovo längst überfällig“,
so der Außenminister.
Darüber hinaus regte der Außenminister
eine Fortführung der Diskussion über das
von Österreich vorgeschlagene Modell einer
schrittweisen Integration der EU-Beitrittskandidatenländer
an. Angesichts der geänderten
geopolitischen Rahmenbedingungen
müsse man den Erweiterungsprozeß neu aufsetzen
und nicht in bekannten Schablonen
verharren.
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Außenminister Alexander Schallenberg und sein vietnamesischer Amtskollege Bui Tanh Son
Außenminister Alexander Schallenberg und seine belgische Amtskollegin Hadja Lahbib
Kosovos Außenministerin
Donika
A
Gërvalla-Schwarz in Wien
ußenminister Alexander Schallenberg
empfing am 11. Oktober die Außenmini -
sterin von Kosovo, Donika Gërvalla-
Schwarz zu einem Arbeitsbesuch in Wien.
Im Gespräch betonte Schallenberg das exzellente
Verhältnis zwischen Österreich und
Kosovo, dessen Unabhängigkeit Österreich
bereits als einer der ersten Staaten im Jahr
2008 anerkannte. Von der EU forderte er mit
Blick auf den Westbalkan mehr strategische
Weitsicht. „Wie für uns alle war der 24.
Februar 2022 für den Westbalkan eine Zeitenwende.
Die massiven russischen Angriffe
auf die Zi vilbevölkerung in der Ukraine zeigen
das ge waltige Eskalationspotential dieses
Kriegs. Deshalb danke ich dem Kosovo
für seine deutliche Positionierung auf der
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Seite der EU und der freien Welt. Der
Angriffskrieg fordert aber unsere Aufmerksamkeit
gerade am Westbalkan, damit die
russische Aggression in Osteuropa nicht
Konflikte ins Herzen Europas, in den Westbalkan,
trägt“, der Außenminister.
In seinem Austausch mit Gërvalla-
Schwarz kam er auch auf Österreichs Einsatz
zugunsten einer EU-Visaliberalisierung
für Kosovo zu sprechen. Der Zeitpunkt sei
günstig, um Fortschritte zu erzielen und deut -
lich zu signalisieren, daß die Zukunft Kosovos
in der EU liegt. Es sei unverständlich,
daß Europa diesen Schritt noch nicht gesetzt
habe.
Mit Hinblick auf den Stand der EU-
Erweiterung in den Staaten des Westbalkans
unterstrich Schallenberg, daß der Dialog zwi -
schen Belgrad und Pristina alternativlos sei.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
44
„Die Normalisierung zwischen Serbien
und Kosovo ist und bleibt das Nadelöhr,
durch das der Weg des Westbalkans in die
EU führt. Um diesen Weg zu beschreiten, ist
es wichtig, konsequent die bereits getroffenen
Vereinbarungen umzusetzen, gegenseitiges
Vertrauen aufzubauen, Alleingänge zu
unterlassen und die regionale Zusammenarbeit
am Westbalkan im Rahmen des Berlin
Prozesses voranzutreiben“, so Schallenberg
ab schließend.
n
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Foto: BMEIA / Kulhanek
Der Außenminister mit seiner kosovarischen Amtskollegin Donika Gervalla-Schwarz
Bei der Eröffnung der Konferenz in der Diplomatischen Akademie: Peter Launsky-Tieffenthal,
Generalsekretär für auswärtige Angelegenheiten, und Botschafterin Petra Schneebauer,
Nationale Koordinatorin zur Bekämpfung des Menschenhandels
Konferenz zur Bekämpfung
des Menschenhandels
Der Kampf gegen Menschenhandel stellt
eine Priorität der österreichischen Aussenpolitik
dar. Aus diesem Grund findet die
Konferenz jedes Jahr anläßlich des Tages der
Europäischen Union zur Bekämpfung des
Menschenhandels statt. Eröffnet wurde die
Konferenz unter anderem durch Peter
Launsky-Tieffenthal, Generalsekretär für
auswärtige Angelegenheiten, Botschafterin
Petra Schneebauer, Nationale Koordinatorin
zur Bekämpfung des Menschenhandels, und
Botschafter Emil Brix, Direktor der Diplomatischen
Akademie.
„Diese jährliche Konferenz ist ein wichtiger
Beitrag, um neue Wege zu finden den
Menschenhandel noch effektiver zu be -
kämpfen. Menschenhandel ist und bleibt
eine schwere Verletzung der Menschenrechte.
Je stärker Staaten und relevante Institutio nen
vernetzt sind, desto schwieriger wird es für
Menschenhändler, ihre kriminellen Ma hen -
schaften umzusetzen. Wir sind zuversicht -
lich, daß der Menschenhandel jedes Jahr auf
mehr Gegner stößt und daß er somit keine
Zukunft haben wird“, unterstrich Generalsekretär
Launsky-Tieffenthal bei der Eröffnung
der Konferenz, wie wichtig die Be kämpfung
des Menschenhandels ist.
Unter dem Motto „No Future for Traffikking“
wurde in der diesjährigen Konferenz
vor allem der Menschenhandel vor dem Hin -
tergrund der Digitalisierung, der COVID-
Pandemie und der finanziellen Aspekte
diskutiert. Wie man bei der Bekämpfung des
Menschenhandels den TäterInnen einen
Schritt voraus sein kann, stellte ebenfalls eine
zentrale Frage bei der Veranstaltung dar.
„Österreich kooperiert mit anderen Ländern,
um Opfer zu identifizieren. Wir haben
in Österreich auch ein gutes Netz an Opferschutzeinrichtungen“,
so Botschafterin Petra
Schneebauer.
Im Rahmen von insgesamt fünf Work -
shops beleuchteten nationale und internationalen
ExpertInnen sowie zahlreiche VertreterInnen
internationaler Organisationen und
der Zivilgesellschaft die verschiedenen
Aspekte, Möglichkeiten und Herausforderungen
im Kampf gegen Menschenhandel.
Die Veranstaltung wurde von der Task
Force Menschenhandel organisiert, die unter
dem Vorsitz des Außenministeriums steht. In
diesem Gremium arbeiten VertreterInnen
von Bundes- und Landesbehörden, die Polizei
und Opferschutzeinrichtungen aus der
Zi vilgesellschaft zusammen. Weitere Partner
bei der Organisation der Konferenz sind das
Wiener Institut für internationalen Dialog und
Zusammenarbeit (VIDC), die Internationale
Organisation für Migration (IOM), die Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit
in Europa (OSZE) sowie das Fürstentum
Liechtenstein.
n
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
A»Die Jungen Unternehmer« in Berlin
m 13. Oktober nahm der Außenminister
am jährlichen Gipfel junger UnternehmerInnen
in Deutschland teil. Das diesjährige
Treffen fand an der Berlin-brandenburgischen
Akademie der Wissenschaften unter
dem Motto „Die Welt im Wandel“ statt.
Dementsprechend standen die wirtschaftlichen
und gesellschaftlichen Folgen des russischen
Angriffskrieges auf die Ukraine im
Zentrum der Konferenz.
In seiner Rede an die TeilnehmerInnen
aus klein- und mittelständischen Unternehmen
betonte Schallenberg, daß gerade jetzt in
diesen anspruchsvollen Zeiten ein enger und
stetiger Austausch zwischen Politik und Wirt -
schaft essentiell sei, insbesondere da sozioökonomische
Kosten immer deutlicher spür-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
45
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Außenminister Alexander Schallenberg bei seiner Rede am »Gipfel der Jungen Unternehmer« in Berlin …
bar werden. So spüren wir alle die gestiegenen
Energiekosten sowie die hohe Inflation
und gerade Unternehmerinnen und Unternehmer
erfahren das aktuell unmittelbar.
„Sie haben tagtäglich mit steigenden
Energiepreisen, unterbrochenen Lieferketten,
schmerzhaften Abhängigkeiten, z.B. bei
kritischen Rohstoffen, wegbrechenden Ex -
port märkten und zugleich dem Arbeitskräftemangel
zu kämpfen. In Österreich wie in
Deutschland sind es Unternehmerinnen und
Un ternehmer wie Sie, die das Rückgrat un -
seres Wohlstands bilden. Sie treiben Innovation
voran, schaffen Arbeitsplätze und Ihre
Beiträge sichern unser Sozialsystem“, be -
kräftigte Außenminister Schallenberg.
Mit Verweis auf die gemeinsame Ansprache
von Putin und Xi Jinping zu Beginn der
Olympischen Winterspiele in Peking, erläu -
ter te Schallenberg, daß wir uns in einer syste -
mischen Auseinandersetzung befänden. Ge -
meinsam riefen Xi und Putin zu einer Än de -
rung der Weltordnung nach ihren Vorstellungen
auf, was für Exportländer, wie Deutschland
und Österreich brandgefährlich sei.
Diesbezüglich habe Putin aber einen
schweren strategischen Fehler begangen,
denn seit Anfang September stelle er einen
klaren Konnex zwischen Gaslieferungen und
Sanktionen her. Das sei geradezu ein Beweis
dafür, daß einerseits die Sanktionen tatsächlich
wirken und andererseits Handels- und
Geschäftsverträge für ihn keinen Wert mehr
haben. Auch Großunternehmen wie Gazprom
seien dabei seiner Willkür ausgeliefert, was
der Glaubwürdigkeit und Verläßlichkeit russischer
Unternehmen nachhaltig schade.
Foto: BMEIA / Michael Gruber
… und im Gespräch mit Österreichs Botschafter in Deutschland, Michael Linhart
Laut dem Außenminister werden die
nächsten Monate auf mehreren Ebenen herausfordernd,
jedoch müssen auch in diesen
schwierigen Zeiten Geschlossenheit, Augenmaß
und Nervenstärke das Gebot der Stunde
bleiben, denn für ihn gäbe es keine Alternative.
„Wenn wir uns auseinanderdividieren
lassen, haben wir schon verloren. Wir müssen
uns jetzt in strategischer Geduld üben.
Lassen wir die Sanktionen wirken – denn
das tun sie! Ich bin der Überzeugung, daß
unsere auf Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus
und individuelle Rechte basierende Gesellschaften
viel resilienter sind, als wir selber
glauben“, unterstrich Schallenberg.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
So würden Autokraten glauben, daß wir
wegen der teils hitzigen politischen Debatten,
der gegensätzlichen Meinungen, einer
kritischen Medienlandschaft, einer starken
Opposition und Zivilgesellschaft ge schwächt
und ungeeint wären, doch es ist genau das,
was uns anpassungs- und lernfähig mache.
„Wir sind weiterhin der reichste und le -
benswerteste Kontinent, mit einem in der Ge -
schichte bislang unerreichten Grad an persönlichen
Freiheiten, Sicherheit und sozialer
Gerechtigkeit. Wir sollten daher mehr Ver -
trau en in unsere eigene Stärke und Position
haben. Jetzt kommt es darauf an, ihnen ge -
meinsam zu zeigen, daß sie Unrecht ha ben“,
appellierte Schallenberg ab schließend. n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
46
Slowakischer Außenminister
Rastislav Káčer in Wien
Außenminister Schallenberg empfing am
14. Oktober seinen neuen slowakischen
Amtskollegen Rastislav Káčer zu einem An -
trittsbesuch in Wien. Die beiden Außenminister
unterstrichen bei ihrem ersten bilateralen
Treffen die ausgezeichneten Beziehungen
beider Länder und betonten die Zusam -
menarbeit auch in den regionalen informellen
Kooperationsformaten, wie den Central-
5 oder dem Slavkov 3-Format – in dem die
Slowakei derzeit den Vorsitz innehat –, weiter
ausbauen zu wollen. Beide Länder stehen
in vielerlei Hinsicht vor den selben Herausforderungen,
es biete sich daher an sie ge -
meinsam anzugehen.
„Österreich und die Slowakei sind so eng
miteinander verwoben. In jeder Hinsicht –
politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und
kulturell. Wir teilen diesen gemeinsamen
mitteleuropäischen Raum und wir gestalten
ihn zusammen. Das macht Koordination und
Zusammenarbeit in allen Lebensbereichen
unerläßlich“, so Schallenberg bei der Pressekonferenz.
Derzeit sind vor allem der russische An -
griffskrieg auf die Ukraine und dessen Auswirkungen,
die Bereiche, in denen Kooperation
zwischen Österreich und der Slowakei
unerlässlich ist. Das gilt besonders in Bezug
auf die durch die russische Aggression ausgelöste
Energiekrise und der damit verbundenen
hohen Inflation. Beide Länder haben
überdies die Ukraine und ukrainische Vertriebene
seit Ausbruchs des Kriegs tatkräftig
unterstützt. Nun gelte es aber auch weiterhin
als Europäische Union geeint aufzutreten
und sich für eine rasche und friedliche Lö -
sung des Konflikts einzusetzen.
„Es ist aus unserer Sicht ganz klar, daß
die Einigkeit der EU essentiell ist. Wir fordern
Rußland dringend auf, dem menschlichen
Leid ein Ende zu setzen, seine Truppen
zur Gänze abzuziehen und Umstände zu
schaffen um sinnvolle Verhandlungen zu er -
möglichen“, betonte Alexander Schallenberg
die Not wen digkeit des europäischen Zusam -
menhalts und einer friedlichen Streitbeilegung.
Darüber hinaus besprachen die Außenminister,
wie die Länder des Westbalkans möglichst
rasch an die EU herangeführt werden
können – auch um für Stabilität in der Re -
gion zu sorgen. Dabei begrüßte Schallenberg
ausdrücklich die Empfehlung der Europäischen
Kommission, Bosnien und Herzegowi -
na den Beitrittskandidatenstatus zuzuerkennen.
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Foto: BMEIA
Der Außenminister mit seinem neuen slowakischen Amtskollegen Rastislav Káčer
Intercultural Achievement
Awards 2022 verliehen
Am 18. Oktober eröffnete der Generalsekretär
für auswärtige Angelegenheiten,
Peter Launsky-Tieffenthal, die Verleihung
des Intercultural Achievement Awards (IAA)
im Wiener Jazzclub Porgy & Bess. Der seit
2014 vom Bundesministerium für europäische
und internationale Angelegenheiten
verliehene Preis zeichnet herausragende Projekte
für zivilgesellschaftliches Engagement
sowie für die Förderung des interkulturellen
und interreligiösen Dialogs aus. Die fünf Sie -
gerprojekte im Jahr 2022 – ausgewählt aus
über 180 Einreichungen weltweit – stammen
aus Frankreich, Indien, Jordanien, Marokko
und Südafrika. In den österreichischen Son -
derkategorien wurden die Organisationen
Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal bei seiner Eröffnungsrede
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
„gemma! – Gemeinsam machen, Verein zur
Förderung des interkulturellen Austauschs
junger Menschen“ und „Sindbad – Mentoring
für Jugendliche Österreich“ ausgezeichnet.
„Meine herzlichen Glückwünsche an alle
Preisträgerinnen und Preisträger. Es freut
uns außerordentlich zu sehen, welche innovative
Kraft und starker Gemeinsinn weltweit
trotz aller Widrigkeiten insbesondere
auch jungen Menschen innewohnt. Diese
interkulturellen und interreligiösen Dialoginitiativen
sind in Zeiten enormer Herausforderungen
auf globaler und regionaler Ebene
von unschätzbarem Wert“, betonte Launsky-
Tieffenthal bei der Preisverleihung.
Um die besonderen Herausforderungen
zu würdigen, die in Zusammenhang mit der
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
47
Foto: BMEIA
Gruppenfoto der PreisträgerInnen des Intercultural Achievement Awards 2022 mit Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal
Ankunft von mehr als 80.000 Vertriebenen
aus der Ukraine in Österreich stehen, wurde
dieses Jahr auch ein Sonderpreis an die
Ukrainische Samstagsschule des Ukrainischen
Iwan-Franko-Zentrums für Bildung und Kul -
tur vergeben. Seit Beginn des russischen An -
griffskrieges konnte die Schule in Wien
knapp 1000 SchülerInnen aus der Ukraine
beim Lernen der deutschen Sprache unterstützen.
Zeitgleich wird durch den Unterricht
in Fächern wie Ukrainisch oder ukrainische
Literatur sichergestellt, daß das kulturelle
Erbe der Ukraine gewahrt bleibt.
Das Bundesministerium für europäische
und internationale Angelegenheiten dankt
dem Zukunftsfonds der Republik Österreich,
der Austrian Development Agency und dem
Österreichischen Integrationsfonds für ihre
wertvolle langjährige Partnerschaft im Rahmen
des Intercultural Achievement Awards.
Die PreisträgerInnen des
Intercultural Achievement Awards 2022
Kategorie Nachhaltigkeit
Mount Abu Public School aus Indien mit dem
Projekt „Global Citizenship Education &
Integration“
Das spezielle Curriculum hat das Ziel, nachhaltiges
Denken und grenzüberschreitenden
Dialog unter Schülerinnen und Schülern zu
fördern und sie darin zu bestärken, ihre Kreativität
im Sinne der Gemeinschaft zu entfalten.
Kategorie Technologie
Puppets World for Development of Children
aus Jordanien mit dem Projekt „Puppets
World Theatre“
Das mobile Puppentheater richtet sich an
Kinder im Aufnahmeland Jordanien – unge -
ach tet sozialer oder geografischer Herkunft.
Der Fokus liegt auf Integration und der Vermittlung
von Werten wie Toleranz und Mitge -
fühl auf spielerische und unterhaltsame Weise.
Kategorie Aktualität
Southern African Liaison Office (SALO) aus
Südafrika mit dem Projekt „South African
Foreign & Migrant Policy and Xenophobia“
Dieses Projekt arbeitet gegen Rassismus, Ge -
walt und Stigmatisierung von BewohnerInnen
informeller Siedlungen und Townships
in Südafrika, die besonders von wirtschaftlicher,
sozialer und politischer Ausgrenzung
betroffen sind.
Kategorie Innovation
Memories for the future aus Marokko mit
dem Projekt „Reinventing Toumliline: Consolidating
spaces for debate and dialogue“
Inspiriert von einem historischen Projekt von
Benediktiner Mönchen in den 1950er-Jahren,
zielt die Initiative darauf ab, Respekt und
interreligiöse Harmonie in der marokkanischen
Jugend zu fördern.
Kategorie Medien
99 aus Frankreich mit dem Projekt „True
Stories connect us all“
Die Plattform bietet kurzen Dokumentarfilmen
weltweit eine Bühne – sowohl online, als
auch in organisierten Screenings. In Zusam -
menarbeit mit Universitäten werden zudem
Un tertitel erarbeitet, um einem möglichst
breiten Publikum den kostenlosen Zugang zu
ermöglichen.
Sonderpreis für Integration in Österreich
gemma! – Gemeinsam machen. Verein zur
Förderung des interkulturellen Austauschs
junger Menschen aus Graz mit dem Projekt
„gemma! – Gemeinsam machen“
Die Initiative strebt danach, ungeachtet persönlicher
Umstände oder Kriterien Raum für
Entwicklung zu bieten und Austausch, Integration
und friedliche Koexistenz zu fördern.
Dies geschieht durch interkulturelle Be -
gegnungsräume sowie Beratung und Lernunterstützung.
Sonderpreis für bestes
österreichisches Projekt
Sindbad aus Wien mit dem Projekt
„Sindbad – Mentoring for teenagers“
Sindbad ist ein Mentoring-Programm, das
Jugendliche vor dem Wechsel in die Berufsoder
weiterführende Ausbildung mit ehrenamtlichen
MentorInnen verknüpft. Dadurch
werden sie in dieser transformativen Lebensphase
begleitet und profitieren vom gegenseitigen
Austausch.
Sonderpreis
Ukrainisches Iwan-Franko-Zentrum für Bildung
und Kultur aus Wien mit dem Projekt
„Ukrainische Samstagsschule“
Die Samstagsschule bietet am Wochenende
zusätzlich Fächer wie Geschichte sowie ukra -
inische Sprache und Literatur nach ukrainischem
Lehrplan an, damit Kinder sich auf
die ukrainische Reifeprüfung vorbereiten und
diese auch ablegen können. Mit weiteren Ak -
tivitäten werden die Integration und der Zu -
sammenhalt gefördert.
n
https://www.entwicklung.at / https://www.integrationsfonds.at/
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
48
Liechtensteins Außenminister
Jean Asselborn in Wien
Am 20. Oktober 2022 empfing Außenminister
Alexander Schallenberg seinen luxemburgischen
Amtskollegen Jean Asselborn in
Wien. Österreich und Luxemburg pflegen
schon lange, enge bilaterale Beziehungen,
was auch die gemeinsamen Positionen der
beiden Staaten zu wichtigen aktuellen Themen,
bestätigen. Klimapolitik, effektiver
Multilateralismus und Schutz der Menschenrechte,
sind nur einige der Punkte für die
sich die beiden Staaten gemeinsam einsetzen.
Besonders seit der Klage Österreichs
ge gen die Taxonomieänderung zur Einstufung
von Kernenergie als „grüne“ Energieform,
rückte auch die gemeinsame Positionierung
gegen Atomenergie in den Vordergrund.
Besonders im Zusammenhang mit dem
Russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist
Energiesicherheit vermehrt zum Thema ge -
worden. Entsprechend der ablehnenden Haltung
gegenüber Nuklearenergie und der
Dringlichkeit, die Abhängigkeit von russischem
Gas zu verringern, gilt es neue Partner
am Energiemarkt zu finden. Zugleich
soll aber auch darauf geachtet werden, daß
Gas und Energie noch leistbar für die europäische
Bevölkerung bleiben. Von der EU-
Kommission wurde dazu das Modell einer
Preisobergrenze für Gas zur Stromerzeugung
präsentiert, das für den österreichischen Ausenminister
in jedem Fall als überlegenswert
gelte.
Abschließend wurde auch die EU-Erweiterung
am Westbalkan besprochen, denn
auch hier bietet der Einfluß des russischen
Angriffs auf die Ukraine, destabilisierendes
Potential. Nicht nur aus geostrategischer
Sicht, aber auch um illegaler Migration einen
Riegel vorzuschieben, gilt es die Zu sam men -
arbeit mit diesen Staaten zu verbessern.
Dazu braucht es, wie zuletzt am Beispiel
Bosnien und Herzegowina, konkrete Beitrittsperspektiven
für diese Staaten. n
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Der Außenminister mit seinem Amtskollegen aus Luxemburg, Jean Asselborn, in Wien
Ebene Gehör zu verschaffen und alle Staaten
zu wichtigen Konferenz- und Verhandlungsteilnahmen
in Wien zu ermutigen. Dahingehend
sieht Außenminister Schallenberg den
Sitz der Vereinten Nationen in Wien als einen
Knotenpunkt für alle Staaten der Welt und ist
bestrebt, die Präsenz von Inselstaaten in Wien
auszubauen.
„Globale Herausforderungen, ob Klimawandel
oder Pandemie, machen nicht an
Landesgrenzen halt. Sie betreffen alle Erdteile
und wir können sie nur gemeinsam
bewältigen. Dafür brauchen wir ein funktionierendes
multilaterales System. Genau deswegen
ist Multilateralismus auch ein we -
sentlicher Teil der außenpolitischen DNA
Österreichs“, so derAußenminister, der zu -
dem die Zusammenarbeit mit Kiribati im
Kontext des Atomwaffenverbotsvertrags
(TPNW) begrüßte, bei dem Österreich eine
Voreiterrolle als Mitinitiator übernommen
hat.
„Wir können unsere Augen nicht vor der
immanenten Bedrohung durch einen Einsatz
oder Unfall mit Nuklearwaffen verschließen.
Bevor sie uns vernichten, müssen wir sie
vernichten“, appellierte der Außenminister
und hob Kiribati, das den Vertrag unterzeichnet
und ratifiziert hat, als einen wichtigen
Partner und starken Unterstützer nuklearer
Abrüstung hervor.
Beim Austausch über die geopolitische
Lage im Südpazifik bekräftigte Außenminister
Alexander Schallenberg außerdem das
Bestreben der EU, zum Frieden und zur Stabilität
in der Region beizutragen.
Kiribatis Präsident
Taneti Maamau in Wien
Außenminister Alexander Schallenberg
empfing am 20. Oktober den kiribatischen
Präsidenten Taneti Maamau, der die
Delegation von Kiribati im Rahmen der derzeit
in Wien tagenden Vertragsstaatenkonferenz
der Konvention gegen grenzüberschreitende
organisierte Kriminalität der Vereinten
Nationen (UNTOC) anführte.
Schallenberg betonte die Wichtigkeit, den
Stimmen kleinerer Staaten auf multilateraler
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Der Außenminister mit dem kiribatischen Präsidenten Taneti Maamau in Wien
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
49
Angesichts der bevorstehenden Klimakonferenz
der Vereinten Nationen in Scharm
El-Scheich (COP27) im November kam
auch der gemeinsame Kampf gegen die Klimakrise
zur Sprache. Die Erderwärmung und
der damit einhergehende steigende Meeresspiegel
haben auf den aus 33 Atollen bestehenden
Inselstaat im Südpazifik verheerende
Auswirkungen. Schallenberg unterstrich dies -
bezüglich Österreichs Unterstützung für
Maßnahmen zur Stärkung der Klimaresilienz
in Kiribati im Zuge der EU-Entwicklungszusammenarbeit.
Österreich habe seine Klimaziele
hochgesteckt, wolle es doch bereits
2040, zehn Jahre vor dem erklärten EU-Ziel,
klimaneutral sein.
n
Westbalkan-Konferenz im
Rahmen des Berlin-Prozesses
Außenminister Alexander Schallenberg
nahm am 21. Oktober an einem Treffen
der AußenministerInnen im Format des Berlin-Prozesses
in der deutschen Hauptstadt teil.
Er bedankte sich zu Beginn bei seiner deutschen
Amtskollegin Annalena Baerbock für
die Ausrichtung der Konferenz und betonte,
daß der Westbalkan für die EU eine Bewährungsprobe
sei. Wenn die EU es nicht schaffe
in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft geostrategisch
zu handeln, werde die EU-Aussenpolitik
an Glaubwürdigkeit verlieren.
„Gerade jetzt unter sicherheitspolitischem
Aspekt und wenn wir an die Migrationsfrage
denken ist der Westbalkan gewissermaßen der
Lackmustest für die Europäische Union. Das
ist ein Teil Europas, wir haben alles In ter es -
se, sie fix zu uns in die europäische Gemeinschaft
zu holen. Die Geschichte zeigt, ohne
Stabilität in Südosteuropa gibt es keine Stabilität
in Zentraleuropa“, so der Außenminister.
Um die sechs Staaten des Westbalkans
auf den Weg Richtung EU-Mitgliedschaft zu
bringen, sei die enge Kooperation untereinander
wesentlich, unterstrich er. So wurde der
Aufbau eines Gemeinsamen Regionalen
Mark tes, für den wichtige Abkommen vor
dem Abschluß stünden, eingehend behandelt.
Ebenso spiele laut Außenminister Alexander
Schallenberg die Jugendkooperation
am Westbalkan eine wichtige Rolle.
Beim Thema Energiesicherheit appellierte
Schallenberg an ein solidarisches Miteinander
und forderte, die Westbalkanstaaten in
die EU-Energieplattform zur Diversifizierung
und Sicherung ihrer Energieversorgung einzubinden.
Es gelte schließlich, konkrete An -
reize für eine bessere regionale Integration
zu geben und die Westbalkanstaaten über eine
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Der Außenminister beim „Berliner Prozeß“ (Westbalkan-Konferenz) in Berlin
schrittweise Eingliederung rascher an die EU
zu binden.
„Man muß doch nicht warten, bis das
letzte Komma des Rechtsbestandes umgesetzt
ist. Dort wo die Westbalkanstaaten den
Rechtsbestand umgesetzt haben und die entsprechende
Rechtskontrolle gewährleistet
ist, können wir sie zizerweis hineinbeziehen,
als wären sie Vollmitgliedstaaten“, schlug der
Außenminister abschließend neuerlich eine
graduelle Integration der Westbalkanstaaten
vor.
n
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130 Jahre österreichischkoreanische
Beziehungen
Anläßlich des 130jährigen Jubiläums der
bilateralen Beziehungen zwischen Ös -
terreich und Korea reiste Außenminister Alexander
Schallenberg von 21. bis 26. Oktober
in die Republik Korea. Auf dem Programm
der Reise standen Treffen mit dem koreanischen
Premierminister Han Duck-soo und
Außenminister Park Jin, Diskussionen zur
sicherheitspolitischen Lage in der Region,
ein Besuch der Demilitarisierten Zone, Un -
ternehmensbesuche sowie die Eröffnung einer
Ausstellung des Kunsthistorischen Mu seums.
Die bilateralen Beziehungen zwischen
Österreich und der Republik Korea haben
erst im vergangenen Jahr eine deutliche Aufwertung
erlebt, als die Beziehungen auf das
Niveau einer „Strategischen Partnerschaft“
gehoben wurden. Auch bei der Pandemiebekämpfung
gab es eine gute Zusammenarbeit.
Im Jubiläumsjahr der bilateralen Beziehungen
will Schallenberg weitere Schritte setz-
Der Außenminister wurde vom südkoreanischen Premierminister Han Duck-soo empfangen
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
50
ten und Türen für Wirtschaft und Kulturschaffende
öffnen.
„Trotz der weiten Entfernung haben Ös -
terreich und die Republik Korea die besten
Voraussetzungen für enge Beziehungen. Es
freut mich daher mit dieser Reise weitere
Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern
zu schaffen und die Länder ein kleines
Stück näher zusammenzurücken“, so der
Außenminister.
Im Fokus der Gespräche mit Premierminister
Han Duck-soo und Außenminister
Park Jin standen die Auswirkungen des russischen
Angriffskriegs sowie die sicherheitspolitische
Lage auf der koreanischen Halbinsel
im Licht der Raketentests der Demokratischen
Volksrepublik Korea stehen. Bereits
vor der Reise verurteilte Schallenberg die
Raketentests auf das Schärfste. Darüber hinaus
wurden in den politischen Gesprächen
auch Chancen für eine stärkere wirtschaftliche
und politische Zusammenarbeit zwischen
den beiden Ländern erörtert.
„Der Indo-Pazifik ist im Umbruch. Die
Karten in der Region werden gerade neu
gemischt. Wie wir mit dem Aufstieg Chinas
umgehen, hat unmittelbare Auswirkungen
auch auf Österreich. Vor diesem Hintergrund
ist es wichtig, mit jenen Partnern im Ge -
spräch zu blieben, die unsere Werte teilen.
Die Republik Korea ist ein solcher Partner“,
äußerte sich der österreichische Außenminister
zur Bedeutung der politischen Ge sprä -
che mit koreanischen Regierungsvertretern.
Um sich ein besseres Bild von der Sicherheitslage
zu machen, hat er auch die Demilitarisierte
Zone besucht, die die Republik Ko -
rea von der Demokratischen Volksrepublik
Korea von einander. Dabei bekam die österreichische
Delegation ein Briefing durch die
Neutral Nations Supervisory Commission.
Darüber hinaus gibt es Treffen mit führenden
koreanischen Sicherheitsexperten.
Einen der Höhepunkte der Reise bildete
die Eröffnung der Ausstellung „Collecting
the World – Six Centuries of Beauty in the
Habsburg Empire“ im Koreanischen Nationalmuseum,
die aus 100 Meisterwerken aus
dem Kunsthistorischen Museums Wien be -
steht. Es ist bereits die dritte Ausstellung des
Kunsthistorischen Museums in der Republik
Korea.
Zudem standen ein Treffen mit dem früheren
Generalsekretär der Vereinten Nationen
Ban Ki-Moon bei der Global Green
Growth Initiative zum Thema Klima- und
Entwicklungsziele sowie Veranstaltungen im
Rahmen der weltweiten Wirtschaftsinitiative
ReFocus Austria auf dem Programm. n
Fotos: BMEIA / Michael Gruber
Alexander Schallenberg mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Park Jin, …
… mit dem Präsidenten & Vorsitzenden der Global Green Growth Initiative (GGGI) und früheren
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon …
… und bei der Eröffnung der Ausstellung des KHM „Collecting the World – Six Centuries of
Beauty in the Habsburg Empire in Seoul“ mit KHM-Generaldirektorin Sabine Haag
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
51
Finnlands Außenminister
Pekka Haavisto in Wien
Außenminister Alexander Schallenberg
empfing am 1. November den finnischen
Außenminister, Pekka Haavisto, zu
einem Arbeitsgespräch in Wien. Im Rahmen
des Treffens sprachen die beiden über die
von Rußland ausgehende Bedrohung für Finn -
land, das aufgrund seiner geografischen La -
ge besonders exponiert ist. So stellt etwa die
Sicherung der über 1340 km verlaufenden
Grenze zu Rußland, nicht zuletzt durch die
Flucht zahlreicher von der Mobilisierungskampagne
betroffenen Russen, eine besondere
Herausforderung dar. Auch die weit über
Finnland hinausgehenden Auswirkungen des
russischen Angriffskrieges, allen voran das
Thema Energiesicherheit, wurden thematisiert.
Weiters unterstrich Schallenberg gegen -
über seinem finnischen Amtskollegen auch
die Notwendigkeit, Gesprächskanäle zu Ruß -
land aufrechtzuerhalten. Insbesondere im
Hinblick auf Verhandlungen, die letzten En -
des zur Beendigung des Angriffskrieges notwendig
sein werden, sei dies wichtig.
Abschließend sprachen die beiden Aussenminister
auch über die wichtige Mediationsrolle
der in Wien angesiedelten Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE), deren Vorsitz Finnland im
Jahr 2025 übernehmen wird.
n
Hochrangige Wiener Konferenz zur
Sicherheit von JournalistInnen 2022
Anläßlich des zehnten Jahrestags des Ak -
tionsplans der Vereinten Nationen (VN) zur
Sicherheit von JournalistInnen lud das
Außenministerium am 3. und 4. November
gemeinsam mit der VN-Organisation für Er -
ziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO)
und dem Büro des VN-Hochkommissars für
Menschenrechte zur Wiener Konferenz zur
Sicherheit von JournalistInnen. An der Konferenz
mit dem Titel „Safety of Journalists:
Protecting media to protect democracy“ nahmen
mehr als 400 VertreterInnen von Regierungen,
internationalen Organisationen, Me -
dien und aus der Zivilgesellschaft teil. Me -
dienministerin Susanne Raab, UNESCO-Ge -
neraldirektorin Audrey Azoulay und der
Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für
Menschenrechte, Volker Türk, eröffneten die
hochrangige Konferenz. Außenminister Alexander
Schallenberg, der aus gesundheitli -
chen Gründen verhindert war, bekräftigte be -
reits im Vorfeld der Konferenz den hohen
Stellenwert des unabhängigen Journalismus:
„Die heutige Wiener Konferenz ist Anlaß,
Foto: BMEIA / Michael Gruber
Foto: BMEIA / Baurecht
Alexander Schallenberg mit seinem finnischen Amtskollegen Pekka Haavisto
Journalist:nnen Respekt zu zollen, die trotz
widrigster Umstände täglich ihre Freiheit
oder sogar ihr Leben im Dienste der unabhängigen
Berichterstattung riskieren.“
Trotz aller internationalen Anstrengungen
ist Straflosigkeit für Verbrechen gegen
JournalistInnen weitverbreitet, bleiben doch
neun von zehn Morden an JournalistInnen
gerichtlich ungeklärt. Um die Situation von
MedienvertreterInnen zu verbessern, machten
teilnehmende Staaten, internationale
Organisationen und VertreterInnen der Zivilgesellschaft
während einer „Pledging Session“
zahlreiche Zusagen zur konkreten Stär -
kung von Medienfreiheit und dem Schutz
von JournalistInnen. Die österreichischen Zu -
sagen wurden von Medienministerin Raab in
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Vertretung von Außenminister Schallenberg
präsentiert, darunter etwa eine Investition
von 150.000 Euro in von Frauen geführte
Medieninitiativen über Rechte von Frauen in
Afghanistan. Zudem unterstützt Österreich
das Hostile Environment Awareness Training
(HEAT) für JournalistInnen in Krisenund
Konfliktsituationen, mit dem vor allem
Journalistinnen auf die Arbeit unter be -
sonders gefährlichen Bedingungen vorbereitet
werden sollen. Um die Demokratie zu
stärken, erhöht die österreichische Entwikklungszusammenarbeit
auch ihren Beitrag
zur Förderung von Medienentwicklung.
Zudem hat Österreich eine Politische
Erklärung im Rahmen der Wiener Konferenz
initiiert, der sich bereits mehr als 50 Staaten
Medienministerin Susanne Raab bei der Eröffnung der Konferenz „Safety of Journalists“ im
Palais Niederösterreich in Wien
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
52
Foto: BMEIA / Baurecht
angeschlossen haben. In diesem Zusammenhang
verpflichten sich die Staaten mitunter
dazu, den zunehmenden Bedrohungen für die
Sicherheit von JournalistInnen, Medienfreiheit
und Medienpluralismus im digitalen
Zeitalter entgegenzuwirken. Darüber hinaus
soll gegen neue Bedrohungsformen in den
Be reichen Recht und Wirtschaft vorgegangen
und die besonderen Risiken, denen Frauen
im Journalismus im Zuge ihrer Arbeit
ausgesetzt sind, stärker berücksichtigt werden.
Schließlich bekannten sich alle Teilnehmenden
ausdrücklich zu einer engen Zusam -
menarbeit, mit dem Ziel in Zukunft das Be -
wußtsein für den VN-Aktionsplan, der konkrete
Maßnahmen zur Sicherheit von Journa -
listInnen und zum Problem der Straflosigkeit
enthält, zu schärfen und seine Umsetzung zu
verbessern. In seinen Schlußworten verwies
Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal auf
die Zukunftsperspektiven des VN-Aktionsplans.
„Diese Konferenz hat den nötigen
Schwung für den Übergang in das zweite
Jahrzehnt des VN-Aktionsplans geliefert. Im
Vergleich zu 2012 befinden wir uns an ei nem
vielversprechenden Punkt: Es gibt Struk turen
und weltweite Koalitionen, die Interessengruppen
miteinander verbinden. Wir wissen
jedoch auch, daß die Herausforderungen nicht
weniger wurden. Deswegen ist die weitere
Arbeit an der Umsetzung des VN-Aktionsplans
unerläßlich“, so Generalsekretär Peter
Launsky-Tieffenthal abschließend. n
Ein Blick auf die Konferenz „Safety of Journalists“ im Palais Niederösterreich in Wien
Foto: BMEIA / Baurecht
Foto: BMEIA / Baurecht
Für die Konferenz nach Wien angereist: Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow
Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal bei seinen Schlußworten
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
53
Regierung beschließt neues
Dreijahresprogramm 2022-2024
Das neue Dreijahresprogramm der österreichischen
Entwicklungspolitik 2022
bis 2024 wurde am 16. November Ministerrat
angenommen. Dessen Ziel ist es, den
Menschen in den Partnerländern nachhaltige
Lebensperspektiven zu eröffnen, indem vor
Ort ein Umfeld sozialer und politischer Stabilität
sowie eine nachhaltige Entwicklung
im Sinne der Agenda 2030 geschaffen wird.
Österreichs internationale Solidarität zeigt
sich auch dadurch, daß nun in der thematischen
Schwerpunktsetzung globale Herausforderungen
sowie Krisen besser berück sich -
tigt werden. So zeigt etwa der russische An -
griffskrieg auf die Ukraine, wie verwundbar
unser globales System ist:
„Die weltweite Ernährungsunsicherheit
und die steigende Zahl von Menschen in ex -
tremer Armut hat die internationale Gemeinschaft
bereits vor dem 24. Februar vor
immense Herausforderungen gestellt. Putins
brutaler Angriffskrieg gegen die Ukraine
potenziert diese Not. Angesichts dieser multiplen
globalen Herausforderungen zeigt sich
Österreich solidarisch und gibt für die Entwicklungszusammenarbeit
und humanitäre
Hilfe so viel Geld aus wie nie zuvor“, betont
Außenminister Alexander Schallenberg.
So wird das Budget für die bilaterale Entwicklungshilfe
nächstes Jahr um 12 Millionen
auf 137 Millionen Euro und für die
humanitäre Hilfe um 20 Millionen auf 77,5
Millionen Euro anwachsen. Die kontinuierliche
Steigerung der letzten Jahre zeigt Österreichs
klares Bekenntnis zur Solidarität
durch Hilfe vor Ort. So können die bereits
bestehenden Partnerschaften der österreichischen
Entwicklungszusammenarbeit (OEZA)
finanziell unterstützt werden. Österreichs
Augenmerk liegt dabei auf den ärmsten Entwicklungsländern
in Subsahara-Afrika sowie
in der Nachbarschaft, insbesondere in Südosteuropa
und im Südkaukasus, aber auch in
Krisenregionen und fragilen Staaten.
„Mit dem Dreijahresprogramm leisten
wir dort Hilfe, wo sie am dringendsten nötig
ist – nämlich direkt vor Ort. Rasche Hilfe
vor Ort ist auch der wirksamste Beitrag,
Menschen in ihrer Heimat bzw. ihrer Heimatregion
eine Perspektive zu bieten und ein
lebenswertes Umfeld zu schaffen“, bekräftigt
Botschafter Peter Huber, Leiter der Sektion
Entwicklung im Außenministerium, die
Rolle der OEZA.
Als wesentlicher Bestandteil der österreichischen
Außenpolitik spiegelt die OEZA
durch das neue Dreijahresprogramm die Prio -
Foto: BMEIA Foto: BKA / Dragan Tatic
Nach dem Ministerrat: Außenminister Alexander Schallenberg (r.) und Bundeskanzler Karl
Nehammer – Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe werden 2023 aufgestockt
Botschafter Peter Huber, Leiter der
Sektion Entwicklung im Außenministerium
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ritäten des Regierungsprogramms wider. Hier -
bei liegen die beiden inhaltlichen Schwerpunkte
auf wirtschaftlicher Zusammenarbeit
sowie Migration.
Einerseits soll die Initiative ReFocus
Austria dazu dienen, neue unternehmerische
Chancen und Möglichkeiten vor Ort zu
schaffen. Andererseits wurde nun im Dreijahresprogramm
die sogenannte Konditionalität
eingeführt: Bei einer Verschlechterung
der Zusammenarbeit im Bereich der Migration,
insbesondere bei Rückführungen, ist es
nun möglich, die Zuteilung von Finanz -
mitteln an die Partnerländer anzupassen.
Mit dem neuen Dreijahresprogramm setzt
die Bundesregierung die bisherigen thematischen
Schwerpunkte, wie beispielsweise die
Stärkung von Frauen und vulnerablen Gruppen,
Inklusion, Bildung, Förderung der
Rechtsstaatlichkeit, Unterstützung der Zivilgesellschaft
vor Ort und Programme zur De -
mokratisierung, fort. Wichtig dabei sei auch,
Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, hebt Botschafter
Friedrich Stift, Geschäftsführer der
Austrian Development Agency, hervor: „Ös-
terreichs humanitäre Hilfe leistet nicht nur
einen unmittelbaren Beitrag, um das Leid vor
Ort zu lindern, wie etwa durch die Bereitstellung
von Nahrungsmitteln. Indem wir betrof -
fenen Regionen etwa Saatgut und unsere
Technologie zur Verfügung stellen, können
wir so eine nachhaltige Entwicklung vor Ort
sicherstellen.“
Durch das neue Dreijahresprogramm
setzt sich Österreich auch in Zukunft dafür
ein, Armut zu mindern, natürliche Ressour -
cen zu schützen sowie Frieden und Sicherheit
für die Menschen in den Partnerländern
zu fördern.
n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
54
Auslandskatastrophenfonds
5,5 Millionen Euro für Burkina Faso und Mali
Die Sahelzone sieht sich mit einer Vielzahl
an Krisen konfrontiert. Neben weit -
verbreiteter Armut und der schlimmsten
Dürre seit Jahrzehnten setzen bewaffnete
Kon flikte und terroristische Gewalt den
Menschen in der Region zu. Hinzu kommt
die durch den russischen Angriffskrieg be -
feuerte globale Ernährungsunsicherheit, die
die humanitäre Lage nochmals dramatisch
verschärft hat. Mit insgesamt 5,5 Millionen
Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds
(AKF) des Außenministeriums will die ös -
terreichische Bundesregierung das bestehende
Leid in Burkina Faso und Mali lindern.
Zusätzlich unterstützt Österreich das Welternährungsprogramm
der Vereinten Nationen
(WFP) bei Transport und Verteilung einer
125.000 Tonnen Getreidespende der Ukraine
in aktuell besonders krisenbetroffenen Regio -
nen in Afrika sowie dem Nahen und Mittleren
Osten.
„Westafrika ist seit Jahrzehnten mit vielfältigen
Krisen konfrontiert. Mit dem Ausbruch
des russischen Angriffskriegs auf die
Ukraine und dessen Auswirkungen auf die
globale Ernährungssicherheit hat sich die
humanitäre Lage in den betroffenen Regionen
weiter verschärft. Millionen Menschen
und Kinder sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Für die österreichische Regierung
steht die Unterstützung für die Bevölkerung
im Sinne unserer humanitären Tradition der
Hilfe vor Ort außer Frage. Wir stellen daher
nicht nur insgesamt 5,5 Millionen Euro aus
dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung,
sondern unterstützen auch das Welternährungsprogramm
der Vereinten Nationen
beim Transport und der Verteilung in den
besonders betroffenen Regionen. Damit leisten
wir einen wirksamen Beitrag das Leid
der Menschen in diesen Ländern zu lindern“,
führte Bundeskanzler Karl Nehammer an.
In Burkina Faso sind mindestens 4,9 Mil -
lionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen,
davon etwa 2,6 Millionen Kinder.
Als eines der zehn ärmsten Länder weltweit
fehlt es an den grundlegendsten Gütern, die
Menschen haben oft keinen Zugang zu Nahrungsmitteln
oder einer ausreichenden Ge -
sundheitsversorgung. Mehr als 1,5 Millionen
Menschen sind intern vertrieben, da sich die
Sicherheitslage im Norden und Osten des
Landes verschlechtert hat. Auch im Süden
Malis spitzt sich die Sicherheitslage zu. Hun -
derttausende sind intern vertrieben. Be -
sonders für Kinder ist die humanitäre Situation
gravierend. Knapp die Hälfte der rund
Foto: BKA / Dragan Tatic
Pressefoyer nach dem Ministerrat: Bundeskanzler Karl Nehammer (m.), Vizekanzler Werner
Kogler (l.) und Außenminister Alexander Schallenberg (r.)
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
7,5 Millionen auf humanitäre Unterstützung
angewiesenen Menschen sind Kinder.
„Krieg, Naturkatastrophen, Klimawandel
und Pandemie tragen zur Verschärfung der
weltweiten Ernährungskrise bei. Die Zahl der
von Hunger betroffenen Menschen hat sich
in den letzten beiden Jahren verdoppelt. In
Ostafrika und der Sahelzone leiden die Menschen
besonders darunter. Mit dem heutigen
Beschluß stellen wir aus dem Auslandska -
tastrophenfonds Mittel zur Verfügung, um
Getreide in von der Ernährungskrise betroffene
Länder zu bringen. Dieses Getreide wur -
de von der Ukraine an das World Food Programme
gespendet. Österreich beteiligt sich
im Sinne seiner humanitären Tradition an
diesem außergewöhnlichen Akt der Solidarität,
der hier von der Ukraine gesetzt wird“,
erklärte Vizekanzler Werner Kogler.
Von den 5,5 Millionen Euro gehen je -
weils 1 Million Euro an das Welternährungsprogramm
der Vereinten Nationen (WFP) und
an das Internationale Komitee vom Roten
Kreuz (IKRK) sowie 500.000 Euro an österreichische
Nichtregierungsorganisationen in
Burkina Faso. Weitere 2 Millionen Euro ge -
hen an das Kinderhilfswerk der Vereinten
Nationen für Mali. Zur Linderung der weltweiten
Ernährungskrise spendet die Ukraine
dem WFP 125.000 Tonnen Getreide. Österreich
stellt dem WFP 1 Million Euro für den
Transport dieser Spende zur Verfügung, um
dieses Getreide zu den von der Nahrungsmittelkrise
besonders Betroffenen in afrikanischen
Ländern, Jemen, Syrien und Afghanistan
zu bringen.
„Die Sahelzone ist bereits von einem Tsunami
an Krisen getroffen, darunter Dürren
nie dagewesenen Ausmaßes, die Pandemie
und Terrorismus. Durch die globale Ernährungsunsicherheit,
verschärft durch den russischen
Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat
sich die humanitäre Lage nochmals zugespitzt.
Durch Hilfe vor Ort leistet Österreich
einen wirksamen Beitrag, die humanitären
Krisen in Burkina Faso, Mali und in anderen
von der akuten Krise hauptbetroffenen Re -
gionen zu bekämpfen“, so Außenminister
Alexander Schallenberg.
8 Millionen Euro für Syrien und Jordanien
Der seit mehr als zehn Jahren andauernde
Syrienkonflikt hat zu einer der weltweit
größten humanitären Krisen geführt. Die pre -
käre Lage vor Ort verschärft sich und eine
politische Lösung des Konfliktes ist nicht in
Sicht. Ein konsequenter Wiederaufbau der
zerstörten Infrastruktur sowie eine Wiederbelebung
der Wirtschaft werden so verunmöglicht.
Um das Leid in Syrien und seinem
Nachbarland Jordanien zu lindern und weitere
Migration in Richtung Europa zu unterbinden,
stellt die österreichische Bundesregierung
insgesamt 8 Millionen Euro aus dem
Auslandskatastrophenfonds (AKF) des Aussenministeriums
zur Verfügung. „Die humanitäre
Situation in Syrien bleibt auch nach
über einem Jahrzehnt von Tod, Zerstörung
und unaussprechlichem Leid verheerend. Die
Menschlichkeit gebietet, daß wir hier vor Ort
unbürokratisch helfen und den Menschen
sauberes Wasser, Strom und funktionierende
Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung
stel len. So soll auch verhindert werden, daß
sich noch mehr Menschen auf die gefährliche
Reise nach Europa machen und das
menschenverachtende Geschäft der Schlepper
weiter befeuert wird“, hielt der Außenminister
Außenminister Schallenberg ab -
schließend fest.
n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
55
Foto: BMEIA / Gruber
Außenminister Alexander Schallenberg beim OSZE Ministerrat in Łódź
Schallenberg beim Ministerrat der
Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa
Im polnischen Łódź fand am 1. und 2. De -
zember das Treffen der Außenminister der
OSZE-Teilnehmerstaaten statt.
Die Organisation für Sicherheit und Zu -
sammenarbeit in Europa hat zum Ziel, Konflikte
zu lösen und so ein friedliches Zusam -
menleben der über eine Milliarde Menschen
in den 57 Mitgliedsstaaten zu ermöglichen –
von Vancouver bis Wladiwostok. Weil
OSZE-Beschlüsse einstimmig gefällt werden
und Rußland seit Jahren blockiert, befindet
sich die Organisation in der Krise. So hat
Rußland beispielsweise die Beendigung der
OSZE-Beobachtermission in der Ukraine er -
zwungen. Ziel des Treffens war es daher,
trotz der Blockaden Rußlands Wege zu finden,
wie die OSZE ihre wichtige Arbeit für
Stabilität, Frieden und Demokratie fortsetzen
kann.
Für Außenminister Alexander Schallenberg
standen dazu neben der Plenarsitzung
bi laterale Gespräche mit den Außenministern
der Ukraine, des Vereinigten Königreichs,
Moldaus und Kasachstans sowie die Teilnah -
me an einem Side-Event zur „Beendigung
der Straflosigkeit Rußlands“ auf dem Programm.
„Wir müssen alles daransetzen, die OSZE
für den ,Tag danach‘ zu bewahren. Den Tag,
an dem die Diplomatie wieder Raum findet.
Wann auch immer dieser Tag sein wird. Spätestens
dann braucht es eine starke Organisation.
Denn die OSZE war nie ein Klub gleich -
gesinnter Staaten. Ich bedauere es deshalb
sehr, daß Rußland heute nicht vertreten ist.
Das ist ein sicherheitspolitisches Eigentor“
so Schallenberg in Łódź.
Bei einer Veranstaltung zur „Beendigung
der Straflosigkeit Rußlands und Gerechtigkeit
für die Opfer des Angriffskrieges“ unterstrich
der Außenminister die Unterstützung
Österreichs für unabhängige Untersuchungsmissionen
und Gerichte. Diese leisten einen
wichtigen Beitrag, um die Verantwortlichen
zur Rechenschaft zu ziehen und das Völkerrecht
durchzusetzen.
„Ich bin stolz darauf, daß Wien die UN-
Untersuchungskommission zur Ukraine be -
her bergt, daß wir ukrainische Ermittlungsbeamte
für Kriegsverbrechen ausbilden und
ausrüsten, und daß wir die Bemühungen des
Internationalen Strafgerichtshofs finanziell
und tatkräftig unterstützen“ betonte Schallenberg
in seiner Rede.
Die OSZE hat in den vergangenen Jahrzehnten
bedeutend zur Sicherheit, Bekämpfung
der organisierten Kriminalität und der
Stärkung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
in Europa und Zentralasien beigetragen.
Unter anderem war die Feldmission
in der Ukraine nach der völkerrechtswidrigen
Invasion der Krim ausschlaggebend
dafür, den Dialog zwischen den Konfliktparteien
aufrechtzuerhalten. Da Rußland
nun alle Aktivitäten der OSZE in der Ukraine
blockiert, braucht es neue, kreative Ansätze.
Diesbezüglich zeigte sich Schallenberg
bei seinem bilateralen Treffen mit dem
ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba
erfreut, daß die OSZE neue Wege geht. Lanciert
wurde u.a. ein Projekt zur Minenräumung,
Beseitigung von durch Angriffe entstandenen
Umweltschäden und zur psychologischen
Unterstützung der Zivilbevölkerung.
Als außerbudgetäres Projekt kann es
von Rußland nicht blockiert werden.
Trotz des russischen Angriffskriegs dürfen
auch andere Brandherde, die jederzeit
wie der aufflammen können, nicht aus den
Au gen gelassen werden. Dazu zählen die Si -
tuation in Transnistrien aber auch Fragen der
Rüstungskontrolle, der Menschenrechte und
des Klimawandels. Dazu tauschte sich der
Außenminister mit weiteren Amtskollegen
aus. Gegenüber seinem moldauischen Amtskollegen
Nicu Popescu zeigte er sich außerdem
über den klaren proeuropäischen Kurs
der moldauischen Regierung erfreut und
sagte ihm die Aufrechterhaltung der österreichischen
Unterstützung zu. Auch beim Ge -
spräch mit James Cleverly, dem Außenminister
des Vereinigten Königreichs, standen die
Folgen des russischen Angriffskriegs sowie
die Sicherheitskooperation im Fokus. n
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ITreffen der »Slavkov 3«
m slowakischen Château Béla traf Außenminister
Alexander Schallenberg am 3. De -
zember seine Amtskollegen aus der Slowakei,
Rastislav Káčer und Tschechien, Jan Li -
pavský im sogenannten „Slavkov 3“-Format.
Im Zentrum des Austausches am Rande des
GLOBSEC Forums standen die nach bar -
schaft liche Zusammenarbeit, die Auswirkungen
des russischen Angriffskriegs gegen
die Ukraine und die illegale Migration nach
Europa.
Die Krisen der letzten Jahre haben ge -
zeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit der
drei Nachbarstaaten ist. Während der Pandemie
ist es den „Slavkov 3“ dank enger Ab -
stimmung gelungen, den grenzüberschreitenden
Reiseverkehr aufrechtzuerhalten. Seit
fast zehn Monaten ist es nun der russische
Angriffskrieg, der die ungeteilte Aufmerksamkeit
der drei zentraleuropäischen Staaten
erfordert. Neben dem Umgang mit den Auswirkungen
des Angriffkrieges, besprachen
die Außenminister auch mögliche Perspektiven
in Richtung eines zukünftigen Friedensschlusses.
„Wir werden jede Lösung unterstützen,
die für die Ukraine akzeptabel ist und die zu
Frieden und dauerhafter Stabilität führt. Ich
bin nach wie vor der Meinung, daß eine dauerhafte
Lösung nur am Verhandlungstisch
herbeigeführt werden kann. Es wird an Präsident
Selenskyj und dem ukrainischen Volk
sein, die Umstände und Ausgestaltung einer
solchen festzulegen“, so Außenminister Alexander
Schallenberg.
Die drei Außenminister verurteilten abermals
die wiederholten russischen Angriffe
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
56
auf die ukrainische Infrastruktur, insbesondere
auf die Energie- und Lebensmittelversorgung,
aufs Schärfste und betonten die Be -
deutung eines geschlossenen Vorgehens der
EU-Mitgliedsstaaten gegenüber Rußland.
Dies ist besonders in Bezug auf die Energiepolitik
von Bedeutung nachdem der russische
Präsident weiterhin Kälte und Hunger als
Waffe einsetzt um den Widerstand der Ukra -
ine zu brechen und einen Keil zwischen die
Ukraine und ihre Verbündeten zu treiben.
Ein weiteres zentrales Gesprächsthema
der drei Außenminister war die zuletzt rasant
zunehmende Migration nach Europa. Dabei
verwies Schallenberg auf die Tatsache, daß
temporäre Kontrollen an den Binnengrenzen
zwischen Österreich und der Slowakei erforderlich
sind. Diese Tatsache alleine zeige, daß
das Schengensystem in seiner derzeitigen
Form gescheitert ist. Zudem konzentriere
sich die Europäische Kommission nur auf
die zentrale Mittelmeerroute, während die il -
legale Migration über den Balkan dramatisch
zugenommen hat.
„Wir hatten dieses Jahr rund 100.000
Asylanträge. Im September und Oktober
hatte Österreich die höchste Pro-Kopf-Belastung
aller EU-Mitgliedsstaaten. Von den
100.000 illegalen Migranten, die in Österreich
ankommen, sind rund 75.000 nicht in
einem anderen Schengen- oder assoziierten
Staat registriert worden. Das bedeutet, daß
drei von vier Personen durch einen oder meh -
rere sichere Staaten gereist sind, ohne registriert
zu sein. Das muß ein Weckruf für
Europa sein!“, unterstrich der Außenminister
die überproportionale Last die Österreich
trägt. In der Pressekonferenz im Anschluß an
das Treffen sprach er sich zudem dafür aus,
die Staaten des Westbalkans stärker in die
gemeinsame Vorgehensweise der EU einzubeziehen
und graduell in die EU zu integrieren.
Europa müsse endlich Flagge zeigen
und dürfe die Region nicht anderen Akteuren
überlassen.
Das Slavkov-Format, benannt nach dem
Ort seiner Entstehung im Jahr 2015, ist ein
Kooperationsformat zwischen Österreich,
der Slowakei und Tschechien. Der regelmässige
Austausch findet dabei auf allen politischen
Ebenen statt.
n
Italiens neuer Außenminister
Antonio Tajani zu Gast in Wien
Außenminister Schallenberg empfing am
7. Dezember seinen neuen italienischen
Amtskollegen Antonio Tajani zu einem bilateralen
Treffen in Wien. Neben dem Austausch
über die exzellenten bilateralen Be -
Foto: Slowakisches Außenministerium / Tomas Bokor
Foto: BMEIA
v.r.: Außenminister Alexander Schallenberg mit seine Amtskollegen aus der Slowakei,
Rastislav Káčer, und Tschechien, Jan Lipavský, im sogenannten „Slavkov 3“-Format
Außenminister Alexander Schallenberg mit seinem italienischen Amtskollegen Antonio Tajani
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ziehungen, standen das gemeinsamen Vorgehen
in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg,
die europäische Integration am Westbalkan
sowie der Kampf gegen illegale Mi -
gration im Zentrum des Gesprächs.
Das ausgezeichnete Verhältnis zwischen
Österreich und Italien spiegelt sich dabei be -
reits in der Tatsache wider, daß der erste
bilaterale Auslandsbesuch seit Amtsantritt
den italienischen Außenminister nach Wien
führte. Dies begrüßte Außenminister Schallenberg
und sprach von unschätzbarem Wert,
daß ein echter Europäer wie Antonio Tajani
an der Spitze der Außenpolitik eines wichtigen
europäischen Partners wie Italien stehe.
Neben einer engen Abstimmung auf europäischer
Ebene unterstrichen beide Außenminister
die Weiterentwicklung der Südtirol-
Au tonomie als besonderen Bereich der
Zusammenarbeit.
„Die Lösung der Volksgruppenfrage in
Südtirol, mit der Garantie für die Rechte der
deutschsprachigen Minderheiten, ist ein eu -
ropäisches Vorzeigemodell für ein friedliches
Zusammenleben in Europa und weltweit, das
etwa den Staaten des Westbalkans ein Vorbild
sein könnte“, betonte Schallenberg.
Weiters begrüßte der österreichische Aussenminister
die klare Haltung der neuen italienischen
Regierung an der Seite der Ukraine
und die scharfe Verurteilung des russischen
Aggressors. Denn gerade in den nächsten
Mo naten, so Schallenberg, sei Einigkeit und
strategische Geduld auf europäischer Ebene
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
57
unerläßlich. Nur so, als starke EU-27, könne
der Kampf der Narrative gegen die russische
Desinformation auch in anderen Weltregionen
gewonnen werden.
Die beiden Außenminister waren sich
zudem einig, daß mit dem Westbalkan in un -
mittelbarer geografischer Nähe sowohl Ös -
terreichs als auch Italiens wirtschaftliche
und politische Stabilität in der Region im In -
teresse beider Staaten ist. Schallenberg – wie
auch sein italienischer Amtskollege – hoben
dabei die Notwendigkeit hervor, Bosnien und
Herzegowina den Status einen EU-Kandidatenlandes
zuzuerkennen. Als Zeichen der So -
lidarität mit dem Westbalkan-Staat kündigten
die beiden Außenminister nach ihrem
Tref fen eine gemeinsame Reise nach Sarajewo
an.
Auch in puncto illegale Migration sprachen
sich die beiden Außenminister angesichts
des massiven Zustroms von Migranten
über die Balkan- und Mittelmeerroute für
europäische Lösungen sowie eine enge bilaterale
Abstimmung aus. Schallenberg versicherte
seinem Amtskollegen dabei, daß
Österreich die schwierige Situation Italiens
durch seine exponierte geografische Lage
verstehe. Er wies darauf hin, daß Österreich
pro Kopf zuletzt die höchsten Asylantragszahlen
EU-weit zu verzeichnen hatte.
„Die jetzige Situation ist unerträglich für
die österreichische und italienische Bevölkerung,
zumal in einer ohnehin herausfordernden
Zeit“, so Außenminister Schallenberg.
Zuletzt wurde der Alpentransitverkehr
zwischen Österreich und Italien über den
Brenner thematisiert. Auch diesbezüglich
hofft Schallenberg auf baldige konkrete Er -
gebnisse der Gespräche zwischen der EU-
Kommission, Deutschland, Italien und Öster -
reich. Um den Güterverkehr auf die Schiene
verlagern zu können, müssen zum einen der
Brennertunnel rasch fertiggestellt, zum an -
deren aber auch genügend Kapazitäten für
den Schienenausbau in Italien und Deutschland
geschaffen werden.
n
Nordmazedoniens Außenminister
Bujar Osmani zu Gast in Wien
Am 9. Dezember empfing Außenminister
Alexander Schallenberg seinen Amtskollegen
aus Nordmazedonien, Bujar Osmani, zu
einem Arbeitstreffen in Wien. Die beiden
Außenminister tauschten sich über den EU-
Erweiterungsprozeß, die Rolle der Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (OSZE) angesichts des russischen
An griffskrieges gegen die Ukraine sowie
Migrationsthemen aus.
Foto: BMEIA / Gruber
Außenminister Schallenberg mi seinem nordmazedonischen Amtskollegen Bujar Osmani
Eingangs versicherte Schallenberg seinem
Amtskollegen, daß Österreich in be -
währter Weise Nordmazedonien tatkräftig auf
seinem Weg zur EU-Vollmitgliedschaft un -
terstützen werde. Ein wichtiger Schritt in
dieser Hinsicht war die Billigung des Beitritts -
verhandlungsrahmens für Albanien und
Nordmazedonien durch den Rat der Europäischen
Union im Juli 2022. In diesem Zu -
sammenhang sprach sich Schallenberg für
einen graduellen EU-Beitrittsprozeß aus, der
in einer Vollmitgliedschaft der Beitrittskandidatenländer
münden würde.
„Ein stufenweises EU-Beitrittsmodell
würde es erlauben, die EU-Beitrittskandidaten
am Westbalkan informell wie Vollmitglieder
zu behandeln. Dies wäre ein wichtiges
Signal, das viel bewirken könnte, und
ein notwendiger Schritt, den EU-Beitrittsprozeß
mit neuem Leben zu erfüllen“, betonte
Schallenberg die Vorzüge des österreichischen
Vorschlags.
Neben Diskussionen über den Stand der
EU-Erweiterung tauschte sich der Außenminister
mit seinem Amtskollegen auch über
die Rolle der OSZE angesichts des russischen
Angriffskrieg aus. Das jüngste Treffen
des OSZE-Ministerrates in der polnischen
Stadt Łódź habe große Einigkeit einer Mehrheit
der teilnehmenden Staaten hinsichtlich
der Unterstützung der Ukraine verdeutlicht.
Die Wiederaufnahme der Aktivitäten der
Organisation im Land werde positive Auswirkungen,
etwa im Bereich der Entminung
und Umweltsanierung, mit sich bringen.
Gleichzeitig seien die zahlreichen Herausforderungen,
die die russische Aggression
für die zukünftige Funktionsweise der OSZE
bedeute, sichtbar geworden.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Mit Hinblick auf die derzeit wieder an -
steigenden Migrationsströme nach Europa
betonte Schallenberg Österreichs enge Ko -
operation mit Nordmazedonien im Bereich
des Migrationsmanagements. Eine effizienter
Schutz der EU-Außengrenzen setze voraus,
daß die Staaten des Westbalkans ihre Visapolitik
an jene der EU-Mitgliedsstaaten an -
gleichen.
n
Litauens Außenminister Gabrielius
Landsbergis zu Gast in Wien
Außenminister Alexander Schallenberg
begrüßte am 9. Dezember seinen Amtskollegen
aus Litauen, Gabrielius Landsbergis, zu
einem Arbeitstreffen in Wien. Im Mittelpunkt
des Austausches stand der russische
Angriffskrieg auf die Ukraine, insbesondere
die europäischen Unterstützungsleistungen
vor dem Hintergrund des herannahenden Win -
ters sowie die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen.
Zudem sprachen die beiden
Außenminister über aktuelle Entwicklungen
im Iran und steigenden Migrationsdruck.
Eingangs unterstrich Außenminister Alexander
Schallenberg die exzellenten Beziehungen
zwischen Österreich und Litauen und
bekräftigte seinen Wunsch, diese durch ei -
nen Ausbau der Handelsbeziehungen und ge -
genseitige Besuche weiter zu intensivieren.
Litauen habe sich zu einem wichtigen Akteur
in der europäischen Sicherheitsdebatte entwickelt.
Dies sei angesichts seiner Geschichte
und der geografischen Nähe mit Rußland
auch mit Hinblick auf die russische Aggression
gegen die Ukraine der Fall.
In diesem Zusammenhang verurteilten
die beiden Außenminister einheitlich, daß
die ukrainische Zivilbevölkerung mittler-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
58
Foto: BMEIA / Gruber
Außenminister Alexander Schallenberg und sein litauischer Amtskollege Gabrielius Landsbergis
weile zu einem Ziel des brutalen Angriffskrieges
der russischen Armee geworden sei.
„Wir verurteilen die fortgesetzten Akte
der Aggression Rußlands, einschließlich des
wiederholten, wahllosen Beschusses ziviler
Infrastruktur, auf das Schärfste. Dies ist in -
akzeptabel! Wir fordern Rußland auf, seine
Feindseligkeiten einzustellen und seine Trup -
pen unverzüglich und bedingungslos aus dem
gesamten Staatsgebiet der Ukraine abzuziehen“,
so Schallenberg, der angesichts des
herannahenden Winters mit seinem litauischen
Amtskollegen übereinstimmte, daß die
Bereitstellung humanitärer Hilfe für die
Ukraine unverzichtbarer denn je sei. Dabei
verwies er darauf, daß Österreich bereits
humanitäre Hilfe im Wert von über 87 Millionen
Euro, darunter die Lieferung von mehr
als 300 Strom- und Heizaggregate, an die
Ukraine und unmittelbar betroffene Nachbarstaaten
geleistet habe.
Weiters sprachen sich beide Außenminister
für die Notwendigkeit einer lückenlosen
Aufklärung und rechtlichen Verfolgung der
von russischer Seite begangenen Kriegsverbrechen
in der Ukraine aus. Ein Zeichen des
österreichischen Engagements sei diesbezü -
glich, daß die von den Vereinten Nationen
eingesetzte unabhängige internationale Un -
tersuchungskommission zur Ukraine, ihren
Sitz in Wien habe.
„“Wenn wir wollen, daß sich das internationale
Recht am Ende des Tages durchsetzt,
ist Rechenschaftspflicht von größter Bedeutung“,
so Außenminister Schallenberg.
Auch in Zusammenhang mit dem brutalen
Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte
gegen DemonstrantInnen im Iran waren
Foto: BMEIA / Gruber
sich die beiden Außenminister einig und forderten
eine unabhängige und glaubwürdige
Un tersuchung. Die exzessive Anwendung
von Gewalt gegen friedliche Protestierende
sei absolut inakzeptabel.
Abschließend tauschten sich die beiden
Außenminister über aktuelle Herausforderun -
gen im Bereich Migration aus. Österreich ist
so wie Litauen derzeit erhöhtem Migrationsdruck
in Form steigender Ankunftszahlen
ausgesetzt. Außenminister Schallenberg un -
terstrich, daß das Thema angesichts der ak -
tuellen Situation ganz oben auf der europäischen
Agenda stehen müsse. Der kürzlich von
der Europäischen Kommission vorgestellte
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Ak tionsplan für den Westbalkan sei ein er -
stes positives Signal, jedoch müßten nun
weitere konkrete Schritte folgen. n
Rat für Auswärtige Angelegenheiten
mit Schwerpunkt Iran
Außenminister Alexander Schallenberg
traf am 12. Dezember mit seinen Amtskol -
legInnen aus den EU-Mitgliedsstaaten zum
Rat für Auswärtige Angelegenheiten zusammen.
Auf der Tagesordnung standen die an -
haltende Gewalt gegen Demonstrierende im
Iran sowie die Drohnenlieferungen des Irans
an Rußland im Angriffskrieg gegen die
Ukra ine. Am Rande der Ratssitzung fand
zudem ein Arbeitsfrühstück im Zeichen der
Östlichen Partnerschaft statt.
Bereits im Vorfeld des Treffens verurteilte
Außenminister Alexander Schallenberg aufs
Schärfste die Hinrichtungen von Iranern, die
im Zusammenhang mit den landesweiten
Protesten festgenommen worden waren: „Die
Todesstrafe ist eine grausame und un -
menschliche Strafe, die gegen die Menschenwürde
verstößt. Österreich tritt deshalb
entschieden gegen die Todesstrafe auf. Leider
erleben wir aber einen Iran im Rück -
wärtsgang, wo Menschenrechte mit Füßen
getreten und Personen unter fadenscheinigen
Gründen hingerichtet werden. Der iranischen
Führung muß klar sein, daß wir hier nicht
tatenlos zusehen. Frauenrechte sind Menschenrechte,
und diese gelten auch im Iran“,
so der Außenminister.
Im Rahmen der Ratssitzung beschlossen
die EU-AußenministerInnen einstimmig wei -
Außenminister Alexander Schallenberg beim Rat für Auswärtige Angelegenheiten in Brüssel
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
59
tere Sanktionen gegen den Iran. Diese zielen
einerseits auf jene Personen ab, die mit der
gewaltsamen Unterdrückung im Iran in Verbindung
stehen, andererseits auf die Lieferungen
iranischer Kampfdrohnen an Russland.
So ist es laut Außenminister Alexander
Schallenberg auch völlig inakzeptabel, daß
sich der Iran zum Handlanger des russischen
Aggressors im Krieg gegen die Ukraine
macht.
Unter Einbindung des ukrainischen Aussenministers
Dmytro Kuleba behandelten
die MinisterInnen darüber hinaus die Beziehungen
der EU zu Rußland. Dabei verwies
der Außenminister darauf, daß der russische
Präsident Putin Kälte und Hunger als Waffe
einsetzt. Dieser beabsichtige damit den
Widerstandswillen der ukrainischen Bevölkerung
zu brechen, neue Fluchtbewegungen
auszulösen und so die europäische Einheit zu
gefährden. Österreichs Priorität liege deshalb
umso mehr auf humanitären Hilfsleistungen
für die ukrainische Zivilbevölkerung.
Weiters konstatierte Schallenberg, daß
der Angriffskrieg die Beziehungen dahingehend
verändert habe, daß Kontakte zu Rußland
auf bilateraler und europäischer Ebene
weniger geworden seien.
Nichtsdestotrotz be kannte er sich zu der
Notwendigkeit, Rußland in multilateralen
Fora einzubinden: „Rußland wird nicht von
der Landkarte verschwinden. Ein völliges
Abbrechen jeglicher Kontakte wäre nicht nur
kontraproduktiv, sondern auch brandgefährlich.
Nur anhand offener Gesprächskanäle
können wir Rußland im direkten Gespräch
mit den verheerenden globalen Auswirkungen
der russischen Aggression konfrontieren.“
Am Rande des Treffens tauschten sich die
Ministerinnen und Minister im Rahmen der
Östlichen Partnerschaft auch mit ihren
Amtskollegen aus Armenien, Aserbaidschan,
Moldau, Georgien und der Ukraine bei ei -
nem informellen Arbeitsfrühstück aus. Ge -
genstand der Diskussionen waren die Ankurbelung
von Reformen in Staaten in Osteuropa
und im Südkaukasus sowie die Gewährleistung
der Sicherheit in diesen Regionen
im Kontext des russischen Angriffskriegs. n
https://www.bmeia.gv.at/
Beschluß des Ministerrates über die
Besetzung von Leitungsfunktionen im Ausland
Auf Antrag von Außenminister Alexander
Schallenberg wurde in der Sitzung
des Ministerrates vom 7. Dezember die Neubesetzung
von mehreren österreichischen
Ver tretungsbehörden beschlossen.
Die Betrauung mit den genannten Leitungsfunktionen
erfolgt nach Einholung des
erforderlichen Agréments des Empfangsstaates
und nach Ausstellung des Beglaubigungsschreibens
durch den Bundespräsidenten.
Es wurde vorgeschlagen, folgende Personen
mit Leitungsfunktionen im Ausland zu
betrauen:
m Gesandte Dr.in Marieke Zimburg mit
der Leitung der Österreichischen Botschaft
Amman,
m Gesandte Mag.a Gabriele Juen, LL.M.
mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Ankara,
m Botschafter Mag. Jürgen Meindl mit der
Leitung der Österreichischen Botschaft
Brüssel,
m Botschafter Mag. Dr. Thomas Oberreiter
mit der Leitung der Ständigen Vertretung
Österreichs bei der Europäischen Union
in Brüssel,
m Gesandte Mag.a Elisabeth Kögler mit
der Leitung der Österreichischen Botschaft
Canberra und Mitakkreditierung
als ao. u. bev. Botschafterin in der Republik
Fidschi, in der Republik Kiribati, in
der Republik Marshallinseln, in den
Föderierten Staaten von Mikronesien,
in der Republik Nauru, in Neuseeland,
im Unabhängigen Staat Papua-Neuguinea,
in den Salomonen, im Unabhängigen
Staat Samoa, im Königreich
Tonga, in Tuvalu und in der Republik
Vanuatu,
m ao. und bev. Botschafterin Mag.a Melitta
Schubert mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Dublin,
m Gesandten Dr. Herbert Pichler mit der
Leitung der Österreichischen Botschaft
Helsinki,
m ao. und bev. Botschafter Mag. Dr. Gerhard
Zettl mit der Leitung des Österreichischen
Generalkonsulates Hongkong,
m ao. und bev. Botschafter Mag. Georg
Postinger mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Kairo und Mitakkreditierung
als ao. u. bev. Botschafter im
Staat Eritrea und in der Republik
Sudan,
m Legationsrätin Mag.a Bernadette Klösch
mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Lettland mit Sitz in Wien,
m Gesandte Mag.a Renate Kobler mit der
Leitung der Österreichischen Botschaft
Lima und Mitakkreditierung als ao. u.
bev. Botschafterin im Plurinationalen
Staat Bolivien,
m Botschafter Mag. Bernhard Wrabetz mit
der Leitung der Österreichischen Botschaft
London,
m Botschafterin Mag.a Dr.in Karin Proidl
mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Luxemburg,
m ao. und bev. Botschafter Mag. Wolfgang
Strohmayer mit der Leitung des Österreichischen
Generalkonsulates Mailand,
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
m Gesandten Mag. Christophe Ceska mit
der Leitung der Österreichischen Botschaft
Maskat und Mitakkreditierung als
ao. u. bev. Botschafter in der Republik
Jemen,
m Gesandte Mag.a Dr.in Susanne Bachfischer
mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Nikosia,
m ao. und bev. Botschafter Dr. Johannes
Wimmer mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Pressburg,
m Gesandten Mag. Georg Schnetzer mit
der Leitung der Österreichischen Botschaft
Pristina,
m ao. und bev. Botschafter Dr. Oskar
Wüstinger mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Riyadh,
m ao. und bev. Botschafter Mag. Georg
Diwald mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Sarajewo,
m Botschafter Mag. Martin Pammer mit
der Leitung der Österreichischen Botschaft
Skopje,
m Gesandte Mag.a Barbara Grosse, E.MA
mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Tripolis,
m Legationsrat Mag. Dr. Clemens Koja
mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Usbekistan mit Sitz in Wien
und
m Botschafterin MMag.a DDr.in Petra
Schneebauer mit der Leitung der Österreichischen
Botschaft Washington und
Mitakkreditierung als ao. u. bev. Botschafterin
im Commonwealth der Bahamas.
n
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Maori-Delegation übernahm
Überreste ihrer Vorfahren
60
Das Naturhistorisches Museum Wien gab Gebeine Angehöriger
der Māori und Moriori an Aotearoa, Neuseeland zurück
Foto: Naturhistorisches Museum Wien/APA-Fotoservice/F.-Roßboth
Foto: Naturhistorisches Museum Wien/APA-Fotoservice/F.-Roßboth
Die Zeremonie im Naturhistorischen Museum Wien
Parone Gloyne (Māori Kulturexperte, Te Papa)
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Am 27. September wurden im Rahmen
einer feierlichen Repatriierungs-Zere -
mo nie im Naturhistorischen Museum Wien
Gebeine Angehöriger der Māori und Moriori
nach Aotearoa, Neuseeland, zurückgegeben.
Das Karanga Aotearoa Repatriation Program -
me führt die Rückführung von Über resten
von Māori und Moriori aus den Sammlun -
gen des Naturhistorischen Mu seums Wien
durch. Dieses Projekt wird in Partnerschaft
zwischen dem Te Papa Tongarewa Museum
(Wellington), dem Naturhistorischen Mu -
seum Wien, der österreichischen Bundesregierung
und der neuseeländischen Botschaft
in Wien durchgeführt.
Bei der offiziellen Übergabe sprachen
Mr. Parone Gloyne (Māori cultural expert,
Te Papa), Arapata Hakiwai (Māori co-leader,
Te Papa) und S.E. Botschafter Brian Hewson
(neuseeländische Botschaft in Österreich).
Ös terreich und das NHM Wien waren vertreten
durch Jürgen Meindl (Leiter der Sektion
Kunst und Kultur, Bundesministerium für
Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und
Sport), Katrin Vohland (Generaldirektorin
des NHM Wien) und Prof. Sabine Eggers
(Anthropologin, NHM Wien). Bei den an -
schließenden Präsentationen und der Po -
diumsdiskussion sprachen auch Te Herekiekie
Herewini (Karanga Aotearoa), Te Ariki -
rangi Mamaku-Ironside (Karanga Aotearoa),
Arapata Hakiwai (Te Papa), Paraone Gloyne
(Te Papa), Ngahuia Kopa (Te Papa) und Hi -
nemoana Baker (Te Papa).
Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea
Mayer bezeichnet die Rückgabe von Ancestral
Remains der Māori und Moriori an
Aotearoa/Neuseeland als wichtigen Schritt
für die Anerkennung geschehenen Unrechts,
welches durch umsichtige Provenienzrecherchen
belegt werden konnte. „Einen weiteren
Schritt in diese Richtung gehen wir mit dem
Beratungsgremium für Objekte aus kolonialen
Kontexten. Ziel ist es, einen sensiblen
Um gang mit Sammlungen österreichischer
Bundesmuseen aus kolonialen Kontexten zu
entwickeln. Ein zeitgemäßer und dialogischer
Zugang steht dabei im Vordergrund.“
Katrin Vohland, Generaldirektorin und wissenschaftliche
Leiterin des Naturhistorischen
Museums Wien, betonte die Bedeutung
des Vorhabens und seine Wichtigkeit für
alle Beteiligten. „Ich bin beeindruckt, wie sehr
der Rückführungsprozeß von dem Wunsch
nach Versöhnung getragen wird, und freue
mich, daß wir zum Heilungsprozeß beitragen
können“, so Vohland. „Ich bin dankbar
für die Möglichkeit, die Beziehungen zwischen
Österreich und Neuseeland auf wissenschaftlicher
und persönlicher Basis vertrauensvoll
wachsen zu lassen.“
Zur Repatriierung
Mit der Rückgabe von menschlichen
Überresten soll das ethische und moralische
Unrecht anerkannt werden, welches durch
rücksichtlose Sammlungspraktiken entstanden
ist. Sterbliche Überreste indigener An -
gehöriger wurden zudem unter Mißachtung
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
61
ihrer Welt- und Wertvorstellungen außer Lan -
des geschafft. Sie wurden anthropometrisch
untersucht, rassialisiert und nicht selten öf -
fentlich zur Schau gestellt. Dadurch wurden
sie ihrer Identität als Vorfahren der lebenden
Gesellschaften beraubt und zu Museumobjekten
degradiert. Das Ziel der Repatriierung
menschlicher Überreste aus musealen Samm -
lungen ist die Rehumanisierung und somit
die damit einhergehende Wiederherstellung
der individuellen Würde der Verstorbenen
und ihrer wichtigen Rolle als Identitätsspender
heutiger Gesellschaften.
Provenienzrecherche
Bei den menschlichen Überresten aus Neu -
seeland (kōiwi tangata / kōimi tchakat), die
im 19. Jahrhundert in das NHM Wien eingegliedert
wurden, handelt es sich um Schädel
von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen,
Männern und Frauen.
Eingeleitet wurde dieser Prozeß durch
das Te Papa Museum, Wellington, welches
im Auftrage der neuseeländischen Regierung,
weltweit Repatriierungen initiiert und koordiniert.
Nach intensiver interdisziplinärer
Pro venienzrecherche über die Herkunft der
Gebeine ist davon auszugehen, daß diese
gegen den Willen der indigenen Māori /
Moriori Gesellschaft aus deren Grabstätten
entwendet wurden. Sie gelangten auch durch
Handel und Tausch sowie als Geschenk in
die osteologische Sammlung des NHM Wien.
Zu diesem Schluß gelangt die gemeinsam
von einem großen Team an WissenschaftlerIn -
nen und StudentInnen der Anthropologischen
Abteilung des NHM Wien in Zusammenarbeit
mit WissenschaftlerInnen des Te Papa
Museums durchgeführte Provenienzrecherche.
Aufgrund der daraus resultierenden und
im Gutachten hervorgegangenen Ergebnisse
sowie mit dem Verweis auf internationale
Ethikstandards (wie insbesondere Art. 12 der
United Nations Declaration on the Rights of
Indigenous Peoples) und den Empfehlungen
des Te Papa Museums befürwortet die Republik
Österreich daher ausdrücklich die Repatriierung
dieser kōiwi tangata / kōimi tchakat.
Im Zuge dieser Repatriierung wird auch
das Sparkling Science Projekt „Kolonialis -
mus heute!? Was hat das mit mir zu tun?“
gestartet. Ziel ist es, gemeinsam mit Schü -
lerIn nen zu untersuchen, was koloniale Kontexte
mit aktuellen Fragen, zum Beispiel der
Biodiversität oder globaler Ungleichheit, zu
tun haben. Der Besuch der SchülerInnen bei
der Repatriierungszeremonie war gleichzeitig
Projektauftakt.
https://www.nhm-wien.ac.at
Die Maori und Österreich –
eine komplizierte Beziehung
*) Univ.Prof. Hermann Mückler ist Präsident der
Anthropologischen Gesellschaft in Wien, sowie
Präsident des Dachverbands aller österreichischausländischen
Gesellschaften-PaN
Von Hermann Mückler *)
Die beiden neuseeländischen Maori
Wiremu Toetoe Tumohe und Hemara
Te Rerehau Paraone gelangten mit der ös -
terreichischen Fregatte Novara im Zuge von
deren Weltreise der Jahre 1857-1859 von
Aotearoa (Neuseeland) nach Triest und
weiter nach Wien, wo sie in den Jahren
1859 und 1860 lebten und arbeiteten. Sie
waren damit die ersten Indigenen der Doppelinsel
Neuseelands, die den Weg nach
Österreich fanden. Das Interesse an den
bei den polynesischstämmigen Maori war
damals in Wien groß. Hohe und höchste
Kreise buhlten darum, sie als Gäste einladen
und ausfragen zu können. Zahlreiche
Artikel der „Wiener Zeitung“ geben Zeugnis
von jedem Detail ihres Aufenthalts und
ihres Verhaltens. Anläßlich ihrer Heimfahrt
über London wurden sie mit einer Drukkerpresse
beschenkt, zu deren Nutzung sie
in der Österreichischen Staatsdruckerei da -
vor schon eine Lehre absolviert hatten. Die -
se Druckerpresse wurde in Neuseeland be -
rühmt, da mit ihr die Zeitung „Te Hookioi“
in Maori gedruckt wurde. Für lange Zeit
blieben die beiden Maori die einzigen,
wel che Österreich besuchten, während zur
glei chen Zeit zahlreiche Schädel und Knochen
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
– der Hochblüte der Epoche an -
thropologischer Schädelvermessungen –
ihren Weg nach Wien fanden.
Zu jenen Österreichern, die im 19. Jahrhundert
den Weg nach Neuseeland fanden,
zählte der zwar in Deutschland geborene,
aber in Österreich wirkende Geologe, Na -
tur forscher und Entdecker Ferdinand Hoch -
stetter sowie der oberösterreichische Forschungsreisende,
Ethnograph und Ornithologe
Andreas Reischek. Beiden war man
seitens der Maori mit Entgegenkommen be -
gegnet. Hochstetter trug entscheidend zur
Erschließung bis dato geologisch unkartierter
Gebiete Neuseelands bei. Reischek
jedoch mißbrauchte die Gastfreundschaft,
die ihm sogar Ausnahmegenehmigungen
und das Vertrauen des Maori-Königs Tawhiao
eingebracht hatte, auf seiner Suche
nach ethnologisch interessanten Objekten
so wie „human remains“. Er raubte, zum
Teil mit Unterstützung von einheimischen
Maori, Werkzeuge, Schmuck, Schnitzereien,
menschliche Knochen, 37 Schädel
und zwei Mumien aus alten, verbotenen
Grabhöhlen und brachte sie nach Europa.
In seinem Tagebuch sowie in einer Veröffentlichung
seines Sohnes brüstete er sich
der Methoden, die er anwandte, um an die
Gegenstände zu gelangen. Seit diese Tatsache
den Maori durch die Recherchen des
Neuseeländers Michael King bewußt wur -
de, ebbte die Kritik an dieser Vorgehensweise
von Seiten der Maori nicht mehr ab.
In jüngerer Zeit stellten diese zwi -
schenzeitig in mehreren Museen beheima -
teten Objekte Reischeks zunehmend eine
Bürde dar, deren Besitz mit einem zeitgemäßen,
ethisch und moralisch vertretbaren
Umgang nicht vereinbar ist. Bereits 1985
übergab das damalige Völkerkundemuseum
Wien die beiden Mumien an eine
neuseeländische Delegation, die diese in
ihre Heimat überführten.
Im Jahr 2015 schließlich wurden die
restlichen human remains des zwischenzeitig
Weltmuseum Wien genannten ethnologischen
Museums im Rahmen einer
berührenden Zeremonie an eine Delegation
von Maori übergeben.
Nun fand dieser Akt der Heimholung
menschlicher Überreste von Maori auch
im Naturhistorischen Museum Wien, welches
ebenfalls zahlreiche Schädel und Kno -
chen beherbergte, seine Umsetzung. Hier
kam es nun am 27. September zu einer
feierlichen und ergreifenden Zeremonie, in
der eine sechsköpfige Maori-Delegation
des Te Papa Tongareva die Überreste ihrer
Vorfahren entgegennahm, um diese mit
nach Hause zu nehmen. Damit findet ein
un rühmliches Kapitel einer bilateralen Be -
ziehungsgeschichte seinen überfälligen,
aber versöhnlichen Abschluß und es kann –
und wird – ein neues Kapitel in den österreichisch-neuseeländischen
Beziehungen
aufgeschlagen, wie es die Redner beider
Länder bei der Zeremonie mehrmals be ton -
ten.
n
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Plus 45 % bei Einbürgerungen
… von Jänner bis September – fast 30 % sind Nachkommen von NS-Opfern
In den ersten drei Quartalen 2022 wurde
die österreichische Staatsangehörigkeit an
11.155 Personen verliehen, darunter an
3.017 (27,0 %) Personen mit Wohnsitz im
Ausland. Damit gab es laut Statistik Austria
um 45,3 % mehr Einbürgerungen als von Jän -
ner bis September 2021 (7.676 Einbürgerungen)
bzw. um 46,6 % mehr als im Vergleichszeitraum
vor Beginn der COVID-19-Pandemie
2019 (7 610 Einbürgerungen).
„Das kräftige Einbürgerungsplus von
45,3 % im Vergleich zu den ersten drei Quartalen
des Vorjahres geht hauptsächlich auf
die Einbürgerungen von NS-Opfern und de -
ren Nachkommen zurück, die fast 30 % der
von Jänner bis September 2022 neu Eingebürgerten
ausmachen“, so Tobias Thomas,
Generaldirektor von Sta- tistik Austria.
Unter dem Rechtstitel §58c StbG haben
politisch Verfolgte des NS-Regimes und de -
ren Nachkommen die Möglichkeit einer Einbürgerung,
ohne im Gegenzug ihre bisherige
Staatsangehörigkeit aufgeben zu müssen.
Von Jänner bis September 2022 erhielten
3.022 Personen (davon leben 2.992 im Ausland)
nach §58c die österreichische Staatsangehörigkeit,
das entspricht 27,1 % aller Einbürgerungen
dieser drei Quartale. Personen,
die unter diesem Titel eingebürgert wurden,
sind am häufigsten Angehörige folgender drei
Staaten: Israel (1.182 bzw. 10,6 % aller in
den ersten neun Monaten 2022 Eingebürgerten),
Vereinigte Staaten (718 bzw. 6,4 %) und
Vereinigtes Königreich (640 bzw. 5,7 %). Aus
anderen Gründen Eingebürgerte (insgesamt
8.133 Personen von Jänner bis September
2022) waren zuvor am häufigsten Staatsan ge -
hörige Syriens (834 bzw. 7,5 %), der Türkei
(810 bzw. 7,3 %) sowie Bosnien und Herzegowinas
(614 bzw. 5,5 %). Die Hälfte der
Einbürgerungen in den ersten drei Quartalen
2022 entfiel auf Frauen (50,6 %), rund ein
Drittel waren Minderjährige (31,4 %). Fast
ein Viertel der neu Eingebürgerten wurde in
Österreich geboren (2.683 bzw. 24,1 %).
In acht Bundesländern wurden von Jänner
bis September 2022 mehr Personen eingebürgert
als im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Die relativen Zuwächse waren in Vor -
arlberg (+47,4 % auf 426 Einbürgerungen)
am höchsten, gefolgt von Kärnten (+46,0 %
auf 419), Wien (+33,6 % auf 3 290) und der
Steiermark (+31,0 % auf 740). Im Burgenland
(-7,6 % auf 121) gab es im Vergleich
zum Vorjahr weniger Einbürgerungen. Auch
im Vergleich zu den ersten drei Quartalen
2019, vor der Covid-19-Pandemie, gab es in
sieben Bundesländern mehr Einbürgerungen,
angeführt von Kärnten (+86,2 % auf
419 Einbürgerungen). Nur in Wien (-2,2 %
auf 3.290) und in Oberösterreich (-4,9 % auf
993) gab es im Vergleich zu 2019 weniger
Einbürgerungen.
Fast drei Viertel aller Einbürgerungen in
den ersten neun Monaten 2022 erfolgten aufgrund
eines Rechtsanspruchs (8.061 Personen
bzw. 72,3 %). Darunter wurden 3.950
Per sonen nach mindestens sechsjährigem
Wohnsitz in Österreich und aus besonders
berücksichtigungswürdigen Gründen eingebürgert
(z. B. nachgewiesene Deutschkenntnisse
und nachhaltige Integration, Geburt in
Österreich, EWR-Staatsangehörigkeit oder
asylberechtigt – §11a, Abs. 4, Abs. 6 sowie
Abs. 7), 3 022 politisch Verfolgte und deren
Nachkommen (§58c, Abs. 1 bis Abs. 6), 484
Personen aufgrund der Ehe mit eine:r Österreicher:in
(§11a, Abs. 1 und Abs. 2) sowie
361 Personen aufgrund eines mindestens 15-
jährigen Wohnsitzes in Österreich und nachhaltiger
Integration (§12, Abs. 1, Z. 1). Weitere
697 Personen erhielten die Staatsangehörigkeit
im Ermessen (6,2 %), darunter 675
Personen nach mindestens zehnjährigem
Einbürgerungen in den ersten drei Quartalen 2022
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
62
Wohnsitz (§10, Abs. 1). Unter dem Titel Er -
streckung der Verleihung wurden zusammen
2.397 Personen bzw. 21,5 % eingebürgert,
davon 303 EhegattInnen (§16) und 2.094
Kinder (§17).
Die Statistik der Einbürgerungen basiert
auf den Angaben aus den rechtskräftigen Be -
scheiden der Ämter der Landesregierungen
Ös terreichs über die Verleihung der Staatsbürgerschaft
und wird im Auftrag des Bun -
des ministeriums für Inneres durchgeführt. Die
Statistik der Einbürgerungen dokumentiert
sämtliche durch Willenserklärung des Erwer -
bers und nachfolgenden Behördenakt bewirkte
Arten des Erwerbs der Staatbürgerschaft
nach StbG 1985, idF Novelle 2022 (§§ 10
bis 17, 25, 57, 58c und 64a), nicht hingegen
die automatischen Erwerbsarten wie Geburt
oder Legitimation eines nichtehelichen Kindes.
Die Einbürgerungsstatistik umfaßt so -
wohl Einbürgerungen von in Österreich als
auch von im Ausland wohnhaften Personen.
Bei den Einbürgerungen nach §58c (politisch
Verfolgte und deren Nachkommen gilt
als statistisches Wirkungsdatum der Einbürgerung
das Bescheid-Ausstellungsdatum und
nicht das Datum des Einlangens der Anzeige
bei der Behörde. Diese Einbürgerungen be -
treffen überwiegend Personen mit einem
Wohnsitz im Ausland.
n
https://www.statistik.at
Quelle: Statistik Austria, Statistik der Einbürgerungen. Vorläufige Ergebnisse. 1) Paragraph des StbG 1985, idF Novelle
2022 in Kraft ab 01.05.2022; Ermessen: §10 – Anspruch: §§ 11a, 12–14, 25, 57, 58c, 64a – Erstreckung: §§ 16, 17. Alle
Paragraphen kommen nur bei Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für eine Einbürgerung zur Anwendung.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / Burgenland
Sicherung des Naturraums
Neusiedler See
63
LH Doskozil und Ungarns Innenminister Pintér einigen sich auf weiteren Fahrplan
Nach der Unterzeichnung eines Memorandum
of Understanding (MoU) Ende
Juli mit dem ungarischen Außenminister
Péter Szijjártó traf Landeshauptmann Hans
Peter Doskozil am 5. Dezember den ungarischen
Innenminister Sándor Pintér in Budapest
zu einem Arbeitsgespräch, das neben an -
deren Themen die nachhaltige Sicherung des
Naturraums Neusiedler See – Seewinkel zum
Inhalt hatte. Konkret ging es um den Ausbau
des Moson-Donau-Bewässerungskanals von
Jánossomorja bis zur Staatsgrenze mit dem
Ziel, den Wasserstand zu stabilisieren und das
sensible Ökosystem der Region langfristig
abzusichern. Bei dem Gespräch einigten sich
Doskozil und Pintér darauf, eine bilaterale
Expertengruppe bis Jänner vertiefende technische
Umsetzungsdetails auf der Basis vorliegender
Konzepte erarbeiten zu lassen, be -
ton te der Landeshauptmann nach dem Ge -
spräch: „Diese Expertengruppe tritt noch
Mitte Dezember zu einer weiteren Sitzung
zusammen. Für Jänner haben wir das nächste
Treffen auf politischer Ebene vereinbart,
bei dem wir auf der Basis der Expertenvorgaben
einen konkreten Zeit- und Umsetzungsplan
fixieren wollen.“
Das Gespräch sei freundschaftlich und
konstruktiv verlaufen, man konnte sich hinsichtlich
der weiteren Vorgangsweise in
wichtigen Punkten einigen: „Bekanntlich
sind wir bereits seit längerem in Abstimmung
mit Ungarn. Das gestrige Gespräch hat uns
einmal mehr deutlich vor Augen geführt, daß
wir an einem Strang ziehen müssen, wenn es
um die Erhaltung unserer einzigartigen und
vielfältigen Naturlandschaft geht“, erklärte
Doskozil: „Parallel prüfen wir, wie bereits
kommuniziert, aber auch andere Varianten
weiter – eine innerösterreichische Lö sung
und auch ein mögliches gemeinsames Projekt
mit der Slowakei. Es ist durchaus möglich,
daß wir auch eine Kombination der vorliegenden
Optionen umsetzen, um den er -
hofften Effekt für die Wasserstandsicherung
zu erzielen. Das Land ist mit Nachdruck
dahinter, den Naturraum Neusiedler See –
Seewinkel abzusichern – nicht zuletzt im
Hinblick auf seine wirtschaftliche und touristische
Bedeutung.“
Foto: Ungarisches Innenministerium
Landeshauptmann Hans Peter Doskozil beim Arbeitsgespräch mit Ungarns Innenminister
Sándor Pintér in Budapest
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Für Infrastrukturlandesrat Heinrich Dorner,
der aus gesundheitlichen Gründen nicht
am Treffen in Ungarn teilgenommen hat,
wurde nun ein wesentlicher Schritt gesetzt,
um beim Thema Zuleitung endlich „Nägel
mit Köpfen zu machen“. Dorner: „Für uns ist
wichtig, daß jetzt richtig Tempo in die Ge -
spräche reinkommt und wir bald Klarheit ha -
ben, welche Lösung am zielführendsten ist
und in den nächsten Jahren umgesetzt werden
kann.“ Seitens des Landes habe man
bereits Mitte Oktober mit den umfassenden
Arbeiten zur Schlamm- und Schilfbeseitigung
begonnen, um den Wasserstand am Neusiedler
See zu stabilisieren, so der Landesrat. Im
Rahmen des Vorhabens soll in den kommenden
zehn Jahren insgesamt eine Million Ku -
bikmeter Nassschlamm aus dem See geholt
werden. Zudem steht die Instandhaltung und
Neuerrichtung von Schilfkanälen zur Ge -
währleistung eines Wasseraustausches zwischen
der offenen Wasserfläche und dem
Schilfgürtel im Mittelpunkt „Auch das ist
ein wichtiger Mosaikstein, um einer drohenden
Austrocknung des Sees gegenzusteuern
und das Naturjuwel Seewinkel in seiner Einzigartigkeit
zu erhalten“, betonte Dorner. n
https://www.burgenland.at/
Grenzüberschreitende Bildungskonferenz
Die Förderung der Mehrsprachigkeit
durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit
war das Ziel der vor drei Jahren gestarteten
gemeinsamen INTERREG V-A Projekte
BIG_inn AT-HU und BIG_ling SK-AT.
Mit dabei waren vier österreichische, zwei
ungarische und vier slowakische Partner,
weitere neun strategische Partner waren eingebunden.
Bei der Abschlußkonferenz mit
Bildungsdirektor Heinz Josef Zitz und 80 Bil -
dungsexpertInnen aus den Partnerländern so -
wie weiteren 83 online zugeschalteten TeilnehmerInnen
aus Wien, NÖ und dem Burgenland
als auch aus Deutschland, der Slowakei
und Ungarn am 1. Dezember im Kultur-
und Kongresszentrum in Eisenstadt wurden
die Ergebnisse der Zusammenarbeit vorgestellt.
Die Veranstaltung wurde vom Land
Burgenland und der Bildungsdirektion Burgenland
organisiert.
Die Ergebnisse der Zusammenarbeit wurden
bei der Abschlußkonferenz im KUZ Ei -
senstadt präsentiert.
n
https://www.bildung-bgld.gv.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / Kärnten
Europaweit erster staatenübergreifender
Zollkorridor
64
Zollkorridor Hafen Triest und Villach/Fürnitz ist die Realisierung einer politischen
Jahrhundertvision, von der noch nachkommende Generationen profitieren werden
Foto: BKA / Andy Wenzel
Im Rahmen eines Festaktes wurden im Finanzministerium in Wien die notwendigen Vereinbarungen zum Zollkorridor.unterzeichnet.
Ein EU-weit einzigartiger Zollkorridor In Verbindung mit der von Kärnten und der ein europäisches Vorzeigeprojekt in Kärnten
zwischen dem Hafen in Triest und dem Steiermark vorangetriebenen Entstehung umgesetzt, mit dem wir die Weichen stellen,
Logistik Center Austria Süd (LCAS) in Villach/Fürnitz
geht im Dezember in den Pi -
lotbe trieb. Im Rahmen eines Festaktes im
Finanzministerium in Wien unterzeichneten
Landeshauptmann Peter Kaiser und Finanzmister
Magnus Brunner am 1. Dezember die
notwendigen Vereinbarungen. Die Republik
Italien war durch Botschafter Stefano Beltrame
vertreten. Von der Wirtschaftskammer
Kärnten war Präsident Jürgen Mandl, von
der ÖBB CEO An dreas Matthä zugegen. Der
Hafen Triest wurde durch Geschäftsführer
Zeno D’Agostino repräsentiert.
„Mit der heutigen Unterzeichnung für
einen Zollkorridor zwischen dem Hafen
Triest und dem Logistikzentrum Villach,
schreiben wir – schreibt Kärnten – einmal
mehr Geschichte“, stellte Kaiser klar. „Wir
stellen heute im wahrsten Sinne des Wortes
die Weichen für die Realisierung des ersten
Zollkorridors in Europa. Kärnten wird damit
noch enger mit seiner bereits vielfach kooperierenden
Partnerregion Friaul zusammenrücken.
Wir schaffen damit einen weiteren
international hell erstrahlenden Leuchtturm,
der viele Arbeitsplätze, Betriebsansiedelungen
eines gemeinsamen durch die Koralmbahn
verbundenen Wirtschaftsraum Süd, mit 1,1
Millionen Einwohnern dem größten nach
Wien, ist der Zollkorridor Hafen Triest und
Villach die Realisierung einer politischen
Jahrhundertvision, von der noch nachkommende
Generationen profitieren werden",
sagte der Landeshauptmann.
Finanzminister Magnus Brunner bezeichnete
den neuen Zollkorridor als ein absolutes
Vorzeigeprojekt im Logistik- und Zollbereich,
das EU-weit einzigartig ist. „Durch
ihn werden der Wirtschaftsstandort Österreich
und unsere Position als Binnenland ge -
stärkt. Die Sendungen, die über uns zolltechnisch
abgewickelt werden, werden im nächsten
Schritt nicht nur im Inland, sondern nach
ganz Europa versendet. Österreich kann sich
damit als Logistik-Drehscheibe und Angelpunkt
für den Warenverkehr in ganz Europa
positionieren. Mein Dank gilt allen Beteiligten,
die dieses Projekt mit jahrelangem En -
gagement vorbereitet haben“, so Finanzminister
Brunner.
Für Wirtschafts- und Logistiklandesrat
Sebastian Schuschnig ist der Zollkorridor
um Kärnten im Herzen des Alpen-Adria-
Raumes als EU-weite wirtschaftliche Drehscheibe
zu positionieren. Kärnten liegt am
Schnittpunkt von zwei europäischen Verkehrsachsen,
mit der direkten und unbürokra -
tischen Anbindung des Logistikcenter
Austria Süd in Villach/Fürnitz an den Hafen
in Triest erhält der gesamte Wirtschaftsraum
ein europaweit einzigartiges Alleinstellungsmerkmal.
Gemeinsam mit der Koralmbahn,
einem weiteren Jahrhundertprojekt für den
Standort, wird Kärnten für Unternehmensansiedelungen
hoch attraktiv und erhält völlig
neue wirtschaftliche Chancen, um Wert -
schöp fung und Arbeitsplätze in der Region
zu schaffen“, betonte Schuschnig und verwies
darauf, daß durch die Verlagerung der
Güterströme auf die Schiene ein wichtiger
Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet wird.
Die Vorteile des Zollkoridors für unser
südliches Nachbarland erörterte Botschafter
Stefano Beltrame. „Italien erwartet sich mit
diesem Zollkorridor durch die geographisch
günstige Lage des Hubs in Villach ein Vorzeigeprojekt
für die weitere verbesserte Einbindung
der italienischen Häfen in den
bringen, neue Wirtschaftskooperationen ein wirtschaftlicher Meilenstein für den Binnenmarkt.“
n
ermöglichen und Wohlstand schaffen wird. Wirtschaftsstandort Kärnten. „Es wird damit https://www.ktn.gv.at/
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / Niederösterreich
Austausch mit der
Region Ile-de-France
65
LH Mikl-Leitner: Mit vielen unserer Initiativen sind wir Vorbild in ganz Europa
Foto: NLK / Pfeiffer
Gespräche zur Unterzeichnung der gemeinsamen Absichtserklärung zwischen Niederösterreich und der Region Ile-de-France in St- Pölten
Über zwölf Millionen EinwohnerInnen Thema Entsiegelung von Boden vereinbart, gesteigert werden kann“, betonte sie. Auch
zählt die französische Region Ile-de- so Mikl-Leitner.
in ihrer Region habe das Thema Entsiegelung
France, ihr Zentrum ist die französische
Hauptstadt Paris. Am 29. November war die
Präsidentin des Regionalrates der Region Ilede-France,
Valerie Pecresse, zu Gast im Land -
haus in St. Pölten. Nach einem Arbeitsgespräch
mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-
Leitner und Landesrat Martin Eichtinger und
dem intensiven Austausch über Themen wie
erneuerbare Energie, Klimaschutz und Mo -
bilität wurde gemeinsam eine Absichtserklärung
zu diesen Inhalten unterzeich net.
„Das Thema Klimaschutz beschäftigt uns
alle, da gilt es global zu denken und regional
zu handeln“, betonte die Landeshauptfrau im
Anschluß an das gemeinsame Arbeitsgespräch.
Niederösterreich könne hier ganz
viel Know-How weitergeben, zeigte sie sich
überzeugt: „Mit vielen unserer Initiativen
sind wir Vorbild in ganz Europa.“ Besonderes
Interesse zeigte die französische Delegation
etwa am niederösterreichischen Ausbauprogramm
für Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie
Ein wichtiges Thema des Arbeitsgespräches
war auch die Mobilität, hielt die Landeshauptfrau
weiter fest: „Hier stehen wir
vor einer sehr ähnlichen Ausgangslage“, be -
zog sie sich auf die großen Ballungsräume
sowie die ländlichen Gebiete, die es in beiden
Regionen gebe. Mikl-Leitner berichtete
im Zuge des Zusammentreffens mit der Präsidentin
des Regionrates Ile-de-France von
den Investitionen Niederösterreichs im Öf -
fentlichen Verkehr und wie man auch die
Digitalisierung – etwa in Form von Apps –
für moderne Mobilitätslösungen nutzen
wolle.
Niederösterreich sei vor allem auch im
Bereich der erneuerbaren Energie sehr weit,
hob Valerie Pecresse im Zuge des Arbeitsgespräches
hervor. In ihrer Region sei man „in
diesem Bereich erst am Start“. Darum sei
man sehr interessiert an den niederösterreichischen
Erfolgen im Bereich Solarenergie,
Windenergie und Biomasse. Konkret wolle
eine große Bedeutung, berichtete sie
hier von intensiven Bemühungen, nicht mehr
genutzte Flächen der Natur zurückzuführen.
Unterzeichnet wurde abschließend eine
„Absichtserklärung zugunsten eines internationalen
Engagements der Regionen, subnationalen
Regierungen und Ballungsräume für
die Mobilisierung von Klimaressourcen“.
Ziele der Absichtserklärung sind: Fachwissen
über öffentliche Maßnahmen zur Bekämpfung
des Klimawandels und des Verlusts der
biologischen Vielfalt zu teilen und zu bündeln;
gemeinsam mit internationalen Institutionen,
internationalen Spendern und Entwicklungsagenturen
zu handeln, um den Zu -
gang der lokalen Behörden zu privaten und
öffentlichen Mitteln zu verbessern, damit sie
die massiven Investitionen tätigen können,
die für die Anpassung an den Klimawandel
erforderlich sind. Darüber hinaus plant die
Region Ile-de-France im Jahr 2023 zu einem
Gipfeltreffen der subnationalen Behörden zu
und Biomasse. Einen „intensiven man auch Erfahrungen sammeln, „wie die diesen Themen zusammenzukommen. n
Informationsaustausch“ habe man auch zum Akzeptanz für erneuerbare Energieformen https://www.noel.gv.at/
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / Oberösterreich
OÖ Menschenrechtspreis 2022
Landeshauptmann Thomas Stelzer überreichte die Auszeichnungen
an Josefa Anna Fasching und Tom Zuljevic-Salamon
66
Foto: Lan OÖ / Peter Mayr
Landeshauptmann Thomas Stelzer mit der Preisträgerin Josefa Anna Fasching und dem Preisträger Tom Zuljevic-Salamon
Die Preisträger zeigen eindrucksvoll, daß
humanitäres Engagement viele Gesichter
haben kann. Der Einsatz für die ärmsten
Menschen dieser Welt und für jene Menschen,
die es besonders schwierig im Leben
haben, beweist das hohe Engagement der
Zivilbevölkerung selbst in schwierigen Zeiten“,
gratulierte Landeshauptmann Thomas
Stelzer. Seit 1996 verleiht das Land OÖ rund
um den 10. Dezember den Menschenrechtspreis,
seit 2018 in einem Intervall von zwei
Jahren, mit einem Preisgeld in Höhe von
20.000 Euro dotierr, die sich die Preisträ -
gerInnen teilen.
„Zum 25. Mal sagen wir heute Danke an
besonders verdiente Landsleute für ihr Engagement
für die Menschenrechte. Dieses
Danke-Sagen knüpfen wir traditionell an den
10. Dezember, dem Jahrestag der Proklamation
der Allgemeinen Menschenrechte durch
die Vereinten Nationen. Dieser Tag soll uns
daran erinnern, daß Menschenrechte zu -
gleich das Höchste, aber auch verletzlichste
Gut sind, über das wir Menschen verfügen.
Als deutliches Zeichen unserer Solidarität
und unseres Versprechens, uns für diese
große Idee einzusetzen, holen wir Organisationen
und Einzelpersonen vor den Vorhang“,
betonte der Landeshauptmann bei der
Verleihung im Linzer Landhaus.
Der OÖ Menschenrechtspreis 2022 ging
an Josefa Anna Fasching aus Waldhausen im
Strudengau, nominiert vom Roten Kreuz
Oberösterreich und an Tom Zuljevic-Salamon
aus St. Leonhard bei Freistadt, nominiert
von Volkshilfe und pro mente Oberös -
terreich: „Die Preisträger zeigen eindrucksvoll,
daß humanitäres Engagement viele Ge -
sichter haben kann. Der Einsatz für die ärmsten
Menschen dieser Welt und für jene Men -
schen, die es besonders schwierig im Leben
haben, beweist das hohe Engagement der
Zivilbevölkerung selbst in schwierigen Zeiten.
Ich danke für Ihre Tatkraft, ihren Einsatz
und vor allem Ihren Mut“, gratulierte Stelzer.
Josefa Anna Fasching
engagiert sich als freiberufliche Hebamme in
Guinea, einem der ärmsten afrikanischen
Län der, wo sie bereits viele Jahre auf eigene
Kosten tätig ist. Bereits vor 25 Jahren hat sie
im Rahmen von „Ärzte ohne Grenzen“ in
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Afrika gearbeitet; seither leistet sie Hilfe in
verschiedensten kleineren Krankenhäusern.
Unter anderem hat sie dabei 2015 das Projekt
„FROUKI“ ins Leben gerufen, das in
der dort üblichen Landessprache „für gesunde
Mütter und gesunde Kinder“ bedeutet. Im
Rahmen dieses Projektes hält sie Vorträge,
sammelt Spenden von verschiedensten Institutionen
und Privatpersonen, die sie für eine
bessere Ausstattung der Gesundheitseinrichtungen
vor Ort einsetzt. Unter anderem organisiert
sie Hilfstransporte und sorgt dafür,
daß mit Hilfe von Spendengeldern ein Trinkwasserbrunnen
gegraben oder eine Solaranlage
installiert werden konnte.
Seit 17 Jahren ist sie als Hebamme aktiv.
Die Basis ihrer Arbeitseinsätze bildet die
Schulung und Fortbildung der Hebammen
und des Krankenhauspersonals vor Ort. Insbesondere
geht es ihr darum, werdenden
Müt tern eine Geburt in Würde und Sicherheit
zu ermöglichen. Josefa Anna Fasching
ist Mitglied des Advanced Medical Post Team
des Roten Kreuzes, ein Bereich, in dem sie
sich laufend weiterbildet, um bei Auslands-
Hilfseinsätzen tätig sein zu können.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Tom Zuljevic-Salamon
ist mit einer Reihe von Projekten seit Jahren
dafür im Einsatz, anderen Menschen, die es
aus verschiedenen Gründen schwerer im
Leben haben, nachhaltig zu helfen. In Oberösterreich
war er etwa beim Aufbau eines
Modellprojekts für Straßensozialarbeit in
Kombination mit Kulturarbeit für Jugendliche
in Linz tätig, baute Inklusionsprojekte in
Oberösterreich mit dem Ziel auf, Menschen
mit gesundheitlichen Einschränkungen oder
sozialen Anpassungsstörungen zu stabilisieren,
zu rehabilitieren und schlussendlich zu
integrieren. In der eigenen Landwirtschaft
hat er Menschen mit erheblichem Unterstützungsbedarf
aufgenommen. International hat
er Initiativen im Rahmen der weltweiten
„Clubhaus“-Bewegung für Menschen mit
psychiatrischen Behinderungen gesetzt. Er
war beim Aufbau von insgesamt 26 sozialökonomischen
Beschäftigungsangeboten für
Menschen mit Behinderungen in den Regionen
Nordost- und Nordwestrumäniens tätig,
bei der Entwicklung und Durchführung eines
Modellprojekts zur Implementierung europäischer
sozialpsychiatrischer Behandlungsstandards
in osteuropäischen Ländern, und
sorgte für den Aufbau und die Begleitung
eines „Essen auf Räder“ Projektes, um die
Versorgung von alleingebliebenen alten,
gebrechlichen Menschen in Nordmoldawien
zu gewährleisten. Nicht zuletzt ist er Initiator
und Koordinator von mehreren Projekten
zur Unterstützung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen,
die in der Republik Moldawien
Zuflucht gefunden haben.
Es ist ihm unter anderem gelungen,
gleich nach Ausbruch des Krieges ein Welcome-Center
für Flüchtlinge aus der Ukraine
zu errichten. In der Region Edinet wurden
500 Unterkunftsplätze für Familien organisiert.
Derzeit läuft der Aufbau von 12 Holzhäusern,
um weitere Flüchtlingsfamilien aus
der Ukraine aufnehmen zu können.
Dank auch an zwei Jurymitglieder
„Ich möchte mich aber auch bei jenen
bedanken, die im Vorfeld dieses Preises tätig
sind. In diesem Jahr gilt dieser Dank ganz
besonders zwei Persönlichkeiten, die sich
nach langjähriger verdienstvoller Arbeit aus
der Jury zurückziehen“, so Landeshauptmann
Thomas Stelzer abschließend. So war Elisabeth
Rosenberger aus der Friedensgemeinde
St. Ulrich Mitglied der Gründungsjury und
seit 25 Jahren in der Jury tätig. Christian
Schörkhuber, Geschäftsführer der Volkshilfe
OÖ war seit 24 Jahren Mitglied der Jury. n
https://www.land-oberoesterreich.gv.at/
Österreich, Europa und die Welt / Oberösterreich
Foto: Land OÖ / Max Mayrhofer Foto: Land OÖ / Max Mayrhofer
ORF-Friedenslicht in
Bethlehem entzündet
Nach pandemiebedingter Pause konnte
heuer wieder eine Delegation – angeführt
von Landeshauptmann Thomas Stelzer
– nach Bethlehem reisen. In der Geburtsgrotte
Jesu wurde das traditionelle Friedenslicht
von der zwölfjährigen Sarah Noska aus
Altenberg entzündet. Diese liebgewonnene
Weihnachtstradition erinnert in vielen Ländern
der Erde an die Friedensbotschaft, die
in Bethlehem bei der Geburt Christi verkündet
wurde. Angesichts der derzeitigen kriegerischen
Handlungen ist das Friedenslicht
ein wichtiges Symbol, aber auch ein Appell
an uns alle, daß Frieden keine Selbstverständlichkeit
ist.
Landeshauptmann Thomas Stelzer mit Sarah Noska in Bethlehem …
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
67
Auf dem Programm standen zudem u.a.
das traditionelle Zusammentreffen mit den
AltoberösterreicherInnen in Tel Aviv, Ge -
spräche mit dem Minister für Diaspora-An -
gelegenheiten Nachman Shai, dem Gouverneur
von Bethlehem Kamal Ahmed Hassan
Amid und dem Bürgermeister von Bethlehem
Hanna S. Hanania sowie die (dritte)
Verlängerung des Kulturabkommens zwischen
dem Staate Israel und dem Land Oberösterreich
für die Jahre 2022-2027.
Am 14. Dezember wurde das Friedenslicht
an Papst Franziskus überreicht, der das
Symbol des Weihnachtsfriedens im Rahmen
einer Generalaudienz in Rom empfing. n
… und bei der Übergabe des Friedenslichts an Papst Franziskus im Vatikan
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Die vorläufigen Zahlen der Salzburger
Landesstatistik sprechen eine klare
Sprache: 13.833.967 Nächtigungen wurden
in Salzburg zwischen dem 1. Mai und 31.
Ok tober verzeichnet. Noch nie zuvor gab es
so viele Nächtigungen in diesem Zeitraum,
die bisher beste Sommersaison aus 2019 –
noch vor Corona – wurde um rund 60.000
übertrof fen, das Vorjahr 2021 um zwei Millionen.
Haslauer: Salzburg steht
für Gastfreundschaft
„Gastfreundschaft, Qualität und auch
Sicherheit sind wichtige Faktoren bei der
Wahl des Urlaubslandes. Salzburg garantiert
alle diese Aspekte, familiär geführte Betriebe
und unberührte Natur vervollständigen un ser
einzigartiges Angebot. Gäste aus nah und
fern haben sich in dieser Sommersaison, die
mit einem wettermäßig goldenen Oktober zu
Ende ging, einmal mehr davon überzeugen
können“, so Landeshauptmann Wilfried
Haslauer.
Österreich, Europa und die Welt / Salzburg
Sommersaison: neuer Topwert
Auf Grund der letzten Zwischenbilanz war es bereits absehbar, inklusive
der Oktober-Zahlen ist es nun offiziell: Noch nie zuvor wurden in einer
Sommersaison so viele Nächtigungen in Salzburg verzeichnet.
Oktober rundete Sommerergebnis ab
Rund 1,3 Millionen Nächtigungen wurden
im Oktober, der sich heuer von seiner
besonders sonnigen und warmen Seite ge -
zeigt hat, gezählt. Auch dieser Wert wurde
bisher noch nie erreicht. Erfreulich ist in diesem
Zusammenhang vor allem das „Comeback“
des Stadttourismus in der Landeshauptstadt
mit mehr als 250.000 Nächtigungen,
was rund ein Viertel über dem Oktober
des Vorjahres liegt.
Bezirke im Vergleich
Der Pinzgau ist der Bezirk mit den meisten
Übernachtungen, es waren in der abgelaufenen
Sommersaison mehr als 5,6 Millionen.
An zweiter Stelle folgt der Pongau mit
rund 4 Millionen Nächtigungen. Die Stadt
Salzburg (1,7 Millionen) und der Flachgau
(1,45 Millionen) reihen sich dahinter ein. Im
Tennengau wurden 566.000 Nächtigungen
verzeichnet, im Lungau waren es rund
480.000.
Mehrheit der Gäste aus Deutschland
Es waren vor allem die Nachbarn aus
Deutschland, die die abgelaufene Saison so
erfolgreich ausfallen ließen. Mehr als 6 Mil -
lionen und 44,8 Prozent der Nächtigungen
68
gingen auf das Konto von Gästen aus der
Bundesrepublik. Urlaub daheim war ebenfalls
sehr beliebt, auf Österreicherinnen und
Österreicher aus allen Bundesländern fiel
mehr als ein Viertel aller Nächtigungen. Daß
die Niederländer nicht nur gerne Schi fahren,
beweisen mehr als 800.000 Nächtigungen
im Sommer.
Wintersaison vielversprechend
Auch der Blick auf die bevorstehende
Wintersaison ist vielversprechend. „Wir wa -
ren in den vergangenen Wochen intensiv in
unseren wichtigsten Herkunftsmärkten un -
terwegs und haben dabei eine sehr positive
Stimmung wahrgenommen. Diesen Eindruck
untermauert die zum aktuellen Zeitpunkt
sehr gute Buchungslage – sowohl in
der Stadt Salzburg als auch in den Wintersportregionen.
Es zeigt sich, daß die Menschen
ein großes Bedürfnis nach Winter- und
Skiurlaub haben, wir erwarten hier auch
noch Nachholeffekte aus den vergangenen
Jahren“, informiert Leo Bauernberger, Ge -
schäftsführer der SalzburgerLand Tourismus
Gesellschaft.
n
https://www.salzburg.gv.at/
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / Steiermark
Ungarischer Botschafter überbrachte
Ferenc Puskás-Fußball
69
… in Erinnerung an den ungarischen Volksaufstand im Jahr 1956 und zum Dank für
die Hilfe der steirischen Bevölkerung für die aus dem Nachbarland Geflüchteten
Mit einem besonderen Geschenk für die
Steiermark stellte sich der ungarische
Botschafter Andor Nagy gemeinsam mit
Honorarkonsul Rudi Roth am 28. November
bei Landeshauptmann Christopher Drexler
in der Grazer Burg ein: Nagy übergab das
Re plikat eines Fußballs aus den 1950er-Jahren
mit der Originalunterschrift der ungarischen
Stürmer-Legende Ferenc Puskás
(1927 – 2006). Puskás hielt sich im Zuge seiner
Emigration nach dem Ungarischen
Volksaufstand 1956 eine Zeit lang in Graz
auf, bevor er seine Fußballkarriere ab 1958
bei Real Madrid fortsetzen konnte.
Im Zuge des Besuchs unterstrichen der
Landeshauptmann und der Botschafter die
traditionell guten Beziehungen zwischen der
Steiermark und Ungarn und erinnerten an
die Geschehnisse im Herbst 1956, als im
Zuge der Niederschlagung des Ungarischen
Volksaufstandes tausende Flüchtlinge aus
Un garn auch in der Steiermark landeten und
hier versorgt wurden. Eine große Welle der
Hilfsbereitschaft erfaßte damals ganz Österreich,
das selbst noch die Folgen des Zweiten
Weltkriegs zu bewältigen hatte und erst
ein Jahr zuvor seine Unabhängigkeit nach
der Besatzungszeit wiedererlangt hatte.
„Die Geschehnisse des Herbst 1956, an
die wir heute erinnern, sind von großer historischer
Bedeutung für Ungarn und Europa:
Der letztlich von der Roten Armee brutal
niedergeschlagene Volksaufstand der Ungarinnen
und Ungarn war ein erstes starkes
Foto:
v.l.: Botschafter Andor Nagy, Landeshaiuptmann Christopher Drexler und Honorarkonsul Rudi
Roth mit dem Ferenc Puskás-Fußball in der Grazer Burg.
Zeichen des Widerstandes gegen die kommunistischen
Regime Ostmitteleuropas, die
Jahrzehnte später in die Revolutionen und
demokratischen Umbrüche des Jahres 1989
mündeten“, unterstreicht Drexler. „Die steirische
Bevölkerung setzte im Jahr 1956 ein
großes Zeichen der Solidarität, das für im -
mer ein verbindendes Band zwischen Ungarn
und der Steiermark sein wird. Heute sind
unsere bilateralen Beziehungen von freundschaftlichem
Austausch und enger wirtschaftlicher
Kooperation zum Nutzen beider
Seiten geprägt“, so der Landeshauptmann.
Mit dem Ferenc Puskás-Ball wird an ein
wenig bekanntes Detail im Leben des Fußball-Weltstars
der 1950er- und 1960er-Jahre
erinnert: Puskás konnte nach der gewaltsamen
Niederschlagung des Volksaufstandes
nicht nach Ungarn zurückkehren und entschied
sich für die Emigration. Einen Teil
seiner 18monatigen-Sperre durch den Internationalen
Fußballverband FIFA, die von
Ungarn bewirkt worden war, lebte Puskás in
Graz. Nach Ablauf der Sperre setzte Puskás,
der als herausragender Stürmer seiner Zeit
gilt, 1958 seine erfolgreiche Karriere bei
Real Madrid fort, wo er diese mit dem dreimaligen
Gewinn des Europapokals der Landesmeister
krönte.
n
https://www.kommunikation.steiermark.at/
Foto: Creative Commons Attribution 2.0 Generic License / photog_at
Flüchtlinge in Ungarn auf dem Fußweg zur österreichischen Grenze entlang der Autópálya M1
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / Tirol
Euregio-Monitor 2022
Bekanntheitsgrad der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino steigt weiter
Alle zwei Jahre führt die Euregio Tirol-
Südtirol-Trentino eine Bevölkerungsumfrage
durch. Die letzte fand im September
2021 statt und umfaßte 1.500 Personen,
je 500 pro Region. Nun wurde sie als „Euregio-Monitor
2022 Die Europaregion Tirol-
Südtirol-Trentino in Corona-Zeiten – Ergebnisse
einer Bevölkerungsbefragung“ am 12.
Dezember im Euregio-Infopoint in Innsbruck
vorgestellt. Die aktuelle Umfrage zeigt, daß
90 Prozent der befragten Bevölkerung die Zu -
sammenarbeit wichtig findet und regelmäßig
informiert werden will. Auch während der
Co ronapandemie fand die Euregio Beachtung
für ihr Handeln.
„Elf Jahre nach ihrer Gründung ist es der
Euregio gelungen, den großen Wert der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und
deren Beitrag zum Wachstum unserer drei
Länder aufzuzeigen“, betont der derzeitige
Euregio-Präsident und Trentiner Landeshauptmann
Maurizio Fugatti. „Die Öffnung
und Annäherung der Euregio an die Bürgerinnen
und Bürger, auch durch die Analyse
von Projekten und deren konkrete Auswirkung
auf das Leben beweist, daß die Euregio
keine abstrakte Einrichtung ist, sondern in
vielen Bereichen Einfluß nehmen und Neuerungen
einführen kann.“
Tirols Landeshauptmann Anton Mattle
betont: „Dank des Euregio-Monitors lassen
sich die Ergebnisse der Arbeit der vergangenen
Jahre auch in Zahlen messen. In Tirol ist
der Bekanntheitsgrad der Euregio von 53
Prozent im Jahr 2013 auf rund 82 Prozent im
Jahr 2021 gestiegen – das ist ein deutliches
Signal dafür, daß sich der Einsatz für die Eu -
roparegion lohnt und daß die Euregio stark
ist. Während der Tiroler Präsidentschaft und
trotz der herausfordernden Pandemiejah re
wurde die Europaregion neu aufgestellt,
damit sie Projekte schneller, effizienter und
vor allem mit einer größeren Beteiligung der
Bürgerinnen und Bürger umsetzen kann und
die Menschen spüren, daß die Europaregion
einen Mehrwert für alle darstellt. Das zeigt,
daß wir am richtigen Weg sind.“
Besonders erfreulich sei dabei, daß 86
Pro zent der TirolerInnen die Zusammenarbeit
der drei Länder als „sehr wichtig“ bzw.
„wichtig“ einschätzen. Insgesamt halten
rund 90 Prozent der Befragten die Zusam -
menarbeit der drei Regionen für sehr wichtig
Foto: Land Tirol / Huldschiner
Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (Mitte) mit den beiden Autoren des Euregio-Monitors,
Christian Traweger (links) und Günther Pallaver
bzw. wichtig, vor allem in den Bereichen
Verkehr, Tourismus, Wirtschaft, Umwelt und
Bildung.
Landeshauptmann Arno Kompatscher:
„Südtirols Bevölkerung hat die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit in der Europaregion
von Anfang an breit mitgetragen. Der
Anteil der Südtirolerinnen und Südtiroler, der
die Europaregion kennt, ist nun laut Euregio-
Monitor um einen weiteren Prozentpunkt auf
87 Prozent angestiegen. Zumal Südtirol
Brückenland zwischen Tirol und dem Trentino
ist, zwischen deutsch-österreichischem
und italienischem Sprach-, Kultur- und Wirtschaftsraum,
ist das Interesse der Südtiroler
Bevölkerung für euregionale Themen be son -
ders hoch. Dies nehmen wir als Auftrag, die -
se wichtige Zusammenarbeit weiter zu stärken.“
Zusammenarbeit während
der Corona-Pandemie
Aufgrund der besonderen Herausforderungen
während der Tiroler Euregio-Präsidentschaft
2019 bis 2021 wurden im Rahmen
des Euregio-Monitors auch nach den
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die
Europaregion gefragt.
„Dabei zeigt sich, daß die Bevölkerung
den Einsatz der drei Landeshauptleute
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
70
besonders schätzte, seien es die regelmäßigen
Abstimmungen, die ge meinsame Beschaffung
von Schutzausrüstung, die Übernahme
von IntensivpatientInnen und -patienten oder
der Einsatz für Erleichterungen beim Grenzübertritt
für Pendelnde und Familienangehörige“,
so Mattle.
Wunsch nach Information
über die Euregio
Der Wunsch nach regelmäßiger Berichterstattung
über die jeweils anderen Mitgliedsländer
der Euregio ist sehr groß. Die
Umfrage ergab, daß sich 53 Prozent der Ti -
roler Befragten regelmäßig bzw. einigermassen
über Südtirol informieren, jedoch nur 28
Prozent über das Trentino. 75 Prozent der be -
fragten SüdtirolerInnen informieren sich re -
gelmäßig bzw. einigermaßen über Tirol und
70 Prozent über das Trentino, während sich
60 Prozent der befragten TrentinerInnen re -
gelmäßig bzw. einigermaßen über Tirol und
70 Prozent über Südtirol informieren. Die
Informationsquellen sind dabei die regionalen
Medien, das Internet und die Sozialen
Medien, aber auch Gespräche mit Familienangehörigen
und Bekannten.
n
https://www.tirol.gv.at/
DerEuregio-Monitor zum Download
https://www.europaregion.info/euregio/projekte/soziales-gesellschaft/euregio-monitor/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / Vorarlberg
IBK setzt klare Arbeitsschwerpunkte
für die Zukunft
71
Landeshauptmann Markus Wallner nahm an der Regierungschefkonferenz
der Internationalen Bodensee-Konferenz in Herisau teil
Foto: Land Vorarlberg / Erich Brassel
Gruppenfoto von der IBK-Regierungschefkonferenz in Herisau mit Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (3. v.r.)
Am Ende ihres Jubiläumsjahres zum 50-
jährigen Bestehen richtete die Internationale
Bodenseekonferenz (IBK) am 9. De -
zember bei den Arbeitsgesprächen ihren Blick
klar nach vorne, wie Vorarlbergs Landeshauptmann
Markus Wallner bestätigte: „In
wichtigen Zukunftsfragen ist ein grenzüberschreitendes
und koordiniertes Vorgehen
wichtiger denn je. Die neue IBK-Strategie
2023-2027 trägt dem Rechnung – wir setzen
damit klare Arbeitsschwerpunkte für die
kommenden Jahre.“
Im Zentrum stehen vor allem zwei Themen:
das Fokusthema „nachhaltige Mobilität
über die Grenzen“ und das Querschnittsthema
„Jugend braucht Zukunft“. Zu beiden
gibt es jeweils konkrete umzusetzenden In -
halte, wie Wallner bestätigte. Betreffend die
nachhaltige Mobilität sind das vor allem der
Schienenpersonenverkehr von der regionalen
bis zur internationalen Ebene, weiters die
Abstimmung von Kommunikation, Tarifen
und Vertrieb sowie die Klimaneutralität auf
dem Bodensee und der grenzüberschreitende
Austausch. Als zentrale Vorhaben nannte
Wall ner das Projekt Bodanrail 2045, die In -
stitution öffentlicher Verkehr Bodenseeraum
und die Klimaneutralität auf dem Bodensee.
Weiters zählt dazu auch die Regierungskommission
Bodensee. Diese behandelt Fragen
der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
in der Bodenseeregion, die von der IBK
nicht alleine gelöst werden können, sondern
den Einbezug der nationalstaatlichen Ebene
erfordern. Außerdem soll – nach pandemiebedingtem
Stillstand – die Internationale E-
Charta einen Relaunch erfahren und die
Zusammenarbeit der Akteure im Bereich der
Elektromobilität und das Lernen aus Best
Practices noch besser fördern.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Verwaltungsakademie Bodensee 2023-
2025 und Arbeitsgruppe Bildung
Im Bereich Bildung standen vor allem
zwei Punkte auf der IBK-Tagesordnung.
Zum Ersten war das die Verwaltungsakademie
Bodensee 2023-2025. Sie soll grenzübergreifend
tätige Verwaltungskräfte mit
Grundwissen über die IBK und die Nachbarregionen
(Staatsaufbau, Verwaltungsorganisation)
versorgen. Mit diesem Wissen ausgestattet
können die Verwaltungsmitarbeitenden
die unterschiedlichen politischen und
rechtlichen Rahmenbedingungen und Strukturen
der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
in ihrer täglichen Arbeit besser verstehen,
berücksichtigen und richtig umsetzen.
Die Akademie soll aus drei Modulen mit ge -
samthaft drei Fortbildungstagen verteilt auf
drei Semester abgehalten werden. Eine erste
Testphase des Moduls 1 hat im November
2022 stattgefunden, nunmehr soll eine dreijährige
Pilotphase starten, in der alle Module
umgesetzt werden.
Darüber hinaus wurde die Einrichtung
der Arbeitsgruppe Bildung beschlossen, die
ein vielversprechendes Bildungsprojekt zur
ländervergleichenden politischen Bildung ko -
ordinieren wird. Im Fokus steht dabei die Un -
terstützung von Schulen, Lehrpersonen und
SchülerInnen (15-19 Jahre) bei der Bearbeitung
von ländervergleichenden Fragenstellungen
der politischen Bildung. Für die Um -
setzung zeichnet die PH Thurgau verantwortlich.
Internationale Bodensee-Konferenz
Die Internationale Bodensee-Konferenz
ist die gemeinsame Plattform der Regierungen
der Länder und Kantone Bayern und Ba -
den-Württemberg, Fürstentum Liechtenstein,
Schaffhausen, Zürich, Thurgau, St.Gallen, Ap -
penzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden
und Vorarlberg. Ziel der IBK ist es, die
Bodenseeregion als attraktiven Lebens-, Na -
tur-, Kultur- und Wirtschaftsraum zu er halten
und zu fördern. Gleichzeitig soll die regionale
Zusammengehörigkeit gestärkt werden.
Sie bildet den Kern eines breit ge fächerten
Netzwerkes der grenzüberschreitenden Zu -
sammenarbeit in der Bodenseeregion. n
https://vorarlberg.at/
https://www.bodenseekonferenz.org
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / Wien
Bürgermeister Ludwig in Brüssel
Wiens Bürgermeister war am 5. und 6. Dezember als aktueller Vorsitzender der
Landeshauptleute-Konferenz in Brüssel, um die Anliegen der österreichischen
Bundesländer mit EntscheidungsträgerInnen der EU-Institutionen zu erörtern.
So standen Gespräche mit Parlamentspräsidentin
Roberta Metsola, EP-Vizepräsidentin
Evelyn Regner, dem Ersten Vizepräsidenten
der Europäischen Kommission,
Frans Timmermans, sowie Kommissar Nicolas
Schmit auf dem Programm. Darüber hinaus
traf Michael Ludwig mit dem Brüsseler
Bürgermeister Philipp Close zusammen –
zwischen den beiden Hauptstädten bestehen
seit vielen Jahren ausgezeichnete Beziehungen.
Zahlreiche Beschlüsse der Landeshauptleute
vom 2. Dezember in Wien richten sich
nicht nur an die österreichische Bundesregierung,
sondern betreffen auch den europäischen
Gesetzgeber. Daher sprach Bürgermeister
Ludwig mit EVP Timmermans die be -
sondere Rolle der Regionen bei der Umsetzung
des Europäischen Grünen Deals an.
Die Landeshauptleute bekennen sich klar zu
den Klimazielen und einer raschen Umsetzung
notwendiger Maßnahmen, sie weisen
aber auch deutlich darauf hin, daß Vorschläge
der Europäischen Kommission auf die
spe zifischen Ausgangslagen vor Ort, die
technische Machbarkeit und die Finanzierungserfordernisse
eingehen müssen. „Ohne
ein ,local impact assessment‘ wird es herausfordernd“,
zeigte sich Ludwig überzeugt. Als
Beispiel nannte er den Vorschlag für die
Wiederherstellungsverordnung; Einige Mitgliedsstaaten
haben bereits Bedenken, daß
dies für die Stadtentwicklung schwierig wird,
„bereits bestehende Grünflächen wären zu
berücksichtigen“, so Ludwig. Ebenso sollte
auf landwirtschaftliche Nutzungsflächen,
wie Almwiesen, Bedacht genommen werden.
Ein weiteres Beispiel, das Ludwig auch
als Präsident des Österreichischen Städtebundes
beschäftigt, ist der Vorschlag für eine
Richtlinie zur Abwasserbehandlung. „Als
Städte und Regionen haben wir hier Bedenken
hinsichtlich der Umsetzbarkeit, sowohl
in technischer als auch in finanzieller Hinsicht.“
Mit EP-Vizepräsidentin Evelyn Regner
konnte Ludwig erfreuliche Entwicklungen im
Bereich der Gleichstellung besprechen, denn
zum einen wurde nach zehn Jahren endlich
die Richtlinie zur Einführung einer Frauenquote
in Aufsichtsräten beschlossen – „et-
Foto: European Union 2022
Foto: European Union 2022
Michael Ludwig mit EU-Kommissar Frans Timmermans und im Bild unten mit EP-Vizepräsidentin
Evelyn Regner (l.) und EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola
was, das wir schon vor über zehnJahren in
Wien gemacht haben“, erinnert der Wiener
Bürgermeister. Ebenso erfreut zeigt er sich
über die jüngsten Fortschritte bei der Richtlinie
über Lohntransparenz, zu der es eine
vorläufige Einigung zwischen EU-Parlament,
Rat und EU-Kommission gibt. Die
Richtlinie wird künftig sicherstellen, daß
Beschäftigte ein Anrecht auf detaillierte In -
formationen über die Gehälter in ihrem Un -
ternehmen erhalten und somit ihre Entlohnung
besser vergleichen können. „Dies wird
auch den Frauen in Österreich zugutekommen“,
zeigte sich Ludwig überzeugt.
Bei einem Gespräch mit Kommissar Ni -
colas Schmit stand das Wiener Modell des
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
72
sozialen und leistbaren Wohnens auf der Ta -
gesordnung; Wien fordert hier seit vielen
Jahren, gemeinsam mit anderen Städten,
einen Trendwechsel in Richtung universelles
System. „In Zeiten steigender Energiepreise
ist es wichtiger denn je, alles zu unternehmen,
um mehr zu bauen, mehr zu sanieren
und die Menschen besser zu schützen. „Eine
Reform des Beihilfenrechts und Erleichterungen
bei den Fiskalregeln sind hier notwendig“,
so Ludwig. Dies war auch Thema
der Gespräche mit seinem Brüsseler Amtskollegen
Philipp Close, mit dem seit vielen
Jahren eine gute Zusammenarbeit und ein
reger Austausch besteht.
https://www.wien.gv.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Ötzi starb am Schnee,
nicht am Fundplatz
73
Die offizielle Geschichte der Eismumie muß teilweise umgeschrieben werden
© Südtiroler Archäologiemuseum / EURAC /Samadelli / Staschitz
Die Konservierung von Ötzi wird zudem als Beleg für die plötzliche Abkühlung des Klimas um die Zeit von Ötzis Tod herangezogen.
Sie gehört zu den ältesten und weltweit
am besten erhaltenen Mumien: die 5.300
Jahre alte Eismumie namens Ötzi. 31 Jahre
nach dem Sensationsfund in den Ötztaler Al -
pen kommt eine jetzt veröffentlichte Studie
zu dem Befund, daß die ursprüngliche Erklärung,
wie Ötzi erhalten wurde, nicht dem
aktuellen Stand der Forschung entspricht.
Das schreibt ein Forschungsteam aus Norwegen,
der Schweiz und Österreich im Fachjournal
„The Holocene“.
Es war ein unschätzbarer Fund für die
Wissenschaft: Ende September 1991 stolperten
in einer Rinne am Tisenjochpaß nahe der
italienisch-österreichischen Grenze zwei
BergsteigerInnen über eine Gletschermumie.
Sie entdeckten Ötzi, eine der ältesten und am
besten erhaltenen Gletschermumien weltweit.
Neue Arbeiten von ArchäologInnen und
GlaziologInnen mit Beteiligung der Öster - Ötzis Köcher mit Pfeilen, wie sie 1991 gefunden wurden. Wie aktuelle Forschungen zeigen,
starb Ötzi auf dem Schnee. Sein Körper und seine Utensilien sind erst später in die Vertiefung
geschmolzen, in der er gefunden wurde.
rei chischen Akademie der Wissenschaften
(ÖAW) zeigen nun, daß die ursprüngliche
Erklärung, wie Ötzi so lange erhalten geblieben
ist, dem Test der Zeit nicht standhält – wohl umgeschrieben werden muß. Die Er - cene“ veröffentlicht
und, daß die offizielle Geschichte von Ötzi gebnisse sind jetzt im Fachjournal „The Holo -
worden.
Foto: ÖAW / Gernot Patzelt
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
74
Ursprüngliche Erklärung hält
Test der Zeit nicht stand
Aber zunächst zurück zum Anfang, denn
da stand eine Frage im Vordergrund: Wie
konnten die Gletschermumie und die dazugehörigen
Überreste so lange Zeit überdauern?
Der österreichische Archäologe Konrad
Spindler lieferte die ursprüngliche Erklärung
dafür. Seiner Ansicht nach war Ötzi im Herbst
mit beschädigter Ausrüstung auf den Paß
geflohen und dann in der schneefreien
Schlucht, in der seine Überreste gefunden
wur den, erfroren. Der Körper und die dazugehörenden
Überreste wurden danach schnell
von Eis bedeckt und ruhten später unter
einem sich bewegenden Gletscher, bis die
Fundstücke 1991 wieder abschmolzen.
Die Konservierung von Ötzi wird zudem
als Beleg für die plötzliche Abkühlung des
Klimas um die Zeit von Ötzis Tod herangezogen.
„Ötzi war bei seiner Entdeckung ein
überraschender und merkwürdiger Fund, aus
dem man viel über die Geschichte des Menschen
im Hochgebirge gelernt hat. Heute kön -
nen wir aus dem Fund viel über den Klimawandel
lernen“, sagt Andrea Fischer, Glaziologin
am Institut für interdisziplinäre Ge -
birgsforschung der ÖAW. Denn 31 Jahre spä -
ter kommen Fischer und ihre internationalen
KollegInnen zu neuen Schlussfolgerungen
was die Fundumstände und die klimatischen
Veränderungen betrifft.
Ötzi starb am Schnee,
nicht am Fundplatz
Die wichtigsten Ergebnisse der neuen
Studie: Ötzi starb im frühen Frühling oder
Sommer auf dem Schnee, nicht im Herbst.
Die Mumie und die Artefakte sind erst später
in die Vertiefung geschmolzen, in der er ge -
funden wurde. Er ist also nicht dort gestorben.
Ötzi und seine Artefakte wurden in den
1.500 Jahren nach seinem Tod und vielleicht
sogar noch später immer wieder durch
Schmelzprozesse freigelegt. Er wurde nicht,
wie bisher angenommen, sofort und dauerhaft
unter Eis begraben.
Neue Forschungen legen zudem nahe, daß
die Schäden an Ötzis Artefakten denen äh -
neln, die an anderen nacheiszeitlichen archäologischen
Stätten gefunden wurden. Das
bedeutet, sie sind wahrscheinlich auf natürliche
Prozesse an der Fundstelle zurückzuführen
und nicht auf einen Konflikt oder Kampf.
Die Geschichte des Eises an der Fundstelle
zeigt, daß es entgegen den Behauptungen in
der wissenschaftlichen Literatur unwahrscheinlich
ist, daß sich dort nach dem Tod
von Ötzi ein Gletscher bewegt hat. Und: Es
Foto: ÖAW / Gernot Patzelt
Luftaufnahme des Tisenjochs aus dem Jahr 1989. Der schwarze Pfeil rechts unten im Bild
zeigt die Stelle, an der Ötzi 1991 entdeckt wurde. Heute ist die Fundstelle eisfrei.
gibt keine eindeutigen Beweise für eine
plötzliche und drastische Abkühlung des Kli -
mas zum Zeitpunkt von Ötzis Tod.
Chancen für weitere Funde
durch schmelzende Gletscher
„Wir verstehen jetzt besser, wie hochgelegene
Eisfelder archäologische Stätten und
Funde beeinflussen“, so ÖAW-Glaziologin
Fischer. Seit der Entdeckung von Ötzi An -
fang der 1990er-Jahre hat sich sowohl die
Gletscherarchäologie als auch das gletscherkundliche
Wissen um Fundstellen stark
weiterentwickelt.
Durch diese Neubewertung steht der
Ötzi-Fund in Einklang mit den normalen
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Fundumständen für holozäne archäologische
Funde.
Die Chancen für die Erhaltung und den
Fund weiterer Eismumien könnte daher auch
besser sein als bisher angenommen –
schließlich sind für die Erhaltung eines solchen
Fundes keine Naturkatastrophen, wie
eine plötzliche Abkühlung des Klimas, erforderlich,
so die ForscherInnen von ÖAW, dem
Archäologischen Dienst des Kantons Graubünden,
der Norwegian University of Science
and Technology, der Universität Bergen und
der Oppland County Administration in ihrer
Publikation.
n
https://www.oeaw.ac.at/
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96tzi
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Internationale Auszeichnung
für Virtual Anatomy
75
Renommierter E&T-Award für Johannes Kepler Universität
Linz, Ars Electronica Futurelab und Siemens Healthineers
Foto: Ars Electronica
Die sehr anschauliche und natürlich wirkende Visualisierung klinischer Daten in 3-D-Bildern eines lebendigen menschlichen Körpers erleichtert es
ÄrztInnen, ihren PatientInnen Schädigungen im Körper, die Diagnose einer Erkrankung oder den Ablauf einer geplanten Operation zu erklären.
Das erfolgreiche Projekt „Virtual Anatomy“
hat den renommierten E&T-Innovation-Award
2022 für „Best Emerging
Technology of the Year“ gewonnen und in
einer weiteren Kategorie die Silbermedaille
er reicht! Virtual Anatomy, entwickelt vom
Ars Electronica Futurelab in Kooperation
mit Siemens Healthineers und der Johannes
Kepler Universität Linz, führt MRT- und CT-
Daten von realen PatientInnen zu fotorealistischen
dreidimensionalen Bildern der
menschlichen Anatomie zusammen. JKU
Rektor Meinhard Lukas nahm die Trophy
am des 10. November bei der Verleihung in
London entgegen.
Mit den international viel beachteten
E&T Innovation Awards werden jährlich die
besten Innovationen in den Bereichen Wissenschaft,
Technik und Technologie ausgezeichnet.
Wie renommiert der Preis ist, zeigt
allein die Tatsache, daß heuer zur Preisverleihung
auch der Cheftechnologe des Mobilfunkkonzerns
Ericsson persönlich angereist
ist, um einen Preis entgegenzunehmen.
Virtual Anatomy gehörte in zwei Katego -
rien zu den FinalistInnen und hat die Trophy
(1. Preis) in der Kategorie „Best Emerging
Technology of the Year“ sowie den 2. Preis
in „Most Innovative Solution in Digital
Health and Social Care“ erhalten.
Virtual Anatomy vereint MRT- und CT-
Daten von echten PatientInnen auf völlig
neue Art: als fotorealistische Bilder in 8K
stereoskopischem 3D – mit der Möglichkeit,
sie frei zu drehen und bis in kleinste Strukturen
zu zoomen. Das ermöglicht insbesondere
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
in der anatomischen Lehre völlig neue Möglichkeiten,
wie der Einsatz von Virtual Anatomy
im JKU medSPACE seit letztem Jahr
eindrucksvoll demonstriert.
„Die internationale Auszeichnung für das
Projekt Virtual Anatomy zeigt, daß sich der
Mut, innovative Wege zu beschreiten, in je -
der Hinsicht lohnt. Unsere Studierenden profitieren
von einer Ausbildung am Puls der
Zeit und unsere junge Medizinische Fakultät
zeigt, was ein starker Forschungsstandort
Oberösterreich erreichen kann“, sagt JKU
Rek tor Meinhard Lukas. „Ich gratuliere allen
Beteiligten, besonders Prof. Franz Fellner
und unseren KooperationspartnerInnen, zu
die sem Award und bin sehr stolz, daß unser
gemeinsames Projekt nach der Nominierung
für den Deutschen Zukunftspreis 2017 wei-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
76
ter international Beachtung findet. Es freut
mich, daß es gelungen ist, Virtual Anatomy
im JKU medSPACE erlebbar zu machen.“
Auch bei Roland Haring, Technical Di -
rector des Ars Electronica Futurelab, ist die
Freude groß: „Wir freuen uns, daß unsere
Kooperation nicht nur von Österreich aus die
medizinische Lehre revolutioniert, sondern
mit dem E&T Innovation Award nun auch
international ausgezeichnet wurde. Als Zu -
kunftslabor arbeiten wir mit zahlreichen na -
tionalen wie internationalen PartnerInnen an
der Technik der Zukunft – und sehen für Virtual
Anatomy viele Einsatzbereiche in Forschung
und Lehre“, so Roland Haring.
Erfolgsgeschichte Virtual Anatomy
Innovative Projekte, wie Virtual Anatomy
sind nur möglich und erfolgreich, wenn
meh rere Player institutionsübergreifend über
Jahre intensiv zusammenarbeiten und am sel -
ben Strang ziehen. Initiiert wurde das Projekt
von Univ.-Prof. Franz Fellner, Dekan
der Medizinischen Fakultät der JKU und
Vorstand des Zentralen Radiologie Instituts
am Kepler Universitätsklinikum. Virtual Ana -
tomy wurde mithilfe seiner Expertise vom
Ars Electronica Futurelab in Zusammenarbeit
mit Siemens Healthineers entwickelt.
2015 wurde der 16 mal 9 Meter große Deep
Space 8K im Ars Electronica Center erstmals
mit „Cinematic Rendering“-Technologie
von Siemens Healthineers zum Hörsaal
für Virtuelle Anatomie. Darauf aufbauend
folgten reguläre Vorlesungen für Medizinstudierende
der JKU, ebenso wie Vorstellungen
zu Anatomie für LaiInnen sowie Live-Schaltungen
zu Operationen. Wegen des großen
Er folgs dieser Vorlesungen fiel der Startschuß
einer Forschungskooperation zwischen
der JKU, dem Ars Electronica Futurelab und
Siemens Healthineers, die sich dem Ziel verschrieb,
den JKU medSPACE am neuen Me -
dizinischen Campus der JKU Wirklichkeit
werden zu lassen. Eröffnet wurde der moderne
multimediale Hörsaal im September
2021.
„Wir am Ars Electronica Futurelab sind
wirklich stolz auf das gemeinsame Projekt
Virtual Anatomy, mit dem hier in Linz die
Tür zur Zukunft der universitären Ausbildung
in Sachen menschlicher Anatomie weit
aufgestoßen wird“, sagt Horst Hörtner, Di -
rector Ars Electronica Futurelab.
Daten von lebenden PatientInnen
Das Besondere an der Virtuellen Anatomie
ist, daß die Studierenden in ihren Lehrveranstaltungen
mit den Daten von lebenden
Foto: JKU
Zudem läßt sich das Verfahren zur Aus- und Weiterbildung einsetzen, da es bislang undenkbare
Einblicke in anatomische Details erlaubt.
PatientInnen arbeiten können, anstelle von
Standard-3D-Modellen eines menschlichen
Körpers. Diese echten PatientInnendaten, die
mit den CT- und MRT-Geräten des Kepler
Universitätsklinikums aufgenommen wurden,
werden in einer nie dagewesenen fotografischen
Qualität in 8K, in Stereografik
und in Echtzeit navigierbar dargestellt.
„Das von uns entwickelte ,Cinematic Ren -
dering‘ liefert dreidimensionale und fotorealistische
Abbildungen des Körpers, die selbst
feine Strukturen deutlich und plastisch hervortreten
lassen. Durch Kombination mit ent -
sprechenden Meßdaten, etwa aus der PET-
Computertomografie, können sie auch funktionale
Informationen wie den Stoffwechsel
im Körper abbilden“, sagt Klaus Engel, Se -
nior Principal Key Expert bei Siemens Healthineers.
Neue Einblicke für Studierende
und MedizinerInnen
Die sehr anschauliche und natürlich wirkende
Visualisierung klinischer Daten er -
leich tert es ÄrztInnen, ihren PatientInnen
Schä digungen im Körper, die Diagnose einer
Erkrankung oder den Ablauf einer geplanten
Operation zu erklären. Zudem läßt sich das
Verfahren zur Aus- und Weiterbildung von
Medizinstudierenden, TherapeutInnen oder
Pfle gekräften einsetzen, da es bislang un -
denkbare Einblicke in anatomische Details
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
erlaubt – und zum Beispiel Fasern im
menschlichen Gehirn mit einer sonst nicht
möglichen Feinheit darstellen kann. Zudem
ist es damit möglich, die wirklichkeitsnahen
3-D-Bilder eines lebendigen menschlichen
Körpers beliebig zu drehen und je nach
Anwendungsfall aufzubereiten.
„Mit Virtual Anatomy lehren wir auf eine
völlig neue Art – modern, dreidimensional,
aus Schnittbildern CT und MR berechnet.
Bei unserem Konzept lernt man sozusagen
verschiedene Sprachen zu lesen, weil man
die Anatomie aus den unterschiedlichen
Blick arten kennenlernt. Die Anatomie so
hochauflösend zu projizieren und auch noch
dreidimensional mit ,Cinematic Rendering‘
darzustellen zu können – das ist sicherlich
bis jetzt weltweit einzigartig und gibt ganz
neue Möglichkeiten im Unterricht und er -
höht auch das Interesse der Studierenden für
die Anatomie noch mehr, als es ohnehin ist“,
sagt Franz Fellner, Dekan der Medizinischen
Fakultät der JKU und Radiologie-Vorstand
am Kepler Universitätsklinikum. „Daß dieses
Projekt nun ausgezeichnet wurde, freut
mich ungemein und bestätigt unseren Weg,
digitalen und analogen Unterricht sinnvoll
zu kombinieren.“
n
https://www.jku.at/
https://ars.electronica.art/
https://www.siemens-healthineers.com/
https://www.youtube.com/watch?v=rO8ejB3lWfg
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
Artemis – Nachrichten vom Mond
Artemis I ist der erste integrierte Test der
NASA-Systeme für die Erforschung des
Weltraums: das Orion-Raumschiff, die Space
Launch System (SLS)-Rakete und die Bo -
densysteme im Kennedy Space Center der
Behörde in Florida. Artemis I ist der erste in
einer Reihe von zunehmend komplexeren
Mis sionen und ist ein unbemannter Flugtest,
der die Grundlage für die Erforschung des
Weltraums durch den Menschen bilden und
unser Engagement und unsere Fähigkeit de -
monstrieren wird, Menschen zum Mond und
darüber hinaus zu bringen. Bei diesem Flug
wird Orion an der Spitze der stärksten Rakete
der Welt starten und weiter fliegen als
jedes für Menschen gebaute Raumschiff je
geflogen ist. Im Verlauf der Mission wird es
sich 450.000 Kilometer von der Erde entfernen
und 64.000 Kilometer über die Rückseite
des Mondes hinausfliegen. Orion wird län -
ger im Weltraum bleiben als jedes andere
menschliche Raumschiff, ohne an eine Raum -
station anzudocken, und schneller und heißer
als je zuvor nach Hause zurückkehren.
Diese erste Artemis-Mission wird die
Leistungsfähigkeit sowohl von Orion als auch
der SLS-Rakete demonstrieren und die Fä -
higkeiten zur Umkreisung des Mondes und
zur Rückkehr zur Erde testen. Der Flug wird
den Weg für künftige Missionen in die Nähe
des Mondes ebnen, einschließlich der Landung
der ersten Frau und des ersten farbigen
Menschen auf der Mondoberfläche. Mit
Artemis I legt die NASA den Grundstein für
die Erforschung des Weltraums durch den
Menschen, wo Astronauten in der Nähe des
Mondes die Systeme aufbauen und testen
werden, die für Missionen auf der Mondoberfläche
und für die Erkundung anderer,
weiter von der Erde entfernter Ziele, einschließlich
des Mars, erforderlich sind. Mit
Artemis wird die NASA mit der Industrie
und internationalen Partnern zusammenarbeiten,
um zum ersten Mal eine langfristige
Erkundung zu ermöglichen.
Eine steirische Technologie der Joanneum
Research sorgt dabei für eine funktionierende
Kommunikation von und zur Mondrakete.
Rund 40 ExpertInnen forschen bei „DI-
GITAL“, dem Institut für Informations- und
Kommunikationstechnologien der Joanneum
Research, an Weltraumtechnologien. Unter
Joanneum Research sorgt für eine funktionierende
Kommunikation von und zur Mondrakete.
Foto: Joanneum Research / Bergmann
„Digital’-Forscher Michael Schmidt im Labor bei der Entwicklung des Tracking Receivers
anderem wurde ein Gerät zur Steuerung der
Antennen entwickelt, welche die Kommunikation
zwischen Rakete und Bodenstation
herstellt.
Michael Schmidt, Forscher bei „Digital“,
erklärt: „In der Radiokommunikation müssen
bewegte Sender wie zum Beispiel Satelliten
in niedrigen Umlaufbahnen mit stark
gerichteten Antennen nachverfolgt werden,
um die Datenkommunikation aufrecht halten
zu können. Dafür nutzt man die Methode
Monopulse Tracking. Wir haben dafür einen
Receiver entwickelt.“ Denn die aus der Ra -
dartechnik bekannte Technologie benötigt
nur einen Sendeimpuls, um die Fokussierung
der Antenne auf den Sender durchzufüh ren.
Entwickelt wurde der Monopulse Tracking
Receiver von einem Team der Joanneum Re -
search, aber vertrieben wird dieser von der
Antennentechnik GmbH. Diese stellte nun
den Signalempfänger für die britische
Ground Station Goonhilly. Die große Antenne
übernimmt dort die Kommunikation zur
und von der Mondrakete, wenn sie im Sichtbereich
der Antenne liegt. „Wir haben den
Monopulse Tracking Receiver weltweit vermarktet
und sind nun besonders stolz, Teil
einer so wichtigen Welt raum-Mission wie
Artemis zu sein“, freut sich Gerbert Lagerweij,
Sales-Direktor von CPI/ Vertex.
Die Joanneum Research Forschungsgesellschaft
mbH entwickelt Lösungen und
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
77
Technologien für Wirtschaft und Industrie in
einem breiten Branchenspektrum und betreibt
Spitzenforschung auf internationalem Niveau.
Bestens eingebettet in das nationale und
internationale Innovationsnetzwerk erarbeiten
die ForscherInnen Innovationen in den
The menbereichen Informations- und Produktionstechnologien,
Humantechnologie
und Medizin sowie Gesellschaft und Nachhaltigkeit.
Das Institut „Digital“ ist ein zuverlässiger
Partner auf dem Gebiet der digitalen Innovation
und Transformation und entwickelt praxisorientierte
High-Tech-Lösungen für die
Märkte Mobility, Space, Industry, Security
& Defence, Energy & Environment, AAL &
Digital Care sowie Culture & Creative Industries.
Denn Informations- und Kommunikationstechnologien
sind Motor und Triebfeder
für die wirtschaftliche und soziale Entwick -
lung der Gesellschaft. Die technologische Ba -
sis für Forschungsarbeiten, etwa in den Be -
reichen Industrie 4.0, hochautomatisiertes
Fahren und vernetzte Systeme bilden Sensorik
und Signalverarbeitung für Bild, Video,
Akustik, Wearables und Fernerkundung
Kom munikations- und Navigationstechnologien,
Web-, Internet- und moderne Informationsmanagement-Technologien.
n
https://www.nasa.gov/specials/artemis-i/
https://www.joanneum.at/
https://www.vertexant.com/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
ÖBB: Neue Gesellschaft in China
ÖBB Cargo: Vollwertige lokale Präsenz in Shanghai ab Anfang 2023 – Ausbau
der Position in Eurasien – Stärkung des Mittelkorridors der Neuen Seidenstraße
Die ÖBB Rail Cargo Group (RCG) stärkt
mit Jahresbeginn 2023 mit der neu in
Shanghai gegründeten Tochtergesellschaft
Rail Cargo International Freight Forwarding
ihre Marktposition in Eurasien. Mit der vollwertigen
lokalen Präsenz ist für die RCG
erstmals eine direkte Vermarktung der eigenen
Logistikdienstleistungen in China möglich.
RCG Vorstandssprecher Clemens Först
betont: „Die neue RCG Gesellschaft in
Shang hai stärkt unsere vertrieblichen Aktivitäten
und reduziert die Abhängigkeiten
von externen Partnern in China. Das ist ganz
entscheidend, da die China-Geschäfte fast
ausschließlich vor Ort abgeschlossen werden“,
und ergänzt: „Zusätzlich wollen wir
un sere erfolgreiche Entwicklung entlang der
Neuen Seidenstraße durch die Forcierung
der Routenführung über den Mittelkorridor
ausbauen.“
Vorteile der lokalen RCG-
Präsenz in Shanghai
Die ÖBB Rail Cargo Group kann mit
ihrer neuen Tochtergesellschaft in China ihre
gesamte Logistikwertschöpfungskette samt
speditioneller Zusatzleistungen in Asien –
vom Trucking über Verzollung, Umschlag
etc. – nun direkt aus eigener Hand anbieten.
Das vereinfacht auch u.a. den Zugang zu den
Kunden, den lokalen Partnern und den Zahlungsverkehr.
Mittelkorridor als Alternative aufbauen
Das Netzwerk der RCG (TransNET)
reicht schon jetzt über den gesamten eurasischen
Kontinent bis nach China. Bis vor
Ausbruch des Ukrainekriegs wurde für den
Transport entlang der Neuen Seidenstraße
primär der sogenannte Nordkorridor (d.h.
von China über Rußland bis nach Mittelund
Südosteuropa) verwendet. Als Alternative
wird seit März 2022 von der ÖBB Rail
Cargo Group der Mittelkorridor (d.h. von
China durch Kasachstan über Aserbaidschan/
Georgien und das Schwarze Meer nach Ru -
mänien und weiter nach Mittel- und Südosteu
ropa) forciert. Mit einer attraktiven Lauf -
zeit schafft die RCG eine verläßliche Alternative
zur See- und Luftfracht. Darüber hinaus
lassen sich so die nach wie vor stark
Foto: ÖBB / Rail Cargo Austria / David Payr
Die ÖBB Rail Cargo Group kann mit ihrer neuen Tochtergesellschaft in China ihre gesamte
Logistikwertschöpfungskette samt speditioneller Zusatzleistungen in Asien – vom Trucking
über Verzollung, Umschlag etc. – nun direkt aus eigener Hand anbieten.
überlasteten Be- und Entladeseehäfen in
Nord- und Südeuropa umgehen.
RCG ist seit 2008 von
und nach Asien aktiv
Seit Beginn der RCG Aktivitäten mit dem
ersten Testzug 2008 sind die Schienengüterverkehrsleistungen
kontinuierlich angestiegen.
Bis Ende 2016 wurden schrittweise die
Abfahrten entlang der Seidenstraße gesteigert
und im Jahr 2017 erfolgte der offizielle
Markteintritt der RCG in China. Jährlich wer -
den rund 600 Züge entlang der Routen der
Neuen Seidenstraße von der RCG gefahren.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
78
Rail Cargo Group:
Güterverkehr der ÖBB
Als führender Bahnlogistiker in Europa
gestalten die ÖBB die Branche. 365 Tage im
Jahr – 24 Stunden am Tag. In Europa bis
nach Asien. Man verbindet Menschen, Un -
ternehmen und Märkte – von der ersten bis
zur letzten Meile. Wir sind in 18 Ländern
prä sent – in 15 davon mit eigenen MitarbeiterIinnen.
Unsere 5.755 Logistikprofis aus
34 Nationen ermöglichen, daß jährlich
463.000 bzw. täglich rund 1.270 Züge sicher
an ihr Ziel gebrachte werden. Mit effizienten
End-to-end-Logistiklösungen werden jedes
Jahr 94 Millionen Nettotonnen transportiert.
Ein Schienenanteil von 28 Prozent (vorläufiger
Wert) am Gesamtgüteraufkommen in
Österreich macht die ÖBB zum Spitzenreiter
in Europa. Operative Leitgesellschaft der Rail
Cargo Group ist die Rail Cargo Austria AG
Rückgrat des öffentlichen Verkehrs
Als umfassender Mobilitäts- und Logistikdienstleister
haben die ÖBB im Jahr 2021
insgesamt 323 Millionen Fahrgäste und über
94 Millionen Tonnen Güter klimaschonend
und umweltfreundlich an ihr Ziel gebracht.
Denn der Strom für Züge und Bahnhöfe
stammt zu 100 Prozent aus erneuerbaren
Energien. Die ÖBB gehören mit rund 97 Prozent
Pünktlichkeit im Personenverkehr zu
den pünktlichsten Bahnen Europas. Mit In -
vestitionen von über drei Milliarden Euro
jährlich in die Bahninfrastruktur bauen die
ÖBB am Bahnsystem für morgen. Konzernweit
sorgen knapp 42.000 MitarbeiterInnen
bei Bus und Bahn sowie zusätzlich rund
2.000 Lehrlinge dafür, daß täglich bis zu 1,3
Millionen Reisende und rund 1.300 Güterzüge
sicher an ihr Ziel kommen. Die ÖBB sind
Rückgrat des öffentlichen Verkehrs und brin -
gen als Österreichs größtes Klimaschutzun -
ternehmen Menschen und Güter sicher und
umweltbewußt an ihr Ziel. Strategische Leit -
gesellschaft des Konzerns ist die ÖBB-Holding
AG.
n
https://www.oebb.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
70 Jahre Internationale
Chopin-Gesellschaft
79
Das Jubiläum wurde mit einem großen Festakt im Wiener Rathaus gefeiert.
Foto: FotoLois.com / Alois Spandl
Aam 29. Oktober fand im Wappensaal des
Wiener Rathauses auf Einladung von
Bürgermeister Mi chael Ludwig, der Internationalen
Chopin-Gesellschaft in Wien ICG,
der mdw – Universität für Musik und darstel -
lende Kunst Wien, sowie der Internationalen
Föderation der Chopin-Gesellschaften IFCS
eine repräsentative Festveranstaltung statt.
Zahlreiche Ehrengäste und
Glückwünsche zum Jubiläum
Nach einer musikalischen Einleitung mit
dem 1. Satz von Frédéric Chopins Klaviertrio
g-Moll op.8 durch Janay Tulenova (Violine),
Urh Mrak (Violoncello) und Natalia
Rehling (Klavier) begrüßte als Moderatorin
und Vorstandsmitglied der ICG Liliana Niesielska
die Festgäste im vollbesetzten Wappensaal
des Rathauses und überbrachte die
Glückwünsche zahlreicher Persönlichkeiten.
Darunter Bundespräsident Alexander van der
Bellen, Nationalratspräsident Wolfgang So -
botka, dem Vertreter der Europäischen Kommission
in Österreich Prof. Martin Selmayr,
NÖ Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner,
Die Veranstalter, Ehrengäste und die SolistInnen des Festakts
Kulturstaatssekretärin Andrea Mayr, Wiens
Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler, so -
wie zahlreicher Persönlichkeiten des öffentlichen,
kulturellen, wissenschaftlichen, und
wirtschaftlichen Lebens Österreichs.
Auch kamen Glück wünsche der Generalsekretärin
des International Music Council
der UNESCO in Paris, Silja Fischer, und des
Generalsekretärs der Internationalen Föderation
der Chopin-Gesellschaften IFCS, Grzegorz
Michalski, aus Warschau.
Gefeierte Ehrengast dieser Jubiläumsveranstaltung
war der hervorragende Wiener
Pianist und Professor an der mdw, ehemaliger
Präsident der Wiener Beethoven-Gesellschaft
und auch langjähriges Mitglied des
Vorstands der Chopin-Gesellschaft, Alexander
Jenner, als Zeitzeuge der Gründung vor
70 Jahren.
Im Namen des Wiener Bürgermeisters und
Landeshauptmann Michael Ludwig begrüßte
und eröffnete der 1. Vorsitzende des Wiener
Gemeinderats, LAbg. Thomas Reindl,
den Festakt. Er dankte der Chopin-Gesellschaft,
die in den 70 Jahren ihres Bestehens
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
mit der Musik die Menschen emotional be -
eindruckte und damit auch einen wichtigen
Beitrag für den Frieden und die Freundschaft
zwischen den Völkern leistete, insbesondere
zwischen Österreich und Polen.
Erinnerungen an die
Gründung der Gesellschaft
Prof. Theodor Kanitzer, Präsident der
Internationalen Chopin-Gesellschaft in Wien
ICG und der Internationalen Föderation der
Chopin-Gesellschaften IFCS, erinnerte an die
Gründung der Gesellschaft 1952 durch den
Präsidenten der damaligen Akademie für Mu -
sik und darstellende Kunst (heute Universität)
Prof. Hans Sittner mit hervorragenden
Persönlichkeiten des musikalischen Lebens
der Nachkriegszeit.
Die Internationale Chopin-Gesellschaft
in Wien ist nunmehr sieben Jahrzehnte mit
der mdw – Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien (eine der drei besten
Universitäten für Musik der Welt) freundschaftlich
verbunden und sehr dankbar für
de ren wertvolle Unterstützung. Was allein in
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
80
Foto: Sebastian Kocon Foto: Sebastian Kocon
Prof. Theodor Kanitzer, Präsident der Internationalen Chopin-Gesellschaft Wien am 5. Augusr
2022 bei seinen Begrüßungsworten zum 39. Konzert in der Kartause Gaming
den letzten Jahren dank der Initiative und
Tätigkeit von Rektorin Ulrike Sych dort verwirklicht
wurde, wie z.B das Future Art Lab,
ist besonders bemerkenswert.
Die Musikstadt Wien hat im Leben Frédéric
Chopins bei seinen zwei Aufenthalten
1829 und 1830/31 (insgesamt acht Monate)
eine wichtige Rolle gespielt. Mit seinen beiden
Auftritten im damaligen kaiserlichen
Kärntnerthortheater begann seine Karriere.
Prof. Kanitzer sprach auch über die um -
fangreichen Aktivitäten der Gesellschaft durch
Konzerte und Festivals mit Werken des genialen
Komponisten und Pianisten und seiner
Zeitgenossen. Er berichtete über die großen
Er folge des Chopin-Festivals in der Kartause
Gaming im niederösterreichischen Ötscherland
(gegründet 1985), wo seit 38 Jahren her -
vorragende SolistInnen, Kammerensembles
und Orchesters aus vielen Ländern auftraten.
In Wien fanden seit Jahrzehnten Konzertzyklen
mit SolistInnen und Kammerensembles
in repräsentativen Veranstaltungssälen
wie: Palais Palffy, Festsaal der Bank Austria,
den Hotels Radisson, Imperial, Palais Hansen
Kempinski statt, die sich großer Beliebtheit
erfreuen.
Bemerkenswert auch die langjährige Zu -
sammenarbeit mit dem bedeutendsten österreichischen
Jugendmusikwettbewerb „prima
la musica“ wo bei allen Konzerten im Vorprogramm
1. PreisträgerInnen (dank der Ini -
tiative des Vorstandsmitglieds Angelika Persterer-Ornig,
Leiterin von „prima la musica
Wien“) auftreten konnten.
Er berichtete auch über die Herausgabe
der Zeitschriften „Wiener Chopin-Blätter“,
„Chopin in the World“ (in englischer Sprache)
sowie die Festschriften des Chopin-
Festivals in Gaming.
Durch die Gründung der Internationalen
Föderation der Chopin-Gesellschaften IFCS
1985 in Warschau und deren Aufnahme als
Mitglied des International Music Council
der UNESCO in Paris erweiterten sich die
internationalen Beziehungen mit Austauschkonzerten
mit vielen Ländern der Welt (u.a.
China, Japan, Rußland, Deutschland, Frankreich,
Marokko).
Die Errichtung eines modernen Chopin-
Denkmals des polnischen Bildhauers Krzysztof
M. Bednarski an einem Teich im Wiener
Schweizergarten neben dem Wiener Hauptbahnhof
kam nach jahrelangen Bemühungen
der Chopin-Gesellschaft mit Hilfe von Bürgermeister
Dr. Michael Häupl und dem polnischen
Kulturministerium zustande.
Es wurde am 25. November 2010 in An -
wesenheit des ehemaligen polnischen Kulturministers
Waldemar Dąbrowski (derzeit
Generaldirektor der polnischen Staatsoper in
Warschau) und einem Klavierkonzert des
österreichischen Preisträgers des Internationalen
Chopin-Klavierwettbewerbs in Warschau
Ingolf Wunder im Heeresgeschichtlichen
Museum eingeweiht.
Präsident Kanitzer betonte in seiner An -
sprache, daß die ICG in Wien ihre Konzerte
und Festivals im Gedenken an die Menschen
in vielen Ländern der Welt, die unter diktatorischen,
nationalistischen Regimen leiden
müssen, sowie dem Kampf des ukrainischen
Volkes um seine Freiheit vor der russischen
Ein Blick in das hohe Kirchenschiff und
auf den Hauptaltar der 1342 geweihten
Klosterkirche in Gaming während des
Chopin-Festivals im August 2022
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Aggression dem Thema „Völkerverständigung,
Frieden und Freiheit“ widmet.
Rektorin Ulrike Sych über die
Zusammenrarbeit mit der ICG
Dann folgte die Rede der Rektorin der
mdw – Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien, Ulrike Sych: „Die Internationale
Chopin-Gesellschaft wurde 1952 von
Wiener Musikgrößen wie Hans Sittner, Paul
Badura-Skoda und Franz Zagiba gegründet,
die mit ihren Persönlichkeiten und aus ihrer
künstlerischen Exzellenz heraus den Grundstein
für den herausragenden musikalischen
und gesellschaftspolitischen Erfolg dieser
Gesellschaft gelegt haben.
Sie haben die Chopin Gesellschaft von
An fang an mit höchster Qualität nachhaltig
ausgerichtet: Seit 70 Jahren ist die Internationale
Chopin Gesellschaft in Wien ein Ga -
rant für Qualität und Haltung und als Rektorin
der mdw – Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien kann ich mit Stolz
sagen, daß die überaus fruchtbare und wertschätzende
Zusammenarbeit unserer Universität
mit der Chopin Gesellschaft bereits
ebenso lange andauert!
Natürlich ist diese Zusammenarbeit zuallererst
von der gemeinsamen Auseinandersetzung
mit der Musik Frédéric Chopins
geprägt, vom Engagement für die Musik, für
den Musikstandort Wien, für die internationale
Vernetzung der heimischen Musikszene
und besonders auch vom Einsatz für die
Nachwuchsförderung.
Viele unserer Studierenden und Lehrenden
sind durch die Internationale Chopin-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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Foto: Internationale Chopin Gesellschaft / Johannes Kropfitsch
ICG-Präsident Prof. Theodor Kanitzer
Foto: Internationale Chopin Gesellschaft / Johannes Kropfitsch
1. Vorsitzender des Wiener Gemeinderates LAbg. Thomas Reindl
Foto: Internationale Chopin Gesellschaft / Johannes Kropfitsch
Botschafterin Regina Rusz, stv. Leiterin der Sektion Internationale
Kulturangelegenheiten im Außenministerium
Foto: Internationale Chopin Gesellschaft / Johannes Kropfitsch
Ulrike Sych, Rektorin der mdw - Universität für Musik und darstellende
Kunst Wien
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
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Foto: FotoLois.com / Alois Spandl
Ein Blick auf die Festgäste der Jubiläumsfeier im Wappensaal im Wiener Rathaus
Gesellschaft in ihrer künstlerischen Weiterentwicklung
gestärkt und gefördert worden,
beziehungsweise haben durch die Vermittlung
und den Austausch mit der Chopin
Gesellschaft profitieren können.
Die Internationale Chopin-Gesellschaft
unter ihrem Präsidenten Theodor Kanitzer
ist unserer Universität (auch mir als Rektorin)
seit vielen Jahren eine verlässliche Partnerin,
die stets als ein Garant für höchstes
künstlerisches Niveau fungiert.
Es gibt aber einen weiteren Faktor, der
die Chopin-Gesellschaft und die mdw in en -
ger Verbundenheit zueinander hält: die kompromißlose,
beharrliche Überzeugung, daß
Musik ein bedeutendes Mittel in der Völkerverständigung
und im Engagement für ein
friedliches Miteinander ist. Diese Haltung
liegt seit vielen Jahren den zahlreichen, vielfältigen
Veranstaltungen und Aktivitäten der
Chopin Gesellschaft zugrunde – die die Be -
schäftigung mit der Musik immer auch in
den Kontext der Weltpolitik setzt und damit
Großes erreicht hat. Diese Haltung geht Hand
in Hand mit den Werten der mdw – Universität
für Musik und darstellende Kunst Wien:
Die Wahrung der Würde und Rechte von
Men schen sowie die tiefe Überzeugung, daß
Kunst und Musik wichtige Werkzeuge der
Demokratie und des Friedens sind, bilden
die Basis für unsere künstlerische und pädagogische
Arbeit.
Die enorme gesellschaftliche Relevanz
von Kunst und Kultur tritt angesichts des
Kriegs in Europa und der multiplen Krisen,
die unsere Gesellschaft zu bewältigen hat,
umso deutlicher hervor. Mehr denn je sind
wir gefordert, der Kunst eine starke Stimme
zu geben, damit sie ihre gestalterische Kraft
entfalten kann.
Wir sind auch im Herzen Euro pas auf die
Dialogangebote angewiesen, die durch
künstlerisches Schaffen entste hen.
Die Internationale Chopin-Gesellschaft
Wien ist seit nunmehr 70 Jahren ein Leuchtturm,
ein inspirierendes Vorbild dafür, wie
künstlerische Exzellenz für ein Miteinander
und für gesellschaftspolitischen Fortschritt
wirken kann.
Im Namen der mdw – Universität für Mu -
sik und darstellende Kunst Wien gratuliere
ich der Internationalen Chopin-Gesellschaft
in Wien sehr herzlich zu ihrem 70-jährigen
Jubiläum und ich freue mich auf viele weitere
gemeinsame Jahre!“
Botschafterin Regina Rusz zur
internationalen Bedeutung der ICG
Botschafterin Regina Rusz, stv. Leiterin
der Sektion Internationale Kulturangelegenheiten
im Bundesministerium für europäische
und internationale Angelegenheiten, dankte
der ICG für ihren unermüdlichen Einsatz.
Vor allem das Engagement für die internationalen
Beziehungen und die Förderung junger
Künstler, die der Kultursektion ein be -
sonderes Anliegen sind. Die Gesellschaft för -
dert damit das Ansehen des Musiklandes Ös -
terreich.
Das festliche Konzert dieser Veranstaltung
lag in den Händen von Natalia Rehling,
Klavier, Janay Tulenova, Violine und Urh
Mrak, Violoncello, die höchst souverän eine
brillante und ausdrucksstarke Interpretation
des 1.Satzes aus dem g-Moll Klaviertrio op.8
von Chopin boten. Der große Geiger Edward
Zienkowski, am Klavier wieder von Natalia
Rehling begleitet, wählte zwei sehr berührende
Stücke, zunächst die Legende op.17
des so bedeutenden polnischen Geigers
und – gerade noch – Zeitgenossen von Chopin
Henryk Wieniawski, sowie des tatsächli -
chen Zeitgenossen Niccolò Paganini („Can-
tabile“).
Darauf folgte die von Adam Jávorkai und
Clara Biermasz feurig dargebotene Introduction
et Polonaise brillante op.3 von Chopin,
gefolgt von 2 Stücken aus dem Zyklus „Baal
Shem“ für Violine und Klavier des Komponisten
Ernest Bloch.
Die ICG war und ist immer bestrebt, kulturell
in ihren Programmen zu „Völkerverständigung,
Frieden und Freiheit“ einen Beitrag
zu leisten. Daher war es ein besonderer
Wunsch von Prof. Kanitzer, der Geigerin
Janay Tulenova und des Pianisten Manfred
Wagner-Artzt, sich mit diesen beiden, den
Gesängen des chassidischen polnischen Rabbi
Baal Schem Tov nachempfundenen, Kompositionen
vor dem jüdischen Volk zu verneigen,
das wie kein anderes unter der Vernichtung
dieser Werte zu leiden hatte.
Im Anschluß daran interpretierte der
wunderbare israelische Pianist Roman Zaslavsky
höchst feinfühlig und klangsinnlich
das Petrarca-Sonett N°104 des großen Chopin-Freundes
und Förderers Franz Liszt, ehe
der hochgeschätzte Wiener Pianist Johannes
Kropfitsch mit der 3. Ballade von Chopin den
glanzvollen Abschluß bildete.
n
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
70 Jahre Österreichische Gesellschaft
für Ur- und Frühgeschichte
150 Jahre Anthropologische Gesellschaft in Wien – Standortbestimmung
und Perspektiven bei internationaler Tagung
83
Foto: ÖGUF / Tabea Truntschnig
Die TeilnehmerInnen des Festsymposiums mit Univ.Prof. Alexandra Krenn-Leeb (3.v.r.) und Univ.Prof. Hermann Mückler (2. v.r.)
Im Jahr 1870 wurde die Anthropologische posium mußte damals pandemiebedingt ab - Leistungen oft auch in einem „Science to
Gesellschaft in Wien gegründet. Die AG, gesagt werden. Während die Partnergesellschaft
Public“-Ansatz auf vielfältige Art an eine brei -
wie sie kurz genannt wird, zählt heute zu den
ältesten und angesehensten Wissenschaftsgesellschaften
Österreichs. Nur ein halbes Jahr
nach der Berliner Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie und Urgeschichte (BGAEU),
die als Vorbild diente, gab es schließlich auch
in Österreich eine wissenschaftliche Fachver -
tretung für die Fächer Archäologie, Anthro -
pologie und Ethnologie. Die Gesellschaft hat
ihren Sitz im Naturhistorischen Museum Wien
und gehört somit seit der Eröffnung des
Gebäudes am Wiener Ring im Jahr 1889 zum
dortigen „Inventar“. Die genannten Fächer
vereint neben der Ur- und Frühgeschichte,
der Physischen Anthropologie sowie der
Kultur- und Sozialanthropologie (die ehemalige
Völkerkunde) auch die Europäische Eth -
nologie (die ehemalige Volkskunde). Nach
dem Zweiten Weltkrieg spaltete sich 1952
die Ur- und Frühgeschichte ab und gründete
eine eigene Gesellschaft, die Gesellschaft für
Ur- und Frühgeschichte, kurz ÖGUF. Zwischen
beiden Gesellschaften besteht seither
eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit,
die sich nicht zuletzt auch in diesem gemeinsam
organisierten Festsymposium manifestiert,
welches von 20. bis 22. Oktober in den
in Berlin, die BGAEU, ihre Festveran-
staltung nur wenige Tage vor dem ersten
Lockdown gerade noch umsetzen konnte,
blieb dies den Wienern versagt. Nach zwei
weiteren Verschiebungen 2021 war nun die
Er wartungshaltung umso größer, daß das
Festsymposium wie geplant vollumfänglich
durchgeführt werden konnte. Gäste, insbesondere
aus Deutschland, ergänzten die Beiträge
österreichischer Vortragender. Das Ge -
neralthema des Festsymposiums lautete
„Wissenschaftliche Gesellschaften. Standortbestimmung
und Perspektiven der Archäologie,
Anthropologie und Ethnologie“.
Die Vorsitzenden der beiden organisierenden
Fachgesellschaften, Univ.Prof. Alexandra
Krenn-Leeb und Univ.Prof. Hermann
Mückler, betonten in ihren Eingangsstatements
die Herausforderungen, vor denen heu -
te die Mehrheit der wissenschaftlichen Ge -
sellschaften, die meist als Vereine organisiert
sind, stehen. Partielle Überalterung, stagnierende
Mitgliederzahlen und veränderte An -
forderungen an eine zeitgemäße Vermittlung
wissenschaftlicher Erkenntnisse erfordern
von den Gesellschaften Flexibilität, Kreativität
und Mut für Neues.
tere Öffentlichkeit bringen und damit einen
wichtigen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen.
Die Vortragenden stellten in den insgesamt
26 Vorträgen nicht nur die Geschichte
und den Ist-Zustand detailreich dar, sondern
entwickelten vor allem Strategien für die Zu -
kunft. Die Bandbreite der vorgestellten Ge -
sellschaften reichte – neben den organisierenden
beiden Gesellschaften – vom Westund
Süddeutschen Altertumsverband, dem
Wirken der Görlitzer Wissensgesellschaften,
über die Bioarchäologische Gesellschaft
Österreichs bis zur Internationalen Gesellschaft
für Jäger und Sammler-Forschung. Be -
sonders initiativ erschienen dabei neu ge -
gründete Gesellschaften wie Orbis Ferrorum,
der Dachverband Archäologischer Studieren -
den Vertretungen, ArchaeoPublica sowie das
Archäologische Forschungsnetzwerk Innsbruck
(AFIN). Gerade letztere zeigten mit
ihren Ideen und Konzepten auf, wohin
zukünftig die Reise für Wissenschaftsgesellschaften,
insbesondere auch unter Einbindung
der jüngeren Generation, in den ge -
nannten Fächern gehen könnte. Damit lieferte
das Festsymposium einen wichtigen Beitrag
zu deren Neudefinition und zukünftiger
Räumlichkeiten des Na turhistorischen Mu - Die Generaldirektorin des Naturhistorischen
Ausrichtung.
hm
seums veranstaltet werden konnte.
Das anläßlich der beiden runden Jubiläen
bereits für 2020 geplante internationale Sym -
Museums, Katrin Vohland, betonte in
ihren ein führenden Worten die Bedeutung von
Fach gesellschaften, die wissenschaftliche
http://ag-wien.org/
https://oeguf.ac.at/
https://nhm-wien.ac.at/
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt
KZ-Gedenkstätte Mauthausen kooperiert mit USHMM
Durch die internationale Kooperation
werden zentrale Archivbestände gesichert
und Angehörigen der Opfer sowie Forschenden
zugänglich gemacht.
Eine zentrale Aufgabe beider Institutionen
ist es, die Zeugnisse der NS-Verfolgungsund
Vernichtungspolitik dauerhaft für künftige
Generationen zu sichern. Das USHMM,
das bereits 2003/04 im Rahmen seiner weltweiten
Quellensammlung auch die Originale
der KZ-Gedenkstätte Mauthausen mikroverfilmt
hatte, beschafft seit langem Kopien aus
Archiven in aller Welt, darunter auch in ös -
terreichischen Archiven, die für die NS-Zeit
relevante Dokumente sammeln, in Form von
Digitalisaten. Auch die KZ-Gedenkstätte
Mauthausen arbeitet bereits seit Jahren an
der Digitalisierung aller Sammlungsbereiche,
von Oral History-Interviews, Fotografien
bis hin zu Ar tefakten und nicht zuletzt
auch von Schriftgut. Aufgrund der umfassenden
Neuzugänge der vergangenen Jahre
verständigte man sich zu beiderlei Vorteil,
die 20 Jahre alte Kooperation zu erneuern.
Am 21. November unterzeichnete Barbara
Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte
Mauthausen, den Kooperationsvertrag ge -
Foto: United States Holocaust Memorial Museum / Joel Mason-Gaines
Barbara Glück und Zachary Levine bei der Vertragsunterzeichnung in New York
mein sam mit Zachary Levine, Leiter des Ar -
chivs und der Kuratorischen Angelegenheiten
am USHMM, in der Österreichischen
Botschaft Washington.
Gemäß der Kooperation wird das
USHMM ab nächstem Jahr mehrere hunderttausend
Seiten digitalisieren, die dann
Forschenden, Angehörigen der Opfer und an -
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
84
deren Interessierten in Österreich, aber auch
in den USA, zugänglich gemacht werden
kön nen. „Durch die Kooperation können wir
unserer Verpflichtung gegenüber den Angehörigen
nachkommen und zur weiteren Aufklärung
von Opferbiografien beitragen“, so
Barbara Glück.
n
https://www.mauthausen-memorial.org/
Stefan Herheim gewinnt einen »Opera Award 2022«
Bei der Verleihung der „Opera Awards
2022“ im Teatro Real Madrid wurde der
Intendant des MusikTheaters an der Wien
der Vereinigten Bühnen Wien (VBW), Stefan
Herheim, am 28. November mit dem Preis in
der Kategorie Director/Regisseur ausgezeichnet.
Auf der Nominiertenliste standen neben
Herheim auch Rosetta Cucchi, Tobias Kratzer,
James Robinson, Simon Stone und Ade -
le Thomas.
Die „International Opera Awards“ werden
alljährlich durch das Londoner Fachmagazin
„Opera“ verliehen und wurden 2012 ins
Leben gerufen, um herausragende Opernleistungen
auf der ganzen Welt zu würdigen.
Die Bewertung erfolgt durch eine Jury aus
Fachleuten der Branche unter dem Vorsitz
von Redakteur John Allison.
Für Stefan Herheim ist diese Auszeichnung
mit dem International Opera Award ein
Zeichen großer Anerkennung, die das Profil
der Oper als Kunstform schärft.
An der Bayerischen Staatsoper zeichnete
Herheim im Februar 2022 für die Inszenierung
von Peter Grimes (Britten) verantwortlich.
Sein Debüt am MusikTheater an der
Wien mit dem Stück „Das schlaue Füchslein“
Foto: Vereinigte Bühnen Wien / Moritz Schell
Stefan Herheim, Intendant des
MusikTheaters an der Wien
(Leoš Janáček) im Oktober diesen Jahres
wur de von Publikum und Presse heftig ak -
klamiert. Auch bei der Familienoper von Gian
Carlo Menotti „Amahl und die nächtlichen
Besucher“ mit Premiere am 15. Dezember
hat er wieder am MusikTheater an der Wien
Regie geführt.
„Die Auszeichnung von Intendant Stefan
Herheim als bester Regisseur bestätigt einmal
mehr den Weg der Stadt Wien in Kultur
zu investieren und damit den Weltruf Wiens
als Musikhauptstadt zu untermauern“, zeigt
sich Wiens Stadtrat Peter Hanke erfreut.
„Wiener Musiktheater genießt national
wie international höchste Reputation. Die
Auszeichnung von Stefan Herheim mit dem
,International Opera Award‘ zeigt erneut,
daß die VBW als eines der wichtigsten Kulturunternehmen
der Wien Holding Musiktheater
in Spitzenqualität liefern“, so Wien
Holding-Geschäftsführer Kurt Gollowitzer.
VBW-Geschäftsführer Franz Patay freut
sich, mit Stefan Herheim den erfolgreichen
Weg als eines der besten Opernhäuser der
Welt fortzusetzen. Bereits 2016 hat das Theater
an der Wien für die beste Neuproduktion
des Jahres (Peter Grimes, 2015) den International
Opera Award erhalten.
Die Vereinigten Bühnen Wien sind ein
Unternehmen der Wien Holding. n
https://www.theater-wien.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
PaN-Preis NÖ für die Österreichisch-Slowakische
Gesellschaft
Feierliche Verleihung im Festsaal des Casinos Baden
85
Foto: NÖ / EFW Bollwein
v.l.: BM a.D. Werner Fasslabend, Botschafter der Slowakei in Österreich, Peter Mišík, Gen.Sekr. der Österreichisch-Slowakischen
Gesellschaft (ÖSG), Elena Penzes-Strobl, PaN-Präsident Univ.Prof. Hermann Mückler, Landesrat Botschafter Martin Eichtinger,
PaN-Vorständin Botschafterin Petra Schneebauer, Botschafter i.R. Maximilian Pammer und der Vizepräsident der ÖSG,Josef Wurditsch.
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
Im Rahmen des Salons Europa-Forum
Wachau wurde am 14. September im Congress
Center Baden der PaN-Preis NÖ an die
Österreichisch-Slowakische Gesellschaft ver -
liehen. Landesrat Martin Eichtinger, Präsident
des Europa-Forums Wachau, und PaN-
Präsident Univ.-Prof. Hermann Mückler über -
reichten den neu gestifteten PaN-Preis des
Landes Niederösterreich an Bundesminister
a.D. Werner Fasslabend, den Präsidenten der
Österreichisch-Slowakischen Gesellschaft,
und Botschafter i.R. Maximilian Pammer,
deren geschäftsführenden Vizepräsidenten.
Dem Festakt wohnte S.E. Peter Mišík, der
Botschafter der Slowakischen Republik in
Ös terreich, bei.
Schon wenige Monate nach der Geburt
der selbständigen Slowakischen Republik
wur de im Juni 1993 die Österreichisch – Slowakische
Gesellschaft gegründet. Ihr Ziel
war – wie bei allen im Dachverband PaN
(Österreich Partner aller Nationen) zu sam -
mengefaßten bilateralen Freundschaftsgesellschaften
– die Förderung der Beziehungen
zum Partnerstaat und zwischen den Men -
schen der beiden Länder.
Im Falle der Slowakei, deren selbständige
Lebensfähigkeit nach der Auflösung der
Tschechoslowakei vielfach bezweifelt wurde
und deren Image durch problematische in -
nenpolitische Entwicklungen beeinträchtigt
war, kamen zu diesen allgemeinen Zielsetzungen
auch ganz besondere Aufgaben: un -
ser infolge des Eisernen Vorhangs vielfach
kaum mehr bekanntes Nachbarland den
Öster reicherInnen wieder näherzubringen, sie
über dieses zu informieren, Klischees und
Vorurteile abzubauen, das Interesse an der
Slowakei zu wecken und die Kontakte zwischen
den Menschen der beiden Nachbarländer
zu fördern.
Wenn heute die Slowakei als wirtschaftlich
sehr erfolgreiches, seit fast 20 Jahren fest
in die EU integriertes Land allgemeine Anerkennung
genießt und sich auch verläßlicher
Nachbar und Partner Österreichs bewährt hat,
ist dies natürlich in erster Linie ihren Menschen
und den Verantwortungsträgern in beiden
Nachbarländern zuzuschreiben. Doch soll
nicht vergessen werden, daß auch die Österreichisch-Slowakische
Gesellschaft auf vielfältige
Weise um die Erreichung dieser Ziele
verdient gemacht hat.
Der Salon Europa-Forum Wachau wurde
unter dem Titel „Invest in Identiy, Culture and
Future“ anläßlich des 50-Jahre-Jubiläums der
Europahymne in Baden veranstaltet, wo Lud -
wig van Beethoven einst die berühmte Melodie
komponiert hatte. Landesrat Martin Eich -
tinger und Stefan Szirucsek, der Bürgermeister
von Baden, begrüßten und leiteten mit
Hon.Prof. Christian Mandl, Abteilungsleiter
Europapolitik in der Wirtschaftskammer Ös -
terreich, die Veranstaltung ein. Nach der Präsentation
niederösterreichischer grenzüberschreitender
Vorzeigeprojekte dis kutierten
Ro bert Ziegler, Landesdirektor des ORF
Niederösterreich, und Jan Souček, Di rektor
von Česká televize TS Brno, über die Bedeutung
und Aufgabe öffentlich-rechtli cher Me -
dien in demokratischen Gesellschaften. hm
http://www.oe-sg.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
PaN-Preis BMEIA für Österreichisch-Ukrainische
Gesellschaft
86
Foto: PaN
v.l.: PaN-Präsident Univ.Prof. Hermann Mückler, Ehrenpräsidentin der Österreichisch-Belgischen Gesellschaft Greet Machek-Vos, Leiterin
der Sektion Konsularische Angelegenheiten im BMEIA, Botschafterin Petra Schneebauer, PaN-Generalsekretär Senator Walter Gerbautz,
Gesandter der Botschaft der Ukraine Vadym Kovalevskyi, Opernsängerin Zoryana Kushpler, Pianistin Iryna Nikolayeva, Präsident der
Österreichisch-Ukrainischen Gesellschaft Univ.-Prof. Alois Woldan und PaN-Vorstand Lukas Vosicky
Der alljährlich vom Dachverband aller
österreichisch-ausländischen Gesellschaften
– PaN vergebene Preis des Bundesministeriums
für europäische und internationale
Angelegenheiten ging 2022 an die Ös -
terreichisch-Ukrainische Gesellschaft. Der
Festakt fand am 6. Oktober im Alois Mock-
Saal des Außenministeriums statt. Botschafterin
Teresa Indjein, Leiterin der Sektion für
internationale Kulturbeziehungen, hob die
österreichisch-ukrainische Freundschaft hervor,
der derzeit eine besonders große Bedeutung
zukommt. Der ukrainische Gesandte
Vadym Kovalevskyi bedankte sich für die
Kooperation und das Engagement der Österreichisch-Ukrainischen
Gesellschaft und
hob den Zusammenhalt hervor, der gerade in
solch schwierigen Zeiten von großer Bedeutung
ist. Univ.-Prof. Hermann Mückler, Präsident
des Dachverbandes-PaN, ging in seiner
Laudatio auf die Bedeutung der Ge -
schichte ein und wie sehr die Ereignisse der
letzten Monate die Welt bewegt und verändert
haben.
In seiner Dankesrede führte Univ.-Prof.
Alois Woldan, Präsident der Österreichisch-
Ukrainischen Gesellschaft, aus, wie wichtig
Foto: PaN
das Netzwerk der Gesellschaft im letzten
Halbjahr war. Die ukrainischen Opernsängerin
Zoryana Kushpler, begleitet von Iryna
Nikolayeva, – beide stammen aus Lemberg/
Lwiw –, gestalteten den musikalischen Rahmen.
Durch den abendlichen Festakt, an dem
zahlreiche VertreterInnen der unterschiedli -
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
chen zivilgesellschaftlichen und religiösen
Ge meinden der in Österreich lebenden Ukrai -
ner teilnahem, führte der Leiter der Abteilung
für multilaterale Auslandskultur, Botschafter
Martin Pammer. Im Anschluß wur de zu
einem Empfang geladen.
n
Lukas Vosicky
v.l.: Botschafterin Teresa Indjein, Iryna Nikolayeva, PaN-Präsident Hermann Mückler, ÖUG-
Präsident Alfred Woldan, PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz und Kushpler Zoryana
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
20 Jahre Österreichisch-
Französische Vereinigung
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Ein Fest im Palais Eschenbach
Foto: ÖFV
Ein Blick in den Festsaal in dem von 1870 bis 872 von Otto Thienemann erbauten Palais Eschenbach
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
Mit einer Festveranstaltung im großen
Festsaal des Palais Eschenbach konnte
das Covid19-bedingt verschobene 20-Jahr-
Bestandsjubiläum der Österreichisch-Franzö -
sischen Vereinigung (ÖFV) nun gebührend
nachgefeiert werden. Knapp 200 Gäste folgten
der Einladung des langjährigen Präsidenten
der ÖFV, Heinz-Christian Sauer, Vizepräsident
Rudolf Novaks sowie Generalsekretärin
Regine Kreuchs, die diese am 4. Ok -
tober im prunkvollen Historismus-Ambiente
stattgefundene Veranstaltung organisiert hatten.
Präsident Sauer erinnert in seiner Eröffnungsrede
an die Gründung und Geschichte
der ÖVF, die eine jahrzehntelang bestehende
Vorläuferorganisation aus der Zeit nach dem
Ende des Zweiten Weltkriegs hatte, die aber
ihren Betrieb Ende der 1990er-Jahre einstellen
mußte. Gerade als die Beziehungen zwischen
Österreich und Frankreich einen Tiefpunkt
hatten – bedingt durch die Regierungs -
bildung in Österreich im Jahr 2000 unter Be -
teiligung einer rechts-nationalen Partei und
dem darauffolgenden Widerstand und eingeleiteten
Maßnahmen mehrerer europäischer
Län der dagegen, die von Frankreich unter Prä -
sident Jacques Chirac angeführt worden wa -
ren –, kam es zur Gründung der ÖFV. Um in
diesen polarisierenden Zeiten anstelle des
Trennenden das Verbindende in den Vordergrund
zu rücken, kam diese bilaterale
Freundschaftsgesellschaft gerade zum richtigen
Zeitpunkt. Die ÖFV ist Mitglied im
Dachverband aller österreichisch-ausländischen
Gesellschaften PaN und kooperiert im
Netzwerk bilateraler Freundschaftsgesellschaften
auch immer wieder mit anderen Ge -
sellschaften.
Die Leistungsbilanz der ÖFV seit ihrer
Gründung kann sich sehen lassen: Ob Vorträge,
Führungen, Exkursionen, musikalische
Veranstaltungen – attraktive Themen
und hochkarätige Gäste, die ihre jeweilige
Expertise bereitwillig teilten, trugen dazu bei,
ein umfassendes Bild von der französischen
Kultur in all ihren Facetten einem interessierten
österreichischen Publikum zu eröffnen.
Auf einer großen Leinwand konnten die
Festgäste in einer Rückschau ihre Erinnerungen
an diese Veranstaltungen auffrischen.
Der Rede des Präsidenten folgte die des
Botschafters der Republik Frankreich in Ös -
terreich, Gilles Pécout. Redegewandt und
mit Humor wies er auf kulturelle Eigenheiten
der Franzosen und Französinnen hin und
reflektierte Klischees und Vorurteile, die oft
historische Wurzeln aufweisen. Er dankte der
ÖFV für ihre Rolle als außerordentlich er -
folgreiche Kulturvermittlerin. Danach hielt
der Präsident des Dachverband-PaN, Univ.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
88
Prof. Hermann Mückler, eine Laudatio auf
die ÖFV und verwies dabei auf die Wichtigkeit
und Bedeutung des ehrenamtlichen zi -
vilgesellschaftlichen Engagements in einer
Zeit, die von zunehmenden Herausforderungen
geprägt ist. Er strich dabei die Vorbildwirkung
der sehr initiativen und engagierten
ÖFV heraus und schloß nicht nur mit Dank
und Glückwünschen für die geleistete Arbeit
für ein gedeihliches, friedliches Miteinander
in einer komplexer werdenden Welt, sondern
verknüpfte dies mit der Hoffnung, daß die
ÖFV auch die kommenden 20 Jahre in ihren
brückenbauenden Initiativen nicht nachläßt.
Abgerundet wurde der offizielle Teil
durch die musikalischen Darbietungen des
Duos Claire Tudela und Anel Ahmetovic. Tu -
dela, eine französische Schauspielerin, Sängerin
und Theaterregisseurin, gab sechs
Chansons zum Besten, die von dem aus Bosnien-Herzegowina
stammenden und in zahlreichen
Formationen spielenden Akkordeonisten
Ahmetovic kongenial begleitet wurden.
Heinz-Christian Sauer, der seit Jahren
entscheidend zur Verbreitung der Kenntnis
des französischen Chansons in Österreich
bei trägt, erläuterte die wohlausgewählten ein -
zelnen Stücke in ihren inhaltlichen Bedeutungen.
Foto: ÖFV
Der Präsident der Österreichisch-Französischen Vereinigung, Heinz-Christian Sauer
Zu den zahlreichen Ehrengästen zählten
u.a. mehrere PräsidentInnen bzw. Präsidenten
bilateraler Freundschaftsgesellschaften, so
z.B. von Luxemburg, Belgien und Großbritannien.
Zu den aus Frankreich stammenden
Ehrengästen zählte u.a. Senator und Ab ge -
ordneter der französischen Nationalversamm -
lung sowie langjähriger leitender Repräsentant
der Interparlamentarischen Union, Ro -
bert Denis del Picchia, aber auch Mitglieder
des Hochadels, darunter Comte Romée de La
Poëze d’Harambure. Dem offiziellen Festakt
folgte ein gemütliches Bei sam mensein mit
Wein und kleinen Häppchen, bei dem persön -
liche Kontakte vertieft werden konnten. hm
https://oefv.org/
Foto: ÖFV
Das Duo Claire Tudela und Anel Ahmetovic gab sechs Chansons zum Besten.
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
Österreichisch-Deutsches
Länderforum
89
Diskussionsveranstaltung der bilateralen Freundschaftsgesellschaft
Österreich-Deutschland in der Diplomatischen Akademie Wien
Die bilaterale Freundschaftsgesellschaft
Österreich-Deutschland – das Österreichisch-Deutsche
Länderforum – ist nicht nur
bestrebt, die österreichisch-deutschen freund -
schaftlichen Beziehungen zu fördern, sondern
auch Raum für Kommunikation und Vernetzung
zu bieten. Das Länderforum zielt darauf
ab, als Drehscheibe für den Austausch
bilateraler aber auch multilateraler Akteure
zu fungieren und damit für seine Mitglieder,
aber auch interessiertem Publikum außerhalb
des Vereins, einen Zugang zu Experten und
Spezialisten aus Kultur, Gesellschaft, Wirtschaft
und Politik herzustellen.
Die »Hamburger Reihe«
Von daher pflegt das Länderforum unter
an derem eine enge Kooperation mit der
„Hamburger Reihe“, die, unter der Schirmherrschaft
der Europäischen Akademie der
Wissenschaften und Künste, regelmäßig alljährlich
Symposien im renommierten Übersee-Club
in Hamburg und alternierend in
Wien veranstaltet. Der Themenbogen um -
spannt nicht nur aktuelle gesellschafts-, geopolitische-
oder wirtschaftliche Themen,
sondern umfaßt auch Inhalte kultureller bzw.
kulturhistorischer Natur. Das Österreichisch-
Deutsche Länderforum wirkt hierbei sowohl
bei der Themensetzung, als auch bei den Vor -
bereitungen von diesbezüglichen Veranstaltungen
intensiv mit. Der hierbei immer an -
schließende Empfang zielt darauf ab, nicht
nur Speis und Trank dem Publikum zu bieten,
sondern auch die Möglichkeit sich mit
den Vortragenden im Rahmen eines persönlichen
Gesprächs auszutauschen.
*)
Harald Wögerbauer ist u.a. Träger des Goldenen
Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik
Österreich, er ist Ehrenvorstand der Österreichisch-
Koreanischen Gesellschaft, Mitglied im Vorstand
der Österreichisch-Russischen Gesellschaft und
Mitglied sowie Ehrenzeichenträger im Dachverband
aller österreichisch-ausländischen Gesellschaften –
PaN
Foto: ÖDLF / E.Prokofieff
Die Generalsekretärin des Österreichisch-Deutschen Länderforums, Talieh Wögerbauer (l.) im
Mai 2019 mit Österreichs Bundeskanzlerin a.D. Brigitte Bierlein im Übersee-Club Hamburg
Übersee-Club Hamburg
So wurde in oben besagter Kooperation
am 2. Mai 2019 zu einem Symposium über
die Klimakrise in den Übersee-Club Hamburg
geladen. Zur Fragestellung – „Ist der
Klimawandel noch beherrschbar? Wege zwischen
Klimaschutz und Anpassung an die
Folgen der Erderwärmung“ – wurden politische
und ethische Dimensionen der Klimafolgen
ausgeleuchtet, sicherheitspolitische
und gesellschaftliche Klimafolgen angesprochen,
die in den kommenden Jahrzehnten zu
erwarten sind.
Nach einer durch die Pandemie bedingten
längeren Pause wurde zu einem weiteren
Symposium am 9. September 2021 in den
Übersee-Club Hamburg geladen. Zunächst
war geplant, daß Bundeskanzler a.D. Gerhard
Schröder gemeinsam mit Österreichs Bun -
deskanzlerin a.D. Brigitte Bierlein zum The -
ma „Brauchen wir eine neue Weltordnung?“
referieren sollte. Allerdings sagte Schröder
wegen einer Terminkollision kurzfristig ab.
Harald Wögerbauer, Mitglied des Präsidiums
des Europäischen Rechnungshofes a.D. und
Präsident des Österreichisch-Deutschen Länderforums,
sprang kurzfristig ein. Globale po -
litische und wirtschaftliche Entwicklungen
der letzten Jahre und der Gegenwart wurden
von Wögerbauer und Bierlein erörtert, si -
cherheitspolitische, datenschutzrechtliche und
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
sozioökonomische Aspekte beleuchtet, vor
allem auch im Hinblick klima- und pandemiebedingter
Auswirkungen. Es entspann
sich ein reger Diskussionsverlauf mit dem
Pu blikum, wobei vor allem Fragen österreichspezifischer
Natur den Vortragenden ge -
stellt wurden.
Diplomatische Akademie Wien
Im heurigen Jahr fand nun diese Syposiumreihe
am 11. Oktober in der Diplomatischen
Akademie Wien unter der gemeinsamen
Ägide des „Österreichisch-Deutschen
Länderforums (ÖDLF)“ und der „Europäischen
Akademie der Wissenschaft und Künste“
ihre Fortsetzung. Diesjähriges Thema
war die Erörterung der Frage „Die Rückkehr
der Nuklearen Bedrohung – ist sie Realität?“.
Deutsche und österreichische Experten dis -
kutierten unter der Moderation des Direktors
der Diplomatischen Akademie, Botschafter
Emil Brix, die Entwicklungen in den Nuklearstrategien
der Atommächte und die mit den
russischen Atomdrohungen verbundenen
Risiken für Europa und die Welt.
Der Präsident des Länderforums, Harald
Wögerbauer, begrüßte die sehr zahlreichen
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
90
Foto: PaN / WJG
In der Diplomatischen Akademie (v.l.): ÖDLF-PaN Generalsekretärin Talieh Wögerbauer, Brigadier a.D. Walter Feichtinger, der
Direktor der Diplomatischen Akademie, Botschafter Emil Brix, Brigadegeneral a.D. Helmut W. Ganser und Oberst i. R. Wolfgang Richter
Teilnehmer und setzte mit seiner Einführung
prägnant den inhaltlichen Rahmen für die
nachfolgende Debatte. Oberst a.D. Wolfgang
Richter von der Berliner „Stiftung Wissenschaft
und Politik“ (SWP) vermittelte einen
Überblick über die modernisierten Atomwaffenarsenale
und die neue Betonung der
Atomwaffen in den Nuklearstrategien der
atomaren Supermächte USA und Rußland,
die über 90 Prozent des gesamten Nuklearwaffenpotentials
verfügen. Brigadegeneral
a. D. Helmut W. Ganser vertrat die Auffassung,
daß das atomare Eskalationsrisiko
durch Rußland im weiteren Kriegsverlauf
real sei. Wenn die nukleare Schwelle erstmals
seit 77 Jahren überschritten werde, bestehe
das hohe Risiko einer unkontrollierbaren Es -
kalation, in die ganz Europa hineingezogen
werden könnte. Washington und Moskau
müß ten dringend einen Ausstieg aus der Es -
kalationsspirale finden, den Krieg stoppen
und zu diplomatischen Verhandlungen zu -
rück kehren. Brigadier i.R. Walter Feichtinger
konzentrierte sich auf die mit dem Krieg
verbundenen strategischen Dynamiken und
die Analyse der russischen Operationsführung
im Krieg gegen die Ukraine. In der ab -
schließenden lebhaften Diskussion mit den
Zuhörern wurde unter anderem die mögliche
vermittelnde Rolle und die Positionierung
Chinas und der Türkei in diesem Krieg thematisiert.
Foto: PaN / WJG
Der Präsident des Österreichisch-Deutschen Länderforums, Harald Wögerbauer
Vorschau
Das nächste Symposium wird voraussichtlich
wieder im Übersee-Club in Hamburg
im Mai 2023 stattfinden. Nähere Informationen
hierzu werden zeitgerecht auf der
Webseite des Österreichisch-Deutschen Länderforums
bekanntgegeben. Darüber hinaus
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
ist geplant eventuell ein zweites Symposium
hier in Wien im Herbst 2023 anzubieten. Auf
ein zahlreich interessiertes Publikum freut
sich das Österreichisch-Deutsche Länder -
forum.
n
http://www.oedlf.at/
https://www.da-vienna.ac.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
PaN-Gesellschaften
vor den Vorhang
91
PaN-Projektunterstützungspreise 2022 im Wiener Rathaus verliehen
Foto: Stadt Wien
v.l.: PaN-Vorstand Lukas Marcel Vosicky, PaN-Vizepräsident Oskar Wawra,PaN-Generalsekretär Senator Walter J. Gerbautz, Präsidentin der
Österreichisch-Indischen Gesellschaft Prof. Radha Anjali, Ehrenpräsidentin der Österreichisch-Belgischen Gesellschaft Greet Machek-Vos,
Schatzmeisterin des Vereins der Freudne Bhutans Christine Jantscher, Präsident der Österreich Südsudan Gesellschaft Abg. z. NR Günter
Kössl, Direktor der Diplom. Akademie Botschafter Emil Brix, Projektverantwortlicher Miakwadang Herbert Bronnenmayer, Projektverantwort -
liche Miakwadang Veronika Kunze, Vizepräsident der Österreich Südsudan Gesellschaft Paul A. Slatin, Botschafter der Republik Sudan SE
Mr. Magdi Mofadal, Gesandter der Botschaft der Republik Sudan, Gruppenleiterin der Magistratsdirektion für Europa und Internationales
Alena Sirka-Bred und PaN-Präsident Univ.Prof. Hermann Mückler.
Nach dreijähriger coronabedingter Unterbrechung
lud der Dachverband aller ös -
terreichisch-ausländischen Gesellschaften –
PaN seine bilateralen Freundschaftsgesellschaften
wieder zu dem traditionellen PaN-
Projektwettbewerb ein. Am 3. November fand
im Wappensaal des Wiener Rathauses ein
Fest akt zur feierlichen Verleihung der PaN-
Projektunterstützungspreise an die drei sieg -
reichen PaN-Gesellschaften, nämlich an den
Verein der Freunde Bhutans-PaN, die Österreichisch-Indische
Gesellschaft-PaN und die
Österreichisch-Sudanesische Gesellschaft-
PaN in Anwesenheit von rund 140 Fest gä -
sten ein.
Ein Höhepunkt des Abends war der vielbeachtete
Festvortrag des Leiters der Diplomatischen
Akademie, Botschafter Emil Brix,
welcher mit dem kryptischen Thema „Wie
groß ist Österreich?“ die gespannt lauschenden
Festgäste aus Politik, Wirtschaft, Kunst
Foto: Stadt Wien
Botschafter Emil Brix, Leiter der Diplomatischen
Akademie, fesselte die Festgäste mit
seinem Vortrag mit dem kryptischen Thema
„Wie groß ist Österreich?“
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
und Kultur sowie die zahlreichen Vorstände
und Freunde der bilateralen Freundschaftsgesellschaften-PaN
begeisterte.
Durch das Programm führte PaN-Präsident
Univ.Prof. Hermann Mückler, der sich
auch im Namen des PaN-Vorstandes für die
rege Teilnahme der bilateralen Freund schafts -
gesellschaften an diesem Projektwett bewerb
bedankte und jenen Gesellschaften, die heuer
nicht unter die ersten drei kamen, ermunterte,
im kommenden Jahr erneut beim PaN-
Projektunterstützungspreis teilzunehmen.
Die musikalische Umrahmung erfolgte
durch zwei hervorragende ukrainische Piani -
stinnen, die die Zuhörer durch ihr großartiges
Können zu Beifallsstürmen aufmunterten.
https://austria-bhutan.org/
https://www.austriaindia.org/
Die Österreichisch-Sudanesische
Gesellschaft-PaN hat keine Homepage
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
VAE-Botschafter im Burgenland
92
Foto: ÖVAEG-PaN
Die Geschäftsleitung der Firma Kludi und die ÖVAEG-PaN Delegation (v.l.): PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz, Betriebsleiter
Alexander Fürlinger, Geschäftsführer Thomas Krones, SE Botschafter Hamad Alkaabi, ÖVAEG-PaN-Präsident Hans Niessl, Generalsekretär
der Österreichisch-Arabischen Handelskammer Mouddar Khouja und ÖVAEG-PaN-Vorstand Robert Schneider.
Foto: Burgenland Energie / Richard Neubauer
CEO Stephan Sharma führte SE Botschafter Alkaabi durch die Baustelle im Windpark Neudorf
Am 11. November besuchte SE Hamad
Alkaabi, Botschafter der Vereinigten
Arabischen Emirate, im Rahmen einer von
der Österreichisch Vereinigten Arabischen-
Emirate-Freundschaftsgesellschaften-PaN
organisierten Delegation mehrere Unternehmungen
im nördlichen Burgenland.
Die erste Station war die Firma Kludi in
Hornstein im Bezirk Eisenstadt, welche im
Jahr 2021 von einem renommierten Unter -
neh men aus den VAE übernommen worden
war. Botschafter Alkaabi war von den Produktionsabläufen
und der erfolgreichen Firmengeschichte
sehr beeindruckt und wünsch -
te der Geschäftsleitung mit Geschäftsführer
Thomas Krones an der Spitze weiterhin viel
Erfolg.
Die zweite Station befand sich im Windpark
der Energie Burgenland in Neudorf bei
Parndorf, wo der CEO von Energie Burgenland,
Stephan Sharma, mit seinem Team die
ÖVAEG-PaN Delegation in Empfang nahm.
Botschafter Alkaabi und den Delegations -
teilnehmern wurde der Aufbau eines gigantischen
Windrades mit fast 200 m Höhe eindrucksvoll
vor Augen geführt. Besonders be -
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
eindruckte Botschafter Alkaabi die weitsichtigen
Investitionen in die Windenergie ,die
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
93
unter dem als ÖVAEG-Präsident an der Spitze
der De legation stehenden Landeshauptmann
a.D. Hans Niessl bereits eingeleitet
worden waren.
Vom Windpark Neudorf ging es über die
Parndorfer Platte bei Kaiserwetter nach Frau -
enkirchen, wo in der Martinstherme Lodge
Direktor Klaus Hofmann die Delegation mit
burgenländischer Gastfreundschaft in Empfang
nahm.
Eine kulinarische Stärkung verhalf den
De legationsteilnehmern zu neuen Lebens -
geistern, wobei Hofmann die Zeit nutzte, die
Sankt Martin Therme & Lodge in einem ge -
schichtlichen Bogen zu präsentieren. Im An -
schluß führte er durch das Hotel und die
Thermenlandschaft.
Vierte und letzte Besuchsstation war die
Perlinger Gemüse GmbH in Wallern im Seewinkel,
dem größten Gemüseproduktionsunternehmen,
bzw. der „geo“-Gemüseerzeuger -
organisation. Aufsichtsrat und Seniorchef
Werner Perlinger und Sohn Patrick begrüßten
SE Botschafter Alkaabi und die ÖVAEG-
PaN-Delegation und führten durch das nach
modernsten ökologischen Gesichtspunkten
er richtete lichtdurchflutete Gewächshausareal.
Mehr als 50 verschiedene Gemüsesorten
werden mit modernsten ökologischen
Pro duktionsmethoden in einem der größten
Glashäuser Europas erzeugt.
Die Dämmerung legte sich bereits über
den Seewinkel, als die ÖVAEG-PaN Delegation
tief beeindruckt von den vielfältigen
bur genländischen Produktions- und Dienstlei -
stungsunternehmen die Heimreise antrat. n
https://www.oevaeg.at/
https://www.kludi.com
https://www.burgenlandenergie.at
https://www.perlinger-gemuese.at
https://www.stmartins.at
Foto: ÖVAEG-PaN
Foto: ÖVAEG-PaN
Die ÖVAEG-PaN-Delegation vor der St. Martinstherme in Fraunenkirchen mit CEO Klaus Hofmann
(2. v.l.) nach der Führung durch das Hotel und die Thermenlandschaft.
v.l.: ÖVAEG-PaN-Vorstand Robert Schneider, PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz, Juniorchef
Patrick Perlinger, ÖVAEG-PaN-Präsident Hans Niessl, SE Botschafter Hamad Alkaabi,
Seniorchef Werner Perlinger und AACC-Generalsekretär Mouddar Khouja; das Bild unten
bietet einen kleinen Einblick in die Dimensionen des Gemüseproduktionsunternehmens.
Foto: ÖVAEG-PaN
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
Länderübergreifendes
Orchesterkonzert
94
Die Österreich-San Marino Freundschaftsgesellschaft-PaN setzte im Joseph Haydn
Konservatorium Eisenstadt ein großartiges Beispiel für Völkerverbundenheit.
Foto: San Marino Gesellschaft-AD
Ein Blick auf die Studierenden des Joseph Haydn Konservatoriums Eisenstadt
Die jüngste der derzeit 125 PaN-Gesellschaften,
die Österreich-San Marino
Freundschaftsgesellschaft-PaN, hat mit dem
am 16. November im Joseph Haydn Konservatorium
stattgefundenen länderübergreifenden
Orchesterkonzert wieder ein großartiges
Beispiel für Völkerverbundenheit gesetzt. Im
bis auf den letzten Platz gefüllten Haydn
Saal führten die Studierenden des Haydn
Konservatoriums (JHK) mit großartiger Verstärkung
durch Künstlerinnen aus San Marino
und unter der Dirigentin Chariklia Apostolu
Werke von Carl Goldmark – „In Italien“,
Ouver türe für Orchester op. 49, von
Jo seph Haydn, das Trompetenkonzert in Es-
Dur, Hob. VIIe.1, und Jenő Takács eine Ur -
auf füh rung der „Volkstänze aus dem Burgenland“
op. 57 auf – perfekt dargeboten von
Studierenden des JHK.
Die vielseitige Pianistin Patrizia Romanello
Foto: San Marino Gesellschaft-AD
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
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Einen viel beachteten Höhepunkt des
Konzertabends bildete die Uraufführung der
„Fantasia Concertante“ des an diesem Abend
anwesenden Komponisten, Dirigenten und
Intendanten des „San Marino International
Festival of New Music“, Massimiliano Messieri.
Das Stück für Klavier und Streichorchester
entstand als Reaktion auf eine Zeit
der Ermutigung für die ganze Menschheit, in
der viele Menschen ihre Lieben durch die
Pandemie verloren haben. Das „Leitmotiv“
der „Fantasia Concertante“ ist das Bewußtsein
der Unvermeidlichkeit. Die verrinnende
Zeit lehrt uns, daß das Leben in seinen verschiedenen
Facetten einen Sinn hat und zu
En de gelebt werden muß.
Die Darbietung der vielseitigen Pianistin
Patrizia Romanello reicht vom Barock bis zur
Modernen Kunst und der an diesem Abend ge -
feierten Uraufführung des Maestro Massi mi -
liano Messieri, der ihr „12 Haikus“ und zahlreiche
andere Kom positionen gewidmet hat.
Die Begrüßung des honorigen Publikums
nahm Gerhard Krammer, Direktor des JHK,
vor, welcher auch mit zahlreichen musikalischen
Anekdoten das Publikum durch das an -
spruchsvolle Programm führte. Die aus Wien
angereiste Botschafterin von San Marino,
I.E. Elena Molaroni, bedankte sich bei der
Österreich-San Marino Gesellschaft-PaN für
diese Initiative, die von deren Präsidenten
Johannes Pinczolits und Vizepräsidenten Al -
fred Diewald nicht nur ergriffen, sondern
auch maßgeblich organisiert wurde. Damit
seien die Bande zwischen San Marino und
Österreich und speziell dem Burgenland wie -
der vertieft und gefestigt worden, so die
Botschafterin.
Unter den Ehrengästen befanden sich
zahlreiche Persönlichkeiten aus Di ploma tie,
Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur, so un -
ter anderen die Eu ropaabgeordnete a.D. und
Landesrätin a.D. Christa Prets, Landeshauptmann
Stellvertreter a.D. und Geschäfts führer
des JHK Franz Steindl und PaN-Generalsekretär
Walter J. Gerbautz.
Nach dem Konzert erfolgte die Einladung
der Österreich-San Marino Gesellschaft-PaN
zu einem typisch burgenländischen Empfang
unter FreundInnen in der Lounge des dazu
be stens geeigneten JHK.
Das JHK bildet als postsekundäre Bildungseinrichtung
des Landes Burgenland
Studierende aus aller Welt in künstlerischen
und pädagogischen Bereichen der Musik
und in der Entwicklung und Erschließung der
Künste (artistic research) aus.
n
https://www.austria-sanmarino.at/
https://haydnkons.at/
Alle Fotos: San Marino Gesellschaft-AD
IE Botschafterin Elena Molaroni bei ihrer Begrüßungsrede
v.l.: San Marino-Vizepräsident Alfred Diewald, Marco Capriccioni Presseverantwortlicher,
Pianistin Patrizia Romanello, Maestro und Komponist Massimiliano Missieri, IE Botschafterin
Elena Molaroni und San-Marino-Präsident Johannes Pinczolits
San Marino Spezereien versüßten den Abend…
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
Nationalfeiertag der Vereinigten
Arabischen Emirate in Wien
Nach zweijähriger Unterbrechung gab der Botschafter im Kursalon Hübner
im Wiener Stadtpark einen festlichen Empfang für 300 Gäste
96
Foto: Botschaft der VAE / Philipp Hutter
Die Vorstände der ÖVAEG-PaN mit dem Violinquartett „Camerata Prima Wien“ (v.l.): vl. Ehrenpräsident Walter Hildebrand, Moderatorin
Emese Kovacs, ÖVAEG-PaN-GS Walter J. Gerbautz, ÖVAEG-Beirat Angelika Persterer-Ornig, Jewgenij Andrusenko (Geiger der
Wr. Philharmoniker), Botschafter Hamad Alkaabi, ÖVAEG-Vizepräsident Omar al Rawi und ÖVAEG-Vorstand Mouddar Khouja
Anläßlich des 51. Jahrestages des Nationalfeiertags
der Vereinigten Arabischen
Emirate lud der Botschafter der Vereinigten
Arabischen Emirate und Ständiger Vertreter
bei den Vereinten Nationen und internationalen
Organisationen in Wien, S.E. Hamad Al -
kaabi zu einem Empfang in den Kursalon
Wien ein.
Der Empfang fand am 2. Dezember nach
zweijähriger Corona-Pause statt. S.E. Alkaabi
lud zahlreiche Ehrengäste und über 300 Einwohner
der Bundeshauptstadt ein – unter
ihnen Mitglieder des Vorstands des Dachverbands
aller österreichisch-ausländischen Ge -
sellschaften – PaN und der Österreich-Vereinigte
Arabische Emirate-Gesellschaft. In
seinen Begrüßungsworten bekräftigte er die
starke bilaterale strategische Beziehung, die
zwischen den beiden Ländern besteht, und
wies auf die Bedeutung von Toleranz, Wohlergehen
der Menschen, Stärkung internationaler
Partnerschaften, die Bedeutung einer
Foto: Botschaft der VAE / Philipp Hutter
v.r.: Botschafterin und PaN-Vorstandsmitglied Petra Schneebauer, SE Botschafter Alkaabi,
ÖVAEG und PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz, PaN-Beirat Ernst Huber und „Cercle
Diplomatique“-Redakteur Arian Hamidj Faal
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
97
Alle Fotos: Botschaft der VAE / Philipp Hutter
SE Botschafter Hamad Alkaabi bei seiner Festansprache
v.l.: ÖVAEG-PaN-Vorstand Robert Schneider mit Generalsekretär Walter J. Gerbautz, Ehrenpräsident
Walter Hildebrand und Angelika Persterer-Ornig Ehemann Alex Persterer
v.l.: ÖVAEG-PaN-Generalsekretär Walter J. Gerbautz mit den beiden ÖVAEG-Vorständen
Mouddar Khouja und Omar al Rawi
wissensbasierten Wirtschaft hin, um den
Fortschritt aufrechtzuerhalten und das Be -
streben, die gemeinsamen Ambitionen der
beiden Länder zu erfüllen.
Nach der feierlichen Ansprache des Botschafters
wurde die kuklturelle Verbundenheit
der beiden Länder mit den Darbietungen
des Violinquartetts der “Camerata Prima
Wien” unter der musikalischen Leitung des
Wiener Philharmonikers Jewgenij Andrusen -
ko auf eindrucksvolle Weise manifestiert.
Die vier Violinistinnen Kateryna Skoroboga -
tova , Sofija Ulanova, Timer Bornemisza
und Michael Andrusenko aus der Hochbegabtenförderung
der Musikschulen der Stadt
Wien begeisterten die Gäste mit dem Concerto
a 4 Violini No. 2 G major TWV 40.201
von Georg Philipp Teleman. Alle vier Geigerinnen
sind mehrfache erste Preisträgerinnen
von „Prima la Musica“ und mehreren internationalen
Wettbewerben.
Der Nationalfeiertag wurde auch durch
zahlreiche Überraschungen und Unterstützer
bereichert. Die Falkner der Adlerwarte Kreu -
zenstein gaben die Gelegenheit, sich mit der
Falknerei und der Bedeutung der Beibehaltung
der Falknereitraditionen im Allgemeinen
vertraut zu machen. Musikalische Beiträge
leistete auch die österreichische Blaskapelle
Mammut Horns.
Außerdem bot Etihad Airways ein Ticket
von Wien nach Abu Dhabi an, bei dem der
Gewinner am Abend per Tombola ermittelt
wurde. Der stellte sich aber als Mit arbeiter
der Emirates Airline heraus, woraufhin sich
die Airline entschied, das Ticket an die jungen
Talente des Violinquartetts „Camerata
Prima Wien“ weiterzugeben und sie damit
zu fördern. Elisabeth Zauner, Country Ma -
nagerin von Emirates in Österreich, und Mi -
roslava Andrejkova, Airport Managerin von
Etihad Airways in Österreich, waren sich
über die gemeinsame Förderung der hochbegabten
jungen Talente einig.
Die VAE sind stolz darauf, diese Festveranstaltung
mit ihren angesehenen Partnern
und Unterstützern im wunderbaren Wien
ausgerichtet zu haben.
Die Österreich-Vereinigte Arabische Emi -
rate Gesellschaft (ÖVAEG PaN) wurde im
Jahr 2003 gegründet um die bilateralen Be -
ziehungen sowohl den wirtschaftlichen als
auch den kul turellen Austausch zwischen Ös -
terreich und den VAE zu fördern. Beide Länder
pflegen seit der Gründung der VAE im
Jahr 1971 diplomatische und wirtschaftliche
Beziehungen.
n
https://www.mofaic.gov.ae/en/missions/vienna
https://www.oevaeg.at/
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022 98
Österreich, Europa und die Welt / PaN
PaN-Partnerschaftstreffen mit dem Österreichischen Bundesheer
Foto: PaN
v.l.: PaN-Vizepräsident Oskar Wawra, Oberstleutnant Kurt Rogan, Partnerschaftsbeauftragter des Bundesministeriums für
Landesverteidigung (BMLV), PaN-Vorständin Greet Machek-Voss, Generalmajor Martin Dorfer, PaN-Präsident Hermann Mückler,
Generalmajor Gerhard Christiner, PaN-Generalsekretär Walter J.Gerbautz und BMLV-Protokolloffizier Armin Wagner
Der Vorstand des Dachverbandes aller
österreichisch-ausländischen Gesellschaften-PaN
und Vertreter des Kooperationspartners
Österreichisches Bundesheer
mit Generalmajor Martin Dorfer, Leiter der
DION 1 im Bundesministerium für Landesverteidigung
(BMLV), und Genermajor Gerhard
Christiner, Chef des Stabes der DION 1
im BMLV an der Spitze, trafen in Wien zum
alljährlichen Gedankenaustausch zusammen.
Bei dieser Gelegenheit wurden einerseits die
erfolgreichen Partnerschaftsveranstaltungen
in diesem Jahr besprochen und andererseits
ein Blick ins Jahr 2023 hinsichtlich der ge -
planten gemeinsamen Aktivitäten gemacht.
Der Rückblick auf neun Jahre Partnerschaft
läßt sich sehen, was auch im Rahmen
eines Festaktes im Frühjahr dieses Jahres in
der Belgierkaserne in Graz durch Verteidigungsministerin
Klaudia Tanner durch die
urkundliche Auszeichnung von PaN als
„Partner des Bundes heeres“ gewürdigt wur -
de.
n
https://www.bundesheer.at
Siehe unseren Beitrag in der Ausgabe 203
https://kiosk.oesterreichjournal.at/ausgabe-203/67047582
Seiten 110 und 111.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Österreich, Europa und die Welt / PaN
Bundespräsidentenwahl
vom 9. Oktober 2022
99
Bundespräsident Alexander Van der Bellen erhielt 56,7 Prozent der Wählerstimmen
Foto: Fabi Sackl / Lukas Kafenda
Der alte und neue Bundespräsident Alexander Van der Bellen, umgeben von seinen UnterstützerInnen
Sieben Wahlwerber hatten ausreichend
Unterstützungserklärungen für die Bun -
despräsidentanwahl am 9. Oktober abgegeben:
Michael Brunner, Gerald Grosz, Walter
Rosenkranz, Heinrich Staudinger, Alexander
Van der Bellen, Tassilo Wallentin und Dominik
Wlazny hatten die gesetzlichen Voraussetzungen
für eine Bewerbung erfüllt.
Wie die ORF/SORA/ISA Wahltagsbefragung
unter 1.226 Wahlberechtigten (davon
957 deklarierte WählerInnen) zeigte, haben
Enttäuschung und Ärger über die Politik die
Stimmung bei dieser Wahl geprägt.
Negative Sicht auf die
Entwicklung Österreichs verstärkt
Die Entwicklung Österreichs in den vergangenen
Jahren wird von zwei Dritteln (66
%) negativ beurteilt. Damit hat sie sich verschlechtert,
obwohl bereits beim ersten
Durch gang der Bundespräsidentschaftswahl
2016 52 % negativ auf die letzten Jahre zu -
rückblickte.
Derzeit erkennt nur rund jede/r zehnte
WählerIn (13 %) eine positive Entwicklung,
die übrigen Befragten (19 %) se hen keine
Veränderung. Den Eindruck, daß Österreich
sich negativ entwickelt hat haben insbesondere
Frauen, ArbeiterInnen und Menschen,
deren Einkommen kaum zum Le ben ausreicht.
Alexander Van der Bellen konnte unabhängig
von der Stimmung in allen Lagern
gut mobilisieren, jedoch wählten Personen,
die positive oder keine Veränderungen feststellen
konnten, überdurchschnittlich oft den
Amtsinhaber.
Walter Rosenkranz erzielte unter jenen,
die negativ auf Österreichs Entwicklung
blicken, mit 24 % sein bestes Ergebnis.
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
Emotionen zur Politik in Österreich
zwischen Ärger und Enttäuschung
Die Gefühle gegenüber der Politik in
Österreich sind mehrheitlich negativ und ge -
spalten zwischen Ärger und Enttäuschung:
42 % sind von der politischen Lage enttäuscht,
40 % verärgert. Zufrieden ist weniger
als ein Fünftel (15 %). Die Emotionen
haben sich im Vergleich zum ersten Wahldurchgang
bei der Bundespräsidentschaftswahl
verstärkt, dennoch war 2016 bereits die
Stimmung von Enttäuschung (40 %) und Är -
ger (36 %) geprägt.
Dabei hat Walter Rosenkranz unter den
Verärgerten mit 29 % besonders gut abgeschnitten,
während Alexander Van der Bellen
unter den Zufriedenen das beste Ergebnis
mit 82 % erzielt. Aber auch Enttäuschte
wählten mehrheitlich (57 %) den Amtsinhaber.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Innenpolitik
100
Endgültiges Endergebnis (inkl. Wahlkartenergebnisse)
Grafik: Bundesministerium für Inneres
Zahl der ausgestellten Wahlkarten
Aktive Einmischung von
Mehrheit gewünscht
Dabei ist auch die Rolle des Bundespräsidenten
für rund zwei Drittel klar: Er soll sich
aktiv in die Innenpolitik einmischen, finden
59 %. 36 % wünschen sich einen Bundespräsidenten,
der ausschließlich eine repräsentative
Funktion erfüllt. Bereits 2016 wünschte
sich mit 56 % die Mehrheit der Menschen in
Österreich, daß sich der Bundespräsident
auch in die aktuelle Politik einbringt.
Insbesondere junge Menschen unter 30
Jah ren, Menschen ohne Matura und Menschen,
der Einkommen nicht ausreicht,
erwarten sich mehr Einmischung des Staatsoberhauptes.
Diese aktive Einmischung bedeutet aber
nicht unmittelbar, daß sich der Bundespräsident
über die Mehrheiten im Parlament hinwegsetzen
soll: Eine Mehrheit von 56 %
(Stichwahl 2016: 56 %) erwartet, daß sich
das Staatsoberhaupt unter die parlamentarische
Mehrheit unterordnet.
Konkret wünschen sich 39 % der Wahlberechtigten
Österreich – davon 24 % sehr,
15 % ziemlich – daß der Bundespräsident die
Bundesregierung entlassen soll. 52 % sind
dagegen.
Unter jenen, die sich eher einen aktiven
Bundespräsidenten wünschen, erzielte Walter
Rosenkranz mit 24 % ein besseres Ergebnis
als unter jenen, die diese Ausgestaltung
des Amtes eher ablehnen.
Daß der Bundespräsident die Regierung
entlassen sollte, sehen mit 73 % vor allem
die WählerInnen von Walter Ro senkranz so.
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Innenpolitik
101
Mehrheit akzeptiert das Wahlergebnis
unabhängig vom
Ausgang, ein Fünftel nicht
Die Akzeptanz des Wahlergebnisses der
Bundespräsidentschaftswahl hängt für rund
drei Viertel der Menschen nicht vom Sieg
ihres Kandidaten ab: 71 % sagen, daß sie das
Ergebnis unabhängig vom Ausgang akzeptieren
werden, rund ein Fünftel (21 %) verneint
dies. Bei der Wiederholung der Stichwahl
2016 waren es noch 80 %, die das Wahl -
ergebnis unabhängig vom Ausgang akzeptieren
wollten.
Auch hier stechen die WählerInnen von
Walter Rosenkranz hervor, von denen 38 %
sagen, daß sie das Wahlergebnis nicht bedingungslos
akzeptieren werden.
Van der Bellen: ist erfahren,
hat gute Arbeit geleistet und
kann repräsentieren
WählerInnen von Alexander Van der Bellen
stimmten für ihn vor allem aufgrund seiner
Erfahrung (74 %), der positiven Einschät -
zung seiner bisherigen Arbeit (63 %), aus
Sympathie-Gründen (60 %) und der Meinung,
daß er Österreich im Ausland am be -
sten vertreten kann (60 %).
Ein sehr wichtiges Wahlmotiv für die Wäh -
lerInnen von Walter Rosenkranz war, daß er
ein Gegenpol zum politischen System bilde
(69 %), sein Verständnis für die Sorgen der
Menschen (62 % „trifft sehr zu“) und sympa -
thisch ist (60 %). Dahinter folgt die An sicht,
daß er wichtige Veränderungen im Land an -
stoßen kann (57 %).
Wer hat wen gewählt?
Die Wahltagsbefragung zeigt die Unterschiede
im Wahlverhalten unterschiedlicher
soziodemographischer Gruppen.
Kein Gender Gap, Van der Bellen
bei Ältesten am stärksten
Während es 2016 einen großen Gen der
Gap zwischen den Kandidaten Nobert Ho fer
und Alexander Van der Bellen gab, sind
2022 keine Unterschiede im Wahlverhalten
zwischen den Geschlechtern feststellbar.
Van der Bellen konnte die Bevölkerung
ab 60 besonders gut ansprechen, er lag hier
bei 73 %. Walter Rosenkranz wurde hingegen
von allen Altersgruppen ähnlich stark
unterstützt.
Trotz großer Schwankungsbreite und ge -
ringer Fallzahl sticht hervor, daß Dominik
Wlazny bei jungen WählerInnen unter 30 mit
20 % ein besonders gutes Ergebnis erzielt
hat und den zweiten Platz erreicht hätte.
Foto: ORF / Thomas Ramstorfer
Alle Kandidaten auf einen Blick (v.l.): Michael Brunner, Heinrich Staudinger, Gerald Grosz,
Dominik Wlazny, Tassilo Wallentin, Walter Rosenkranz und Alexander Van der Bellen
PaN – Partner aller Nationen – http://www.dachverband-pan.org/
Van der Bellen erreicht 62 %
bei Erwerbstätigen mit Matura
Die Unterscheidung nach Erwerbsstatus
und formaler Bildung zeigt: Alexander Van
der Bellen schneidet unter den Erwerbstätigen
mit Matura deutlich besser ab als unter
jenen ohne (62 % bzw. 40 %). Im Detail
konnte Van der Bellen vor allem die Stimmen
der Personen mit Universitätsabschluß
gewinnen, hier erzielte er 69 %. Unter PensionistInnen
war bei dieser Wahl Alexander
Van der Bellen der klare Gewinner, er kam
auf 72 % der Stimmen. Walter Rosenkranz
erreicht hier nur 15 %.
Wahlverhalten nach Einkommen
mit dem Auskommen
Neben jenen, die mit der Entwicklung
Österreichs überdurchschnittlich zufrieden
waren (siehe oben), konnte Alexander Van
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Innenpolitik
102
der Bellen insbesondere jene mobilisieren,
die gut von ihrem Einkommen leben können:
von ihnen wählten 62 % den Amtsinhaber.
Er erzielt mit 39 % zwar auch in der
Grup pe derer den ersten Platz, die wenig
oder gar nicht mit ihrem Einkommen auskommen,
jedoch ein weitaus niedrigeres Er -
gebnis. Walter Rosenkranz erzielt in dieser
Gruppe 24 %.
Die Wählerströme ausgehend von
der wiederholten Stichwahl 2016
Die größten Trends
m Alexander Van der Bellen konnte 76 %
(1.879.000 Stimmen) von der wiederholten
Stichwahl wieder von sich überzeugen.
Außerdem wanderten 19 % (412.000
Stimmen) der WählerInnen von Norbert
Hofer zum Amtsinhaber. 8.000 Personen,
die 2016 nicht gewählt hatten, gaben
2022 Van der Bellen ihre Stimme.
m Walter Rosenkranz konnte 30 %
(644.000) der WählerInnen von Norbert
Hofer von sich überzeugen, umgekehrt
entschieden sich 48.000 Personen, die
2016 noch Van der Bellen ihre Stimme
gaben, diesmal für den FPÖ-Kanidaten.
Er gewann zu dem 26.000 ehemalige
NichtwählerInnen.
m Dominik Wlazny gewann 6 % der Hofer-
WählerInnen (125.000) und 8 % der Van
der Bellen-WählerInnen (198.000 Stimmen)
für sich. Er konnte zudem 14.000
NichtwählerInnen von sich überzeugen –
auch in dieser Hinsicht belegt Wlazny
den dritten Platz, mehr NichtwählerInnen
konnten nur Grosz und Rosenkranz von
sich überzeugen.
m Tassilo Wallentin hat 217.000 ehemalige
Hofer-WählerInnen (10 %) von sich über -
zeugen können. 108.000 WählerInnen bzw.
4 %, die bei der wiederholten Stichwahl
2016 Van der Bellen ihre Stimme gaben,
wählten diesmal Wallentin. Er konnte im
Vergleich zu den anderen Kandidaten die
wenigsten ehemaligen NichtwählerInnen
(2.000) von sich überzeugen.
m Gerald Grosz mobilisierte 186.000 ehema -
lige Hofer-WählerInnen (9 %) und 23.000
von Van der Bellen (1 %). Mit 17.000
ehemaligen NichtwählerInnen, die Grosz
bei dieser Wahl ihre Stimme gaben, hat
nur Walter Rosenkranz mehr Stimmen von
NichtwählerInnen mobilisieren können.
m Michael Brunner überzeugte 2 % der Wäh -
lerInnen (39.000 Stimmen) von Norbert
Hofer und 2 % (bzw. 38.000 Stimmen)
von Van der Bellen von sich.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Innenpolitik
103
m Heinrich Staudinger gewann 17.000 Wäh -
lerInnen (1 %) von Hofer und 44.000
Stimmen (2 %) von Personen, die 2016
Van der Bellen wählten.
Wählerströme ausgehend
von der Nationalratswahl 2019
Die größten Trends
m Alexander Van der Bellen hat mit mehr
als der Hälfte (55 %) ehemaligen ÖVP-
WählerInnen die meisten seiner Stimmen
(989.000) von der ÖVP gewonnen.
459.000 Personen bzw. 69 % jener, die
2019 den Grünen ihre Stimme gaben, ha -
ben diesmal Van der Bellen ihre Stimme
gegeben. 6 von 10 Menschen, die 2019
noch der SPÖ ihre Stimme gaben, wählten
bei dieser Wahl den Amtsinhaber, was
622.000 Stimmen ausmacht. Auch von
NEOS-WählerInnen verzeichnet Van der
Bellen 159.000 Stimmen. Weiters konnte
er 27.000 Menschen, die bei der Nationalratswahl
2019 nicht wählen waren,
mo bilisieren.
m Walter Rosenkranz hat weniger als die
Hälfte (43 %) der ehemaligen FPÖ-WählerInnen
(332.000 Stimmen) mobilisiert.
Zudem konnte er 13 % (229.000 Stimmen)
von der ÖVP sowie 73.000 ehemalige
SPÖ-WählerInnen von sich überzeugen.
m Dominik Wlazny mobilisiert aus allen
politischen Richtungen, vor allem von je -
nen, die 2019 NEOS (85.000 Stimmen)
oder die Grünen (100.000) gewählt ha -
ben. 44.000 Stimmen kommen von der
SPÖ, von den Freiheitlichen 43.000 und
weitere 34.000 von der ÖVP.
m Tassilo Wallentin konnte 232.000 ÖVP-
WählerInnen von 2019 von sich überzeugen.
Ein kleinerer Teil (37.000 bzw.
25.000 Stimmen) stammen von SPÖ und
FPÖ.
m Gerald Grosz mobilisierte 97.000 Stimmen
von WählerInnen, die 2019 der FPÖ
ihre Stimme gaben, dazu kleine Anteile
von ÖVP und SPÖ (47.000 bzw. 37.000
Stimmen).
m Michael Brunner erhielt 27.000 Stimmen
von der ÖVP, gefolgt von 16.000 von der
SPÖ und 13.000 von den Sonstigen der
Nationalratswahl 2019.
m Heinrich Staudinger konnte mit 28.000
Stimmen vor allem ÖVP-WählerInnen
von 2019 von sich überzeugen. Weitere
14.000 Stimmen stammen von der Liste
Jetzt.
n
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https://www.sora.at/
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Innenpolitik
Proben für den Echtbetrieb
Vorbereitungen im sanierten Parlamentsgebäude
vor der Wiedereröffnung Mitte Jänner
104
Foto: Parlamentsdirektion / Ulrike Wieser
Ein Blick in den neu gestalteten Sitzungssaal des Nationalrats mit StatistInnen während der Probestellung
Proben für den Echtbetrieb hieß es am 23.
November im Parlamentsgebäude an der
Wiener Ringstraße. Vor der Wiedereröffnung
des Hauses Mitte Jänner und der ersten Na -
tionalratssitzung am 31. Jänner 2023 gilt es,
den parlamentarischen Betrieb bis ins letzte
Detail vorzubereiten. Probesitzungen von
Na tionalrat und Ausschüssen sowie Proben
weiterer Abläufe dienten dazu.
Rund 560 StatistInnen waren insgesamt
im Einsatz. In der Probesitzung des National -
rats mimten sie etwa Abgeordnete und spielten
den Sitzungsablauf vom Einmelden der
RednerInnen bis zur letzten Abstimmung im
Detail durch. Parlamentsvizedirektorin Su -
sanne Janistyn-Novák, die in die Rolle der
Nationalratspräsidentin schlüpfte, zeigte sich
mit dem Ablauf zufrieden. „Das neue, alte
Gebäude fühlt sich dank der perfekten Vorbereitung
aller beteiligten KollegInnen sehr
vertraut an“, sagte sie.
Insgesamt dienen vier Termine im No -
vember und Dezember dazu, unterschiedliche
Abläufe und Szenarien zeitgleich zu proben.
Denn auch im realen Betrieb werden
Sit zungen, Führungen, Workshops, Besuche
und Veranstaltungen teilweise parallel stattfinden.
Anfang November wurde bereits eine
Plenarsitzung des Bundesrats simuliert.
Die Probesitzungen sind Teil eines komplexen
Prozesses der Inbetriebnahme, der nö -
tig ist, bevor der parlamentarische Betrieb in
einem so großen, umfassend sanierten Ge -
bäude starten kann. Die Parlamentsdirektion
hat dafür einen Prozeß mit 47 Einzelprojekten
aufgesetzt, die einem engen Monitoring
unterzogen werden. So soll sichergestellt wer -
den, daß das Haus koordiniert „hochgefahren“
und für den parlamentarischen Betrieb
sowie für BesucherInnen vorbereitet wird.
Ein wichtiges Arbeitsfeld in diesem Prozeß
bleibt auch weiterhin die Arbeitssituation für
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Medien im Hohen Haus. Mit Blick auf die
tragende Rolle der Medien in der Demokratie
soll die Zugänglichkeit für Medien jedenfalls
gewahrt bleiben. An der Probe sitzung
haben daher auch Mitglieder der Vereinigung
der ParlamentsredakteurInnen teilgenommen.
Weitere Arbeitspakete reichen von der
Mö blierung, der Ausstattung mit Medientechnik,
der IT im gesamten Haus bis zur
Organisation von Sicherheits- und Logistikabläufen.
Die neuen Bereiche für Be su -
cherInnen, wie das BesucherInnenzentrum,
die Bibliothek und die Gastronomie müssen
ebenfalls eingerichtet und in Betrieb genommen
werden. Auch Veranstaltungen, Führungen
und internationale Besuche werden ge -
probt. Wesentlicher Teil der Inbetriebnahme
ist auch die Rückübersiedlung von Parlamen -
tarierInnen und Organisationseinheiten der
Parlamentsdirektion.
n
https://www.parlament.gv.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wirtschaft
IHS: Herbst-Prognose der
österr. Wirtschaft 2022–2023
105
Der durch den Krieg gegen die Ukraine
verstärkte drastische Anstieg der Inflation
und die hohe Unsicherheit bremsen die
Expansion der Weltwirtschaft. Die österreichische
Volkswirtschaft dürfte aufgrund des
äußerst kräftigen Wachstums in der ersten
Jahreshälfte im laufenden Jahr trotzdem um
4,7 % zulegen. Für das kommende Jahr wird
nur noch ein Wachstum von 0,3 % erwartet.
Getrieben von den hohen Energiepreisen und
in Einklang mit der internationalen Entwick -
lung dürfte die heimische Inflationsrate heu -
er im Jahresdurchschnitt 8,5 % betragen und
mit 6,8 % auch im nächsten Jahr sehr hoch
bleiben. Die Arbeitslosenquote wird voraussichtlich
von 6,4 % heuer auf 6,7 % im kommenden
Jahr ansteigen. Die Fiskalpolitik ist
weiterhin expansiv, zusätzliche Belastungen
des Budgets sollten aus Sicht des Instituts
aber vermieden werden.
Stagflation durch Verwerfungen auf den Energiemärkten
Aufgrund der kräftigen Wachstumsdynamik
im ersten Halbjahr hebt das Institut dennoch
seine Wachstumsprognose für den Jahresdurchschnitt
2022 auf 4,7 % an. Mit der
Konjunkturschwäche im Euroraum und der
hartnäckig hohen Inflation haben sich die
Aussichten für das kommende Jahr deutlich
verschlechtert. Das Institut nimmt daher
seine Wachstumsprognose für 2023 auf 0,3 %
zurück. Die Prognose ist weiterhin mit hoher
Unsicherheit behaftet. Das Institut unterstellt,
daß die Gasversorgung aufrecht erhalten
werden kann. Die Annahme über die wei -
tere Entwicklung der Rohstoffpreise orien-
Tabelle 1: Wichtige Prognoseergebnisse
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent
Quartalsdaten 1. und 2. Halbjahr
Laut den Quartalsdaten der VGR (Volks -
wirtschaft lichen Gesamtrechnungen) verzeichnete
die österreichische Wirtschaft im
ersten Halbjahr ein kräftiges Wachstum. Ge -
genüber dem jeweiligen Vorquartal betrug
das Wachstum 1,3 % bzw. 1,9 %. Die Ex -
portwirtschaft profitierte von den internationalen
Aufholeffekten im Verarbeitenden Ge -
werbe nach der Coronakrise und dem schwachen
Euro. Durch den Wegfall der coronabedingten
Einschränkungen legte auch der private
Konsum im Jahresvergleich kräftig zu.
Hingegen sinken die Investitionen bereits
seit Jahresbeginn.
Für das zweite Halbjahr haben sich die
Rahmenbedingungen deutlich verschlechtert.
Mit dem Krieg gegen die Ukraine sind die
bereits hohen Energiepreise nochmals kräftig
gestiegen. Ausgehend von 5,0 % im Jänner
kletterte die Inflationsrate bis zum September
auf voraussichtlich 10,5 %. In Einklang
mit der konjunkturellen Abkühlung
der Weltwirtschaft sind auch in Österreich
die Frühindikatoren abwärts gerichtet. Das
In stitut geht von einer leichten Schrumpfung
der Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr
aus. Erst im Frühjahr 2023 dürfte die heimische
Wirtschaft wieder etwas expandieren.
i absolute Werte
Quellen: Statistik Austria, Refinitiv Datastream, ab 2022 Prognose des IHS
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Wirtschaft
106
tiert sich an den Notierungen der Terminmärkte.
Wachstum ist im Frühjahr dieses
Jahres zum Stillstand gekommen
Nach dem kräftigen Aufholprozeß der
Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte
2021 ist das Wachstum im Frühjahr dieses
Jahres zum Stillstand gekommen. Der An -
griff Rußlands auf die Ukraine und die strikte
Null-Covid-Politik in China haben den kräftigen
Preisauftrieb nochmals verstärkt und die
Lieferkettenprobleme wieder verschärft. Der
Rückgang der Reallöhne dämpft den privaten
Konsum. Die Geldpolitik wird deutlich
ge strafft, die Zinsanhebungen sind aber an -
gesichts der hohen Inflationsraten bisher mo -
derat. Die konjunkturelle Grundtendenz in
den OECD-Ländern ist sehr schwach. In den
USA und in China ging das BIP im zweiten
Quartal zurück. Im Euroraum übertrafen die
von den Lockerungen der Corona-Pandemie
ausgehenden Impulse die bremsenden Faktoren,
sodaß die Wirtschaftsleistung in den
ersten beiden Quartalen um 0,7 % bzw. 0,8 %
gegenüber dem Vorquartal zugelegt hat. Die
Aussichten für den weiteren Prognosezeitraum
haben sich seit der Sommer-Prognose
eingetrübt. Die stark steigenden Energiepreise
und die hohe Unsicherheit über die weitere
wirtschaftliche Entwicklung belasten Haushalte
und Unternehmen insbesondere in Eu -
ropa. Die Wachstumsprognose für China wird
für das laufende Jahr auf 3,0 % zurückgenommen,
für das kommende Jahr werden
4,5 % erwartet. Die hartnäckige Inflation und
die Straffung der Geldpolitik implizieren eine
Rücknahme der Wachstumsaussichten für
die USA auf 1,6 % bzw. 0,7 %. Nach der
vom kräftigen ersten Halbjahr getragenen
Ex pansion der Wirtschaft im Euroraum von
3,1 % im laufenden Jahr ist für das kommende
Jahr nur noch ein Wachstum von 0,3 % zu
erwarten. Die Weltwirtschaft dürfte um 3,0 %
bzw. 2,1 % zulegen.
Konsum in Österreich mit einer
Zunahme um 4,7 % Wachstumstreiber
Im laufenden Jahr sollte der reale private
Konsum in Österreich mit einer Zunahme
um 4,7 % ein Wachstumstreiber bleiben. Die -
ses Aggregat profitiert besonders stark von
der Aufhebung der Corona-Schutzmaßnahmen.
Das gilt insbesondere für den Bereich
Gastronomie und Beherbergung. Laut den
Quartals-Daten der VGR hat der private Kon -
sum im ersten Halbjahr kräftig expandiert.
Immer stärker bremsend wirkt allerdings der
Kaufkraftentzug durch den Anstieg der In -
flation. Die hohen staatlichen Transfers und
die Senkung der Sparquote sollten es den
Haushalten aber ermöglichen, ihr reales Kon -
sumniveau im restlichen Prognosezeit raum
aufrecht zu erhalten. Für den Jahresdurchschnitt
2023 wird nur eine marginale Ausweitung
des privaten Konsums um 0,3 % er -
wartet.
Im Vorjahr wurden die Anlageinvestitionen
kräftig ausgeweitet. Seit Jahresbeginn
hat sich das Investitionsklima aber deutlich
abgekühlt. Die ungünstigen internationalen
Wirtschaftsaussichten, die hohe Unsicherheit
im Zusammenhang mit der weiteren Entwick -
lung des Kriegs gegen die Ukraine sowie
insbesondere der kräftige Anstieg der Energiepreise
sind wesentliche Bremsfaktoren.
Vor diesem Hintergrund muß die Investitionsprognose
neuerlich zurückgenommen
werden. Im laufenden Jahr sollten die Anlag-
Tabelle 2: Internationale Rahmenbedingungen
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent
i aiMOEL-5: Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Slowenien
ii NMS-6: Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Kroatien
iii absolute Werte
Quellen: Eurostat, IWF, OECD, CPB, nationale statistische Ämter, Refinitiv Datastream, ab 2022 Prognose des IHS
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
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Wirtschaft
107
einvestitionen um 2,3 % sinken. Für die Ausrüstungsinvestitionen
wird ein kräftiger Rück -
gang um 3,5 % erwartet, für die Bauten ein
Minus von 1,0 %. Nach dem Einbruch im
laufenden Jahr könnten die Anlageinvestitionen
im kommenden Jahr wieder etwas ex -
pandieren. Eine Zunahme der Investitionen
in Ausrüstungen von 2,0 % und von 1,0 %
bei den Bauten ergibt einen Anstieg der
Anlageinvestitionen von 1,5 %.
Ungünstige internationale Rahmenbedingungen
werden die Exporttätigkeit
merklich einbremsen
Im Vorjahr profitierte die österreichische
Exportwirtschaft von der kräftigen Erholung
der Weltwirtschaft und des Welthandels.
Laut den Quartals-Daten der VGR hat sich
die positive Dynamik der realen Güterexporte
im ersten Halbjahr 2022 fortgesetzt. Die
österreichische Exportwirtschaft dürfte
dabei noch vom internationalen Aufholprozeß
nach der Corona-Krise und dem schwachen
Euro profitiert haben. Im weiteren Prognosezeitraum
sollten die ungünstigen internationalen
Rahmenbedingungen die Exporttätigkeit
aber merklich einbremsen. Somit
werden die Warenexporte im laufenden Jahr
um voraussichtlich 8,0 % expandieren. Für
nächstes Jahr wird nur noch eine Zunahme
um 1,0 % erwartet. Der Wegfall der coronabedingten
Einschränkungen ermöglicht ei nen
kräftigen Aufholprozeß der Reiseverkehrsexporte.
Die Gesamtexporte laut VGR sollten
im laufenden Jahr um 10,9 % zulegen. Für
nächstes Jahr wird nur noch ein Zuwachs
von 1,9 % erwartet. Laut Prognose steigen
die Gesamtimporte laut VGR um 6,9 % bzw.
1,6 %. Die Außenwirtschaft liefert im laufenden
Jahr einen positiven Wachstumsbeitrag.
Bei der Interpretation der Außenwirtschaft
ist aber der heimische Einkommensverlust
zu bedenken, der sich aufgrund der
durch den Anstieg der internationalen Energiepreise
verursachte Verschlechterung der
Terms of Trade ergibt.
Auch die Kerninflation
ist merklich gestiegen
In Einklang mit der europäischen Entwicklung
hat sich die Inflation im Jahresverlauf
weiter erhöht. Für den September schätzt
Statistik Austria einen Wert von 10,5 %. Ge -
trieben wird die Inflation weiterhin vom
starken Anstieg der Energiepreise. Die kräftigen
Steigerungen der Großhandelspreise
von Strom und Gas kommen nun zunehmend
bei den VerbraucherInnen an. Kräftig
zugelegt haben auch die Lebensmittelpreise.
Aber auch die Kerninflation (ohne Energie
und Nahrungsmittel) ist merklich gestiegen.
Für die nächsten Monate ist noch nicht mit
einer Entspannung zu rechnen. Folglich muß
die Inflationsprognose für den Jahresdurchschnitt
2022 auf 8,5 % angehoben werden.
Für den Jahresdurchschnitt 2023 wird eine
Teuerungsrate von 6,8 % erwartet. Der Beitrag
der Energiepreise (Gas, Strom) zur In -
flation wird auch im kommenden Jahr hoch
bleiben, Zweitrundeneffekte und steigende
Lohnstückkosten sind weitere inflationstreibende
Faktoren. Hingegen sollte sich die glo -
bale Lieferkettenproblematik etwas entspannen,
und von den internationalen Rohstoffpreisen
dürften keine preistreibenden Impulse
mehr ausgehen.
Leichter Anstieg der
Arbeitslosenzahlen
Die Lage am Arbeitsmarkt ist günstig,
aller dings ist keine weitere Verbesserung zu
erwarten. In saisonbereinigter Betrachtung
nahm die Arbeitslosenzahl in den letzten
Monaten marginal zu und die Beschäftigung
stagnierte auf hohem Niveau. Für den Jahresdurchschnitt
2022 erwartet das Institut
einen Beschäftigungsanstieg um 2,8 % und
eine Arbeitslosenquote von 6,4 %. Aufgrund
der konjunkturellen Eintrübung dürfte die
Beschäftigung nächstes Jahr nur noch um
0,4 % zulegen und die Arbeitslosenquote auf
6,7 % ansteigen.
großer Unsicherheit bei
Budgetentwick lung des
öffentlichen Haushalts 2023
Die Lage der öffentlichen Haushalte wird
von der Konjunktur und den Maßnahmen
zur Abfederung der Inflationsfolgen geprägt.
Aufgrund der expansiven Fiskalpolitik geht
das Defizit trotz des allmählichen Wegfalls
der staatlichen Corona-Hilfsmaßnahmen vor -
aussichtlich nur auf 3,3 % des BIP zurück.
Hinsichtlich der Budgetentwicklung im kom -
menden Jahr bestehen noch große Unsicherheiten,
gegenwärtig geht das Institut von
einer Defizitquote von 2,7 % aus. Die hohe
Inflation führt zwar zu partiell höheren Einnahmen
(etwa bei der Umsatzsteuer), allerdings
steigen auch die staatlichen Ausgaben,
etwa für Lohnzahlungen oder für die Valorisierung
der Sozialausgaben. Das Institut
sieht allfällige weitere Budgetbelastungen
sehr kritisch. Ein nachhaltiger Budgetkurs ist
notwendig, um Spielräume für die Finanzierung
der künftigen Ausgaben für den demografischen
Wandel und die Erreichung der
Klimaziele zu schaffen.
Abwärtsrisiken für die Weltkonjunktur
Die Prognose ist weiterhin mit beträchtlichen
Abwärtsrisiken für die Weltkonjunktur
behaftet. Ein längerfristiger Ausfall von
Gaslieferungen würde wohl Rationierungen
erforderlich machen und würde einige europäischen
Länder in eine schwere Rezession
schicken. Weiters würden wohl auch die Ener -
giepreise noch weiter steigen, was die Inflation
antreiben würde. Von einer raschen und
nachhaltigen Entspannung der Situation an
den Energiemärkten würden hingegen Wachs -
tumsimpulse ausgehen. Eine hartnäckiger als
erwartete Inflation würde wohl eine noch
stärkere Straffung der Geldpolitik erfordern,
was die Situation am Immobilienmarkt verschärfen
könnte. Weitere Risiken bestehen
bezüglich der Konjunkturentwicklung in
China und möglichen Beeinträchtigungen im
Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Auch für die heimische Wirtschaft bestehen
insbesondere für das kommende Jahr be -
trächtliche Abwärtsrisiken. Eine Verringerung
des Gasangebots, welche in einer Verdopplung
des Gaspreises resultiert, könnte die
Wirtschaftsleistung um 2 % verringern. Der
Prognose liegt die Erwartung zugrunde, daß
die privaten Haushalte auf die inflationsbedingten
Einkommensverluste mit einer Senkung
der Sparquote reagieren. Die hohe Un -
sicherheit über die weitere Entwicklung der
Energiepreise könnte aber eine Konsumzurückhaltung
auslösen. Die ungünstigen internationalen
Wirtschaftsaussichten und der
star ke Anstieg der Energiekosten könnten die
Investitionsneigung der Unternehmen stärker
bremsen als erwartet. Neuerliche Corona-
Schutzmaßnahmen würden insbesondere den
Tourismus belasten.
n
https://www.ihs.ac.at/
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wirtschaft
Hohe Inflation und
schwache Konjunktur
108
UniCredit Bank Austria Konjunktureinschätzung 2023/24: Gegenwind durch geldpolitische
Straffung, hohe Inflation und anhaltende geopolitische Spannungen bremsen die globale
Wirtschaft 2023 stark ein und lassen nur zaghafte Erholung 2024 zu – Ungewöhnlich
hohe Konjunkturrisiken durch geopolitische Unsicherheiten , (Energie)- Rohstoffpreistrends
sowie Risiken für die Finanzstabilität durch Überschießen der Geldpolitik
Die Weltwirtschaft sieht sich mit zunehmendem
Gegenwind konfrontiert“,
meint UniCredit Bank Austria Chefökonom
Stefan Bruckbauer einleitend zum aktuellen
Konjunkturüberblick der UniCredit Bank
Austria. „Die synchron laufende, stärkste
und schnellste Straffung der Geldpolitik seit
Jahr zehnten wird die Auswirkungen der ho -
hen In flation und der schweren Irritationen
bei den internationalen Tauschverhältnissen
in vie len Ländern (so genannte Terms-of-
Trade-Schocks) verstärken. Die anhaltenden
geopolitische Spannungen werden weiter für
Verunsicherung sorgen. Wir gehen davon
aus, daß das globale BIP im Jahr 2023 nur um
1,9 Prozent steigen wird, was de facto einer
Rezession gleichkommt. In den großen entwickelten
Wirtschaftsräumen USA und der
Eurozone ist im kommenden Jahr mit einer
Stagnation zu rechnen.“
Die Wirtschaftsentwicklung wird in der
Eurozone zum Jahreswechsel 2022/23 und
in den USA im Verlauf des ersten Halbjahres
2023 voraussichtlich von einer technischen
Rezession geprägt sein.
„Trotz der Abschwächung der globalen
Konjunktur, der hohen Energiekosten für die
Unternehmen und dem Kaufkraftverlust
durch sinkende Reallöhne erwarten wir eine
nur milde Rezession. Die unterstützende
Fiskalpolitik, die günstige Liquiditätslage im
Unternehmenssektor und die hohen Ersparnisse
der Haushalte sowie die weitere Entspannung
der Lieferkettenproble me und stabile
Arbeitsmärkte sollten einen tiefen Einbruch
verhindern“, meint Bruck bauer und
ergänzt: „Noch in der ersten Jahreshälfte
2023 wird die Wirtschaft zu einer Erholung
ansetzen. Aufgrund der verzögerten Wirkung
der Geldpolitik erwarten wir sowohl in
den USA als auch in der Eurozone mit einem
Wirtschaftswachstum um 0,9 bzw. 1,0 Prozent
für 2024 nur ein unterdurchschnittliches
Aufschwungstempo, trotzdem scheint der
derzeitige Pessimismus etwas zu stark zu
sein.“
Wende in der Geldpolitik 2024 nach
Verschärfung bis ins Frühjahr 2023
Die Inflation in den USA ist hauptsächlich
nachfragegetrieben, ausgelöst durch eine
zu lockere Finanz- und Geldpolitik während
der Pandemie. Die Inflation in der Eurozone
ist dagegen überwiegend kostengetrieben, als
Folge hoher Preise für Energieimporte. Die
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ungleiche Quelle des Inflationsschocks ist für
das unterschiedliche Ausmaß der Verschärfung
der Geldpolitik in den beiden Wirtschaftsräumen
verantwortlich.
„Die Zentralbanken werden die Zügel der
Geldpolitik weiter anziehen und dabei nach
unserer Ansicht etwas übers Ziel hinausschießen,
um im Kampf gegen die Inflation
auf Nummer sicher zu gehen. Wir gehen
davon aus, daß die Leitzinsen in den USA
bei 5 Prozent und der Refinanzierungssatz in
der Eurozone bei 3,25 Prozent (Einlagensatz:
2,75 Prozent) im Frühjahr 2023 ihren
Höhepunkt erreichen werden. Die quantitative
Straffung der EZB wird zudem bald darauf
folgend eine Verringerung des Wertpapierbestands
aus den Ankaufprogrammen um
etwa 15 Milliarden Euro pro Monat beinhalten“,
erwartet Bruckbauer.
Für 2024 gehen die Ökonomen der Uni-
Credit Bank Austria von einem Wendepunkt
in der Geldpolitik aus. Die US-Notenbank
Fed dürfte die Leitzinsen um insgesamt 150
Basispunkte und die EZB um 75 Basispunkte
senken. Mit dem Beginn des Lockerungszyklus
und der Verringerung des Zinsdifferenzials
wird sich die Stärke des US-Dollars
gegenüber dem Euro abbauen. Ende 2024
dürfte der Wechselkurs des US-Dollars wieder
bei 1,10 bis 1,12 für einen Euro stehen.
Inflation sollte bis Mitte 2024 in den
Zielbereich der Notenbanken sinken
Trotz unterschiedlicher Ursachen der In -
flation in den USA und in der Eurozone ist
für die Verlangsamung der Inflation ein einheitliches
Muster zu erwarten. Die Güterprei -
se werden nachfragebedingt zuerst zurück -
gehen, die Dienstleistungspreise werden mit
etwas Verspätung folgen. „Wir gehen davon
aus, daß die Inflation bis Ende 2023 auf etwa
3 Prozent in den USA und 2,5 Prozent in der
Eurozone zurückgehen wird. Mitte 2024
sollte die Teuerung nur noch bei 2 Prozent
liegen und damit in den Zielbereich der
Notenbanken zurückgekehrt sein“, so Bruck -
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wirtschaft
109
bauer. Im Jahresdurchschnitt dürfte sich die
Inflation im Euroraum nach 8,6 Prozent im
Jahr 2022 auf 5,9 Prozent 2023 und auf 2,1
Prozent 2024 abschwächen.
Moderate Erholung nach
Winterrezession in Österreich
Die Konjunktur in Österreich hat sich nach
einem starken ersten Halbjahr 2022 mittlerweile
deutlich verlangsamt. „Angesichts der
Abkühlung der internationalen Konjunktur
sowie der hohen Inflation, die den Konsum
und die Investitionstätigkeit belasten, erwarten
wir für die österreichische Wirtschaft eine
leichte Rezession über den Jahreswechsel
2022/23“, meint UniCredit Bank Austria
Ökonom Walter Pudschedl und ergänzt:
„Mit der Abschwächung der Teuerung sollte
unterstützt von der Entwicklung im Euroraum
ab dem Frühjahr eine Erholung einsetzen.
Aufgrund des schwachen Jahresbeginns
ist für 2023 jedoch nur eine Stagnation mit
einem BIP-Anstieg von 0,3 Prozent zu er -
warten. Das Erholungstempo bleibt niedrig,
gedämpft unter anderem durch die verzögerten
Auswirkungen der Verschärfung der
Finanzierungsbedingungen. Für 2024 gehen
wir von einem Wirtschaftswachstum von nur
1,2 Prozent aus.“
Damit sollte der Anstieg des BIP jedoch
erneut leicht über dem Durchschnitt im
Euroraum zu liegen kommen.
UniCredit Bank Austria Einkaufs-
Manager Index deutet auf Stabilisierung
des Industrieabschwungs hin
Die Konjunkturabschwächung in Österreich
ist zum einen von einem Abwärtstrend
im Dienstleistungssektor gekennzeichnet.
Mit der nachlassenden Teuerung und unterstützt
durch fiskalische Impulse und der gu -
ten Lohnentwicklung wird der Dienstlei -
stungs sektor die Erholung ab dem Frühjahr
in Österreich anführen. Die heimische Industrie
ist bereits in eine Rezession geschlittert
und eine baldige Trendwende ist nicht ab -
sehbar. Der Produktionssektor wird daher vor -
aussichtlich zeitverzögert der vom Dienstleistungssektor
getragenen Erholung der österreichischen
Wirtschaft ab 2023 folgen.
„Der UniCredit Bank Austria Einkaufs-
ManagerIndex hat sich im November bei
46,6 Punkten stabilisiert, liegt damit jedoch
bereits den vierten Monat in Folge unterhalb
der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Die
Produktionserwartungen der Unternehmer
ha ben sich im November etwas verbessert,
aber der entsprechende Index signalisiert mit
40,9 Punkten einen anhaltenden Rückgang
der Produktion in der österreichischen Industrie
auf Jahressicht“, meint Pudschedl.
Während der Beschäftigungsaufbau an
Fahrt verliert, ist das Neugeschäft erneut stark
zurückgegangen und die Produktion wurde
verringert, wenn auch mit etwas reduziertem
Tempo.
Die schwache Nachfrage schlägt sich
auch im Anstieg der Lagerbestände, der Verringerung
der Lieferzeiten sowie der deutli -
chen Entspannung der Einkaufspreise ge -
genüber dem Vormonat nieder.
Inflation wird in Österreich
langsamer als im Euroraum sinken
Mit dem Nachfragerückgang wird sich
auch in Österreich ab dem kommenden Jahr
die Inflation abschwächen. „Neben dem
Nachfragerückgang sollten Basiseffekte, die
weitgehende Stabilisierung der Rohstoffpreise
insbesondere für Energie und die weitere
Entspannung der Materialengpässe eine
Verlangsamung der Inflation von durchschnittlich
8,5 Prozent 2022 auf 6,5 Prozent
im Jahr 2023 und 3,0 Prozent 2024 unterstützen.
Damit wird die Teuerung in Österreich
jedoch langsamer als im Euroraum sinken, da
mit mehr Zweitrundeneffekten durch eine hö -
here Lohndynamik und stärkeren fiskalischen
Impulsen zu rechnen ist“, so Pudschedl.
Enger Arbeitsmarkt sorgt
für Herausforderungen
Trotz der schwachen Konjunkturentwicklung
wird sich der Arbeitsmarkt in Österreich
voraussichtlich als recht widerstandsfähig er -
weisen. „Wir erwarten nach dem Rückgang
der Arbeitslosenquote 2022 auf durchschnittlich
6,4 Prozent eine Stabilisierung
bei 6,4 Prozent für 2023 sowie einen leichten
Rückgang auf 6,3 Prozent für 2024“, meint
Pudschedl. Der Grund für den Optimismus
liegt in der derzeitigen Enge am heimischen
Arbeitsmarkt. Die Vakanzquote, also die An -
zahl der gemeldeten offenen Stellen im Verhältnis
zur Beschäftigung ist auf einen Re -
kordwert von 3 Prozent gestiegen.
„Der österreichische Arbeitsmarkt ist
durch das strukturelle Problem eines Mangels
an Arbeitskräften gekennzeichnet. Ursachen
sind unter anderem eine zu geringe
Frauenbeschäftigungsquote und der Rükkgang
der durchschnittlichen Arbeitszeit.
Eine Anhebung der Beschäftigungsquote in
Österreich auf deutsches Niveau oder ein An -
stieg der Arbeitszeit pro Beschäftigten um
eine Wochenstunde von derzeit durchschnittlich
27 würden jeweils rein rechnerisch die
derzeitige Anzahl an offenen Stellen von
rund 120.000 vollständig abdecken“, so Pudschedl.
Hohe Risiken, aber auch Chancen
abhängig von geopolitischen
Entwicklungen
Der Konjunkturausblick der Ökonomen
der UniCredit Bank Austria für die nächsten
zwei Jahre ist durch ungewöhnlich hohe Ri -
siken gekennzeichnet. Entscheidend sind vor
allem die geopolitischen Unsicherheiten.
„Die Wachstumserwartungen sind stark von
den geopolitischen Entwicklungen vor allem
des Konflikts in der Ukraine und dessen Folgen
für Energie- und sonstige Rohstoffpreise
abhängig. Diese könnten sich einerseits zwar
rascher auflösen als erwartet, andererseits
jedoch auch noch deutlich eskalieren. Damit
würde neben der Erholung auch die erwartete
Beruhigung der Inflation aufgehalten“,
meint Bruckbauer und ergänzt: „In diesem
Fall wäre ein weiterer Anstieg der Rohstoffpreise
und eine Unterbrechungen im Handel
und in den Lieferketten zu erwarten. Die
Aufgabe der Notenbanken würde dann noch
schwieriger werden.“
Außer Acht gelassen werden darf nach
Einschätzung der Ökonomen der UniCredit
Bank Austria auch nicht, daß die höheren
Zinsen und die verschärften finanziellen Be -
dingungen einer überschießenden Geldpolitik
der Zentralbanken die Risiken für die Fi -
nanzmarktstabilität erhöht haben. „Trotz der
Herausforderungen für die Finanzmarktstabilität
durch die überschießende Geldpolitik
ist eine Systemkrise jedoch nicht zu erwarten,
denn die Bilanzen der privaten Haushalte
und Unternehmen sind im Allgemeinen in
guter Verfassung und der globale Bankensektor
ist gut kapitalisiert“, meint Stefan
Bruckbauer abschließend.
n
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wirtschaft
Konjunkturausblicke bleiben
mehrheitlich skeptisch
Die Ergebnisse des WIFO-Konjunkturtests
zeigen im November eine leichte
Verbesserung der Konjunkturbeurteilungen.
Der WIFO-Konjunkturklimaindex notierte
mit 4,0 Punkten (saisonbereinigt) 1,1 Punkte
über dem Wert des Vormonats (2,9 Punkte).
Während die Lageindikatoren trotz kleiner
Rückgänge weiterhin ein durchschnittliches
Konjunkturumfeld zeichnen, signalisieren die
unternehmerischen Erwartungen trotz In -
dexsteigerungen in vielen Branchen nach
wie vor mehrheitlich skeptische Konjunkturausblicke.
Die unternehmerische Unsicherheit
ist weiterhin hoch. Die Kreditnachfrage
der Unternehmen blieb im November trotz
Anstieg unterdurchschnittlich. Die Unternehmen
schätzen die Bereitschaft der Banken
zur Kreditvergabe deutlich restriktiver ein
als in den vergangenen Jahren.
Der Index der aktuellen Lagebeurteilungen
verlor im November 0,4 Punkte, notierte
aber mit 7,4 Punkten weiter im positiven
Bereich. In der konjunkturell besonders reagiblen
Sachgütererzeugung verlor der Lageindex
2,0 Punkte gegenüber dem Vormonat
und blieb mit 3,8 Punkten knapp im positiven
Bereich. In der Bauwirtschaft verlor der
Lageindex 5,7 Punkte, blieb aber mit 17,9
Punkten weiterhin deutlich über der Nulllinie.
In den Dienstleistungsbereichen gewann
der Index 1,1 Punkte gegenüber dem Vormonat
hinzu und notierte mit einem Wert von
10,1 Punkten über der Nulllinie. Im Einzelhandel
stieg der Lageindex um 2,1 Punkte,
no tierte aber mit –6,1 Punkten weiter im
Bereich skeptischer Konjunktureinschätzungen.
Der Index der unternehmerischen Erwartungen
stieg im November an (+2,6 Punkte),
notierte aber mit 0,5 Punkten nur knapp über
der Nulllinie, welche negative von positiven
Konjunkturerwartungen trennt. Im Einzel -
110
han del blieb der Erwartungsindex nahezu
unverändert (+0,1 Punkte) und notierte mit
-19,9 Punkten weiterhin deutlich im negativen
Bereich.
In den Dienstleistungsbranchen stieg der
Erwartungsindex um 3,8 Punkte an und no -
tierte mit 2,6 Punkten wieder über der Nulllinie.
In der Bauwirtschaft hingegen sank der
Erwartungsindex um 0,9 Punkte, blieb aber
bei optimistischen 35,0 Punkten. Dieser ho -
he Wert ist auf die weiterhin hohen
Baupreis erwartungen zurückzuführen. Die
Ge schäftslageerwartungen sind in der Bauwirtschaft
bereits seit Mai im negativen
Bereich. In der von den Energiepreisanstiegen
beson ders betroffenen Sachgütererzeugung
zeigte sich beim Erwartungsindex ein
leichter Anstieg (+2,4 Punkte). Dieser no -
tierte mit -7,6 Punkten aber nach wie vor
merklich im pessimistischen Bereich. n
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wirtschaft
Oberösterreichs Innovationskaiser
2022 ausgezeichnet
LH Thomas Stelzer / LR Markus Achleitner: »Mit dem OÖ. Innovationspreis
wurden wieder herausragende Unternehmen und Forschungseinrichtungen
mit zukunftsweisenden Ideen und Projekten vor den Vorhang geholt«
111
Foto: Land Oberösterreich / Mayrhofer
Landeshauptmann Thomas Stelzer (m.) und Landesrat Markus Achleitner (3.v.r.) mit den GewinnerInnen und EinreicherInnen
Nicht weniger als 62 Einreichungen hat
es für den OÖ. Innovationspreis 2022
gegeben – am Abend des 10.November wurden
dann die kreativsten Köpfe, besten Ideen
und zukunftsweisendsten Projekte des Bun -
deslandes von Landeshauptmann Thomas
Stel zer und Wirtschafts- und Forschungs-
Landesrat Markus Achleitner ausgezeichnet:
Bei den Klein- und Mittelunternehmen konn -
te die Pansatori GmbH mit ForgTin – forget
Tinnitus den begehrten Preis mit nach Hause
nehmen. Bei den Großunternehmen ging der
Preis an die Miba AG mit ihren pyrotechnischen
Sicherheitssystemen für Elektrofahrzeuge.
Als innovativste Forschungseinrichtung
konnte sich die FH OÖ Forschungsund
Entwicklungs GmbH mit ihrem pflanzlichen
Wirkstoff gegen Diabetes durchsetzen.
Der Jurypreis für radikale Innovation wurde
an Primetals Technologies Austria GmbH für
ihre HYFOR-Technologie vergeben, die ei -
nen wichtigen Beitrag zur klimafreundlichen
Stahlerzeugung leisten soll. „Die vielen herausragenden
Einreichungen im heurigen
Jahr belegen einmal mehr die enorme Innovationskraft
unserer Unternehmen und Forschungseinrichtungen
in Oberösterreich.
Das ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor
für die Betriebe und den Standort OÖ“,
be tonten Landeshauptmann und Wirtschafts-
Landesrat im Rahmen der Verleihung im
ORF-Landesstudio in Linz.
„Innovation hat in Oberösterreich Tradition.
Mutig zu sein und Neues zu wagen, das
hat unser Bundesland nach vorne gebracht
und wird uns auch erfolgreich durch diese
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
herausfordernden Zeiten führen. Mit dem
OÖ. Innovationspreis würdigen wir Unternehmen
für ihre innovative Ideen und Lö -
sungen. Sie alle tragen zur Stärkung des
Wirtschaftsstandortes Oberösterreich bei“,
erklärte Landeshauptmann Stelzer.
„Oberösterreichs Antwort auf Krisen war
immer Innovation. Denn nur wer auf Zu -
kunftstechnologien setzt, bei Produkten und
Dienstleistungen neue Wege geht und innovative
Strategien verfolgt, kann erfolgreich
Weiterentwicklungen in Gang setzen. Oberösterreich
ist ein Motor der Innovation, in
Österreich und darüber hinaus“, unterstrich
Landesrat Achleitner.
Der Landespreis für Innovation ist eine
Ko operation des Landes Oberösterreich und
der oö. Standortagentur Business Upper
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wirtschaft
112
un angenehme Ohrgeräusche bis hin zur
kompletten Stille.
Mithilfe einer entsprechen den Druckverteilung
werden in Summe vier wesentliche
Wirkungsbereiche stimuliert – diese wiederum
setzen einen „Verlernprozeß“ im Gehirn
in Gang. Das führt letzten Endes bis zum
vollständigen Vergessen der störenden Ohrgeräusche.
Fotos: Land Oberösterreich / Mayrhofer
Pansatori - v.l.: Herbert Auer (Leiter Corporate Banking Sparkasse OÖ), Landesrat Markus
Achleitner, Marlena und Klaus Grübl (Pansatori GmbH), Landeshauptmann Thomas Stelzer
Miba AG - v.l.: Stephan Kubinger (WKOÖ – Sparte Industrie), Landesrat Markus Achleitner,
Gerhard Stempfer und F. Peter Mitterbauer (MIBA AG), Landeshauptmann Thomas Stelzer
Austria mit der WKO Oberösterreich – sparte.industrie,
der Sparkasse OÖ und Medienpartner.
„Viele der eingereichten Innovationen
haben das Potential für eine erfolgreiche
weltweite Vermarktung. Genau das brauchen
wir im Exportbundesland Nummer eins!“,
hob Stephan Kubinger, Obmann-Stellvertreter
der sparte.industrie WKO Oberösterreich,
hervor. „Herausragende Ideen und innovative
Technologien sind für die Wettbewerbsfähigkeit
eines Unternehmens, vor allem im
in ternationalen Vergleich, essentiell. Dieser
Preis holt die innovativsten Ideen des Landes
vor den Vorhang – das unterstützen wir
ger ne“, sagte Herbert Auer, Leiter Corporate
Banking der Sparkasse OÖ.
Die Preisträger 2022
und ihre Innovationen
Kleine und mittlere Unternehmen
Pansatori GmbH
Bei ForTin handelt es sich um ein patentiertes,
CE-zertifiziertes Medizinprodukt, das
Menschen mit Tinnitus dabei hilft, wieder
Stille zu erleben. ForgTin ist ein im 3D-La -
serdrucker hergestellter Bügel aus Edelstahl
und Soft-Touch-Silikon, der ganz einfach
hinter dem Ohr angelegt werden kann. Tagsüber
getragen reduziert dieses kleine Gerät
Großunternehmen: Miba AG
Die Miba Power Fuse und der Miba Po -
wer Closer sind pyrotechnische Sicherheitssysteme
für Elektrofahrzeuge, die bei einem
Unfall den Stromfluss sicher ableiten. Diese
Innovation schützt nicht nur die Batterien und
Brennstoffzellen, sie kann auch den InsassIn -
nen das Leben retten. Die Technik funktioniert
durch eine pyrotechnische Explosion,
die binnen weniger Millisekunden die Batterie
von der Fahrzeugelektronik trennt, bzw.
die Restenergie aus den Brennstoffzellen
sicher abbaut.
Forschungseinrichtungen: FH OÖ
Forschungs- und Entwicklungs GmbH
Man ist was man ißt: Nach diesem Leitsatz
wurde das Nahrungsergänzungsmittel der
FH OÖ entwickelt. Konkret handelt es sich
um ein Produkt, das auf rein pflanzlicher Ba -
sis Diabetes vorbeugen oder bei einer Therapie
unterstützen kann. Das entwickelte Nahrungsergänzungsmittel
sorgt dabei für eine
Reduktion der Zuckeraufnahme im Darm
und verbessert zusätzlich die Aufnahme von
Zucker in den Blutkreislauf. Mit dem Projekt
möchte die FH OÖ einer künftigen
Überlastung des Gesundheitssystems aufgrund
der „Zivilisationskrankheit“ Diabetes
entgegenwirken.
Jurypreis für radikale Innovation:
Primetals Technologies Austria GmbH
Die HYFOR-Technologie (HYFOR ® –
Hydrogen-based Fine Ore Reduction) soll
einen wichtigen Beitrag zur klimafreundli -
chen Stahlerzeugung leisten. Sie ist weltweit
das einzige Direktreduktionsverfahren, das
feinstkörnige Eisenerze ohne aufwendige Vor -
verarbeitungen verwenden kann. Dadurch
werden erhebliche Mengen an Energie und
Emissionen gespart.
Durch den Einsatz von Wasserstoff als
Reduktionsmittel wird zu dem die Bildung
von klimaschädlichem CO 2 vermieden.
HYFOR kann daher den Grundstein für die
Produktion von grünem Stahl legen und hebt
sich damit klar vom kohlenstoffbasierten
Stand der Technik ab.
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wirtschaft
113
Alle Landespreisträger 2022
im Überblick
Kleine und Mittlere Unternehmen
1. Platz: Pansatori GmbH – ForgTin – forget
Tinnitus
http://pansatori.com/
2. Platz: Lung-Diagnostics GmbH –
LuDi20
https://www.adkdiagnostics.at/
3. Platz: Green Soul Technologies e.U. –
SoulHeat
https://www.greensoultech.com/
Großunternehmen
1. Platz: Miba AG – Pyrotechnische Sicher -
heitssysteme für Elektro-Fahrzeuge
http://www.miba.at/
2. Platz: Weber Hydraulik GmbH – Rettungsgeräte
Baureihe SMART-FORCE
https://www.weber-hydraulik.com/
3. Platz: GE Healthcare Austria GmbH &
Co OG – Voluson Expert 22 – eine neue
Dimension im Ultraschall für Gynäkologie
und Geburtshilfe
https://www.gehealthcare.com/
FH OÖ - v.l.: Landesrag Markus Achleitner, Alexandra Halouska (Chefredakteurin Kronenzeitung
OÖ), Johann Kastner, Markus Iken und Julian Weghuber (FH OÖ), Landehauptmann
Thomas Stelzer
Forschungseinrichtungen
1. Platz: FH OÖ Forschungs- und Entwick -
lungs GmbH – Pflanzliche Wirkstoffe
mit anti-diabetischer Wirkung
https://www.fh-ooe.at/
2. Platz: Transfercenter für Kunststofftechnik
GmbH – LUFFI – Carbonfaserabfall
in einem neuen Lebenszyklus
https://www.tckt.at/kontakt
3. Platz: Software Competence Center
Hagenberg – Schwanger dank KI
(Machine Learning for Blastocyst-Analysis)
https://www.scch.at/
Jurypreis für radikale Innovation:
Primetals Technologies Austria GmbH –
HYFOR ® – Hydrogen-based Fine Ore
Reduction
https://www.primetals.com/
Aus allen Einreichungen wurden drei Un -
ternehmen für die Teilnahme am Staatspreis
Innovation sowie je ein Unternehmen für die
österreichweiten Sonderpreise VERENA
(Ener gie-Innovationen von Unternehmen in
Fotos: Land Oberösterreich / Mayrhofer
Primetals Technologies Austria - v.l.: Christopher Lindinger (Vizerektor JKU und Juryvorsitzender),
Landesrat Markus Achleitner, Bernhard Hiebl und Thomas Wolfinger (Primetals), Landeshauptmann
Thomas Stelzer.
Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Ko -
operationspartnern) und ECONOVIUS (in -
novative KMU) ausgewählt:
Nominierungen Staatspreis Innovation 2022
Miba AG
Primetals Technologies Austria GmbH
Weber-Hydraulik GmbH
Nominierung VERENA 2022
Green Soul Technologies e.U.
Nominierung ECONOVIUS 2022
Pansatori GmbH
https://www.land-oberoesterreich.gv.at/
https://www.biz-up.at/
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Chronik
Oberösterreich feiert
seine Landeshymne
114
LH Stelzer: »Die Landeshymne ist ein Symbol für die Identität unseres Landes«
Foto: Land OÖ/Peter Mayr
v.l.: die Studierenden Adam Štefunko (Slowakei, Cembalo), Ixta Rodero Gil (Spanien, Komposition), Julia van der Haagen (Niederlande, Flöte),
LH Thomas Stelzer, Vizerektorin Julia Purgina sowie Rektor Martin Rummel beim Festabend an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz
Vor 70 Jahren, am 28. November 1952,
hat der Oö. Landtag beschlossen, das
Gedicht „Hoamatgsang“ von Franz Stelzhamer
in der Vertonung von Hans Schnopfhagen
zur oberösterreichischen Landeshymne
zu erklären. Dieses Jubiläum war am 25.
November Anlaß für einen Festabend an der
Anton Bruckner Privatuniversität in Linz.
Im Rahmen des Abends wurde die Oö.
Landeshymne von Lehrenden und Studieren -
den der Anton Bruckner Privatuniversität aus
unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet
und interpretiert. Joachim Rathke hat mit
Studierenden eine szenische Interpretation
von „Stelzhamer Gedichten und Zitaten“ auf
die Bühne gebracht. Vizerektorin Julia Purgina
hat mit Erasmus-Studierenden über die
Hymnen ihrer Länder und deren Bedeutung
gesprochen.
In seiner Festansprache hat Landeshauptmann
Thomas Stelzer die Rolle und Bedeutung
einer Hymne für die Identität eines
Landes thematisiert: „Die Landeshymne ist
ein Symbol für die Identität unseres Landes.
Es geht um die Essenz, was unser ‚Hoamatland‘
Oberösterreich in seinem Kern ausmacht
und was uns antreibt.“
»Das ›Hoamatland‹ weiter mutig ge -
stalten und niemanden alleine lassen«
„Gerade angesichts schwieriger Zeiten
wollen wir unser ‚Hoamatland‘ weiter mutig
Foto: Land OÖ/Peter Mayr
LH Thomas Stelzer mit dem originalen Landesgesetzblatt, mit dem der „Hoamatgsang“
damals offiziell zur oö. Landeshymne erklärt wurde.
gestalten und weiter entwickeln zu einem
Land der Möglichkeiten mit Perspektiven
für alle. Durch den Umbau zu einem modernen,
klimaschonenden Produktionsstandort,
der uns Arbeit sichert. Wo wir niemanden
alleine lassen mit Sorgen und Bedürfnissen,
wo wir Hilfe und Unterstützung bieten. Eine
Heimat, in der engagierte und anpackende
Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher,
inspiriert von Kunst und Kultur, gestärkt wer -
den und zusammenhalten“, so Stelzer. Durch
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
die unentschuldbaren antisemitischen Ausfälle
des Autors Franz Stelzhamer ist die
Landeshymne laut Stelzer ein steter Anstoß,
auch die Erinnerung an die Schatten unserer
Geschichte lebendig zu halten: „Wir vergessen
nichts und niemanden, und werden die
Erinnerung wachhalten. Auch das ist Teil un -
serer Identität.“
n
http://www.land-oberoesterreich.gv.at/
https://www.land-oberoesterreich.gv.at/27586.htm
https://www.youtube.com/watch?v=CGVVu30T0PU
Foto: Stille Nacht Gesellschaft
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Chronik
Stille Nacht, heilige Nacht
Das Lied von Franz Xaver Gruber und Josephus Franciscus Mohr ist
in 320 Sprachen weltweit fest mit dem Weihnachtsfest verbunden
Franz Xaver Gruber wurde am 25. No -
vember 1787 in der Innviertler Gemeinde
Hochburg geboren. 1807 trat er eine Stelle
als Lehrer, Mesner und Organist in Arnsdorf
an. Dort komponierte er 1818 das Weih -
nachtslied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ zu
einem Text seines Freundes Joseph Mohr,
Coadjutor in Oberndorf. In der Christnacht
1818 erklang das Lied zum ersten Mal in der
Oberndorfer Pfarrkirche St. Nicola, wo Gruber
auch als Organist tätig war. Franz Xaver
Gruber wurde 1829 Lehrer und Mesner in
Berndorf bei Salzburg. 1835 kam er als
Chorregent und Stadtpfarrorganist nach Hallein,
was er bis zu seinem Tod im 76. Le -
bensjahr blieb. Franz Xaver Gruber starb am
7. Juni 1863 in Hallein.
Josephus Franciscus Mohr wurde am 11.
Dezember 1792 in der Stadt Salzburg geboren.
Er war ein uneheliches Kind. Die erste
offizielle Dienststelle als Priester war 1815
Mariapfarr im Lungau – der Geburtsort seines
Vaters. Aus dem Lungau, wo er 1816 den
Text von „Stille Nacht!“ schrieb, kam Mohr
1817 wegen seines schlechten Gesundheitszustandes
nach Salzburg zurück und trat im
gleichen Jahr seinen Dienst in Oberndorf an.
Dort trafen sich die Lebenswege von Mohr
und Gruber. Nach Einsätzen als Seelsorger
in vielen weiteren Gemeinden verstarb Mohr
am 4. Dezember 1848 mit 56 Jahren als
Pfarrvikar in Wagrain.
Der erste Schritt zur Verbreitung des Liedes
wird dem Umstand zugeschrieben, daß
Franz Xaver Gruber
Foto: Stille Nacht Gesellschaft/SalzburgerLand Tourismus
Foto: Stille Nacht Gesellschaft
Die Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf bei Salzburg wurde in den Jahren 1935-37 fertiggestellt
und am 15. August 1937 von Weihbischof Johannes Filzer in Anwesenheit von Bundeskanzler
Kurt Schuschnigg und Landeshauptmann Franz Rehrl eingeweiht.
sowohl Joseph Mohr als auch Franz Xaver
Gruber mit Karl Mauracher bekannt waren,
einem Orgelmacher aus Fügen im Zillertal,
der das Lied mit sich nahm. Mauracher hatte
sich mehrmals in Arnsdorf und Oberndorf
aufgehalten, wo er sowohl die Orgel der Wall -
fahrtskirche Arnsdorf als auch jene der
Schifferkirche St. Nikola repariert hatte bzw.
1825 dann neu erbaute. 1819 zur Christmette
wurde das Lied bereits in Fügen gesungen.
Dort übernahmen es die Geschwister Rainer,
die im Kirchenchor von Fügen sangen.
Josephus Franciscus Mohr
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
115
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts besserten
zahlreiche Familien aus dem Zillertal ihr
Einkommen als fahrende Händler auf, die
bäuerliche Bevölkerung bevorzugt im Winter.
Da im Zillertal traditionell Volksmusik
ge pflegt wurde, lockten manche der Händler
die Käufer mit Musik und Gesang an ihre
Stände.
100 Jahre später, 1914 sangen deutsche
und britische Soldaten beim sogenannten
Weihnachtsfrieden gemeinsam Stille Nacht.
1934 sang Bing Crosby in seiner Weihnachts-
Radiosendung Silent Night. Die Aufnahme
wurde mit 30 Millionen Stück dritterfolgreichste
Musiksingle. 1941 sangen Franklin
D. Roosevelt und Winston Churchill ge -
meinsam mit den versammelten Menschen im
Garten des Weißen Hauses Silent Night.
1943 stellte die Schriftstellerin Hertha
Pauli (1906–1973) fest, daß viele US-Amerikaner
das Lied Silent Night für ein „USamerikanisches
Volkslied“ hielten, und
schrieb darüber in den USA das Buch „Silent
Night. The Story of a Song“, in dem sie den
eigentlichen Ursprung des Liedes erläuterte.
Der deutsche Liedtext wurde weltweit in
320 Sprachen und Dialekte übersetzt. n
Quellen: https://www.stillenacht.gallery/
https://de.wikipedia.org/wiki/Stille_Nacht,_heilige_Nacht
Video https://www.youtube.com/watch?v=3BS9ohD1R5g
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Chronik
116
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Chronik
Das Digital Skills Barometer
Wie steht es um die digitale Fitness der ÖsterreicherInnen? Nun wurde
das europaweit erste befragungsbasierte Erhebungsinstrument geschaffen.
117
Foto: BKA / Christopher Dunker
v.l.: Reinhard Gojer (Präsident fit4internet, Vorstandsdirektor DONAU Versicherung AG Vienna Insurance Group), Florian Tursky
(Staatssekretär für Digitalisierung und Breitband), Ulrike Domany-Funtan (Generalsekretärin fit4internet), Michael Zettel (Country
Managing Director, Accenture Österreich) und Christoph Becker (Geschäftsführer ETC – Enterprise Training Center)
Dieses einmalige, umfangreiche und de -
taillierte Lagebild über die digitale Fitness
der österreichischen Bevölkerung bietet
auch EntscheidungsträgerInnen aus Wirtschaft,
Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft
eine Grundlage, um bedarfsorientiert,
zielgerichtet sowie zukunftssicher Schwerpunkte
für Re- und Up-Skilling zu setzen –
und damit die digitalen Skills der österreichischen
Bevölkerung strukturiert und nachhaltig
zu steigern. Mithilfe des Digital Skills
Barometers kann die digitale Transformation
der Republik nicht nur unterstützt, sondern
in eine echte Chance für die Zukunft Österreichs
verwandelt werden.
„Österreich ist in der Umsetzung des
Kompetenzmodells für digitale Kompetenzen
(DigComp) derzeit Vorreiter in der EU.
Und mit dem Digital Skills Barometer steht
erstmalig ein Ergebnis auf Basis dieses Standards
zur Verfügung, das nicht nur die Selbst -
einschätzung, sondern auch das digitale Wissen
der österreichischen Bevölkerung einbezieht.
Dieser tiefgehende Einblick in den tatsächlichen
Stand des digitalen Wissens er -
möglicht es auch, bestehende Mängel und
,skills gaps‘ zu identifizieren, denen wir uns
widmen müssen, um Österreich #digitallyfit
für die Zukunft zu machen“, erläutert f4i-
Präsident Reinhard Gojer.
„Gerade in einer wirtschaftlich fordernden
Zeit müssen wir die Chancen der Digitalisierung
für Wertschöpfung, Arbeitsplätze
und Lebensqualität offensiv nutzen. Digitales
Wissen ist in jeder Hinsicht der Treibstoff
für die Zukunft. Deshalb rate ich jedem zu
einem digitalen Workout. Denn Einschätzung
und Realität liegen oft weit auseinander. Die
Erkenntnisse des Barometers zeigen, daß die
durchschnittliche digitale Fitness der Österreicherinnen
und Österreicher ab 16 Jahren
nur bei rund 41 Prozent liegt. Um sich in der
digitalen Welt sicher und kompetent zu
bewegen, bedarf es jedoch mindestens eine
digitale Fitness von 60 bis 80 Prozent. Klar
ist: Sowohl Frauen als auch Männer überschätzen
ihre digitale Fitness enorm. Dank
Initiativen wie fit4internet und Projekten wie
dem Digital Skills Barometer zählen wir zu
europäischen Best-Practices- gemeinsam
arbeiten wir für die digitale Zukunft Österreichs“,
so Florian Tursky, Staatssekretär im
Bundesministerium für Finanzen.
Detaillierter Blick auf die digitale
Fitness der ÖsterreicherInnen
Das Digital Skills Barometer bietet einen
einmaligen Einblick in und einen Überblick
über den digitalen Wissensstand der Öster -
reicherIn nen auf Basis des Digitalen Kom -
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
petenzmodells für Österreich – DigComp
2.2 AT. Das digitale Wissen der österreichischen
Bevölkerung wurde über Selbsteinschätzungs-
und Wissensfragen von knapp
4.000 Personen ab 16 Jahren umfangreich
online erfaßt. Die Ergebnisse wurden den
Kompetenzstufen 1 (grundlegend elementar
0-20 %) bis 5 (umfassend fortgeschritten,
80,1-100 %) des Digitalen Kompetenzmodells
zugeordnet, wobei ExpertInnen davon
ausgehen, daß für einen sicheren, kompetenten
und selbstbestimmten Umgang in der di -
gitalen Welt mindestens Kompetenzstufe 4
(vertieft selbständig, 60,1-80 %) erreicht wer -
den sollte. Die Ergebnisse liefern aufschlußreiche
Key Findings: So beträgt etwa die
durchschnittliche digitale Fitness der ÖsterreicherInnen
aktuell 41,6 %. Damit verfügen
sie über fundiert selbständiges digitales Wissen
und können Aufgaben selbständig be -
wältigen, solange keine Probleme auftreten.
Überdies thematisieren die Key Findings
die digitalen Gender und Knowledge Gaps:
Frauen bewegen sich im Durchschnitt auf
Kompetenzstufe 2 (38,1 %, solide grund -
legend) und Männer auf Kompetenzstufe 3
(45 %, fundiert selbständig). Damit schliessen
Frauen bei Fragen zu digitalem Wissen
um rund 7 Prozentpunkte schlechter ab. Ein
Merkmal, das sich beide Geschlechter teilen:
© f4i
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Sie überschätzen ihre digitale Fitness enorm,
der Gap zwischen Selbsteinschätzung
(77,5 %) und tatsächlichem Wissen (41,6 %)
liegt bei rund 36 Prozentpunkten, was annähernd
2 Kompetenzstufen entspricht.
Der größte Wissensmangel besteht dabei
in den Kompetenzbereichen Grundlagen und
Zugang sowie Sicherheit: ca. 60 % der Be -
völkerung kommen hier nur auf Kompetenzstufe
1, wesentliche Konzepte wie die Zwei-
Faktor-Authentifizierung können nur von
einem Bruchteil erklärt werden. Zudem weiß
der Großteil der Befragten nicht, wie man
In formationen aus dem Internet verifiziert,
wohin man sich bei Fake News wendet oder
wie man sie von echten Nachrichten unterscheidet.
Diese digitale Medienkompetenz ist
jedoch essentiell und muß gezielt gefördert
werden, da immer mehr Menschen täglich
Nachrichten über Social Media konsumieren
und der Filterblaseneffekt dabei eine große
Rolle spielt.
Die Digitalisierung betrifft alle Menschen,
daher muß die Teilhabe daran auch allen er -
möglicht werden. Dies kann etwa über
Techni ken für ein barrierefreies Internet er -
folgen – doch auch hier ist das Unwissen der
ÖsterreicherInnen hoch. Damit Inklusion ge -
Chronik
Kompetenzstufe NQR-Niveau 3 bis 4 ist jener Kompetenzgrad, der jedenfalls im Alltag einen sicheren,
kompetenten, selbstbestimmten Umgang in der digitalen Welt ermöglicht.
Kompetenzstufe NQR-Niveau 4 bis 5 ist jener Kompetenzgrad, der im beruflichen Kontext eine digitale
berufliche Anschlußfähigkeit sicherstellt.
Kompetenzstufen ab NQR-Niveau 6 bis 8 entsprechen Bachelor bis PhD-Niveau und
stehen derzeit nicht im Fokus der Analysen.
lebte Praxis wird und keine Besonderheit
bleibt, braucht es mehr Wissen über die
grundlegenden Techniken zur digitalen Barrierefreiheit
sowie darüber, wie diese in der
eigenen Kreation digitaler Inhalte angewandt
werden können.
Digitale Kompetenzen –
der Schlüssel zur Zukunft
Digitale Skills zählen zu den 8 Schlüsselkompetenzen
für lebenslanges Lernen und als
4. Kulturtechnik zu den Grundfertigkeiten ne -
ben Lesen, Schreiben und Rechnen. Da be reits
90 Prozent aller Berufe digitale Basis kom -
petenzen voraussetzen, sind digitale Fitness
und berufliche Anschlußfähigkeit un trenn -
bar miteinander verknüpft und entschei den
über die Zukunftsfähigkeit Österreichs mit.
Die gewonnenen Ergebnisse der Erhebung
sind für die österreichische Bevölkerung re -
präsentativ und anschlußfähig an den Referenzrahmen
für digitale Kompetenzen (Dig-
Comp) der Europäischen Kommission sowie
an den Nationalen Qualifikationsrahmen
(NQR). Die Erkenntnisse aus dem Digital
Skills Barometer von fit4internet leisten in
diesem Kontext zudem einen wesentlichen
Beitrag zu den Sustainable Development
118
Goals der Vereinten Nationen (UN SDGs) in
den Bereichen Hochwertige Bildung
(SDG#4), Geschlechtergleichheit (SDG#S),
Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
(SDG#8), Industrie, Innovation
und Infrastruktur (SDG#9) und Weniger
Ungleichheiten (SDG#10).
„Bereits seit 2018 ist es unser erklärtes
Ziel als fit4internet, die österreichische Be -
völkerung fundiert für die digitale Zukunft
zu rüsten und federführend zur Standardisierung
und Steigerung der digitalen Kompetenzen
in Österreich beizutragen. Durch ln -
terdisziplinarität, rasche Entwicklungen und
Umsetzungen sowie Stakeholdergruppenübergreifende
Zusammenarbeit auf regionaler,
nationaler und europäischer Ebene konnte
europaweit ein Best-Practice zur Umsetzung
des DigComp geschaffen werden. Mithilfe
der detaillierten Ergebnisse des Digital
Skills Barometers haben wir nun zusätzlich
ein Werkzeug, das dazu beitragen kann, zielgerichtet
Maßnahmen für digitale Inklusion
und die digitale Zukunftsfähigkeit Österreichs
zu gewährleisten“, faßt f4i-Generalsekretärin
Ulrike Domany-Funtan zusammen.
Statements zum Digital
Skills Barometer
Michael Zettel, Country Managing Direc -
tor, Accenture Österreich: ,,Die Digitalisierung
und damit die digitalen Skiffs der Ös -
terreicherinnen und Österreicher sind das
Fundament für erfolgreiche Unternehmen,
das Wirtschaftswachstum und unseren künftigen
Wohlstand. Das Digital Skiffs Barometer
ist der erste Reaitycheck der digitalen
Skiffs der Österreicherinnen und Österreicher.
Auf diese digitale Kompetenzmessung aufbauend
können zielgerichtet und bedarfsorientiert
Maßnahmen entwickelt werden.“
Christoph Becker, Geschäftsführer ETC –
Enterprise Training Center: ,,Lebenslanges
Lernen und lebenslange Weiterentwicklung
gewährleisten im Zusammenspiel mit zeitgemäßen
digitalen Kompetenzen die berufliche
Anschlußfähigkeit des Individuums auf dem
Arbeitsmarkt. Mit dem Digital Skiffs Barometer
halten wir endlich ein Werkzeug in der
Hand die tatsächliche digitale Fitness der ös -
terreichischen BürgerInnen detailliert zu be -
stimmen. Das ist die Grundlage, um schnell
und einfach Zugang zu bedarfsorientierten
Weiterbildungsmaßnahmen zu bieten. Damit
wird das digitale Basiswissen gefördert. Dies
ist ein entscheidender Schritt für die wirtschaftliche
und gesellschaftliche Zukunft Ös -
terreichs!“
n
https://www.fit4internet.at/
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Chronik
Himmlische Einblicke auf Graz
Mehr als 225.000 Luftbilder der steirischen Landeshauptstadt sind archiviert.
Graz ist wahrlich im Bilde, schließlich
betreut und nutzt das Stadtvermessungsamt
seit den 1950er-Jahren Fotoschätze,
die bei Befliegungen entstanden sind.
1996 wurde von der analytischen in die
Photogrammetrie umgestellt, die Bilder aus
den Jahrzehnten davor sukzessive digitalisiert,
woraus um die Jahrtausendwende das
erste Online-Service in Betrieb ging.
Vizebürgermeisterin Judith Schwentner,
Stadtbaudirektor Bertram Werle, Stadtvermessungsamtsleiterin
Elke Achleitner und
Prä sidialabteilungsleiterin Verena Ennemoser
freuen sich, mit einem neuen digitalen
Service diesen Schatz nicht nur ExpertInnen,
sondern auch Privatpersonen zu präsentieren
und leichter zugänglich zu machen.
Durch die Zusammenarbeit mit der Präsidialabteilung
setzt die Stadtvermessung so -
mit zu einem erneuten Höhenflug an und
zeigt Graz dabei von der fotogensten Seite.
Das Luftbildservice wurde überarbeitet und
digital auf komplett neue Beine gestellt. Man
kann nun über die digitale Stadt – dessen
Angebot durch die Luftbildbestellung nun
noch attraktiver wurde, mit wenigen Klicks
adreßgenau Luftbilder aus sieben Jahrzehnten
oder Orthophotos (für ArchitektInnen,
PlanerInnen, etc.) bestellen. Die Kosten be -
tragen zwischen rund 19 und knapp 57 Euro.
Foto: Stadt Graz / Fischer
v.l.: Vizebürgermeistern Judith Schwentner, Stadtvermessungsamtsleiterin Elke Achleitner und
Stadtbaudirektor Bertram Werle mit Vergrößerungen der Grazer Luftbilder
119
Welche sind die jüngsten
Aufnahmen im Luftbildarchiv?
Die aktuellsten Aufnahmen stammen vom
Bildflug 2022, aufgenommen am 4. August.
Bei diesem Flug wurden nunmehr schon zum
dritten Mal gleichzeitig Senkrecht- und
Schrägaufnahmen vom gesamten Stadtgebiet
erstellt.
Foto: Stadtvermessungsamt Graz
Ein wunderschöner Blick auf die Grazer Altstadt – auch den kann man bestellen und sich
nachhause liefern lassen. Die Preise dafür bewegen sich zwischen 19 und knapp 57 Euro.
Wofür braucht die
Stadt Graz Luftbilder?
Die Einsatzgebiete sind vielfältig. Seit
1989 werden mittels Photogrammetrie großräumig,
hochgenau und sehr effizient Naturdaten
erfaßt und aus unserem Alltag nicht
mehr wegzudenkende Orthophotos (maßstäb-
liche Bildpläne) erstellt. Diese dienen Aufgaben
und Projekten des Klima- und Um -
weltschutzes, der Stadtplanung, des Stadtentwicklungskonzeptes,
des Flächenwidmungsplans
bis hin zu städtebaulichen Wettbewerben,
Kanalnetzberechnungen, Verkehrsplanungen,
in der Forstwirtschaft und
noch vielem mehr.
Wie sehr wird das Bestellservice
an Luftbildern bereits genutzt?
Noch vor dem neuen digitalen Service
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
wur den alleine heuer bis dato 115 Aufträge
samt Aufbereitung und Übermittlung von
rund 220 Bildeinheiten erledigt. n
Zur Schritt-für Schritt-Anleitung:
https://www.graz.at/luftbildbestellung
https://www.digitalestadt.graz.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Gastronomie & Kulinarisches
Gault&Millau Guide 2023
Die wichtigsten Auszeichnungen der heimischen Gastronomie-Branche konnten
nach coronabedingter Zwangspause endlich wieder persönlich überreicht werden.
120
© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski
Die Preisträger ernteten am 16. November im modernen Ambiente des SO/ Vienna-Hotels* viel Applaus.
Die Preisträger ernteten am 16. November
im modernen Ambiente des SO/
Vienna-Hotels* viel Applaus. Die Ernennung
zum Gault&Millau „Koch des Jahres“ ist un -
bestritten die wichtigste Auszeichnung der
österreichischen Kulinarik-Branche. Neuer
Titelträger ist Lukas Nagl vom Restaurant
Bootshaus am Traunsee. Viel beachtet ist
auch stets, ob es an der Spitze der Qualitätspyramide
Bewegung gibt. Tatsächlich darf
man einem überaus talentierten Koch
zur fünften Haube gratulieren: Benjamin
Parth vom Restaurant Stüva in Ischgl.
Trotz extrem schwieriger Rahmenbedingungen
für die heimische Gastronomie kann
der Guide Gault&Millau 2023 nicht weniger
als 762 Haubenrestaurants ausweisen, die in
Summe 1.486 Hauben tragen. Das ist neuer
Rekord, so viele waren es noch nie. Die Aufsteiger
finden sich quer über das gesamte
Spektrum: 45 Betriebe kamen erstmals zu
Hauben-Ehren, 36 wurden um ein, zwei oder
sogar drei Punkte aufgewertet.
m Silvio Nickol (Wien)
m Heinz Reitbauer (Steirereck, Wien)
m Martin Klein (Ikarus, Salzburg) und
m Karl und Rudi Obauer (Werfen, Salzburg)
Darüber hinaus weist Tirol so viele Aufsteiger
auf wie kein anderes Bundesland.
Gleich zehn Lokale errangen heuer mehr
Punkte als im Jahr davor. Das Köhle in Serfaus,
der Berghof Crystal in Hintertux und
das Alpin Resort Sacher in Seefeld konnten
sogar jeweils um zwei Punkte zulegen. Tirol
fuḧrt auch mit 13 Vier-Hauben-Betrieben die
Rangliste der Vierhauber an. Zwei erfreuliche
Neuzugänge sind: das Gründler Gour -
metstüberl, wo Armin und Alexander Gründler
zu Werke gehen, sowie Sigwarts Tiroler
Weinstuben mit der begnadeten Köchin
Traudl Sigwart. Sie ist damit die einzige
allein verantwortliche Vier-Hauben-Köchin
Österreichs. (Auch Astrid Krainer aus Langenwang,
die die Küche mit ihrem Mann
Andreas leitet, ist jetzt mit vier Hauben de -
koriert).
Lukas Nagl ist »Koch des Jahres«
Das zweite Bundesland, das auf der kulinarischen
Überholspur fährt, ist Oberösterreich.
Hier reicht die Fülle an Vielfalt von
Neuer Fünf-Hauber aus Tirol
Tirol liegt hinter Wien an Stelle zwei der
Bundesländer mit den meisten Hauben insgesamt
– es sind 115 Betriebe. Hier werkt
auch der jüngste unter den Fünf-Hauben-
Köchen. Benjamin Parth steht ab sofort in
einer Reihe mit den bewaḧrten Fünf-Hauben-Stars:
m Konstantin Filippou (Wien)
© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski
Erstmals fünf Hauben für Benjamin Parth, überreicht von Martina Hohenlohe
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Gastronomie & Kulinarisches
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© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski
Karl Hohenlohe, Lukas Nagl, der Koch des Jahres 2022, und Martina
Hohenlohe
© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski
Service-Award für Judith Knittelfelder, Andy Rock, Geschäftsführer
der Brennerei Ziegler, und Martina Hohenlohe
© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski
Karl Hohenlohe (l.), die Patissière des Jahres 2022, Lisa Krispel und
Martina Hohenlohe
der Fischküche an den Salzkammergutseen bis zu hippen Szenelokalen
in Linz und der subtilen Naturküche im Alpenvorland. Der „Koch
des Jahres 2023“ kommt aus Ober österreich: Lukas Nagl nutzt im
Bootshaus in Traunkirchen die reichen Schätze des Sees vor der
Haustür und kombiniert sie mit Ge müse und Kräutern aus der
Region. „Mit dem Fokus auf den See hat es Lukas Nagl in den letzten
Jahren zu wahrer Meisterschaft ge bracht, wohlverdient geht dieser
Award an ihn“, urteilt das Team von Gault&Millau.
Patissière des Jahres 2023:
Lisa Krispel
Präzise, harmonisch, überraschend – wenn die Gäste im Restaurant
des steirischen Weinguts Krispel glauben, endgültig satt zu sein,
schafft es Lisa Krispel, sie mit ihren Kreationen aus Früchten, Beeren,
Nüssen und feinem Teig erneut zu verführen.
Service Award 2023:
Judith Knittelfelder
Professionell, hoch aufmerksam, konzentriert, stets freundlich
und streßresistent selbst bei großem Andrang – Judith Knittelfelder
verkörpert im Restaurant und Wirtshaus der Geschwister Rauch geradezu
den perfekten Service. Daß sie auch eine äußerst kundige Sommelière
ist, muß man da nur mehr am Rande erwähnen.
Newcomerin des Jahres 2023:
Parvin Razavi
Wer einen Blick in die Kulinarik der Zu kunft tun will: Parvin
Razavi verbindet orientalische mit europäischen Traditionen, verzaubert
frisches Gemüse mit Säften und Kräutern zu hochkomplexen
© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski
© Gault&Millau / Foto: Philipp Lipiarski
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Parvin Razavi ist die Newcomerin des Jahres 2022 – im Bild mit
charmantem Support
Hedi Klinger wurde für ihr Lebenswerk geehrt– im Bild mit Karl
Hohenlohe (l.), Wein & Co GF Willi Klinger und Martina Hohenlohe
Gerichten und zeigt in ihrer offenen Küche des Wiener Re staurants
„&flora“ auch noch, wie sehr ihr das alles Spaß macht.
Hedi Klinger wird für
ihr Lebenswerk geehrt
Man muß nicht Thomas Bernhard gelesen haben, um zu wissen,
daß es im Gasthof Klinger in Gaspoltshofen die beste Frittatensuppe
Ostösterreichs gab, vom Schweinsbraten, den Knödeln und dem
Mohnstrudel ganz zu schweigen. „Gab“ – denn die legendäre Hedi
Klinger hat ihren Betrieb 2022 endgültig geschlossen. Die Ehrung für
das Lebenswerk war der emotionalste Moment bei der Präsentation
des Guides im SO/ Vienna, Hedi Klinger wurde mit anhaltenden
Standing Ovations bedacht.
n
https://www.gaultmillau.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Gastronomie & Kulinarisches
Bierkulturbericht 2022
Bierige Trends: alkoholfrei, regional und
nachhaltig – wie ÖsterreicherInnen ihr Bier genießen.
122
Der 14. Österreichische Bierkulturbericht,
der von der Kommunikationsabteilung
der Brau Union Österreich auf Basis
einer repräsentativen Studie des market-
Meinungsforschungsinstituts herausgegeben
wird, verfolgt den bierigen Lebenszyklus
vom Feld bis zum Genuß und gewährt Einblicke
in Verhalten und Prioritäten der österreichischen
BiergenießerInnen. Gabriela
Maria Straka, Director Corporate Affairs &
ESG Sustainability bei der Brau Union Ös -
terreich, erklärt: „Bier ist seit jeher ein natürliches
Getränk und kann nur so gut sein wie
die Rohstoffe, aus denen es gebraut wird.
Da her stecken Regionalität und Nachhaltigkeit
in der DNA des Bieres. Daß diese Themen
aber nicht nur den Brauern, sondern
zunehmend auch den Biergenießern wichtig
sind, zeigt der Bierkulturbericht 2022. Ba -
sierend auf den Studienergebnissen wird das
bierige Konsum- und Einkaufsverhalten der
Österreicherinnen und Österreicher beleuchtet.
Die Leser werden ein Stück weit auf den
Lebensweg eines Bieres mitgenommen, zu
Gersten- und Hopfenbauern, in die Brauereien,
wo das Handwerk gelebt wird und
dank Wissen und Pioniergeist federführende
Innovationen beim Produkt, aber ebenso in
der Produktion möglich werden. Selten liegen
Tradition und Innovationskraft so nahe
Foto: Brau Union Österreich
Die Österreicher genießen ihr Bier gerne im sonnigen Gastgarten, untertags meist alkoholfrei.
beisammen – nachhaltige Braukunst hilft,
die Welt Schluck für Schluck besser zu ma -
chen.“
Alkoholfrei, regional, nachhaltig: Wie
die ÖsterreicherInnen ihr Bier genießen
Der Stellenwert von Bier für die Getränkekultur
in Österreich ist ungebrochen.
Knapp 90 % unserer Landsleute bewerten
Bier als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ für
die österreichische Getränkekultur. Am liebsten
trinken wir Bier beim Grillen, wobei die
Herren mit 50 % deutlich lieber zum flüssigen
Gold greifen als die Damen. Auch
Feiern (41 %) und Treffen mit Freundinnen
und Freunden (33 %) sind beliebte Konsumanlässe.
Bei 28 % der ÖsterreicherInnen landet
Bier einmal im Monat im Einkaufswa-
Foto: Brau Union Österreich
Das Sortiment der AlkoholFREIZONE bietet für jeden Geschmack, von bierig bis fruchtig, das passende Getränk.
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Gastronomie & Kulinarisches
123
gen, 21 % kaufen alle zwei bis drei Wochen
Bier für ihren Haushalt. Bei den beliebten
Biersorten hat Märzen mit 56 % den höchsten
Zuspruch, es folgen Pils (41 %) und
Zwickl (37 %). Radler verzeichnet nach
einer gewissen Stagnation in den Vorjahren
einen Aufwärtstrend: 23 % der ÖsterreicherInnen
trinken sehr gerne Radler, 27 % ger ne.
Auch die Regionalität ist ein Thema: 80 %
der Befragten geben an, daß das Angebot
von regionalen Bieren für die heimische
Bierkultur sehr wichtig bzw. eher wichtig ist.
Straka erklärt: „Bier ist für viele ein Stück
Heimat. Unsere Landsleute greifen sehr gern
zum Bier aus der eigenen Gegend, quasi
rund um den Schornstein der Brauerei zeigt
sich die Tendenz, dieses heimische Bier zu
bevorzugen.
Schon die Biermarken verweisen ja meistens
auf die Herkunft: Das Zipfer kommt
aus Zipf, Fohrenburger aus Fohrenburg und
Schwechater aus Schwechat. Internationalem
Bier geben nur 5 % der Österreicherinnen
und Österreicher den Vorzug.“
Mit dem regionalen Angebot in Handel
und Gastronomie geben sich die Befragten
auch zu großen Teilen zufrieden: 78 %der
ÖsterreicherInnen geben dem regionalen An -
gebot im Handel die Note 1-2. In der Gastronomie
sind 68 % mit dem Angebot zufrieden.
Auch wurde die Frage gestellt, zu welchem
Bier Herr und Frau Österreicher greifen,
wenn sie in einer anderen österreichischen
Region urlauben. Und siehe da: Zwei
Drittel (63 %) zeigen sich probierfreudig und
greifen zu dem regionalen Bier aus der Ur -
laubsregion lieber als zu einer anderen österreichischen
Biersorte. Besonders auffällig ist
das Ergebnis bei den reisenden WienerInnen:
Sie greifen überdurchschnittlich (68 %)
zu der regionalen Sorte.
Null gewinnt: Wer gerne Bier trinkt,
mag auch alkoholfrei immer lieber
Die Studie enthüllt, daß das Verantwortungsbewußtsein
im Umgang mit Alkohol
bereits in der Gesellschaft angekommen ist.
Sowohl in puncto Genuß als auch in puncto
Ansehen ist alkoholfreies Bier klar auf dem
Vormarsch. So ist sich eine absolute Mehrheit
(57 %) sicher, daß alkoholfreies Bier an
Ansehen gewonnen hat. Das ist ein Plus von
12 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr.
Bei den regelmäßigen Bierkonsum unterschreiben
sogar 60 % diese positive Veränderung.
Auch beim Genuß von alkoholfreiem
Bier sprechen die Zahlen für sich – tranken
2017 noch 17 % gerne alkoholfrei, sind es
inzwischen 28 %. Besonders deutlich zeigt
© Brau Union Österreich / Foto Freisinger
© Brau Union Österreich / Foto Freisinger
Frauen trinken besonders gerne Biermischgetränke aber auch alkoholfreies Bier und greifen
am liebsten zu den Biersorten Märzen, Pils und Weizenbier.
Die Grüne Brauerei Göss ist das Vorzeigeprojekt der Brau Union Österreich
sich der Trend bei den Jüngeren von 18 bis
29 Jahren: Hier sind es 32 %.
Nachhaltigkeit ist den
Konsumenten wichtig
Die repräsentative Studie zum Bierkulturbericht
2022 belegt, daß die KonsumentInnen
sich Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit
machen: Als Kriterien für eine verantwortungsvolle
und nachhaltige Bierproduktion
sehen sie u.a. die Vermeidung von langen
Transportwegen (64 %), Verwendung
von regionalen Rohstoffen (59 %), Einhaltung
von Umweltschutzauflagen (45 %) oder
auch die Reduzierung des CO 2-Ausstoßes
bei der Produktion (38 %). 76 % der Befragten
geben an, daß ihnen wichtig ist, daß
Brauereien in Zukunft CO 2-neutral brauen.
Auch Recycling ist ein Thema, so legen die
Österreicher besonders darauf Wert, daß
Bier in Mehrwegflaschen verkauft wird
(61 %), daß das Verpackungsmaterial zu
100% wiederverwendbar sind (54 %). Daß
in der Produktion die Ressourcen geschont
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
wer den, finden 44 % der Befragten beson -
ders wichtig.
Wunsch nach mehr Informationen
zu nachhaltigem Bier
45 % der ÖsterreicherInnen würden sich
laut Studie mehr Informationen zu nachhaltigem
Bier wünschen. Hier gibt es eine deutliche
Steigerung: 2016 gaben erst 29 % der
Befragten an, daß sie gerne mehr Informationen
zu diesem Thema hätten. Besonders
interessieren sich die Befragten dabei für die
Herkunft der Rohstoffe (70 %), für Recycling
(53 %), die Transportwege zu und von der
Brauerei (53 %). Jeweils 41 % interessieren
sich für den CO 2 -Fußabdruck pro Krügerl
und den Energieverbrauch im Brauprozeß.
Auch der Wasserverbrauch beim Brauen ist
für 39 % von Interesse. Die jüngeren Befragten
zwischen 18 und 29 Jahren interessieren
sich überdurchschnittlich für den CO 2 -Fußabdruck
(50 %) und den Wasserverbrauch
(43 %). n
https://www.brauunion.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Personalia
Physik-Nobelreisträger
Prof. Anton Zeilinger
124
Am 4. Oktober gab die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften die
Namen der drei Nobelpreisträger für Physik 2022 bekannt. Mit Alain Aspect und
John F. Clauser wurde Prof. Anton Zeilinger am 10. Dezember – dem Todestag
von Alfred Nobel – in Stockholm für seine Forschungsarbeit ausgezeichnet.
Foto: ÖAW / Hinterramskogler
Anton Zeilinger erhielt in Stockholm den Nobelpreis für seine Arbeiten zur Quantenverschränkung.
Dem ÖAW-Quantenphysiker wurde die Auszeichnung vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf überreicht.
Verschränkte Zustände – von der Theorie
zur Technologie: Alain Aspect, John
Clauser und Anton Zeilinger haben jeweils
bahnbrechende Experimente mit verschränk -
ten Quantenzuständen durchgeführt, bei de -
nen sich zwei Teilchen wie eine Einheit verhalten,
auch wenn sie getrennt sind. Ihre Er -
gebnisse haben den Weg für neue, auf Quanteninformation
basierende Technologien ge -
ebnet, so die Königlich Schwedische Aka de -
mie der Wissenschaften in einer Aussendung
am 4. Oktober in ihrer Begründung für die
Nominierung der drei Physiker für den mit
10 Mio. Schwedischen Kronen (rund 92.000
Euro) dotierten Nobelpreis 2022, den sich
die Ausgezeichneten teilen.
Die Preisträger
Alain Aspect, geboren 1947 in Agen, Frankreich.
Promotion 1983 an der Universität
Paris-Sud, Orsay, Frankreich. Professor an
der Graduiertenschule des Institut d'Optique
der Université Paris-Saclay und der École
Polytechnique, Palaiseau, Frankreich.
John F. Clauser, geboren 1942 in Pasadena,
CA, USA. Promotion 1969 an der Columbia
University, New York, USA. Forschungsphysiker,
J.F. Clauser & Assoc., Walnut
Creek, CA, USA.
Anton Zeilinger, geboren 1945 in Ried im
Innkreis, Österreich. PhD 1971 an der Universität
Wien und Professor ebendort.
Die Begründung der Akademie
Die unaussprechlichen Effekte der Quantenmechanik
finden allmäh lich Anwendung.
Inzwischen gibt es ein großes Forschungsgebiet,
das Quantencomputer, Quantennetze
und sichere verschlüsselte Quantenkommunikation
umfaßt. Ein Schlüsselfaktor für di e
Entwicklung ist die Tatsache, daß die Quantenmechanik
es ermöglicht, daß zwei oder
mehr Teilchen in einem so ge nannten verschränkten
Zustand existieren. Was mit ei -
nem der Teilchen in einem verschränkten
Paar geschieht, bestimmt, was mit dem an -
deren Teilchen geschieht, selbst wenn sie
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weit voneinander entfernt sind. Lange Zeit
stellte sich die Frage, ob die Korrelation darauf
zurückzuführen ist, daß die Teilchen in
einem verschränkten Paar versteckte Variablen
enthalten, d. h. Anweisungen, die ihnen
sagen, welches Ergebnis sie in einem Experiment
liefern sollen. In den 1960er-Jahren
entwickelte John Stewart Bell die nach ihm
benannte mathematische Ungleichung. Die -
se besagt, daß bei Vorhandensein verborgener
Variablen die Korrelation zwischen den
Ergebnissen einer großen Anzahl von Messungen
niemals einen bestimmten Wert überschreiten
wird. Die Quantenmechanik sagt
je doch voraus, daß eine bestimmte Art von
Ex pe rimenten gegen die Bellsche Ungleichung
verstößt, was zu einer stärkeren Korrelation
führt, als es sonst möglich wäre.
John Clauser entwickelte die Ideen von
John Bell weiter, was zu einem praktischen
Experiment führte. Als er die Messungen
durchführte, stützten sie die Quantenmechanik,
indem sie eine Bellsche Ungleichung
eindeutig verletzten. Dies bedeutet, daß die
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Quantenmechanik nicht durch eine Theorie
ersetzt werden kann, die versteckte Variablen
verwendet. Nach dem Experiment von
John Clauser blieben einige Lücken.
Alain Aspect entwickelte den Aufbau
weiter und nutzte ihn so, daß er eine wichtige
Lücke schloß. Er war in der Lage, die Meß -
einstellungen zu ändern, nachdem ein verschränktes
Paar seine Quelle verlassen hatte,
so daß die Einstellung, die zum Zeitpunkt
der Aussendung bestand, das Ergebnis nicht
beeinflussen konnte.
Mit verfeinerten Werkzeugen und langen
Versuchsreihen begann Anton Zeilinger, ver -
schränkte Quantenzustände zu nutzen. Seine
Forschungsgruppe hat unter anderem ein Phä -
nomen namens Quantenteleportation nachgewiesen,
das es ermöglicht, einen Quantenzustand
von einem Teilchen auf ein anderes
zu übertragen, das sich in einer gewissen
Entfernung befindet. ,Es wird immer deutlicher,
daß eine neue Art von Quantentechnologie
im Entstehen begriffen ist. Wir können
sehen, daß die Arbeit der Preisträger mit
verschränkten Zuständen von großer Bedeutung
ist, auch über die grundlegenden Fragen
zur Interpretation der Quantenmechanik
hinaus‘, sagte Anders Irbäck, Vorsitzender
des Nobelkomitees für Physik.
© Nobel Prize Outreach. Photo: Nanaka Adachi
Prof. Anton Zeilinger nach dem Erhalt des Nobelpreises
Die Nachricht aus Stockholm
Anton Zeilinger hat am späten Vormittag
des 4. Oktober von seiner Nominierung er -
fahren. „Da hat mich meine Assistentin an -
gerufen und ich habe ihr gesagt, ich möchte
meine Ruhe haben, um weiter an meinen
Papieren arbeiten zu können. Und sie hat
gesagt, ,Da ist jemand. Eine Frau, die läßt
sich nicht abwimmeln, die möchte unbedingt
mit Ihnen reden und sie sagt nicht, wer sie
ist. Aber die Telefonnummer ist aus Schweden.‘
Da habe ich gesagt: ,Na gut, verbinden
Sie halt.‘ Und das war die Sekretärin von der
Akademie der Wissenschaften, die mich
dann an den Generalsekretär weitergegeben
hat, der mir das mitgeteilt hat. Er hat übrigens
gleich als erstes gesagt ,I just want to
make sure this is not a fake phone call‘ („Ich
möchte nur sichergehen, daß es sich nicht um
einen gefälschten Anruf handelt.“, Anm.),
weil es offenbar Spaßvögel gibt, die gerade
um diese Zeit Leute auf Schwedisch anrufen
und ihnen da was erzählen. Und dann mußte
ich ein Gespräch mit anderen Mitgliedern
des Nobelpreis-Komitees führen, die mir er -
klärt haben, warum ich ge meinsam mit den
Kollegen den Preis bekommen habe und die
mich auch über die weitere Prozedur in -
formiert haben.“,Die eigentliche Überreichung
des Preises werde am am 10. Dezember
stattfinden und er sei eingeladen, eine
Woche in Schweden zu verbringen.
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Prof. Anton Zeilinger
Geboren 1945 in Ried/Innkreis in Oberösterreich,
studierte Anton Zeilinger Physik
und Mathematik an der Universität Wien.
Nach seiner Dissertation im Jahr 1971 war er
Forschungsassistent am Atominstitut in Wien
und anschließend Fulbright Fellow am Neutron
Diffraction Laboratory des Massachusetts
Institute of Technology (MIT). Zurück
in Wien, habilitierte er sich 1979 an der
Technischen Universität Wien.
Weitere Stationen und Forschungsaufenthalte
führten Anton Zeilinger unter anderem
ans Collége de France sowie an die Oxford
University. Im Fokus seiner Forschungsarbei -
ten stand und steht das Phänomen der quantenphysikalischen
Verschränkung, die rätselhafte
Verbindung zwischen zwei Teilchen,
die unabhängig von ihrer Entfernung einen
identischen Zustand annehmen.
2003 gründete Anton Zeilinger das Institut
für Quantenoptik und Quanteninformation
(IQOQI) der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften (ÖAW) mit, deren Mitglied
er seit 1994 ist. Von 2004 bis 2013 leitete er
das Institut in Wien, bevor er zum Präsidenten
der ÖAW gewählt wurde. 2022 stand er
der Akademie als Präsident vor, betrieb zu -
gleich weiterhin quantenphysikalische Forschungen,
die weltweit für große Aufmerksamkeit
sorgten.
Anton Zeilingers frühes Interesse
„Ich war immer schon naturwissenschaftlich
interessiert. Ich wollte immer wissen,
wie etwas funktioniert oder wie man alle
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möglichen Sachen zerlegt – un ter anderem
auch, die Puppen meiner Schwester, die die
Arme bewegen konnten. Und ich wollte wissen,
wie das funktioniert, habe das zerlegt.
Aber ich war nie daran interessiert, das wieder
zusammenzubauen. Also ich meine, ich
war nie ein Bastler, weil ich habe dann schon
gewußt, wie es funktioniert“, erinnert sich
der Wissenschaftler. „Es hat na türlich nicht
jeden gefreut, dessen Dinge ich ich zerlegt
hatte.“
Sein Vater war auch Naturwissenschaftler
und seit 1954 Pro fessor für Mikrobiologie an
der Universität für Bodenkultur in Wien. Und
da gab es immer positives Klima ge gen über
der Wissenschaft – er hatte nie versucht, ihn
in irgendeine Richtung zu drängen oder zu
pushen, sondern es war einfach eine Selbstverständlichkeit,
sich mit so vielen Sachen
Sachen zu befassen. Dann habe er im Gymnasium
in Hietzing großes Glück mit einem
Lehrer namens Lederer zu haben der wirklich
begeistern konnte. Fünf von 20 MitschülerInnen
aus seiner Maturaklasse hätten
Physik studiert, erinnert sich Anton Zeilinger.
„Der konnte mir das Ge fühl geben, daß
ich die Relativitätstheorie ver ste he. Was na -
türlich wirklich ein bißchen übertrieben ist.
Aber das war halt so. Als ich dann an die
Foto: ÖAW / Hinterramskogler
Unter den hochrangigen Gästen bei der Verleihung in Stockholm war Bildungs-, Wissenschafts-
und Forschungsminister Martin Polaschek
Uni versität kam – das war, ehe es diese um -
fangreichen Studienpläne und auch noch
keine Bologna Punkte gab –, war das ein
ziemlich freies Studium. Man konnte in die
Vorlesung gehen wie man wollte und es war
letztlich nur notwendig, ich glaube, zwei
Theorie-Seminare zu machen und die praktischen
Übungen für Fortgeschrittene, also so -
zusagen die wirklich tiefergehenden, um
dann eine Doktorarbeit vorzulegen. Es war
auch noch nicht notwendig – was ich auch
für übertrieben halte –, eine Bachelor- oder
eine Masterarbeit zu schreiben. Man konnte
direkt die Dissertation machen. Und am
Schluß gab es dann das Rigorosum, das war
aber wirklich eine Prüfung. Also man ist echt
© Nobel Prize Outreach. Photo: Nanaka Adachi
Ein Blick auf das Festbankett anläßlich der Nobelpreisverleihung im Stockholmer Rathaus
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
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geprüft worden, es war keine Formalität“,
er innert sich Anton Zeilinger, und weiter:
„Ich bin in meiner Ausbildung keine einzige
Stunde in eine Lehrveranstaltung gegan gen –
so frei war war das Studium damals. Und
dann habe ich aber aber gewußt, ich muß das
gut können, und bin dann ein paar Wochen
vorher zu Pro fessor Herbert Pietschmann ge -
gangen, der die theoretische Physik geprüft
hat, mit der Bitte, ,ich möchte, daß Sie mich
insbesondere Quantenphysik prüfen, weil ich
möchte ge zwungen werden, das zu genau zu
lernen‘. Und so war es auch – und so habe
ich dann gesehen, wie spannend das Ganze
ist. Und ich habe das Glück gehabt, daß man
in Wien diese Experimente machen konnte.
Das war ungewöhnlich. An vielen anderen
Orten wä re das nicht möglich gewesen.“
Pressekonferenz am Tag der
Bekanntgabe seiner Nominierung
Eingangs seiner Pressekonferenz am Tag
der Bekanntgabe seiner Nominierung sagte
Anton Zeilinger, „Ich möchte zuerst vorausschicken,
daß das nicht möglich gewesen
wäre ohne die Unterstützung meiner Familie.
Ich weiß, daß ich für meine Familie manchmal
nicht in dem Umfang zur Verfügung
stand, weil mich einfach die Physik so begeistert
hat. Und ich weiß, das war nicht immer
leicht, aber ich möchte da zuerst meiner Fa -
milie sehr herzlich danken. Dann möchte ich
den österreichischen und europäischen SteuerzahlerInnen
danken.“ Es sei ein fach so,
daß dies ohne deren Unterstützung nie möglich
gewesen wäre. „Das ist nur möglich ge -
wesen, weil mir die Chance gegeben wurde,
schon von sehr früh an die Dinge zu machen
in der Physik, die mich interessiert haben,
ohne Rücksicht darauf, ob das vielleicht ir -
gendwo einen Nutzen haben könnte. Im
Gegenteil: Sogar bei den ersten Experimenten
wurde ich manchmal von der Presse ge -
fragt, wozu das Ganze gut sein soll. Und ich
habe gesagt: ,Ich kann Ihnen ganz stolz
sagen, das ist für nichts gut. Das mache ich
nur aus Neugierde‘, weil ich von der Quantenphysik
von Anfang an, wo ich zum Ersten
Mal davon gehört habe, vollkommen begeistert
war wegen der mathematischen Schönheit
dieser Beschreibung.“ Und die Presse
sei gleichzeitig total erstaunt gewesen über
die Vorhersagen, die diese Theorie trifft für
Experimente, die vollkommen der Intuition
entgegenlaufen. Und er hätte das Glück ge -
habt, solche Experimente machen zu können.
Sein Doktorvater Helmut Rauch (1939-
2019), er war Professor an der TU, habilitiert
an der Universität Wien und auch Mitglied
Foto: BKA / Andy Wenzel
Am 5. Oktober empfing Bundeskanzler Karl Nehammer (l.) gemeinsam mit Vizekanzler Werner
Kogler (r.) und Bundesminister Martin Polaschek (m.r.) den Nobelpreisträger Anton Zeilinger
der Ös terreichischen Akademie der Wissenschaften,
war sehr prominent.
„Ich habe erst viel später gesehen, daß
das etwas Ungewöhnliches war, daß das
weltweit gar nicht so oft der Fall war, daß
man nur seiner Neugier nachgehen kann.
Was ich Helmut auch verdanke, ist, daß ich
von ihm gelernt habe: man soll seiner Intuition
vertrauen, auch wenn diese manchmal
verrückt spielt, und wenn man eine Idee hat,
was man machen könnte, die Begründung,
die man macht, ist einfach falsch, schlicht
und einfach falsch. Aber die Idee kann richtig
sein. Das ist hochinteressant. Man muß
seiner Intuition und seinen Spin nereien ein
bißchen vertrauen.“
Anton Zeilinger dankte dann allen seinen
MitarbeiterInnen, die er über die vielen Jahre
hatte. Er nimmt an, es seien schon an die 150
bis 200 DoktorandInnen und DiplomandInnen,
die jetzt in der ganzen Welt verstreut
sind, mit denen er phantastische Arbeiten
machen konn te. „Eigentlich sind es die
gewesen, die im Labor gestanden sind. Und
ich habe dann immer meine Kommentare
dazu gegeben, die manchmal vielleicht nicht
ganz willkommen waren. Aber das ist einfach
so, das gehört dazu. Heute habe ich
noch eine Gruppe von sieben Leuten, die mit
mir zusammenarbeiten, wo wir versuchen,
neue Dinge an zu stoßen“, so Anton Zeilinger,
der noch je man den erwähnte: Er sei am
Massachusetts Institute of Technology
gewesen und sein Su pervisor und Kollege
war Clifford G. Shull, der 1994 den Nobelpreis
bekommen hatte. Von dem habe er viel
gelernt. Es sei „sehr mühsam, daß, wenn
man etwas tut und glaubt, man ist schon zu -
frieden mit dem Resultat – daß es sich dann
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trotzdem auszahlt, noch genauer zu arbeiten.“
Und er dankte „allen Leuten, die mich auf
die diversen Stellen berufen haben, insbesondere
der Universität Innsbruck“, die ihn
1990 als Professor für Experimentalphysik
berief. Das sei auch sehr ungewöhnlich ge -
we sen, „weil ich sozusagen Sa chen gemacht
habe, die nicht Mainstream wa ren. Und ich
möchte mich bei der Universität Wien be dan -
ken, die mich dann hierher geholt und mir
die Möglichkeit gegeben hat, weiterzuar bei -
ten und auf diesen Dingen aufbauend als
Professor an der Universität zu arbeiten,
dann auch auch als einer der Gründungsdirektoren
des Instituts für Quanten In for ma -
tion wieder neu e Richtungen zu er schließen
– die auf dem aufbauen, was ich am Be ginn
gemacht ha be.“
Anton Zeilinger über seine
Nobelpreis-Kollegen
„Nun möchte ich noch kurz etwas sagen
über uns drei, die wir den Preis bekommen
haben. Ich kenne alle drei schon sehr, sehr
lan ge. Wir haben wunderbare Zeiten miteinander
verbracht. John Claser ist einer der be -
sten Amateur-Segler in den Vereinigten
Staa ten. Mit dem konnte ich einmal bei
einem Rennen mitfahren. Das war unglaublich,
phantastisch, so etwas zu sehen. Und
Alain Aspect hat, wie man es von einem
Franzosen erwartet, einen wunderbaren
Weinkeller. Wenn man einmal da mal drin
war, ändert sich auch das Bild vom Wein,
das man zuvor hatte. Und John Glaser war
der Erste, der ein Experiment gemacht hat,
um die berühmten Bellschen Ungleichungen
zu testen, die Idee von Einstein, Podolski
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und Rosen im Jahr 1935. Alain Aspect hat
dann mit seinen Leuten, insbesondere Phi -
lippe Grangier, wunderschöne Arbeiten ge -
macht, was die Sache noch viel dingfester
machte, als das vorher der Fall war. Insbesondere
hat er in den Experimenten zum er -
sten Mal ausgeschlossen, daß diese Korrelationen
durch Übertragung erklärt werden
können, die ja immer auf die Lichtgeschwindigkeit
beschränkt sind. Wie gesagt, ich ken -
ne die zwei seit langer, langer Zeit. Wir ha -
ben schon einmal einen einen Top-Preis miteinander
gewonnen, das war im Jahr 2010
der Wolff Preis. Es ist einer der fünf oder
sechs Top Preise weltweit, der in Israel vergeben
wird. Und es ist schön, wenn wir uns
jetzt wieder in Stockholm wiedersehen zu
einem weiteren Preis“, so Anton Zeilinger.
Forschungen von Anton Zeilinger
Was ist Quantenverschränkung?
Die Verschränkung ist eine der seltsamen
Eigenschaften von Quantensystemen, die
sich mit klassischen Theorien nicht beschreiben
lassen. Albert Einstein hat das Phänomen
einst als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnet,
weil zwei Teilchen in einem quantenmechanischen
Verschränkungszustand einander
auch über astronomische Distanzen hinweg
verbunden bleiben: Wenn eine Messung an
einem der Teilchen durchgeführt wird, wird
im selben Moment auch der Zustand des an -
deren Teilchens festgelegt. Das scheint auf
den ersten Blick einen der Grundsätze der
klassischen Physik – nämlich daß nichts
schneller als Licht reisen kann – zu verletzen.
Foto: Uni Wien / Jaqueline Godany
Er sei „sehr überrascht“ von dem Anruf gewesen, sagte der neue Physiknobelpreisträger
Anton Zeilinger in einer ersten Reaktion im Rahmen der Pressekonferenz in Stockholm.
Zwei Würfel, ein System
Um eine Vorstellung davon zu bekommen,
was Verschränkung ist, können wir uns
zwei Würfel vorstellen. Nach den Regeln der
klassischen Physik macht es keinen Unterschied,
ob wir jeden Würfel in einem eigenen
Becher würfeln oder beide in einem ge -
meinsamen Becher würfeln. Die Zustände
sind in jedem Moment genau definiert und
die beiden Würfel liefern unabhängig voneinander
mit der Wahrscheinlichkeit von je
einem Sechstel eine Zahl von eins bis sechs.
Ein Quantenwürfel ist etwas komplizierter:
Wenn wir einen solchen Würfel in einem
Becher schütteln, ist sein Zustand nicht ge -
nau definiert, bis wir nachsehen. Davor be -
findet er sich in einem Überlagerungszustand
aus allen möglichen Ergebnissen. Wenn wir
zwei Becher mit je einem Würfel haben,
beeinflussen sich die Ergebnisse auch in der
Quantenwelt nicht. Wenn wir aber beide
Würfel in einem Becher schütteln, kommt es
zu einer Verschränkung. Wenn wir die Würfel
danach, ohne ihre Augenzahl abzulesen,
trennen und behutsam voneinander entfernen,
bleiben sie verschränkt.
Die Würfel bilden durch die Verschränkung
ein gemeinsames Quantensystem, egal
wie weit wir sie voneinander entfernen, be -
vor wir die Augenzahl ablesen. Beide Würfel
befinden sich dann in einem gemeinsamen
Überlagerungszustand, den wir uns als eine
bestimmte Gesamtaugenzahl der Würfel
vorstellen können, zum Beispiel sieben.
Wenn ich die Augenzahl von Würfel A in
Wien überprüfe und einen Dreier vorfinde,
wird auch der Zustand von Würfel B in Beijing
ohne Zeitverzögerung definiert: Es ist
ein Vierer. Da mit nimmt jeder einzelne Würfel
wieder einen unabhängig definierten
Zustand ein und die Verschränkung endet.
Foto: Uni Wien / derknopfdruecker.com
„Man muß seiner Intuition und seinen Spinnereien ein bißchen vertrauen“, sagte Anton Zeilinger
bei der Pressekonferenz anläßlich des Nobelpreises. Dieses Foto entstand bei einer Physikvorlesung
für die breite Öffentlichkeit 2013
Sichere Kommunikation
und Quantencomputer
Zur überlichtschnellen Übertragung von
Information kann ein Quantenwürfelpaar
nicht verwendet werden, auch wenn die Zu -
stände sich ohne Zeitverzögerung festlegen.
Wenn der Würfel in Wien einen Dreier und
je ner in Beijing einen Vierer zeigt, brauchen
die WürflerInnen immer noch einen klassischen,
auf Lichtgeschwindigkeit begrenzten
Kommunikationskanal, um festzustellen, daß
die verschränkte Gesamtaugenzahl eine
Sieb ener ist, es hätte nämlich auch ein anderer
Wert sein können. Man kann sich also
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nicht aussuchen, welchen Wert man in Wien
ha ben wird, um damit eine Zahl an Beijing
zu kommunizieren.
Technisch nutzen läßt sich das Phänomen
aber dennoch. Verschränkte Photonenpaare
kön nen eingesetzt werden, um zwei identische
Zufallszahlen für die zwei Empfänger zu
erzeugen. Damit lassen sich zum Beispiel
unknackbare Schlüssel für kryptografische
Anwendungen erzeugen. Weil jede Messung
an einem der Photonen die Verschränkung
zerstört, können die Empfänger immer feststellen,
wenn eine dritte Partei versucht, den
Schlüssel bei der Übertragung auszulesen.
Quantencomputer setzen ebenfalls auf
Verschränkung: Ein System aus verschränkten
Qbits kann diese Überlagerung unterschiedlicher
Bit-Kombinationen zur Lösung
eines schwierigen Problems verwenden.
Quantenalgorithmen sollen dadurch in Zu -
kunft auch Probleme, die klassische Computer
überfordern – etwa die Primfaktorenzerlegung
großer Zahlen – lösen können.
Quellen: Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften,
Österreichische Akademie der Wissenschaften,
Universität Wien, Wikipedia
Gratulationen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen
„Herzlichen Glückwunsch an Anton Zeilinger!
Immer wieder wurde sein Name in
Zusammenhang mit dem Nobelpreis ge -
nannt. Nun, mit dem heutigen Tag ist es so
weit“, schrieb Bundespräsident Alexander
Van der Bellen auf Twitter. „Diese Auszeichnung
gilt einem Pionier der Quantenphysik,
einem großen Wissenschaftskommunikator,
einem Forscher, wie er im Buche steht. Ich
gratuliere Prof. Zeilinger von Herzen und
danke ihm für sein Engagement als Wissenschaftsmanager.“
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka
„Ich habe allergrößten Respekt vor seiner
wissenschaftlichen Expertise, die mit der
Verleihung dieser renommierten Auszeichnung
einmal mehr international gewürdigt
wird. Das ist nicht nur eine große Ehre für ihn
selbst, sondern auch für unser Land“, sagte
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka.
Minister Martin Polaschek
„Das ist eine unglaubliche Leistung! Als
Wissenschaftsminister bin ich stolz, daß ein
Österreicher diese große Auszeichnung verliehen
bekommt. Anton Zeilinger ist eine
Ko ryphäe auf seinem Gebiet und ein Aushängeschild
für den österreichischen Wissen -
schafts- und Forschungsstandort“, gratulierte
Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsminister
Martin Polaschek.
OÖ Landeshauptmann Thomas Stelzer
„Ganz Oberösterreich ist stolz auf Anton
Zeilinger. Er ist ein brillanter Naturwissenschaftler,
Vordenker und Visionär. Nicht nur
durch seine bahnbrechenden Experimente,
son dern auch durch seine philosophischen
Ansätze und seine Förderung junger Menschen“,
gratuliert Landeshauptmann Thomas
Stelzer im Namen des Landes Oberösterreich
zu dieser bedeutenden Auszeichnung.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig
„Es freut mich außerordentlich, daß An -
ton Zeilinger gemeinsam mit Alain Aspect
und John F. Clauser mit dem diesjährigen
Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wird und
gratuliere ihm herzlich“, so Wiens Bürgermei -
ster Michael Ludwig. „Anton Zeilinger prägt
seit Jahrzehnten den Wissenschaftsstandort
Wien maßgeblich mit und trägt zu dessen
international anerkannter Exzellenz bei.
Anton Zeilingers Forschungskarriere zeigt
exemplarisch, wie es gelingen kann, die Gren -
zen des Wissens herauszufordern und so zu
bahnbrechenden Erkenntnissen für die Grund -
lagenforschung zu gelangen. Als Bürgermeister
der Stadt Wien bin ich stolz, daß ein Wis -
senschaftler, der maßgebliche Teile seiner
For schung und Lehre in dieser Stadt ge leistet
hat, derartig geehrt wird. Die Reputation von
Wien als Stadt der Forschung und Lehre
wird damit ein weiteres Mal unterstrichen.“
ÖAW-Präsident Heinz Faßmann
„Der Gewinn des Nobelpreises ist eine
Sensation und hochverdient. Zeilinger hat
bahnbrechende Ergebnisse in seinem Forschungsbereich
erzielt. Das Forschungsland
Österreich hat wieder an die internationale
Spitze aufgeschlossen. Dieser Weg darf jetzt
nicht verlassen werden. Die ganze Akademie
freut sich heute mit Anton Zeilinger. So wie
Anton Zeilinger gratuliere ich auch unserem
Mitglied im Ausland, Alain Aspect, sehr
herzlich“, so der Präsident der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften, Heinz
Faßmann – er ist direkter Nachfolger von
Anton Zeilinger in dieser Funktion.
https://de.wikipedia.org/wiki/Anton_Zeilinger
https://www.oeaw.ac.at
https://www.nobelprize.org/
Österreichs NobelpreisträgerInnen
Bertha von Suttner
Friedensnobelpreis, 1905
Alfred Hermann Fried
Friedensnobelpreis, 1911
Robert Bárány
Physiologie oder Medizin, 1914
Fritz Pregl
Chemie, 1923
Richard Zsigmondy
Physiologie oder Medizin, 1925
Julius Wagner-Jauregg
Physiologie oder Medizin, 1927
Karl Landsteiner
Physiologie oder Medizin, 1930
Erwin Schrödinger
Physik, 1933
Victor Franz Hess
Physik, 1936
Otto Loewi,
Physiologie oder Medizin, 1936
Richard Johann Kuhn
Chemie, 1938
Wolfgang Pauli
Physik, 1945
Gerty Cori
Physiologie oder Medizin, 1947
Carl Ferdinand Cori
Physiologie oder Medizin, 1947
Max Ferdinand Perutz
Chemie, 1962
Konrad Lorenz
Physiologie oder Medizin, 1973
Karl von Frisch
Physiologie oder Medizin, 1973
Friedrich August von Hayek
Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften,
1974
Walter Kohn
Chemie, 1998
Eric Kandel
Physiologie oder Medizin, 2000
Elfriede Jelinek
Literatur, 2004
Martin Karplus
Chemie, 2013
Peter Handke
Literatur, 2019
Anton Zeilinger
Physik, 2022
Informationen über die hier genannten und weitere NobelpreisträgerInnen mit Österreichbezug finden Sie hier
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_%C3%B6sterreichischen_Nobelpreistr%C3%A4ger
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wenn jemand das inflationär gebrauchte
Attribut „Grande Dame“ zu Recht
trug, dann sie“, hieß es im ORF-Portrait über
Christiane Hörbiger anläßlich ihres 80. Ge -
burtstags. Sie war eine der Größten ihres Fa -
ches. Gleichwohl hat sie – zumal in den vergangenen
rund 15 Jahren – radikal jede Eitel -
keit abgelegt, spielte buchstäblich ungeschminkt
vom Schicksal unbarmherzig ge -
schlagene Frauenfiguren. Die Bürde, die es
wohl auch bedeutet, aus dem berühmtesten
Theaterclan des deutschen Sprachraums zu
kommen, hat sie abgeschüttelt. Seit ihrem
17. Lebensjahr stand sie auf der Bühne, von
der sie sich aber ganz zurückgezogen hatte.
Ab den 1980er-Jahren startete sie eine beispiellose
Film- und Fernsehkarriere und wirkte
in über 130 Film- und Fernsehpro duktionen
mit. Die Kammerschauspielerin war Trä gerin
des Großen goldenen Ehrenzeichens für Verdienste
um das Bundesland Niederösterreich
und mehrfache Romy-Preisträgerin als be -
liebteste Schauspielerin.
„Mit Christiane Hörbiger verlieren wir
eine Grand Dame der österreichischen Filmund
Theaterszene, die ich auch persönlich
sehr geschätzt habe“, sagte Niederöstereichs
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zum
Ableben von Christiane Hörbiger. „In ihrer
großen Rolle als Richterin Julia Laubach
(von 1998 bis 2002, Anm.) zeigte sie das Bild
einer starken und unabhängigen Frau, gleich -
zeitig brachte sie die Weinstadt Retz zu un -
glaublicher Bekanntheit und war damit auch
eine großartige Botschafterin Niederösterreichs
weit über die Grenzen unseres Landes
hinaus. Auch nach den Dreharbeiten zur
Fernsehserie ,Julia‘ blieb sie der Stadt Retz
und unserem Bun desland treu, noch heute
kann man auf ihren Spuren durch Retz wandeln.
Unser großes Mitgefühl gilt in diesen
Stunden ihrer Familie und ihren Freunden“,
so die Landeshaupt frau.
„Christiane Hörbiger war ein Solitär der
deutschsprachigen Theater- und Filmbranche.
Sie war eine solch beständige, eindrucks -
volle Erscheinung und in so hohem Maße
präsent, daß die Nachricht über ihren Tod
fast unwirklich erscheint. Der deutschsprachi -
ge Fernsehfilm ohne Christiane Hörbiger ist
eigentlich unvorstellbar. Mit ihr verlieren
wir alle ein Stück österreichischer Identität“,
Personalia
Christiane Hörbiger †
Die Schauspielerin ist am 30. November im
84 Lebensjahr friedlich in Wien entschlafen.
Foto: ORF / Thomas Ramstorfer
Christiane Hörbiger in der ORF-Sendung „Aus nächster Nähe" am 13. Oktober 2017
sagte Kunst- und Kulturstaatssekretärin An -
drea Mayer zu ihrem Tod. „Mit ihrer hohen
Schauspielkunst und ihrem unvergleichlichen
Charme hat sie auch international große
Erfolge gefeiert und unsere Kunst- und Kulturnation
weit über die heimischen Landesgrenzen
hinweg zum Strahlen gebracht. Sie
wird sehr fehlen. Meine Anteilnahme gilt ihrer
Familie, ihren Freunden und ihren zahlreichen
Weggefährtinnen und -gefährten.“
„Mit Christiane Hörbiger ist eine der
beliebtesten Schauspielerinnen Österreichs
von uns gegangen“, so Wiens Kulturstadträtin
Veronica Kaup-Hasler. „In sieben Schaffensjahrzehnten
hat sich Christiane Hörbiger
in die Herzen eines Millionenpublikums ge -
spielt und bleibt als Grande Dame des österreichischen
Films in Erinnerung. Am Burgtheater,
als ‚Buhlschaft‘ bei den Salzbur ger
Festspielen oder im Ensemble des Schauspiel -
hauses Zürich reüssierte sie auch auf den
Brettern, die die Welt bedeuten, mit einem
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130
beeindruckend vielseitigen Rollenrepertoire.
Aus einer legendären Theaterfamilie stammend,
hatte es Hörbiger dabei nicht immer
leicht, standen Vergleiche mit ihren Eltern,
Paula Wessely und Attila Hörbiger, sowie
den Schwestern Maresa Hörbiger und Elisabeth
Orth doch auf der Tagesordnung. Doch
Christiane Hörbiger hat ihren eigenen Weg
verfolgt und mit Fernsehserien wie ‚Das
Erbe der Guldenburgs‘ oder ‚Julia‘, aber auch
mit Kino- und Fernsehfilmen wie beispielsweise
Helmut Dietls preisgekrönter Satire
‚Schtonk‘ große Erfolge gefeiert.“ Neben
ihrer umfangreichen Filmografie zeuge eine
eindrucksvolle Reihe an Auszeichnungen
von ihren Erfolgen. Auch ihr soziales Engagement
als UNICEF-Botschafterin oder für
die Krebshilfe würden in Erinnerung bleiben,
so die Stadträtin. „Meine Anteilnahme
gilt der Familie und den Freunden Christiane
Hörbigers.“
n
https://de.wikipedia.org/wiki/Christiane_H%C3%B6rbiger
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Karl Merkatz hat in seinem vielfältigen
Schaffen Film- und Fernsehgeschichte
geschrieben und war auch ein großartiger
Theaterschauspieler. Er war aber nicht nur ein
ganz Großer der Schauspielkunst, sondern
vor allem auch ein unglaublich facettenreicher
und liebenswürdiger Mensch“, sagte
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna
Mikl-Leitner zum Ableben von Karl Merkatz.
Karl Merkatz wurde am 17. November
1930 als Sohn eines Werkzeugmachers und
einer Weberin in Wiener Neustadt geboren.
Seine Paraderollen waren „Edmund Sack -
bauer“ in „Ein echter Wiener geht nicht un -
ter“ sowie „Karl Bockerer“ in „Der Bockerer“,
aber auch als Theaterschauspieler feierte
er große Erfolge an den Theatern im ge -
samten deutschsprachigen Raum. 2002 wur -
de ihm das „Große Goldene Ehrenzeichen
für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich“
verliehen, seit 2017 war er Eh -
renbürger seiner Geburtsstadt Wiener Neustadt.
Einer seiner letzten Filme war „Der
Blunznkönig“, in dem er einen Fleischhauer
und Wirt im Weinviertel spielte und der 2014
in Niederösterreich gedreht wurde.
„Trotz seiner vielen Erfolge ist er immer
auch dem Bundesland Niederösterreich eng
verbunden geblieben, so war er mitunter auch
Weinpate. Das Land Niederösterreich wird
ihn als erfolgreichen Volksschauspieler, großen
Künstler, aber auch als beeindruckende
Persönlichkeit und geselligen Menschen in
Erinnerung behalten“, so die Landeshauptfrau:
„Unser Mitgefühl gehört nun in diesen
Stunden seinen Angehörigen.“
„Mit Karl Merkatz verliert Österreich
einen Charakterdarsteller von einzigartigem
Format. Er war auf allen wichtigen Bühnen
des Landes zu Hause und präsent auf den
Bildschirmen der heimischen Wohnzimmer.
Sein Mundl wurde zum generationsübergreifenden
rot-weiß-roten Populärkult, als Bokkerer
spielte er sich ins Gewissen der österreichischen
Nation“, so Kunst- und Kulturstaatssekretärin
Andrea Mayer zum Tod von
Karl Merkatz. „Wir verlieren mit ihm einen
wahren König der Schauspielkunst. Meine
Anteilnahme gilt insbesondere seiner Familie,
seinen Freunden und seinen zahlreichen
Weggefährtinnen und -gefährten.“
Personalia
Karl Merkatz †
Der österreichische Volksschauspieler starb am 17. November im 93. Lebensjahr.
Große Bekanntheit erlangte er durch seine Rollen als »Der Bockerer« und »Mundl«.
© CC BY-SA 3.0 / Foto: Manfred Werner
Karl Merkatz beim Austrian Film Award der Akademie des Österreichischen Films 2013
„Karl Merkatz‘ Tod ist ein unersetzlicher
Verlust für das heimische Kulturleben“,
zeigte sich Wiens Bürgermeister Michael
Lud wig „bestürzt über das Ableben des grossen
Volksschauspielers“. Und Ludwig weiter:
„Karl Merkatz revolutionierte mit der kontroversiellen
Figur des Elektrikers Ed mund
Sackbauer das heimische Fernsehen. Kein
anderer Serien-Charakter polarisierte da mals
das Publikum so stark wie ,der Mundl‘. Er
war so etwas wie ein früher ,Wutbürger‘.
Doch bei aller Grantigkeit hatte dieser be -
reits sprichwörtlich gewordenen ,echte Wiener,
der nicht untergeht‘, letztendlich das
Herz immer am rechten Fleck.“
Und der Stadtchef weiter: „Doch neben
dem aufbrausenden Anti-Helden aus Ernst
Hinterbergers legendärer ORF-Serie schuf
Karl Merkatz noch eine andere typisch wienerische
Figur, die uns allen ans Herz ge -
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
131
wachsen ist: den ,Bockerer‘. In den gleichnamigen
Verfilmungen von Franz Antel nach
der genialen Stückvorlage von Ulrich Be -
cher und Peter Preses gab Merkatz jenen
Wienerinnen und Wienern Gestalt, die sich
weigerten, sich von der antisemitischen Hetze
der Nationalsozialisten nach dem sogenannten
,Anschluß‘ duckmäuserisch vereinnahmen
zu lassen. Karl Merkatz‘ Bockerer wurde
dadurch zum Inbegriff von bodenständigem
Eigensinn und eigenwilliger Zivilcourage.“
„Die Stadt Wien“, so Ludwig, „würdigte
Karl Merkatz, diesen vielseitigen Ausnahme-Schauspieler
und Menschendarsteller,
mit der Ehrenmedaille in Gold für seine Verdienste
um das Wiener Theater und als un -
vergleichlichen Darsteller typisch wienerischer
Charaktere.“
n
https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Merkatz
https://www.youtube.com/results?search_query=der+bockerer
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Personalia
US-Preis für Quantenphysiker
Hannes Pichler
132
Die Mit 100.000 US-Dollar dotierte Auszeichnung wird an
Nachwuchswissenschaft lerInnen verliehen, die bereits
erheblichen Einfluß auf ihr Fachgebiet ausgeübt haben.
Der Breakthrough Prize wird seit 2012
vergeben und ist der höchstdotierte
Wissenschaftspreis der Welt. Neben den
Hauptpreisen vergibt die von Internetpionieren
um Mark Zuckerberg geschaffene Stiftung
auch eine Reihe von Nachwuchspreisen.
Am 22. September hat die Breakthrough
Prize Foundation bekanntgegeben, daß der
Theoretische Physiker Hannes Pichler vom
Institut für Theoretische Physik der Universität
Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik
und Quanteninformation der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften
mit dem „New Horizons Prize in Physics“
ausgezeichnet wird. Zusammen mit Hannes
Bernien (University of Chicago), Manuel
Endres (California Institute of Technology),
Adam Kaufman (University of Colorado),
Kang-Kuen Ni (Harvard University) und
Jeff Thompson (Princeton University) erhält
Hannes Pichler den Preis „für die Entwick -
lung von optischen Fallen für neutrale Ato -
me und deren Anwendung in Quanteninformationsverarbeitung,
Metrologie und Molekülphysik“.
Pichler forscht auf den Gebieten Quantenoptik,
Quanteninformationsverarbeitung
und Quantenvielteilchenphysik. Seit mehreren
Jahren beschäftigt er sich insbesondere
mit der Physik von einzeln gefangenen neutralen
Atomen. In diesen Systemen kann eine
große Anzahl von Atomen mit optischen Pin -
zetten gezielt in beliebigen Strukturen angeordnet
werden. Mithilfe von Laserlicht können
diese Atome in hochangeregte Zustände,
sogenannte Rydbergzustände, versetzt werden
und dadurch miteinander verschränkt
werden. Die Arbeit von Hannes Pichler und
seinen Kollegen hat gezeigt, wie man damit
verschiedenste Quantenalgorithmen ausführen
kann, und neue Möglichkeiten zur Realisierung
von Quantencomputern eröffnet.
Dar über hinaus hat sich der von Pichler verfolgte
Ansatz auch auf dem Gebiet der Quan -
tensimulation bewährt und dort beispielsweise
zur Entdeckung von neuen Quan -
tenphänomenen geführt.
Foto: M.R.Knabl
Foto: Universität Innsbruck
Quantenphysiker Hannes Pichler wurde
mit dem New Horizons Prize in Physics
ausgezeichnet.
Zur Person
Hannes Pichler, geboren 1986 in Brixen
(Südtirol), hat an der Universität Innsbruck
Physik studiert und in der Arbeitsgruppe von
Peter Zoller promoviert. Von 2016 bis 2019
war er an der Harvard University als ITAMP
Postdoctoral Fellow und von 2019 bis 2020
am California Institute of Technology als
Gordon und Betty Moore Postdoctoral Fellow
tätig. Pichler ist seit Juni 2020 Professor
für Theoretische Physik mit dem Schwerpunkt
Quantenoptik an der Universität Innsbruck
und Arbeitsgruppenleiter am Institut
für Quantenoptik und Quanteninformation
(IQOQI) in Innsbruck.
Hochdotierte Auszeichnung
Der Breakthrough Prize wird in diesem
Jahr zum elften Mal verliehen. Die Auszeichnung
wird in den Bereichen Biowissenschaften,
Physik und Mathematik verliehen
und ist mit jeweils 3 Millionen US-Dollar do -
tiert. Zusätzlich werden jedes Jahr jeweils bis
zu drei Preise an Nachwuchswissenschaft -
lerInnen in Physik und Mathematik sowie
bis zu drei weitere Auszeichnungen an junge
Mathematikerinnen verliehen. Diese sind mit
jeweils 100.000 US-Dollar dotiert. Der Break -
through Prize wurden von Sergey Brin, Priscilla
Chan und Mark Zuckerberg, Yuri und
Julia Milner sowie Anne Wojcicki ins Leben
gerufen.
n
https://iqoqi.at/
https://breakthroughprize.org/
https://www.youtube.com/watch?v=Uv4PM7UGZpg
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Religion und Kirche
Beziehungen zu den
Orient-Christen vertiefen
133
Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof
Franz Lackner, war in Istanbul bei Syrisch-orthodoxer und Armenisch-apostolischer
Kirche zu Gast – Visite auch im ersten Kirchenneubau in Istanbul seit 100 Jahren
Foto: Erzdiözese Salzburg / Georg Pulling
Mutter emerita Perpetua Hilgenberg, Erzbischof Franz Lackner, der Ökumenische Patriarch
Bartholomaios I., Prof. Grigorios Larentzakis, Alterzbischof Alois Kothgasser, Alfons Kloss
(„Pro Oriente“) und Metropolit Arsenios Kardamakis
Zu vertieften Beziehungen mit den Christen
der orientalischen und orthodoxen
Kirchentraditionen hat der Vorsitzende der
Ös terreichischen Bischofskonferenz, der
Salz burger Erzbischof Franz Lackner, aufgerufen.
Lackner hat Anfang Oktober gemeinsam
mit dem orthodoxen Metropoliten von
Ös terreich, Arsenios (Kardamakis), und einer
hochrangigen Delegation der Stiftung „Pro
Oriente“ Istanbul besucht. Er sei beeindruckt,
so der Erzbischof, wie intensiv die Christen
vor Ort unter den eingeschränkten Bedingun -
gen ihren Glauben leben würden. Die Wurzeln
des Christentums würden in der Region
des Nahen Ostens liegen. Deshalb brauche
es den intensiven Kontakt mit den Kirchen
dieser Region. „Die Beziehungen dürfen
nicht abreißen“, so der Appell Lackners.
Die Delegation aus Österreich besuchte
am 3. Oktober unter anderem die neue
syrisch-orthodoxe Kirche im Stadtteil Bakirkoy,
wo sie von Metropolit Mor Filuksinos
Yusuf Cetin empfangen wurde. Der Kirchenneubau
ist der erste in Istanbul seit 100 Jahren.
Die Kirche soll Platz für rund 700 Personen
bieten. Neben dem eigentlichen Kirchenraum
gibt es zwei Obergeschoße mit
Ver sammlungsräumen und eine Tiefgarage
mit Parkplätzen. Der Rohbau ist weitgehend
fertig, der Innenausbau steht freilich noch
an. Man hoffe, bis zum Jahresende mit den
Ar beiten fertig zu werden, so Metropolit
Cetin.
Die Angaben über die Zahl der syrischorthodoxen
Christen in Istanbul schwanken
zwischen 12.000 und 17.000. Die Syrisch-or -
thodoxe Kirche besitzt in Istanbul im Stadtteil
Tarlabasi in Beyoglu eine im 19. Jahrhundert
gebaute Kirche mit angeschlossenem
Gemeindezentrum, wo auch Bischof
Cetin residiert. Die Kirche ist aber längst zu
klein. Deshalb bemühte man sich schon des
längeren um eine zweite Kirche. Derweilen
genossen und genießen die syrisch-orthodoxen
Gläubigen Gastfreundschaft in einigen
katholischen Kirchen. Metropolit Cetin dank -
te stellvertretend dafür Erzbischof Lackner;
ebenso Metropolit Arsenios, denn die Griechisch-orthodoxe
Kirche in Istanbul stellt
den Syrisch-orthodoxen einen Teil eines or -
thodoxen Friedhofs zur Verfügung.
Das Grundstück, auf dem nun die neue
syrische Kirche gebaut wird, war der Katholischen
Kirche im Jahr 1868 von einem Ge -
meindemitglied vermacht und als Friedhof
genutzt worden. Auf dem Gelände befindet
sich auch noch eine kleine katholische Friedhofskapelle.
Im Jahr 1950 wurde das Areal vom Staat
eingezogen und in städtischen Be sitz überführt,
der Friedhof wurde geschlossen. 2009
ordnete der damalige Premierminister Recep
Tayyip Erdogan die Istanbuler Stadtverwaltung
an, nach einem Grundstück für den Kirchenbau
zu suchen. Den Plan für den Neubau
hatte offiziell bereits 2015 der damalige
Ministerpräsident Ahmet Davatoğlu verkündet.
Dann hatte aber nochmals die türkische
Bürokratie den Baubeginn für mehrere Jahre
verzögert. Die feierliche Grundstein legung
erfolgte schließlich 2019.
Metropolit Cetin kündigte gegenüber der
Österreich-Delegation an, daß man sich nach
der Fertigstellung der Kirche auch um die
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Renovierung des Friedhofs und der katholischen
Kapelle annehmen werde. „Die neue
Kirche ist eine Kirche nicht nur für die
Syrisch-orthodoxen, sondern für alle Christen“,
so der Metropolit wörtlich. Und er
fügte hinzu: „Wir sind eine Familie. Jesus
Christus verbindet uns.“
Im armenischen Patriarchat
Am 3. Oktober war die Delegation auch
beim armenischen Patriarchen von Istanbul,
Sahak II. (Mashalian), zu Gast. Laut dem
armenischen Patriarchen leben in der Türkei
maximal noch 85.000 Christen. Angesichts
von 85 Millionen Türken könne man bei 0,1
Prozent der Bevölkerung eigentlich nicht ein -
mal mehr von einer Minderheit sprechen, so
der Patriarch. Er bezeichnete die Situation
auch als „demografische Katastrophe“.
Dennoch versuche die armenische Kirche,
die noch bis zu 60.000 Mitglieder zählt,
das kirchliche und gesellschaftliche Leben
aufrechtzuerhalten. Noch gibt es 17 armenische
Schulen mit insgesamt rund 3.000
SchülerInnen, drei armenischsprachige Ta -
geszeitungen und einer Reihe von armeni-
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Religion und Kirche
134
schen Kulturorganisationen. Die Schulen dür -
fen laut Gesetz nur von armenischen Kindern
besucht werden.
Die überwiegende Mehrheit der armenischen
Christen, die freilich alle türkische
Staatsbürger sind, lebt in Istanbul. Die überwiegende
Mehrheit der armenischen Christen,
die türkische Staatsbürger sind, lebt in
Istanbul. Während der jüngsten Kämpfe zwischen
Aserbaidschan und Armenien mußte
die Polizei die bestehenden Schutzmaßnahmen
für das armenische Patriarchat bzw. die
angrenzende Kathedrale verstärken.
Der Patriarch betonte im Gespräch auch,
daß es für die Christen zwar viele Probleme
im Land gebe, die Situation sich seit dem
Regierungsantritt der AKP aber deutlich verbessert
habe.
Besuch beim
Ökumenischen Patriarchen
Am 2. Oktober war die Österreich-Delegation
vom Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios
empfangen worden. Lackner wie
auch Bartholomaios bekannten sich bei dem
Austausch zu verstärkten Bemühungen in der
Ökumene wie auch zum Einsatz für Frieden
in der Welt. Bei dem Empfang im Phanar,
dem Amtssitz des Patriarchen, wurde auch
gemeinsam für den Frieden und die Einheit
der Kirchen gebetet. Vor dem Empfang nahm
die Delegation an der sonntäglichen Göttlichen
Liturgie in der Georgskathedrale im
Phanar teil.
Metropolit Arsenios, der gemeinsam mit
„Pro Oriente“ die Reise vorbereitet hatte, zog
eine positive Bilanz der zahlreichen Begegnungen.
Solche Besuche vor Ort würden zum
einen die Präsenz der kleinen christlichen
Minderheit stärken, zum anderen seien sie
ein wichtiger Schritt für vertiefte ökumenische
Beziehungen.
Erzbischof Lackner dankte „Pro Oriente“
für das international anerkannte Engagement,
das auch von den Gastgebern in Istanbul
deutlich gewürdigt worden war. Er nahm
die Stiftung für eine Weiterführung ihres ge -
samtkirchlich wichtigen Dienstes aber auch
in die Pflicht. „Pro Oriente“-Präsident Kloss
hob hervor, daß die Reise wieder einmal
deutlich gemacht habe, wie wichtig alle ökumenischen
Bemühungen seien. Die ChristInnen
müßten sich gemeinsam den vielfältigen
Herausforderungen der Gegenwart stellen,
so der Appell des Präsidenten. „Pro Oriente“
wer de sich dafür im Rahmen der Möglichkei -
ten der Stiftung nach Kräften einsetzen. n
https://eds.at/
https://www.pro-oriente.at/
Alle Fotos: Erzdiözese Salzburg / Michael Vereno
Erzbischof Lackner mit dem Metropoliten Mor Filuksinos Yusuf Cetin und mit …
… Erzbischof Boghos Levon Zekian (armenisch-katholischer Erzbischof von Istanbul) und
Alterzbischof Alois Kothgasser …
… und bei der Heiligen Messe in der Kirche der österreichischen St.-Georgs-Gemeinde Istanbul
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Religion und Kirche
75 Jahre Evangelische
Superintendenz Steiermark
Ein Festakt am Reformationstag bildete
den Abschluß der Jubiläumsfeierlichkeiten
zum 75jährigen Bestehen der Evangelischen
Superintendenz Steiermark. Zahlreiche
aktive wie auch ehemalige VertreterInnen
von Kirchen und Religionsgemeinschaften,
aus der Politik und dem öffentlichen Le -
ben waren am 31. Oktober der Einladung in
die Grazer Heilandskirche gefolgt.
Axmann: Vielfalt als Bereicherung
„Tatsächlich findet sich einiges, was die
Steiermark ausmacht und zugleich typisch
protestantisch ist“, sagte Superintendentialkurator
Michael Axmann in seiner Begrüssung.
So sei die Steiermark etwa eine „Hoch -
burg der Innovation“ und ein wissenschaftsfreundliches
Land, die Evangelische Kirche
verstehe sich als Kirche, „die Glauben und
Aufklärung zusammen denkt“. Im Hinblick
auf die Evangelische Kirche als eine Kirche
des Wortes verwies Axmann auf bedeutende
steirische Literaten und daß dem Buch hier
eine besondere Bedeutung zukomme. Oft
wer de auch vom steirischen Klima gesprochen,
„daß man das Gemeinsame über das
Trennende stellt“. Miteinander zu ringen sei
christlich, und „das Ganze in demokratischer
Form zu tun, ist Evangelischen besonders
wichtig“. Nicht zuletzt sei es auch die Vielfalt,
die sowohl Superintendenz wie auch das
Bundesland auszeichne. Aufgrund verschiedener
Wurzeln und Gegebenheiten habe das
Lutherische in der Steiermark viele Facetten.
Diese Vielfalt werde „als Bereicherung empfunden,
bei allen Spannungen, die mit den
Unterschieden einhergehen“. „Wenn man
sich reformatorischen Grundsätzen verbunden
fühlt, ist die Steiermark ein gutes Land
zum Leben“, unterstrich Axmann.
Rehner: Jubiläum im Zeichen des Dankes
Vor genau 500 Jahren traf die reformatorische
Botschaft im Raum Schladming ein,
erinnerte Superintendent Wolfgang Rehner.
Mit Blick auf das Jahr 1947 sei er dankbar
für „für die immer wieder erfahrene Erneuerung
des evangelischen Lebens in der Steiermark“,
für das spätere Entstehen neuer Pfarrgemeinden,
die Errichtung von Kirchen und
Pfarrhäusern, die Gestaltung des evangelischen
Lebens in Gemeinden, Arbeitszweigen,
Foto: Evangelischer Pressedienst für Österreich / Neuhold
v.l.: Superintendentialkurator Michael Axmann, Landeshauptmann Christopher Drexler,
Univ.Prof. Michaela Sohn-Kronthaler mit der neuen Festschrift, Altbischof Michael Bünker
und Superintendent Wolfgang Rehner
Werken und Bereichen. Auch Rehner betonte
die gute ökumenische Zusammenarbeit und
dankte für den gemeinsamen Einsatz für Frie -
den und die Rechte der Minderheiten im Dia -
log mit den Religionsgemeinschaften, aber
auch für den Dialog mit den Kräften aus
Gesellschaft und Öffentlichkeit im Bemühen
um „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung
der Schöpfung“. Dankbar sei er letztlich
auch „für die frohe Zuversicht, daß unser
Glaube in Zeiten der vielfachen Krisen Halt
und Hoffnung vermittelt“.
Drexler: Dank für
evangelische Tugenden
Beeindruckt von den „Tugenden der Evan -
gelischen Kirche, die in der Steiermark sichtbar
werden“, zeigte sich beim Festakt Landeshauptmann
Christopher Drexler. Er würdigte
den „intellektuellen Tiefgang, die un -
glaubliche Fähigkeit zur Selbstreflexion und
den reflektierten Zugang zur eigenen Ge -
schich te“. Historisches Bewußtsein sei „notwendig,
aber nicht selbstverständlich“, so der
Landeshauptmann. Er dankte für den pro -
testantischen Beitrag zur Gesellschaft, „ohne
die Evangelische Kirche wäre die Steiermark
eine ärmere Region“. Die Dialogfähig -
keit gelte es mit in die Zukunft zu nehmen,
gerade in schwierigen Zeiten könnten Kirchen
und Religionsgemeinschaften „Zuversicht
und Perspektiven“ einbringen, Drexler.
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135
Bünker: Das Evangelium leben
und Verantwortung wahrnehmen
In seinem Festvortrag „Evangelisch auf
Steirisch“ kam der frühere evangelisch-lu -
therische Bischof Michael Bünker auf die
Entstehung und Entwicklung der Diözese zu
sprechen. Bereits nach der Wahl des ersten
steirischen Superintendenten Leopold Achberger
kurz nach dem Zweiten Weltkrieg habe
sich das wechselseitige Verhältnis von selbständigen
Kirchengemeinden vor Ort und Su -
perintendenz gezeigt. Um aus den einzelnen
Gemeinden miteinander Kirche werden zu
lassen, „dafür gibt es als erste Ebene übergemeindlicher
Kirchenleitung die Superintendenz“.
In der Steiermark liegt heute die zahlenmäßig
kleinste evangelische Pfarrgemeinde
Österreichs (Eisenerz) und zugleich die zahlenmäßig
größte (Graz-Heilandskirche). In
der Ramsau sind rund 85 Prozent der Bevölkerung
evangelisch, in manchen Gebieten der
Oststeiermark nicht einmal 0,5 Prozent. Ausserdem
gebe es, so Bünker, unter den Pfarrerinnen
und Pfarrern eine enorme theologische
Bandbreite.
Angesichts dieser Heteroge nität der
Superintendenz sei Leitung auf al len Ebenen
„immer auch Widerspruchsmanagement“ mit
dem Bemühen, „daß der Frieden gehalten
wird“.
n
https://evang.at/kirche/ueberblick/steiermark/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Religion und Kirche
70 Jahre Evangelische Superintendenz
Niederösterreich
136
Foto: Evangelischer Pressedienst für Österreich / Neuhold
Superintendentialkuratorin Gisela Malekpour und Superintendent Lars Müller-Marienburg vor der Festversammlung im NÖ Landhaus
Mit einem Festakt im niederösterreichischen
Landtag hat die evangelische Su - die im Evangelium begründet ist
Bischof Chalupka: Hoffnung spenden,
perintendenz Niederösterreich am 21. Okto -
ber ihr 75jähriges Jubiläum gefeiert. Die
Festsitzung der Superintendentialversammlung,
in der Delegierte aus allen niederösterreichischen
Pfarrgemeinden zusammenkommen,
bildete den Abschluß der Feierlichkeiten
im Jubiläumsjahr.
Superintendentialkuratorin Malekpour:
Hoffnungsvoller Blick in die Zukunft
„Die 75 Jahre waren reich an Arbeit und
mancher Unwegsamkeit, aber viel reicher an
Freude und Gemeinsamkeit, das wirft einen
hoffnungsvollen Blick in die Zukunft“, sagte
die niederösterreichische Superintendentialkuratorin
Gisela Malekpour, die gemeinsam
mit Superintendent Lars Müller-Marienburg
an der Spitze der Superintendenz steht und
durch die Festsitzung im Landtagssaal führte.
„Die Evangelische Kirche mußte sich
nach dem Versagen im Zweiten Weltkrieg
völ lig neu aufstellen“, erinnerte Bischof Mi -
chael Chalupka an das Gründungsjahr. Das
Jubiläum präge heute Dankbarkeit und De -
mut, „Dankbarkeit, daß es uns noch gibt, und
Demut, daß wir diese Herausforderung ange -
nommen haben“. Der Auftrag der Kirchen sei
durch alle Jahrzehnte und Jahrhunderte
gleich geblieben: „Trost und Hoffnung spenden,
die begründet ist im Evangelium.“ Das
gelte in Zeiten multipler Krisen ganz beson -
ders.
Superintendent Müller-Marienburg:
Wertschätzendes Zeichen
Daß die kirchliche Festversammlung im
Landtagssitzungssaal stattfinden konnte –
zuletzt war dies 1981 anläßlich der Feiern
zum 200-Jahr-Jubiläum des Toleranzpatents
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
der Fall – ist für Superintendent Lars Müller-
Marienburg „nicht selbstverständlich, sondern
ein wertschätzendes Zeichen, daß das
Land die Evangelische Kirche als Partnerin
und selbstverständlichen Teil dieses Landes
sieht“. Der Auftrag der Kirche ende nicht an
den Kirchenmauern. „Auch wenn wir wenige
sind, sind wir nicht für uns selbst da, sondern
arbeiten für alle, die hier leben und uns
brauchen“, so der Superintendent. In der Zu -
sam menarbeit mit dem Land sei es dabei
„auch normal, daß wir mitunter abweichende
Meinungen haben“.
Landtagspräsident Wilfing:
Signal der Verbundenheit
Die Gratulation des Landes überbrachte
Landtagspräsident Karl Wilfing, der die er -
krankte Landeshauptfrau vertrat. Die Festsitzung
im Landtagssaal sieht Wilfing als „Signal
der Verbundenheit und des Miteinan -
ders“, das über Jahrzehnte gelebt werde
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Religion und Kirche
137
Foto: Evangelischer Pressedienst für Österreich / Neuhold
v.l.: Synodenpräsident Peter Krömer, Bischof Michael Chalupka, Gastgeber Landtagspräsident Karl Wilfing,
Superintendent Lars Müller-Marienburg und der Theologe und Journalist Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach.
„und das wir auch in die Zukunft tragen wollen“.
Schon früh habe der Protestantismus in
Niederösterreich Fuß gefaßt, der Landtagspräsident
erinnerte dabei etwa an die protestantischen
Bauherrn der Schallaburg. Die
Evangelische Kirche zeichne heute „Gemein -
sinn, Verständnis für andere und Verantwortung
für die Schöpfung aus“, erklärte Wilfing.
In der Gegenwart gebe es eine intensive
Zusammenarbeit etwa bei der Renovierung
von Kirchen oder im sozialen Bereich mit
der Diakonie. Es bleibe Auftrag der Kirchen,
Orientierung zu geben, meinte der Landtagspräsident,
denn „wer das Glück hat, einen
festen Glauben zu haben, tut sich leichter in
diesen schwierigen Zeiten“.
Synodenpräsident Krömer: Niederösterreich
»überstark repräsentiert«
Die Bedeutung Niederösterreichs in der
gesamtösterreichischen Evangelischen Kirche
unterstrich Synodenpräsident Peter Krömer,
NiederösterreicherInnen seien hier
„überstark repräsentiert“. Der St. Pöltner
Rechtsanwalt wies darauf hin, daß die Super -
intendenz Niederösterreich als einzige in den
letzten Jahren deutlich gewachsen sei, denn
Pfarrgemeinden am Rand von Wien und im
Weinviertel, die ursprünglich zur Superinten -
denz Wien gehört hatten, wurden in die nie -
derösterreichische Superintendenz integriert.
Superintendent Geist:
»Wohlmeinendes Miteinander«
Für den Wiener Superintendenten Mat -
thias Geist, der ebenfalls Glückwünsche zum
Jubiläum überbrachte, ist das „eine wohlweislich
gut überlegte Entscheidung“, denn
vor allem im Umgang mit Behörden sei vieles
klarer geworden. Heute bestimme ein
Foto: Evangelischer Pressedienst für Österreich / Neuhold
Superintendentialkuratorin Gisela Malekpour
„wohlmeinendes Miteinander“ die Zusam -
menarbeit zwischen den Diözesen.
Lünenbürger-Reidenbach:
Solidarisch mit anderen Minderheiten
Die Festrede im Landtagssaal hielt der in
Norddeutschland lebende Theologe, Journalist
und Pferdezüchter Wolfgang Lünen -
bürger-Reidenbach. Er wandte sich deutlich
gegen einen „Normalitarismus“, den er als
„klei ne Schwester des Autoritarismus“ be -
zeichnete. „Wer von normal redet, ist auf hal -
bem Weg in ein autoritäres System“, sagte
Lünenbürger-Reidenbach. Eine liberale Ge -
sellschaft kenne keinen Normalitarismus
oder Leitkultur, sondern schaffe „Regeln, die
für alle fair sind“.
Die Gesellschaft in Österreich wie in
Deutschland sieht Lüdenbürger-Reidenbach
am Übergang in die „Minderheitenmehrheit“,
dabei helfe die Erfahrung als Minderheit.
Aufgabe einer Minderheit wie der Evangelischen
Kirche sei es, „in Solidarität mit anderen
Minderheiten für Achtsamkeit und Aufmerksamkeit
einzutreten, dem Normalitaris -
mus entschlossen entgegenzutreten und die
liberale Gesellschaft zu feiern“. Eine Gesellschaft,
in der Menschen für ihre Identität ein -
stehen, sei eine „bessere Gesellschaft, die
mehr Freiheit für Menschen bietet“. Die Evan -
gelische Kirche könne hier wichtige Treiberin
sein hin zu einer achtsameren Ge sellschaft
mit Minderheitenmehrheit. Gleich zeitig könne
sie Beispiel geben, „daß es nicht schlimm
ist, Minderheit zu sein und so Botschafterin
einer liberalen Gesellschaft sein“.
Die Feierlichkeiten zu ihrem 75jährigen
Bestehen begann die evangelische Superintendenz
Niederösterreich mit einem Festgottesdienst
und einem multireligiösen Friedensgebet
am 23. Jänner in Baden. Die Feier
erinnerte an die erste Sitzung der demokratisch
gewählten Superintendentialversammlung,
die auf den Tag genau vor 75 Jahren in
Baden stattgefunden hatte. Im Zeichen des
Jubiläums stand auch der Kirchentag im Juni
in Waidhofen a.d.Ybbs, die Festsitzung im
Landtag beschloß nun den Festreigen.
Die Superintendenz (Diözese), deren Sitz
heute in St. Pölten liegt, wurde 1947 in Ba den
gegründet. Bis dahin hatten die niederösterreichischen
Pfarrgemeinden zur Superintendenz
Wien gehört. Die Gemeinden Purkerdorf,
Klosterneuburg, Stockerau, Bruck/Leitha,
Korneuburg, Straßhof, Mistelbach und
Schwechat kamen erst ab 1990 sukzessive
von der Wiener zur niederösterreichischen
Diö zese. Mit Stand 2021 gehörten 36.118
Menschen in 28 Pfarrgemeinden der Evange -
lischen Kirche A.B. in Niederösterreich an. n
https://noe-evang.at/
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
138
300 Jahre Erzdiözese Wien
Der lange Weg zum Erzbistum – Themenschwerpunkt zum Jubiläum vom
Wiener Stadt- und Landesarchiv zusammen mit dem Diözesanarchiv Wien
Anläßlich des Jubiläums „300 Jahre Erzdiözese
Wien“ hat das Wiener Stadt- und
Landearchiv im Wien Geschichte Wiki zu -
sammen mit dem Diözesanarchiv Wien einen
Themenschwerpunkt erarbeitet. Darin werden
die Verwaltung der Erzdiözese Wien, ihre
Bischöfe, ihre Institutionen (Schulen, Or -
den) und Baudenkmäler (Kirchen, Kapellen,
kirchliche Kleindenkmäler) behandelt. Darüber
hinaus werden Erklärungen wesentlicher
Begriffe geboten, die mit der Erzdiözese
Wien und der katholischen Kirche in
Wien in Zusammenhang stehen.
Kardinal Christoph Schönborn
Kardinal Christoph Schönborn führt aus:
„In Wien prägen die zahlreichen katholischen
Kirchen, Kapellen und Denkmäler damals
wie heute das Stadtbild Wiens maßgeblich.
Kaum anderswo findet sich so eine große
Dich te an Kirchenbauten. Wien war seit je -
her ein Schmelztiegel der Völker. Das hat
der Stadt eine hohe Bandbreite in der Sakralarchitektur
geschenkt, sowohl in kultureller
als auch in architektonischer Hinsicht. Kirche
ist aber mehr als nur ein Gebäude aus
Stein. Sie ist lebendige Gemeinschaft, die mit
Jesus verbunden ist. Als vor 300 Jahren das
kleine Bistum Wien zur Erzdiözese erhoben
wurde, war die pastorale Sorge des Wiener
Bischofs und späteren Kardinals Sigismund
von Kollonitz die Errichtung von neuen Gottesdienststätten
und Pfarren angesichts der
Bevölkerungszunahme und die Verbesserung
der Bildung des Klerus. Heute, 300 Jahre da -
nach, stehen wir vor neuen Herausforderungen:
Unseren Glauben und unsere Hoffnung
in die Sprache der Menschen von heute zu
übersetzen und die steingewordenen Glaubenszeugnisse
der Vergangenheit an die Be -
dürfnisse der heutigen Zeit anzupassen.“
Kultur- und Wissenschaftsstadträtin
Veronica Kaup-Hasler
Wiens Kultur- und Wissenschaftsstadträtin
Veronica Kaup-Hasler meint: „Das Wiener
Stadt- und Landesarchiv wird seiner ge -
sellschaftlichen Rolle als Wissensspeicher der
Stadt nicht nur mit der wichtigen archivarischen
Arbeit gerecht, sondern schlägt auch
immer wieder aufs Neue Brücken zur interessierten
Öffentlichkeit. Es freut mich, daß
© Wikipedia / / CC-BY 4.0 /
Der Wiener Stephansdom
in Pierers Universal-Lexikon, 1891
in Kooperation mit dem Diözesanarchiv Wien
nun die Geschichte der Erzdiözese Wien nicht
nur mit digitalisierten Originalquellen neu er -
schlossen wird, sondern auch mit einer Ausstellung
und der für Jänner geplanten Ta -
gung zum Erhebungsakt 1723 und seinen
Folgen die Öffentlichkeit angesprochen
wird.“
Der Weg zur Erzdiözese Wien
Die Geschichte des Bistums bzw. der
Diözese Wien als eigenständige kirchliche
Verwaltungseinheit reicht bis ins ausgehende
Mittelalter zurück. Unter Kaiser Friedrich
III. erfolgte im Jahr 1469 die Gründung des
Bistums Wien. Die anfangs kleine Diözese
wurde zunächst provisorisch von Administratoren
verwaltet und erhielt erst 1513 ihren
ersten Bischof.
Im 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts
festigten sich im Rahmen der Reformation
und Gegenreformation die Lehren und
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Praktiken der katholischen Konfession. Ab
dem 17. Jahrhundert war die weltliche Verwaltung
des Landesfürsten so eng mit der
katholischen Kirche verbunden, daß sich der
für Österreich typische Barockkatholizismus
voll ausprägen konnte. Im 17. und 18. Jahrhundert
entstanden daher auch in Wien zahlreiche
katholische Kirchen, Kapellen und
Denkmäler, die das Stadtbild noch heute prägen
und von der Erzdiözese Wien verwaltet
werden. Die Erzdiözese Wien wurde ab dem
Jahr 1631 auch formell aufgewertet, indem
die Wiener Bischöfe zu Reichsfürsten er -
nannt wurden und sich fortan Fürstbischöfe
nennen durften.
Die Erhebung zur Erzdiözese
Die Erhebung Wiens zur Erzdiözese er -
folgte 1722/1723 durch eine Bulle Papst In -
nozenz XIII. vom 1. Juni 1722, die jedoch
erst am 14. Februar 1723 in Wien eintraf.
Der feierliche Festakt zur Erhebung wurde
am 24. Februar veranstaltet. Der Wiener
Bischof Sigismund Kollonitz durfte sich ab
1722 als Erster Fürsterzbischof von Wien
nennen und erhielt auch die Kardinalswürde,
die fortan an alle Wiener Erzbischöfe verliehen
wurde.
Durch die Reformen Josephs II. erreichte
die Erzdiözese Wien gegen Ende des 18.
Jahrhunderts in etwa ihre heutige Ausdehnung
und umfaßte nun auch die östlichen
Regionen Niederösterreichs. Das Verwaltungsgebiet
der Erzdiözese Wien schloß von
1922 bis 1960 auch die neu gegründete Diözese
Eisenstadt mit ein, die schließlich 1960
einen eigenen Bischof erhielt. Zur leichteren
Verwaltung des umfangreichen Gebietes der
Erzdiözese Wien wurden 1969 weitere grössere
Strukturreformen durchgeführt. Heute
besteht die Erzdiözese Wien aus drei Vika -
riat en, von denen das Vikariat Wien Stadt im
We sentlichen das Wiener Stadtgebiet um -
faßt.
Originaldokumente online
Die Artikel des Themenschwerpunkts sind
mit digitalisierten Originalquellen verbunden
und verweisen auf Quellen, die im Wiener
Stadt- und Landesarchiv sowie im Diözesanarchiv
Wien verwahrt werden. n
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erzdiözese_Wien
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Religion und Kirche
Zisterzienser aus Vietnam
besuchen Stift Heiligenkreuz
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Eine hochrangige Delegation aus der weltweit größten Kongregation des
Zisterzienserordens dankte für Aufnahme vietnamesischer Patenstudenten
an Hochschule Heiligenkreuz – Abtpräses Heim: »Diese Mitbrüder sind
Brückenbauer zwischen Klöstern, Kulturen und Kontinenten.«
Foto: Stift Heiligenkreuz
Abtpräses Abt Maximilian Heim mit Abtpräses Johannes XXIII. Nguyn (Bildmitte) und der Deleagation aus der Abtei Phuoc Son
Eine hochrangige Delegation der Zisterzienserkongregation
„"Von der Heiligen hat.
der Österreichischen Zisterzienserkongrega-
von 9. bis 22. Oktober in Rom stattgefunden den Seiten“, so Heim, der auch Abtpräses
Familie“ aus Vietnam war Ende Oktober im
nie derösterreichischen Stift Heiligenkreuz zu
Gast. An der Hochschule Heiligenkreuz werden
seit vielen Jahren vietnamesische Mönche
als Patenstudenten für weiterführende
Stu dien aufgenommen, wie das Wienerwaldstift
mitteilte. Die vietnamesische Delegation
unter Leitung von Abtpräses Johannes
XXIII. Nguyn aus der Abtei Phuoc Son habe
bei dem Besuch am 27. Oktober der Österreichischen
Zisterzienserkongregation und
dem Stift Heiligenkreuz für diese Zusammenarbeit
gedankt. Der Besuch folgte auf das
Generalkapitel des Zisterzienserordens, das
„Daß Studenten aus Vietnam zu uns kommen
ist keine Einbahnstraße, sondern eine
ge genseitige Bereicherung, weil die viet -
name sischen Mönche auch unsere Gemeinschaft
inspirieren und stärken. Diese Mitbrüder
sind Brückenbauer zwischen den Klöstern,
den Kulturen und Kontinenten“, freute
sich der Heiligenkreuzer Abt Maximilian
Heim über den Besuch. Die Zisterzienserkon -
gregation von Vietnam sei ein wesentlicher
Teil der Zukunft des Ordens. „Die Zeit der
Ausbildung junger Mönche in Heiligenkreuz
ist eine Gelegenheit für theologische, monastische
und menschliche Vertiefung auf beition
ist.
Abtpräses Johannes XXIII. Nguyn wurde
von vier weiteren Äbten, einer Äbtissin und
einer Priorin nach Heiligenkreuz begleitet.
Trotz der schwierigen politischen Situation
im offiziell kommunistischen Vietnam wächst
die 1918 begründete Zisterzienserkongregation
„Von der Heiligen Familie“ stark und ist
derzeit die weltweit größte Kongregation des
Zisterzienserordens. Sie besteht aus neun
Männerklöstern und drei Frauenklöstern mit
insgesamt mehr als 1.000 Ordensleuten. n
https://www.stift-heiligenkreuz.org/
http://www.zisterzienserlexikon.de/wiki/Hauptseite
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
Sensationsfund in Ephesos
ArchäologInnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften konnten ein
frühbyzantinisches Geschäfts- und Lokalviertel freilegen. Es ist die bedeutendste
Entdeckung in der Stadt seit vor 50 Jahren die inzwischen berühmten Hanghäuser
gefunden wurden.
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Foto: ÖAW-ÖAI / Niki Gail
Das Grabungsareal am Domitiansplatz in Ephesos, links die angrenzende obere Agora, rechts die Kuretenstraße.
Bei den diesjährigen Ausgrabungen in
Ephesos in der Türkei haben ArchäologInnen
der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften (ÖAW) ein hervorragend er -
haltenes frühbyzantinisches Geschäfts- und
Lokalviertel entdeckt. Das Areal wurde im
Jahr 614/615 n. Chr. offenbar plötzlich zerstört.
Der gesamte Hausrat in den Räumen
wurde von einer mächtigen Brandschicht ver -
siegelt und dadurch für die Nachwelt erhalten,
was heute einzigartige Momentaufnahmen
der damaligen Lebenswelt ermöglicht.
Damit ist der Fund – wenn auch zeithistorisch
völlig anders einzuordnen – vergleichbar mit
der archäologischen Stätte von Pompeji.
Grabung am Domitiansplatz
im Stadtzentrum
Der neu entdeckte Stadtteil liegt am
Domitiansplatz, einer prominenten Platzan-
Foto: ÖAW-ÖAI / Niki Gail
Die christlichen Pilgerampullen waren nur wenige Zentimeter groß und konnten um den Hals
getragen werden. Sie enthielten geheiligte Substanzen, wie etwa heiligen Staub, die so von
christlichen Pilgerstätten mitgenommen werden konnten.
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
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lage direkt anschließend an das politische
Zentrum der römischen Stadt, der Oberen
Agora. Die hier 2022 durchgeführten Grabungen
sind Teil eines großen Forschungsprojekts,
das sich den Veränderungen der
Stadt zwischen römischer Kaiserzeit und
Spätantike widmet.
„Daß die ursprünglich große römische
Platzanlage in der Spätantike durch Geschäfte
und Werkstätten überbaut wurde, war zu
erwarten. Völlig unerwartet war jedoch der
Erhaltungszustand sowie der exakte Zerstörungszeitpunkt
und die daraus ableitbaren
Implikationen für die Stadtgeschichte“, sagt
Sabine Ladstätter. Sie ist Direktorin des Ös -
terreichischen Archäologischen Instituts der
ÖAW und leitet seit 2009 die Ausgrabungen
in Ephesos.
Amphoren mit Makrelen,
Geschäftskassen mit Goldmünzen
Bislang wurde auf einer Fläche von rund
170 Quadratmetern eine kleinteilige Verbauung
bestehend aus mehreren Geschäftslokalen
freigelegt. Der gesamte Gebäudekomplex
war bis in das Jahr 614/615 in voller Blüte,
davon zeugen die dort gefundenen Münzen.
Einzelne Räume dieses Viertels sind bis zu
3,4 Meter hoch erhalten und waren durch eine
massive Zerstörungsschicht komplett versiegelt.
Unter den Schichten kam ein unglaublich
reichhaltiges Inventar zum Vorschein. Ge -
funden wurde etwa unzähliges Geschirr, das
in die Tausende geht, darunter im Ganzen
erhaltene Schüsseln mit Resten von Meeresfrüchten
wie Herzmuschel oder Austern oder
Amphoren gefüllt mit eingesalzenen Makrelen.
Daneben fanden sich auch Kerne von
Pfirsichen, Mandeln und Oliven aber auch
verkohlte Erbsen und Hülsenfrüchte. Be -
sonders spektakulär sind vier zusammengehörige
Goldmünzen (Solidi) sowie mehrere
Geschäftskassen mit über 700 Kupfermünzen.
Bei den ausgegrabenen Räumen handelt
es sich um eine Garküche, einen Lagerraum,
eine Taberne, ein Geschäft für Lampen und
christliche Pilgerandenken sowie eine Werkstätte
mit angeschlossenem Verkaufsraum.
Einzigartig ist der Fund von rund 600 kleinen
Pilgerfläschchen, die christlichen Wallfahrern
hier verkauft wurden und um den
Hals getragen werden konnten.
„Dieser Fund in der Grabungsstätte von
Ephesos ist spektakulär und in seiner Bedeutung
gar nicht hoch genug einzuschätzen.
Hervorragend erhaltene Goldmünzen, Südfrüchte,
Amphoren, ja ein ganzes Geschäfts-
Alle Fotos: ÖAW-ÖAI / Niki Gail
In großen Mengen wurden auch Amphoren gefunden, manche davon stammen aus Ephesos(braun),
andere wurden aus Nordafrika importiert (beige).
Diese Becher waren offensichtlich das übliche Trinkgeschirr, aus dem Wein konsumiert wurde.
Numismatiker Nikolaus Schindel bei der Analyse der Münzfunde
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Wissenschaft & Technik
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Foto: ÖAW-ÖAI / Niki Gail
Bislang wurde auf einer Fläche von rund 170 m² eine kleinteilige Verbauung bestehend aus mehreren Geschäftslokalen freigelegt.
viertel konnten die Archäologinnen und Ar -
chäologen der ÖAW freilegen. Die Auswertung
der Fundstücke wird noch viele neue
Erkenntnisse über die damalige Zeit und die
Hintergründe der plötzlichen Zerstörung
bringen. Die ganze Akademie freut sich mit
Grabungsleiterin Sabine Ladstätter und ihrem
Team”, sagt ÖAW-Präsident Heinz Faßmann.
Zerstörung des Viertels
und die Sasaniden
„Der archäologische Befund zeigt uns
eine massive Brandzerstörung, die plötzlich,
dramatisch und folgenschwer gewesen sein
muß“, erklärt Sabine Ladstätter. „Den ge -
nauen Tag der Zerstörung wird man nicht
mehr feststellen können, aber die Auswertung
der vorgefundenen Früchte wird zumindest
die Jahreszeit klären.“ War es ein Erdbeben?
Darauf gibt es keinerlei Hinweise.
Weder sind Mauern verschoben, noch Böden
aufgewölbt. Es wurden auch keine menschlichen
Überreste geborgen.
Es fanden sich aber etliche Pfeil- sowie
Lanzenspitzen, die einen Hinweis auf eine
kriegerische Auseinandersetzung liefern.
Dazu paßt, daß um dieselbe Zeit in der rund
100 Kilometer von Ephesos entfernten türkischen
Stadt Sardis Münzfunde ebenfalls Zerstörungen
belegen. Diese wurden bereits früher
mit Einfällen der persischen Sasaniden
ins westliche Kleinasien in Verbindung ge -
bracht, was aber bisher in der Forschung um -
stritten ist.
Foto: ÖAW-ÖAI / Niki Gail
Entdeckt werden konnte auch ein Lagerraum, der vollgeräumt war mit Gefäßen, die noch mit
ihrem ursprünglichen Inhalt gefunden werden konnten. Zudem fand sich in diesem Raum eine
Geschäftskasse mit über 400 Kupfermünzen.
Rätsel der Stadtgeschichte
könnte gelöst sein
Die neuen Funde am Domitiansplatz
könnten nun ein Rätsel der Stadtgeschichte
von Ephesos lösen. Dazu Ladstätter: „Zwar
konnte man bislang archäologisch beobachten,
daß die Stadt im 7. Jahrhundert sprunghaft
kleiner wurde und der Lebensstandard
deutlich gesunken war, jedoch waren die
Gründe dafür nicht klar.“ Auch der Münzumlauf
brach stark ein und fiel auf ein deutlich
niedrigeres Niveau als in den Jahrhunderten
davor. „Man wird diese Zäsur in der
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Stadtgeschichte von Ephesos nun wohl mit
den Sasanidenkriegen in Zusammenhang
bringen müssen“, so die ÖAW-Archäologin.
Grabungsteam
Die Auswertung der Funde und Befunde
erfolgt durch ein Team von Forschern der
ÖAW um Sabine Ladstätter: Helmut Schwaiger
(Archäologie), Alfred Galik (Archäozoologie),
Andreas G. Heiss (Archäobotanik)
und Nikolaus Schindel (Numismatik). n
https://www.oeaw.ac.at
https://de.wikipedia.org/wiki/Ephesos
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Wissenschaft & Technik
Luftmassentransport
bei El Niño-Phänomen
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Transport von Luftmassen im Zusammenhang mit »El Niño« erklärt
Wetterkapriolen von Amerika über Australien bis zum Mittelmeerraum
© Baier et al. 2022, Geophysical Research Letters. CC BY 4.0
Zusammenfassung des atmosphärischen Transports aus dem Tropischen Pazifik: Die durchgezogenen Pfeile zeigen eine Zunahme des Massentransports
während El Niño, während gestrichelte Pfeile eine Abnahme zeigen. Blaue Pfeile zeigen den Transport von relativ feuchter Luft
an; braune von relativ trockener Luft. Blaue Schattierungen zeigen anomal feuchte lokale Bedingungen (braune Schattierungen trockene).
Rote Kreise zeigen den Transport warmer Luft in der Höhe, die stabile Bedingungen begünstigt. Die orangen Schattierungen zeigen den
Transport der anomal größeren Wärmemenge aus dem Pazifik in den Tropischen Atlantik.
Das El-Niño-Phänomen beeinflußt das
Wetter in weit entfernten Gegenden, bis
hin nach Australien, Indien oder dem Mittelmeer,
doch wie diese so genannten Telekonnektionen
genau funktionieren, war bisher
noch nicht geklärt. AtmosphärenforscherInnen
der Universität Wien konnten nun zeigen,
daß für diese Klima-Anomalien Schwankungen
des Transports von Luftmassen, Wär -
me, Feuchtigkeit und Energie aus dem tropischen
Pazifik verantwortlich sind. Und: El
Niño wärmt auch den Atlantik auf, so die
aktuell im Fachjournal „Geophysical Research
Letters“ publizierte Studie.
Die El-Niño-Südliche Oszillation (EN-
SO) – eine der wichtigsten Klimaschwankungen
weltweit – sorgt regelmäßig für
weltweite Wetterkapriolen mit großen Auswirkungen
etwa auf Fischerei oder Landwirtschaft.
ENSO steht im Zusammenhang
mit Veränderungen der Oberflächentemperatur
des tropischen Pazifiks. Alle zwei bis sieben
Jahre gibt es Perioden mit höheren Temperaturen
– diese verursachen dann das so
genannte El-Niño-Phänomen, welches wie -
derum in vielen Regionen der Welt zu ausgeprägten
Wetteranomalien führt, wie zum Bei -
spiel Dürren im Amazonasbecken und in Au -
stralien, verstärkten Niederschlägen im
Süden der USA oder stärkeren Monsunereignissen
in Indien. Diese weitreichenden Auswirkungen
bzw. ihre Zusammenhänge werden
als Telekonnektionen bezeichnet.
Die Mechanismen hinter diesen Telekonnektionen
waren bisher – trotz zahlreicher
Forschungsarbeiten über ENSO – noch nicht
ausreichend geklärt. Am Institut für Meteorologie
und Geophysik der Universität Wien
gelang nun ein Durchbruch im Verständnis
der Rolle des Luftmassentransports bei Telekonnektionen:
Ein Forschungsteam konnte
zeigen, daß Schwankungen des Transports
von Luftmassen, Wärme, Feuchtigkeit und
Energie aus dem tropischen Pazifik für viele
der beobachteten Klimaanomalien kausal
ver antwortlich sind.
„In unserer Studie betrachteten wir diese
Telekonnektionen aus einer neuen Perspektive
– konkret untersuchten wir, wie die Wär -
me und Feuchtigkeit aus dem Pazifik über
die Atmosphäre transportiert wird. Dadurch
können wir eine direkte Verbindung zwischen
dem Pazifik und entfernten Regionen herstellen“,
erklärt Katharina Baier, Erstautorin
und Nachwuchswissenschafterin der Vienna
International School of Earth and Space
Sciences. So zeigt sich beispielsweise in der
Studie, daß während El Niño anomal trockene
Luft in Richtung Amazonasbecken transportiert
wird und dort Dürren verursacht.
„Im Gegensatz dazu wird besonders feuchte
Luft in Richtung des Südostens der USA
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
transportiert, was dort wiederum vermehrte
Niederschläge begünstigt“, erklärt Baier.
Auch Atmosphärenforscher Andreas Stohl
von der Universität Wien, der Leiter der ak -
tuell im Journal Geophysical Research Letters
publizierten Studie, betont: „Unsere Er -
gebnisse tragen zum Verständnis von Wetterphänomenen
weltweit bei, zum Beispiel
auch in Australien, Afrika oder dem Mittelmeerraum.
Außerdem können wir zeigen,
daß während El Niño anomal große Wärmemengen
aus dem tropischen Pazifik in den
Atlantik transportiert werden, der daraufhin
mit einer Erwärmung reagiert“, so der Leiter
des Instituts für Meteorologie und Geophysik
und des Forschungsverbundes VINAR.
Methodisch setzte das Forschungsteam
der Universität Wien auf atmosphärische
Aus breitungsmodelle, die so genannten La -
grangeʼschen Modelle. Während herkömmliche
Modelle meteorologische Parameter
wie Luftfeuchtigkeit oder Temperatur an
fixen Punkten erfassen, folgen die sogenannten
Lagrangeʼschen Modelle den einzelnen
Partikeln und erfassen, wie sich die meteorologischen
Parameter entlang deren Weges
ändern. Mithilfe dieser Modelle kann auch
die Ausbreitung von Partikeln wie Ruß oder
Mikroplastik beziehungsweise von Treibhausgasen
analysiert werden.
n
https://www.univie.ac.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
Gefunden im Untergrund
Im Zuge einer 80 Meter tiefen Bohrung im
Garten der Geologischen Bundesanstalt
im 3. Wiener Gemeindebezirk (Landstraße)
wurden in einer Tonschicht des Wiener Bekkens
die Ablagerungen zweier Flüsse entdeckt:
Die Ur-Wien und die Ur-Liesing. Die
Beprobung und Analyse des Bohrkerns bringen
nun neue Erkenntnisse aus der Ära des
einstigen Pannonsees vor 10,4 Millionen
Jahren. Der Bohrkern wurde wissenschaftlich
analysiert und gibt auch Einblicke in die
geologische Geschichte Wiens: Hier mündete
vor 10,4 Millionen Jahren die Ur-Wien und
die Ur-Liesing in den einstigen Pannonsee,
der vom heutigen Alpenrand in Wien über
Budapest bis Belgrad reichte.
Im Zeitraum von 11,6 bis 9 Millionen
Jahren lag Wien mit dem Wiener Becken am
Ostrand des Pannonsees. „Der See war vor
10,4 Millionen Jahren etwa halb so groß wie
das heutige Schwarze Meer und damit der
größte See Europas. Wien lag am Westufer
dieses Sees. Über seine Zuflüsse aus den Al -
pen war aber bisher sehr wenig bekannt“, so
Univ. Prof. Mathias Harzhauser, Leiter der
Geologisch-Paläontologischen Abteilung am
NHM Wien. Die blaugrauen, feinkörnigen
tonreichen Ablagerungen des Sees bilden in
weiten Bereichen der Stadt den Grundwasserstauhorizont
(undurchlässige Tonschicht
im Unterboden, bzw. Untergrund) und wurden
im 19. und frühen 20. Jahrhundert in
zahlreichen Tongruben für die Herstellung
von Ziegeln abgebaut.
Die engmaschige Beprobung und multidisziplinäre
Analyse des Bohrkerns an der
Geologischen Bundesanstalt bringt nun neue
Erkenntnisse aus der Ära des einstigen Pannonsees.
Tonmineralogische Analysen ermög -
lichten Rückschlüsse auf das einstige Klima
und den Sedimenteintrag aus dem etwa acht
Kilometer entfernten Hinterland im Westen,
dem heutigen Wienerwald mit der Flyschzone
(Sandstein- und Mergelwechselfolgen)
und den Nördlichen Kalkalpen (Kalke und
Dolomite).
Unter der Leitung von Univ. Prof. Mathias
Harzhauser erfolgte die Auswertung der
tonmineralogischen und geochemischen Un -
tersuchungen von Mandana Peresson und
Christian Benold von der Geologischen Bun -
desanstalt (GBA). Stjepan Ćorić (GBA)
bearbeitete Nannofossilien, Oleg Mandic
Die Ur-Wien und die Ur-Liesing in Wien-Landstraße
Foto: NHM Wien
Foto: NHM Wien
Kisten mit Bohrkernen im Garten der Geologischen Bundesanstalt im Juli 2019 mit Univ. Prof,
Mathias Harzhauser und Mandana Peresson
(NHM Wien) untersuchte Mikrofossilien.
Prof. Gert J. De Lange aus Utrecht (Niederlande)
half bei der Interpretation der geochemischen
Parameter.
„Die mineralogische Analytik zeigt klar
den Einfluß des Hinterlandes, wobei wir gut
zwischen Sedimenteintrag der Ur-Liesing
und der Ur-Wien unterscheiden können“, so
Mandana Peresson von der Abteilung Rohstoffgeologie
der Geologischen Bundesanstalt.
Die Spuren der Ur-Wien
und der Ur-Liesing
Dominieren im oberen Bereich der Bohrung
im Tegel umgelagerte Nannofossilien
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
144
(kleiner als drei hundertstel Millimeter) aus
der Flyschzone, können damit Vergleiche zu
einem Fluß ähnlich der heutigen Wien gezogen
werden, die in der Flyschzone entspringt.
Auch ein gröberer Horizont (ausgedehnte
Ton- oder Gesteinsschicht) bei 30,7 Metern
Tiefe ist eindeutig der Flyschzone zuzuordnen.
Ein Bereich mit 10fach überhöhten Karbonatwerten
und Kiesen bei 32,5 Metern
wird als Schüttung aus den Nördlichen Kalkalpen
interpretiert und ist als Ur-Liesing zu
betrachten. Dazu kommen vereinzelte Fossil -
horizonte, die ebenfalls den Süßwassereinfluß
des Hinterlandes zeigen.
n
https://www.nhm-wien.ac.at/
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Wissenschaft & Technik
Weltrekord bei Quantenverschränkung
in Glasfaser
145
PhysikerInnen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist es
erstmals gelungen, Photonen über 248 Kilometer Glasfaser zu verschränken.
© ÖAW/Harald Ritsch
Einmal mehr haben WissenschaftlerInnen
des Wiener Instituts für Quantenoptik
und Quanteninformation der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
einen neuen Weltrekord bei der Quantenverschränkung
aufgestellt: Erstmals ist es ge -
lungen, verschränkte Photonen, also Lichtteilchen,
über 248 Kilometer verlegter Glasfaser
zu schicken. Die bisherige Rekorddistanz
über knapp 100 Kilometer aus dem Jahr
2019 wurde somit mehr als verdoppelt. De -
tails wurden jetzt im Fachmagazin Nature
Communications publiziert.
Ziel des jüngsten Experiments war die
Erstellung eines ersten Knotens im QUAPI-
TAL-Netzwerk, einem Forschungsprojekt
für ein zentraleuropäisches Quanteninternet.
Quantennetzwerke versprechen absolut ab -
hörsichere Kommunikation und leistungsstar -
ke verteilte Sensornetzwerke für Forschung
und Technologie – sie gelten als Kommunikationswege
der Zukunft. Bahnbrechende
Vorarbeiten hat in diesem Bereich auch
Nobelpreisträger Anton Zeilinger geleistet.
»Spukhafte Fernwirkung«
Im Rahmen des QUAPITAL-Projekts
schickte ein Sendeapparat in Wien stabil
über mehrere Tage Quantenzustände nach
Sankt Pölten und Bratislava. Dort wurden
sie gemessen und ihre quantenphysikalischen
Eigenschaften nachgewiesen. Dabei
Das Bild zeigt eine künstlerische Illustration der Quantenverschränkung zwischen zwei Orten.
wurde eine Quelle für verschränkte Photonenpaare
im Keller des Physikinstituts der
Universität Wien an zwei bereits verlegte
Glasfasern angeschlossen. Die beiden je
zirka 125 Kilometer langen Faserleitungen
führten zu Empfangsstationen in der Nähe
von Sankt Pölten sowie in der Slowakischen
Akademie der Wissenschaften in Bratislava.
„Quantenverschränkung ermöglicht es,
sogenannten korrelierten Zufall zu erzeugen.
Das ist, als ob zwei Münzen, die an verschiedenen
Orten – in unserem Fall Sankt Pölten
und Bratislava – geworfen werden, stets auf
dieselbe Seite fallen“, erklärt Rupert Ursin,
wissenschaftlicher Leiter des Projekts an der
ÖAW. Dieser von Einstein als „spukhafte
Fernwirkung“ bezeichnete Effekt sei nicht
nur aus physikalischer Sicht interessant, sondern
habe ganz konkrete Anwendungen. Die
auch kommerziell ausgereifteste davon ist
die verschlüsselte Datenübertragung mithilfe
von Quantentechnologie. Bei dieser sogenannten
Quantenkryptographie können die
„Münzwürfe“ dazu verwendet werden, Nach -
richten prinzipiell unknackbar zu verschlüsseln.
Aber auch die Verknüpfung von zu -
künftigen Quantencomputern wird durch die
Übertragung von Verschränkung ermöglicht.
Wichtige für künftiges Quanteninternet
Sebastian Neumann, ÖAW-Erstautor der
Publikation und mit der Durchführung des
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Experiments betraut, schildert die größten
Herausforderungen: „Im Unterschied zum
‚normalen‘ Internetsignal können Quantenzustände
nicht am Weg ausgelesen und verstärkt
werden. Dadurch werden die Leitungsverluste
zu einem Problem, weil nur
etwa jedes hundertmillionste weggeschickte
Photonenpaar auch tatsächlich an den Detektoren
ankommt.“
Dementsprechend hoch müsse die Rate
der in Wien erzeugten Photonen sein. „Dafür
haben wir eine spezielle Photonenquelle
konstruiert, über die wir sogar eigens publiziert
haben“, sagt Neumann. Weiters müsse
das Signal gegen Temperaturschwankungen
in der Faser unempfindlich gemacht werden,
wofür ein eigenes Stabilisierungssystem er -
sonnen wurde. Dies ermöglicht einen unun -
terbrochenen Betrieb der Leitung, eine weitere
wichtige Voraussetzung für ein zukünftiges
Quanteninternet.
Für die Erforschung der Quantenverschränkung
mit Photonen wurde Anton Zeilinger
am 10. Dezember mit dem Nobelpreis
für Physik bedacht. Österreichische Forschung
zur Quantenphysik, wie sie an der
ÖAW betrieben wird und an der auch Zeilinger
forscht, befindet sich hier im internationalen
Spitzenfeld.
n
https://www.oeaw.ac.at
Lesen Sie den Beitrag über die Verleihung
des Nobelpreises ab der Seite 124.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
Grüner Wasserstoff
aus Wien für Wien
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Wien Energie und Wiener Netze errichten bis 2023 eine
Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff
Wien Energie und Wiener Netze starten
mit der Errichtung der ersten städtischen
Wasserstoff-Erzeugungsanlage in Wien-
Simmering. Die Elektrolyseanlage erzeugt
mit einer Leistung von 3 Megawatt ab Sommer
2023 täglich bis zu 1.300 Kilogramm
grünen Wasserstoff (H2) aus Ökostrom. „Wir
treiben die Energiewende in Wien voran!
Die Wasserstoff-Erzeugungsanlage ist der
näch ste wichtige Schritt, mit dem wir die
Wasserstoff-Strategie der Wiener Stadtwerke
konsequent umsetzen. Wien Energie und
Wiener Netze bündeln hier ihre Kompetenz
und sorgen dafür, daß wir künftig grünen
Wasserstoff ‚Made in Vienna‘ zur Verfügung
haben“, freute sich Wirtschaftsstadtrat Peter
Hanke am 16. November anläßlich des Spatenstichs
der Anlage.
Die H2-Erzeugungsanlage entsteht am
Campus der Wiener Netze, betrieben wird
sie künftig von Wien Energie. Das Investitionsvolumen
beträgt rund 10 Millionen
Euro, auch Förderungen für die vollumfängliche
Umsetzung des Projekts wurden beantragt.
Die Anlage wird die erste ihrer Art und
Größenordnung sein, mit der direkt in Wien
Foto: Wien Energie / Martin Steiger
Beim Spatenstich (v.l.): Peter Weinelt (Generaldirektor-Stellvertreter Wiener Stadtwerke),
Gudrun Senk (Geschäftsführerin Wiener Linien), Gerhard Fida (Geschäftsführer Wiener
Netze), Peter Hanke (Stadtrat), Michael Strebl (Vorsitzender der Wien Energie-Geschäftsführung),
Thomas Steinhart (Bezirksvorsteher Simmering), Karl Gruber (Geschäftsführer Wien
Energie) und Helmut Meixner (Wasserstoff-Experte Wiener Netze)
grüner Wasserstoff aus Ökostrom erzeugt
wird.
„Ab nächstem Jahr erzeugen wir grünen
Wasserstoff in Wien für Wien! Neben dem
Mobilitätsbereich im Schwerlastverkehr bietet
Wasserstoff viel Potential für die Industrie
und für den Energiesektor – dort, wo
bestehende fossile Gase nicht gut durch an -
dere Technologien ersetzt werden können.
Klar ist, daß der Wasserstoff dabei aus er -
© Wien Energie/Harald Ströbel
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Wissenschaft & Technik
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neuerbaren Quellen wie etwa Ökostrom er -
zeugt werden muß. Nur so gelingt uns die
Energiewende und die Klimaneutralität
2040“, ist Michael Strebl, Vorsitzender der
Wien Energie-Geschäftsführung, überzeugt.
Wasser wird in Einzelteile zerlegt
Für die Wasserstoff-Erzeugung in Simmering
kommt ausschließlich Strom aus
erneuerbaren Quellen, wie Sonnen-, Windund
Wasserkraft zum Einsatz. Um aus Ökostrom
grünen Wasserstoff zu erzeugen, wird
Elektrolyse als Verfahren eingesetzt. Bei diesem
Verfahren wird Wasser (H 2 O) in seine
Bestandteile zerlegt: Sauerstoff und Wasserstoff.
Der freigesetzte Sauerstoff entweicht
in die Luft. Der Wasserstoff wird direkt vor
Ort verdichtet. Er ist unter hohem Druck gut
und platzsparend lager- und transportierbar.
„Der Campus der Wiener Netze ist der
ideale Ort, um grünen Wasserstoff zu erzeugen“,
erklärt Wiener Netze-Geschäftsführer
Gerhard Fida. „Wir haben auf dem Gelände
in Simmering die besten Voraussetzungen
und verfügen über mehr als 100 Jahre Erfahrung
im Umgang mit verschiedenen Energien
in fester, flüssiger und gasförmiger Form.
Mit unserem Wissen tragen wir dazu bei, daß
die Produktion, die Verdichtung und der
Transport von Wasserstoff zu den Tankstellen
gut über die Bühne geht. Wir leiten die
Zukunft ein!“
Wasserstoff-Tanken in Simmering
und in der Leopoldau möglich
Die täglich produzierte Wasserstoffmenge
von bis zu 1.300 Kilogramm reicht aus,
um etwa 60 Busse/LKW zu betanken. Neben
der H2-Erzeugungsanlage entsteht in Simmering
auch eine weitere Wasserstoff-Tankstelle
für Busse und LKWs. Dort können
Verkehrs- und Logistikunternehmen künftig
mit 350 oder 700 bar grünen Wasserstoff tan -
ken. Nicht nur Mobilitäts-, sondern auch In -
dustriepartner können dann den Wasserstoff
beziehen. Dazu wird ein eigener Bereich für
die Abholung mit Trailern eingerichtet. Auch
die H2-Tankstelle am Gelände der Wiener
Linien-Busgarage in der Leopoldau wird in
Zukunft von Simmering aus beliefert.
Wiener Linien bis 2025 mit zehn
Wasserstoff-Bussen unterwegs
Bei den Wiener Linien kommt klimaneutraler
Wasserstoff als Treibstoff für Busse
be reits zum Einsatz. In den vergangenen Mo -
naten wurde getestet, ab sofort ist der erste
H2-Bus auf der Linie 39A im regulären
Fahrgastbetrieb unterwegs. Erst kürzlich hat
das Verkehrsunternehmen verkündet, daß
die Linie 39A bis 2025 komplett auf emissionslose
Antriebe umgestellt wird. Zehn
Wasserstoff-Busse werden dann zwischen
Heiligenstadt und Sievering unterwegs sein.
„Als Wiener Stadtwerke-Gruppe bilden
wir als erste in Österreich die gesamte Wertschöpfungskette
ab. Wir produzieren, vertreiben
und verwenden den Wasserstoff, beispielsweise
in unseren Bussen – und das
geschieht gänzlich emissionsfrei“, so der
stellvertretende Generaldirektor der Wiener
Stadtwerke, Peter Weinelt.
Die Wiener Linien sind damit die ersten
Mobilitätskunden von Wien Energie für grünen
Wasserstoff. Mit weiteren Partnern aus
der Verkehrs- und Logistikbranche ist Wien
Energie bereits im Gespräch.
2023: Erster Wasserstoff-Betriebsversuch
im Kraftwerk Donaustadt
Daß grüner Wasserstoff nicht nur im Mo -
bilitätsbereich eingesetzt werden kann, zeigt
Wien Energie 2023 vor: Im Kraftwerk Do -
naustadt wird im Rahmen eines Betriebsversuchs
Wasserstoff zum Erdgas beigemischt.
Es ist der weltweit erste Versuch dieser Art,
den Wien Energie gemeinsam mit Partnern
umsetzt.
Der Anwendungsbereich ist vielversprechend:
Allein mit 15 Prozent Wasserstoff-
Beimischung könnten jedes Jahr 33.000
Tonnen CO 2 eingespart werden. Auch hier
soll zum Teil Wasserstoff aus der neuen eigenen
H2-Erzeugungsanlage zum Einsatz kom -
men.
Die Wiener Stadtwerke-Gruppe als
Wasserstoff-Partner der Ostregion
Die Wiener Stadtwerke-Gruppe treibt ge -
meinsam die Nutzung von grünem Wasserstoff
voran. 2021 hat der Konzern mit einer
eigenen Wasserstoff-Strategie einen klaren
Fahrplan vorgelegt, wie Wien bis 2030 zur
zentralen Wasserstoff-Drehscheibe im Osten
Österreichs wird. Mit Wien Energie, den
Wiener Netzen und den Wiener Linien kann
die Wiener Stadtwerke-Gruppe die gesamte
Wertschöpfungskette abbilden: Von der Produktion
über die Verteilung und Speicherung
bis zur Nutzung von H2.
n
https://www.wienernetze.at/
Foto: Wiener Linien / M.Helmer
H2-Bus der Wiener Linien im Testbetrieb auf der Strecke des 10A in der Nähe vor dem Schloß Schönbrunn
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
Schiffe mit Robotern
inspizieren und reinigen
148
Die Reinigung eines Rumpfs eines Containerschiffes dauert derzeit
rund acht Tage und verursacht Kosten von 100.000 bis 200.000 Euro.
Foto: Universität Klagenfurt
Foto: Universität Klagenfurt
Auf dem Laptop kann das vom Unterwasserroboter übertragene Bild verfolgt werden
Ein Team, dem auch ForscherInnen am
Institut für Intelligente Systemtechnologien
angehören, möchte autonome Roboter
für diese Aufgabe einsetzen. Nun laufen da -
für Tests am Wörthersee.
„Es gibt zwar ferngesteuerte Anlagen, die
den Menschen bei der Wartung der Schiffe
unterstützen, aber bisher ist es noch nicht
gelungen, komplett autonome Roboter hierfür
zum Einsatz zu bringen. Die Robustheit
und Verläßlichkeit solcher Systeme konnte
noch nicht hinreichend nachgewiesen werden,
um Reedereien und Endnutzer vom Po -
tential zu überzeugen“, erläutert Stephan
Weiss, Leiter der Gruppe Control of Networked
Systems (CNS) an der Universität Klagenfurt.
Er wirkt gemeinsam mit seinem Kol -
legen Jan Steinbrener und seinem Team an
mehreren Arbeitspaketen des EU-HORI-
ZON2020-Projekts „BugWright2 Autonomous
Robotic Inspection and Maintenance
on Ship Hulls and Storage Tank“ mit.
Die Technologie sieht den Einsatz unterschiedlicher
Roboter vor: Sowohl kleine
Helikopter, so genannte Micro Aerial Vehicles
(MAV) als auch kleine autonome Unterwasserfahrzeuge
(Autonomous Underwater
Vehicles, AUV) sollen ihre Dienste gemeinsam
mit Teams von magnetischen Radroboter
an den verschiedenen Schiffsoberflächen
tun. Die Struktur soll visuell und akustisch
inspiziert werden, um Korrosionsflecken zu
identifizieren und die Oberfläche wie erforderlich
zu reinigen.
Das Problem dabei: Der Unterwasserroboter
muß dafür ohne GPS Signal wissen,
wo er sich befindet, und autonom navigieren
können. Schwierigkeiten bereiten die geringe
Textur und glatte Oberfläche des Schiffskörpers,
die eine genaue Kamera oder sonarbasierte
Navigation erschweren.
Aktuell ist es dem Team gelungen, erste
Methoden hierfür vorzustellen, die mit mehreren
Sensoren zusammenarbeiten können.
Jüngst fand auch ein erstes Experiment in
der Drohnenhalle der Universität Klagenfurt
statt. Stephan Weiss erzählt: „Unsere Projektpartner
von der RWTH Aachen haben
über deren virtuelle Brille Drohnen in unserer
Drohnenhalle gesteuert. Wir haben dabei
ein Schiff im Maßstab 1:10 simuliert und die
Bilder sowie reale Positionsdaten der Drohne
nach Aachen geschickt, die das wiederum
in der virtuellen Welt dargestellt haben.“
Der Unterwasserroboter
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Testwoche für die Drohnen
Das Ziel der bilateralen Integrationswoche
in der Drohnenhalle der Universität Klagenfurt
zwischen dem UNI-KLU-Team und
dem UIB-Team war zweierlei:
m Sicherstellung der korrekten Integration
aller Bewegungsschätzungsmodule in die
visuell inspektionsorientierte UIB-Drohne,
und
m Evaluierung des visuellen Wegmessers
(UNI-KLU) und des laserbasierten Wegmessers
(UIB), die im Rahmen von
BUGWRIGHT2 entwickelt wurden, und
vor allem ihre Fusion durch MaRS (UNI-
KLU) im Hinblick auf eine belastbarere
Schätzung des Plattformzustands und da -
mit der Drohnenbewegung.
Projektpartner im Konsortium ist unter
anderem die Norwegian University of Science
and Technology (NTNU), an der Alexandre
Cardaillac als PhD-Kandidat am Department
of Marine Technology im Applied Un -
derwater Robotics Laboratory (AURLab)
arbeitet. Er wird nun gemeinsam mit Martin
Scheiber und Alessandro Fornasier, PhD-
Kandidaten in der CNS-Gruppe an der Universität
Klagenfurt, Tests am Wörthersee
durchführen. Dafür stehen Schiffe der Wörtherseeschifffahrt
zur Verfügung. n
https://www.aau.at/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
Babys besitzen größere
Vorstellungskraft …
149
… als bisher bekannt – neue Studie der Central European University
Foto: Pixabay / Tú Nguyễn
Die Studienergebnisse weisen darauf hin, daß die Basis für unsere Vorstellungskraft und die
Fähigkeit über alternative Möglichkeiten nachdenken zu können, bereits sehr früh vorhanden
ist, nämlich noch bevor Kleinkinder sprechen können.
In einer neuen am 31. Oktober im „Journal
Philosophical Transactions of the Royal
Society B“ erschienenen Studie haben WissenschaftlerInnen
der in Wien ansässigen
Cen tral European University herausgefunden,
daß bereits 14 Monate alte Babys von
sich aus mehrere Alternativen in Betracht zie -
hen können, wenn ihnen ein nicht klar er -
kennbares Objekt, das mehrere Interpretationsmöglichkeiten
offenließ, gezeigt wurde.
Durch die Messung des Pupillendurchmessers
von Kleinkindern konnten die Forscher
rund um Nicolò Cesana-Arlotti und Baĺint
Varga auf die mentale Anforderung schliessen,
die mit der Generierung von mehreren
alternativen Hypothesen verbunden ist. Die -
se Ergebnisse weisen darauf hin, daß die Ba -
sis für unsere Vorstellungskraft und die Fä -
higkeit über alternative Möglichkeiten nachdenken
zu können, bereits sehr früh vorhanden
ist, nämlich noch bevor Kleinkinder spre -
chen können.
Die Fähigkeit, sich mehrere mögliche
Szenarien vorstellen und untereinander vergleichen
zu können, spielt eine enorm wichtige
Rolle – sowohl in den Künsten und Wissenschaften
als auch im täglichen Leben.
Wenn wir beispielsweise im Restaurant Es sen
bestellen möchten, vergleichen wir oft verschiedene
Alternativen (Sushi oder Steak?),
ziehen mögliche Hypothesen in Betracht
(gehört roher Fisch oder gegrilltes Fleisch zu
den Spezialitäten des Restaurants?) und
spielen verschiedene Szenarien durch. Diese
Fähigkeit, mehrere Möglichkeiten in Be -
tracht ziehen zu können, ist also grundlegend,
um auf mögliche zukünftige Geschehnisse
gut vorbereitet zu sein.
In kurzen Filmsequenzen haben die
CEU-ForscherInnen des Zentrums für kognitive
Entwicklung 14 Monate alten Kindern
Babys gezeigt, in denen die Identität eines
Objekts nicht deutlich zu erkennen war, weil
es teilweise verdeckt wurde. Alle Objekte in
diesen Animationen besaßen ein paar Ge -
meinsamkeiten: beispielsweise sah der obere
Teil des Spielzeugelefanten, der Puppe und
des Balls gleich aus. Dann zeigten die Forscher
eine Reihe von Szenarien, in denen
verschiedene Teile verdeckt wurden. In diesen
wurden die Kleinkinder darin gefordert,
über die mögliche Identität des Objekts
nachzudenken (ist das die Puppe oder ist das
der Ball?). Dann wurden die Messungen des
Pupillendurchmessers des einen Szenarios
mit jenen des anderen Szenarios verglichen.
Die Untersuchungen zeigten, daß die Pupillen
sich mehr weiteten, wenn die Kleinkinder
eine Szene betrachteten, die mehrere Mög -
lichkeiten offenließ, als wenn das betrachtete
Objekt eindeutig zu identifizieren war. Diese
Ergebnisse bestärken ebenfalls die Annahme,
daß Kleinkinder von sich aus als Reaktion
auf unklare Gegebenheiten mehrere al -
ternative Möglichkeiten mental abbilden
können.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Über das KIKO Babylab - CEU Forschungszentrum
für KinderKognition
KIKO Babylab ist eine Forschungseinrichtung
am Institut für Kognitionswissenschaft
der Central European University in
Wien Favoriten, die die Entwicklung der
menschlichen Kognition untersucht. Dort
wird erforscht, wie Babys und Kleinkinder
lernen die Welt um sich herum zu verstehen.
Die Studien sollen Kindern Spaß machen:
Sie sind kurzweilig und beinhalten Spiele
oder das Ansehen von kurzen Filmen.
Gleichzeitig versucht das Babylab Antworten
auf verschiedene Forschungsfragen zu
finden. Die Studien sind für Kinder im Alter
von drei Monaten bis zu acht Jahren konzipiert.
Das Team des KIKO Babylab ist stets
auf der Suche nach Familien, die freiwillig
an einer Studie teilnehmen wollen – entweder
indem sie dem Babylab in Wien Favoriten
einen Besuch abstatten oder indem sie
bei einer Onlinestudie mitmachen. n
https://www.ceu.edu/
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
Nationalbibliothek erwirbt
Nachlaß von Thomas Bernhard
Nach jahrelangen Bemühungen ist es der Österreichischen Nationalbibliothek
mit Unterstützung des Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst
und Sport gelungen, einen der bedeutendsten deutschsprachigen Nachlässe
des 20. Jahrhunderts zu erwerben.
150
© Österreichische Nationalbibliothek / Harry Weber
Thomas Bernhard während einer Probe zu „Heldenplatz“ am Wiener Burgtheater, 1988
Thomas Bernhards Nachlaß ist nahezu
vollständig überliefert, er deckt die ge -
samte literarische Produktion ab und liefert
damit Einsicht in einen Schreibprozeß, der
über Jahrzehnte kaum je ins Stocken geriet.
Zu diesem Ganzen gehören die vielen Teile,
die im Nachlass überlieferten Fragmente und
Entwürfe. Somit bildet dieser Bestand eine
unverzichtbare Materialbasis, aus der der Zu -
sammenhang zwischen Leben und Werk, von
Bernhards Schreibanfängen bis zu seinem
Tod, deutlich wird.
„Ich freue mich, daß der umfangreiche
schriftstellerische Nachlaß Thomas Bernhards,
der auch die Schriften und Briefe seines
Großvaters, Johannes Freumbichler, um -
faßt, an die Österreichische Nationalbibliothek
geht“, so Kunst- und Kulturstaatssekretärin
Andrea Mayer. „Großer Dank gilt dem
Verhandlungsteam und Dr. Peter Fabjan, der
das Erbe seines Bruders mehr als drei Jahrzehnte
lang professionell und mit großer Um -
sicht betreut und wesentlich zur internationalen
Wirkung dieses einzigartigen Autors beigetragen
hat. Der Erwerb des Nachlasses ist
auch ein Auftrag: nämlich das Werk Bernhards
in seiner Entstehung zu erforschen, im -
mer wieder aufs Neue auf seine Aktualität
hin zu befragen und in Ausstellungen, Son -
derschauen, Lesungen, Diskussionen und an -
deren Formaten dem literaturinteressierten
Publikum zu präsentieren. Und es gibt keinen
besseren Ort dafür als die Österreichische
Nationalbibliothek mit ihrem Literaturarchiv
im Michaelertrakt der Hofburg und dem
Literaturmuseum in der Johannesgasse“.
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Die Generaldirektorin der Österreichischen
Nationalbibliothek, Johanna Rachinger, be -
tont: „Thomas Bernhards Werk ist einzigartig
in der deutschsprachigen Literatur nach
1945, es ist Teil der Weltliteratur. Für mich
ist dieser Nachlaß einer der bedeutendsten
Zu gänge in der Geschichte der Österreichischen
Nationalbibliothek. Wir sind uns der
Verantwortung bewußt, diesen Bestand langfristig
für die Forschung und die Allgemeinheit
zu sichern.“
Der Nachlaß umfaßt sämtliche veröffentlichten
und unveröffentlichten Werke sowie
alle überlieferten Korrespondenzen. Allein an
unveröffentlichten Texten sind über 150 Ti -
tel verzeichnet, hinzu kommen Notizen und
autobiografische Aufzeichnungen. Der Werk-
Bestand macht knapp 30.000 Blätter mit
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
151
© Österreichische Nationalbibliothek
Thomas Bernhard: Alte Meister. Erste Seite des Typoskripts mit Korrekturen
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
152
Handschriften, handschriftlich korrigierten
Typoskripten und Fahnenkorrekturen aus.
Die Korrespondenz setzt sich aus der Familienkorrespondenz,
der Verlagskorrespondenz,
sowie aus Briefen von Einzelpersonen
und Institutionen zusammen. Die umfangreichen
Korrespondenzen mit Bernhards Verlagen,
hier vor allem mit Siegfried Unseld und
dem Suhrkamp Verlag, aber auch mit dem
Residenz-Verlag, lassen die Entstehung und
die Rezeption der Bücher und Theatertexte
nachzeichnen. Bernhards Verhältnis zu seinen
Verlegern ist ebenso aufschluß- wie konfliktreich.
In den insgesamt 15 Archivboxen mit
Kor respondenzen finden sich Briefe von u.a.
Ingeborg Bachmann, Werner Bergengruen,
Heinrich Böll, Elias Canetti, Peter Handke,
Marlen Haushofer, Hans Werner Henze,
Bernhard Minetti, Claus Peymann, Hilde
Spiel, Siegfried Unseld oder Alice und Carl
Zuckmayer. Die Korrespondenz mit Thomas
Bernhards Lebensmenschen Hedwig Stavianicek
nimmt was Laufzeit, Umfang und In -
halt anbelangt, eine Sonderstellung ein. Al -
leine dieser Briefwechsel umfaßt 381 handund
maschinenschriftliche Briefe von Thomas
Bernhard und 245 Briefe von Hedwig
Stavianicek. Er ist für die Dauer von zehn
Jahre nur mit Zustimmung der Erben einsehbar.
Thomas Bernhard hat unablässig ge -
schrieben, korrigiert, Entwürfe verfaßt und
wieder verworfen. Der Schreibprozeß ist
wiederholt Thema seiner Texte. Im Roman
„Alte Meister“ heißt es: „Die höchste Lust
haben wir ja an den Fragmenten, wie wir am
Leben ja auch dann die höchste Lust empfinden,
wenn wir es als Fragment betrachten,
und wie grauenhaft ist das Ganze und ist uns
im Grunde das fertige Vollkommene.“
Der Nachlaß eröffnet vielfältige Perspektiven
für Publikationen, digitale Editionen,
Online-Präsentationen oder Veranstaltungen,
um dieses einzigartige Lebenswerk einer
breiten Öffentlichkeit noch zugänglicher zu
machen. Das Literaturmuseum der Österreichischen
Nationalbibliothek, in dessen Dauerausstellung
zur österreichischen Literatur
bereits jetzt Filme, Fotos, Briefe und Manu -
skripte von und zu Thomas Bernhard gezeigt
werden, soll Ort für weitere Begegnungen
mit Thomas Bernhards literarischem Vermächtnis
werden.
Durch die bereits in der Anfangsphase
der Bearbeitung des Nachlasses am Thomas
Bernhard-Archiv in Gmunden erfolgte Einbindung
des Literaturarchivs der Österreichischen
Nationalbibliothek ist eine Kontinuität
in der Bearbeitung gewährleistet. Das
Literaturarchiv beherbergt die wichtigsten
literarischen Nachlässe und Sammlungen
aus Österreich im 20. Jahrhundert, von Karl
Kraus und Robert Musil über die mit Bernhard
bekannte Hilde Spiel bis zu der von ihm
verehrten Ingeborg Bachmann und zu Peter
Handke. In diesen Beständen finden sich
zahlreiche Bezüge zu Thomas Bernhard, klei -
nere Sammlungen mit Briefen, Zeichnungen
und Lebensdokumenten wurden in den letzten
Jahren kontinuierlich erworben.
„Thomas Bernhard hat einen singulären
literarischen Kosmos geschaffen, in dem
Sprache, Stil und Weltanschauung unauflöslich
ineinander verwoben sind. Der Nachlaß
gewährt Einblicke in die Werkstatt, in der
Bernhards Themen wie die Verdrängung der
nationalsozialistischen Vergangenheit und das
Verhältnis von Geist und Körper angesichts
des Todes bearbeitet werden“, so Bernhard
Fetz, Direktor des Literaturarchivs und des
Literaturmuseums der Österreichischen Na -
tionalbibliothek
In Bernhards Autobiographie spielt die
Beziehung zum Großvater, dem Schriftsteller
Johannes Freumbichler (1881-1949), eine
zentrale Rolle. „Die Großväter sind die Lehrer,
die eigentlichen Philosophen jedes Menschen“,
heißt es in „Ein Kind“ (1982). Der
zeitlebens weitgehend erfolglose Schriftsteller
Johannes Freumbichler kann als Modell
für die vielen scheiternden Künstlerfiguren
und Privatgelehrten im Werk Bernhards
gesehen werden. Sein 1937 im Zsolnay Verlag
erschienener „Salzburger Bauernroman“
„Philomena Ellenhub“ wurde zum „erste(n)
und einzige(n) Erfolg“, wie Bernhard in „Ein
Kind“ feststellt. Johannes Freumbichlers
kompletter Nachlaß, bestehend aus Werkmanuskripten,
Korrespondenzen, Lebensdokumenten
und Sammelstücken im Umfang von
44 Archivboxen wurde ebenfalls erworben.
Werk und Wirkung
Kultfigur und Objekt der Bewunderung
für seine Fans, Reibebaum für bereits mehrere
Generationen von AutorInnen – Thomas
Bernhard ist einer der international wichtigsten
und meistdiskutierten Vertreter der
deutschsprachigen Literatur nach 1945. Ab
Mitte der 1960er-Jahre bis zu seinem Tod
sorgten Werk und Person Thomas Bernhards
(1931-1989) für ständig wachsendes Aufsehen.
Eine Reihe von öffentlichen Erregungen
begleiteten die Rezeption seines Werks. Die
öffentlichen Attacken des Autors auf Politiker
sind legendär, ebenso wie die Anfeindungen,
denen Bernhard ausgesetzt war. Die
Aufführung des Stückes „Heldenplatz“ im
Gedenkjahr 1988 wurde zu einem Prüfstein
für Österreichs Umgang mit der nationalsozialistischen
Vergangenheit. Weit über einen
engeren Kreis der Leserschaft wurde der Au -
tor zu einer öffentlichen Figur, eine Rolle,
die Bernhard in Interviews und öffentlichen
Stellungna! hmen über Jahrzehnte virtuos
einnahm.
Bernhard studierte ab 1956 Schauspiel,
Regie und Dramaturgie am Salzburger Mozarteum.
Im Juni 1957 legte er die Reifeprüfung
am Schauspielseminar ab. Das frühe
Interesse an Musik und Theater zeigt sich
auch an den vielen unveröffentlichten Entwürfen
im Nachlaß.
Mit dem Stück „Ein Fest für Boris“, das
am 29. Juni 1970 unter der Regie von Claus
Peymann in Hamburg uraufgeführt wurde,
begann Bernhards internationale Theaterkarriere,
die Anfang der 1960er-Jahre mit kurzen
Einaktern und zwei Opernlibretti zur
Musik von Gerhard Lampersberg am Kärntner
Tonhof eingesetzt hatte. Neben frühen,
vor allem Gerichtsreportagen für das Salzburger
„Demokratische Volksblatt“ (1952
bis 1954) und Lyrikbänden („In hora mortis“,
„Unter dem Eisen des Mondes“, beide
1958) folgten von „Frost“ (1963) über „Verstörung“
(1967) bis zu „Heldenplatz“ (1988)
eine große Zahl an Prosawerken und insgesamt
18 abendfüllenden Theaterstücken, die
heute zum Kernbestand der deutschsprachigen
Literatur zählen. Das literarische Vexierspiel
mit Wirklichkeit und Fiktion im Roman
„Holzfällen“ oder in der Autobiografie
(1975-1982) sorgte für Skandale in der
Öffentlichkeit und für literaturtheoretische
wissenschaftliche Arbeiten.
Die Wirkung des Autors läßt sich an den
zahlreichen künstlerischen Bearbeitungen
seiner Werke ablesen, ebenso wie an den stilistischen
Anleihen und direkten Bezugnahmen
durch viele zeitgenössische Autorinnen
und Autoren, vom ungarischen Nobelpreisträger
und KZ-Überlebenden Imre Kertész
bis zum französischen Skandalautor Michel
Houellebecq. Ungezählt sind die wissenschaftlichen
Arbeiten, die auf der ganzen
Welt zu Bernhards Leben und Werk entstanden.
Bernhards Präsenz belegen außerdem
die zahlreichen Übersetzungen und aktuellen
Theater-Inszenierungen.
Es gibt sehr wenige AutorInnen, deren
Werk auch Jahrzehnte nach ihrem Tod noch
eine vergleichbare internationale Wirkung
entfaltet.
n
https://www.onb.ac.at/
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Bernhard
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Wissenschaft & Technik
Den Schreibern des
Mittelalters auf der Spur
153
Ein Forschungsprojekt der FH St. Pölten ordnet Handschriften den Urhebern zu
Credit: : Martin Haltrich / Stift Klosterneuburg
Ein Pergament aus dem 3. Drittel des 12. Jahrhunderts zu Verwendung von Psalmen. Geschrieben von 2 „Händen“ (Schreibern).
Niederösterreichs Klöster verfügen über Einsatz von Active Machine
schinellem Lernen wird die große Menge an
umfangreiche Sammlungen mittelalterlicher
Learning zur Schreibstilanalyse
Seiten rascher analysiert. Dabei geht es nicht
Handschriften. Es gibt meistens keine
Hinweise darauf, wie viele Schreiber in ei -
nem Kloster tätig waren, ob diese zwischen
Klöstern wechselten und wie die Schreibstuben
organisiert waren.
Ein Forschungsprojekt unter der Leitung
der FH St. Pölten unterstützt die historische
Forschung und identifiziert mittels künstli -
cher Intelligenz Kopisten von Manuskripten
aus dem 12. Jahrhundert in der Bibliothek
des Stifts Klosterneuburg.
Das Projekt analysiert eben anhand von
künstlicher Intelligenz die Schreibweisen ver -
schiedener Schreiber und identifiziert diese
durch stilistische Merkmale ihrer Handschrift.
Das gibt Aufschluß über die Verteilung
der Schreiber in den Manuskripten und
die Organisation der Schreibstuben.
Die klassische manuelle Schreibstilanalyse
erfolgt bisher durch ExpertInnen und ist
ein langwieriger und zeitaufwendiger Prozess.
Zudem besteht die Gefahr, daß die
Ergebnisse subjektiv durch individuelle Eindrücke
beeinflußt werden.
„Es gibt Ansätze, die Handschriften mit -
telalterlicher Schreiber durch maschinelles
Lernen zu identifizieren. Diese sind jedoch
für große Textsammlungen nicht verwendbar.
Es geht hier um zehntausende Seiten“,
sagt Markus Seidl, vom Institut für Creative\
Media/Technologies an der FH St. Pölten,
der das Projekt leitet und mit seinem Team
ein Verfahren entwickelt hat, damit die automatische
Analyse auf große Mengen von
Manuskripten angewendet werden kann.
Mit hilfe von künstlicher Intelligenz und ma -
darum, einzelne Schreiber als Personen oder
mit Namen zu identifizieren, aber festzustellen,
ob verschiedene Texte vom selben
Schreiber stammen oder von unterschiedlichen
Händen.
Zusammenarbeit von Mensch und
Maschine
In diesem interdisziplinären Projekt ar -
beiten HistorikerInnen und InformatikerInnen
zusammen. Grundlage für die Untersuchung
sind alle in der Stiftsbibliothek Klosterneuburg
aufbewahrten und mittlerweile
digitalisierten Handschriften des 12. Jahrhunderts.
Die TU Wien ist Projektpartner.
„Wir verbinden die Vorteile des maschinellen
Lernens mit der menschlichen Expertise“,
sagt Seidl. Die Maschine macht den
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
154
Credit: : Martin Haltrich / Stift Klosterneuburg
Credit: Julius Weißmann / FHSTP
Credit: Marton Doka / FHSTP
SchriftforscherInnen, den PaläografInnen,
einen Vorschlag zur Schreiberhand. Die Ex -
Manuskript mit Wechsel des Schreibers
Ein Schreiber („Eine Schreiberhand“) in drei Manuskripten
pertInnen können diesen annehmen, ablehnen
oder einen anderen Vorschlag machen.
Benutzerschnittstelle des im Projekt entwickelten Active Learning AI Editors
Durch die Bewertung der ExpertInnen wird
das Computermodell laufend verbessert. „Der
Vorteil ist, eine große Menge an Manuskripten
viel schneller in einem ersten Schritt einordnen
zu können, als dies Menschen ma -
chen könnten“, so Seidl.
„Dieses Projekt hilft nicht nur, ein bedeutendes
Desiderat der Geschichtsforschung
interaktiv zu bearbeiten, sondern schafft auch
neue Analysemöglichkeiten und -werkzeuge,
die ein tieferes Wissen über alle anderen
mittelalterlichen Schreibsstuben im heutigen
Niederösterreich ermöglichen. Basierend auf
dem Studium des Klosterneuburger Skriptoriums
im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts
können größere ungelöste Fragen zur Organisation
der Schriftlichkeit in den hochmit -
telalterlichen (nieder)österreichischen Klöstern
beantwortet werden“, sagt Martin Halt -
rich, Leiter der Stiftsbibliothek Klosterneuburg.
Forschung – Lehre – Abschlußarbeiten
Das Projekt ist auch ein hervorragendes
Beispiel für die internationale und interdisziplinäre
Verknüpfung von Lehre und Forschung.
Im Laufe des Projekts sind schon
zwei Masterarbeiten fertiggestellt worden,
eine befindet sich in Arbeit. Die Masterarbeiten
stammen von der Universität Mainz
(Digital Humanities), der Universität Wien
(Geschichte) und der FH St. Pölten (Interactive
Technologies):
m „Maschinelles Lernen zur Untersuchung
von Schreiberhänden des Klosterneuburger
Skriptoriums im letzten Drittel des
12. Jahrhunderts“ von Julius Weißmann
m „Das erste Skriptorium des Stiftes Klosterneuburg
im 12. Jahrhundert. Studie
zur Methodenentwicklung in der Skriptorienforschung“
von Viktoria Reich
m „Development of a Siamese Convolutional
Neural Network for Handwritten Text
Similarity Estimation in Medieval Manu -
scripts“ von David Schaupp
Weiters haben mehrere Studierende aus den
Bachelor Studiengängen Creative Computing
und Medientechnik sowie dem Ma ster
Digital Innovation and Research das Projekt
im Rahmen von Lehrveranstaltungen und
Praktika und als Research Assistants begleitet.
Projekt Scribe ID
Das Projekt wird von der Gesellschaft für
Forschungsförderung Niederösterreich (GFF
vormals NFB) über den FTI Call 2018 Digitalisierung
gefördert. PartnerInnen im Projekt
sind Stift Klosterneuburg und TU Wien. n
https://www.fhstp.ac.at/
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Nach fast zweijähriger, pandemiebedingter
Pause konnte am 7. Oktober der schon
lange angekündigte 15. Bibliophile Salon im
Antiquariat Kainbacher in Baden veranstaltet
werden. Wie bei den vorangegangenen Veranstaltungen
war die Teilnehmerzahl für die
geladenen Gäste begrenzt, was der Attraktivität
der Veranstaltung jedoch keinen Ab -
bruch tat. Die rund 35 nach Anmeldung ausgewählten
Gäste durften sich auf einen ab -
wechslungsreichen Abend freuen. Diesmal
waren als Vortragende der Kulturanthropologe
und Ethnohistoriker Univ.Prof. Hermann
Mückler sowie der Weltreisende und Reisebuchschriftsteller
Peter Steiner geladen.
Er sterer berichtete in seiner bildreichen
Präsentation über die Bedeutung von Kleidung
und Schmuck sowie das Verhältnis von
Nacktheit zu Verhüllung anhand zahlreicher
Beispiele aus Ozeanien. Peter Steiner reflektierte
anschließend die ökologischen Veränderungen
in Westafrika anhand von Vergleichen
der Gegenwart zu den 1970er Jahren so -
wie Veränderungen in der sprachlichen Auseinandersetzung
mit dem Thema Afrika. Bei -
de Vorträge erlaubten eine eingehende Dis -
kussion der aufgetauchten Fragen. Sowohl
in der Pause zwischen den Vorträgen als
auch an diese anschließend, ergaben sich bei
Speis und Trank weitere Gelegenheiten zum
fachlichen Austausch.
Die Bibliophilen Salons im 1998 gegründeten
Antiquariat Kainbacher schließen be -
wußt an die bildungsbürgerliche Tradition
solcher kleiner, aber exklusiver Veranstaltun -
gen an, um einem interessierten Publikum
den unmittelbaren Kontakt zu Fachwissenschaftlern,
Literaten, Kunst- und BücherexpertInnen
sowie -sammleInnen zu ermögli -
chen. Die zwischenzeitig selbst schon Tradition
gewordenen Vortragsabende im Ambien -
te tausender alter und zum Teil sehr wertvoller
Bücher im Antiquariatslokal erfreuen sich
einer großen Beliebtheit.
Der Gastgeber, der Geograph und Antiquar
Paul Kainbacher, gilt selbst als Experte
für die wissenschaftliche Aufarbeitung der
schrittweisen Entdeckung und (kolonialen)
Erschließung Afrikas sowie anderer Weltregionen,
wozu er zahlreiche Bücher veröffent -
lichte. Zusammen mit seiner Frau Doris
empfängt er bei den Salons die Gäste und
Wissenschaft & Technik
15. Bibliophiler Salon
Fachvorträge zu Entdeckungs-, Reise- und
Kolonialgeschichte im Antiquariat Kainbacher
Foto: privat
Foto: privat
Der Kulturanthropologe und Ethnohistoriker Univ.Prof. Hermann Mückler bei seinem Vortrag
Vortragenden und moderiert die Veranstaltungen.
Zu den Vortragenden der bereits stattgefundenen
Salons zählten Fachwissenschaftler
aus den verschiedensten geistes-, kultur-,
sozial- und naturwissenschaftlichen Fächern.
Dazu zählten u.a. Univ.Prof. Walter Sauer,
Afrikaexperte am Institut für Wirtschaftsund
Sozialgeschichte sowie wissenschaftlicher
Leiter des Dokumentations- und Koope -
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
155
rationszentrums Südliches Afrika (SADOCC),
die Leiterin des Photoinstituts Bonartes
Monika Faber, der Afrikanist der Universität
Wien, Univ.Prof. Michael Zach, der von der
Technischen Universität Istanbul stammende
Geologe Prof. A. M. Celâl Şengör, die Nordpazifik-Expertin
Gudrun Bucher, der Historiker
und Schriftsteller David G. L. Weiss,
der Biologe und Feuerlandexperte Univ.
Prof. Manfred Niekisch, der Historiker
Univ.Prof. Hubert Szemethy, sowie private
Fachleute mit ihren jeweiligen Expertisen
wie z.B. Anke Oberlies, Leopold Kremser
und Franz Kotrba.
Die Bibliophilen Salons untermauern den
Anspruch des Antiquariats, qualitativ hochwertige,
äußerst seltene und daher attraktive
Werke insbesondere aus den Bereichen der
Reiseliteratur sowie europäisch-überseeischer
Entdeckungs- und Forschungsgeschichte
sicht bar zu machen und einem interessierten
Käuferpublikum zu präsentieren. Dies ge -
schieht auch primär im Rahmen aufwendig
gestalteter Kataloge. Damit zählt das Antiquariat
Kainbacher, welches auch mit wissenschaftlichen
Institutionen zusammenarbei -
tet, international zur ersten Liga führender
An tiquariate und ist auf den namhaftesten
Büchermessen weltweit vertreten. hm
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Im Reich der alten Bücher –
das Antiquariat Kainbacher
Das Antiquariat Kainbacher wurde 1998
von Paul Kainbacher gegründet. Das Ge -
schäft, „das Buchhaus“ genannt, in der Eichwaldgasse
1 in Baden bei Wien besteht seit
2004. Sie können auf 250 m² auf zwei Ebenen
im Bestand von ca. 10.000 antiquarischen
Büchern gustieren. Das Antiquariat ist spezialisiert
auf antiquarische Bücher zum Thema
Reisen, Expeditionen, Weltreisen und Völkerkunde,
aber auch Naturwissenschaften. Die
Reisebeschreibungen von Humboldt, Cook,
Nansen, Stanley und vielen anderen, als auch
die naturwissenschaftlichen Publikationen der
österreichischen Expeditionen der Mitglieder
der Novara-Expedition oder der Brasilien-
Expeditionen um 1825 sind Teile des Angebots.
Grundsätzlich sind alle Teile der Erde
Thema. Bei den Naturwissenschaften ist Kain -
bacher auf jene Publikationen fokussiert, wel -
che „die Welt veränderten“. Darunter befinden
sich Werke von Euler, Einstein, Planck,
Kepler, Boltzmann, Röntgen und Freud.
Gerade in der heutigen, schnell-lebigen
Welt, einer Welt der Massenproduktion, stellen
Qualität und Seriosität entscheidende Fak -
toren dar. So bemüht sich Paul Kainbacher
Foto: Antiquariat Kainbacher
Kultur
Paul Kainbacher vor einem Teil
seiner antiquarischen Schätze
156
um seltene und gut erhaltene Bücher. Sollten
diese in einem schlechten Zustand angekauft
werden, so wird eine Restauratorin mit der Er -
haltung beauftragt. Diese alten Bücher sind
für Kainbacher ein Teil der Menschheitsgeschichte
und unserer Kultur. Er möchte diese
erhalten und danach an eine private oder öf -
fentliche Bibliothek verkaufen.
Paul Kainbacher fährt sowohl zum An -
kauf vor allem in Österreich und Deutschland
zu Besichtigungen, aber auch auf Antiquariatsmessen
wie in Stuttgart, London, New
York oder Hongkong wird an- und verkauft.
Ein wichtiger Punkt beim Verkauf dieser al -
ten Bücher ist eine exakte Zustandsbeschreibung
sowie eine kurze Beschreibung über die
Bedeutung des Buches. Dabei ist die Vollständigkeit
wichtig – es sollten alle Seiten,
Tafeln und Karten vorhanden sein, wenn
nicht, ist dies zu vermerken – und der Zu -
stand. Pro Jahr pu bliziert Paul Kainbacher
drei bis vier Kataloge, in denen die Neueingänge
angeboten sind. Designt zusammen mit
einer Graphikerin sind die Ka taloge selbst zu
Sammelobjekten geworden.
Dreimal im Jahr veranstalten Doris und
Paul Kainbacher den Bi bliophilen Salon, bei
dem Vorträge von Wis senschaftlern zu den
Themen zahlreiche Samm ler, Kollegen und
Interessierte versam meln.
n
https://antiquariat-kainbacher.at/
kainbacher@kabsi.at
Tel.: ++43 / 699 / 110 19 221
Sehen Sie hier Beispiele aus dem Kainbacher-Katalog „Reisen und Expeditionen“ – zwei seltene Reiseberichte aus dem 19.Jajhrhundert
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
Ruth Baumgarte – Africa:
Visions of Light and Color
157
Von 7. Dezember 2022 bis 5. März 2023 in der Albertina Wien
© Kunststiftung Ruth Baumgarte
Mit der deutschen Malerin Ruth Baumgarte
(1923 – 2013) präsentiert die
Albertina eine Künstlerinnenposition des 20.
Jahrhunderts: Das Werk der großen Koloristin
wird erstmals in Österreich gezeigt.
Im Mittelpunkt der Schau in der Pfeilerhalle
steht Baumgartes umfassender Werkkorpus,
dem Reisen der Künstlerin in afrikanische
Länder wie Ägypten, Südafrika, Ke -
nia, Tansania, Uganda, Äthiopien, Sudan und
Simbabwe zugrunde liegen. Die insgesamt
38 Ölgemälde besitzen bei ihrer Betrachtung
Ruth Baumgarte, African Vision, 1998, Öl auf Leinwand
eine geradezu magische Qualität. Der simbabwische
Dichter Chirikure Chirikure sagt
über die Künstlerin: „Die Länder Afrikas
und seine Völker waren für sie keine Modelle,
die es auf der Leinwand festzuhalten galt,
sondern ein integraler Bestandteil ihrer
Lebensreise.“
Ab den 1950er-Jahren bis ins hohe Alter
reist die Künstlerin über 40 Mal nach Afrika,
wo sie die Menschen aufmerksam beobachtet,
sich empathisch in sie einfühlt. Sie interessiert
sich für die fremden Kulturen eines
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
damals für europäische Kunstschaffende noch
unerschlossenen Kontinents. Zentral für das
Verständnis von Ruth Baumgartes Kunst ist
das Verhältnis von Mensch und Natur, die
Ver schmelzung von Figur und Landschaft.
Auf Basis schneller Skizzen, die sie vor Ort
anfertigt, schafft sie später – wieder zuhause
in ihrem Atelier in Deutschland – farbintensive
Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen.
Zu sehen war das Werk Baumgartes zu -
letzt im Museum für Kunst und Kulturgeschichte
in Dortmund, im Ludwig Museum
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
158
im Marmorpalast, im Staatlichen Russischen
Museum Sankt Petersburg sowie im Ludwig
Museum Koblenz. In Österreich wird die
Künstlerin erstmals gezeigt.
Eine große Koloristin unserer Zeit
„Dynamische Farbströme überziehen
gleich einer glühenden Lava die Bilder. Ne -
ben den strahlenden, geradezu das Auge
blendenden hellen Bereichen treten tief
leuchtende Farbpartien von nicht geringerer
Intensität auf, die dieselbe Sättigung wie das
intensive Rot, Gelb und Orange aufweisen.
Durch ihre zahlreichen Reisen nach Afrika,
begegnet Ruth Baumgarte jenen intensiven
Farbimpressionen, denen sie in der deutschen
Heimat nicht begegnen konnte. Formal
und koloristisch war Afrika mit seinem
grellen Licht und der hohen Farbintensität
für sie, was Tunis ein halbes Jahrhundert
zuvor für Paul Klee und August Macke war:
die Befreiung ihrer Malerei aus der mitteleuropäischen
Tradition“, so Albertina-Generaldirektor
Klaus Albrecht Schröder.
„Ruth Baumgarte hat ihre Afrikabilder zu
einem Zeitpunkt angefertigt, als Fragen nach
künstlerischer Aneignung und kultureller
Enteignung im Sinn aktueller Diskurse noch
nicht existierten. Trotzdem erkennt sie intuitiv,
daß politische Asymmetrien, die sich als
Culture Clash manifestieren, nicht in oberflächlicher
Harmonie aufgelöst werden können,
sondern in spannungsgeladenen Farbkompositionen
gestalterisch gleichsam als
Formproblem bewältigt werden müssen. So
entsteht ein spannungsreicher Kosmos, der,
ausgehend von flammenden Rottönen und
sattem Orange-Ocker über Gelb, Rosa und
Violett zu entschiedenen Violett-Blau-Tönen
in die Tiefe verfließt“, so Kuratorin und
Albertina-Modern-Direktorin Angela Stief
zum Werk der Künstlerin.
Ruth Baumgarte fertigte ihre Bilder Afrikas
zu einem Zeitpunkt an, als Fragen nach
künstlerischer Aneignung und kultureller Ent -
eignung noch nicht – wie heute im Zeitalter
postkolonialer Diskurse –zur Debatte standen.
Dennoch erkannte sie intuitiv, daß politische,
soziale und kulturelle Asymmetrien,
die sich als Culture Clash manifestieren, nicht
in einer oberflächlichen Harmonie aufgelöst
werden können, sondern in spannungsgeladenen
Farbkompositionen gestalterisch –
gleichsam als formal-ästhetisches Sediment
realer Gegensätze – problematisiert werden
müssen. So entstand ein koloristischer Kosmos,
der, ausgehend von flammenden Rottönen
und sattem Orange- Ocker über Gelb,
Rosa und Violett zu entschiedenen Violett-
© Kunststiftung Ruth Baumgarte
Ruth Baumgarte, Even the Elephant's Death Will Occur on a Single Day, 1995-1997
Öl auf Leinwand
Blau-Tönen in die Tiefe verfließt. Emotion
wird in Baumgartes Werken durch Farbigkeit
bis auf das Äußerste gesteigert.
Das sehr spezielle Licht, das auf den afrikanischen
Landschaften ruht, findet auf
diese Weise malerischen Ausdruck, während
die Auflösung der Formen und eine Allegorisierung
der Motive vom Unbehagen der
Künstlerin beim Erleben eines Kontinents
zwischen Aufbruch und bestehender Un -
gleichheit sowie Ausbeutung künden.
Ruth Baumgarte brachte mit ihrem ex -
pressiv-explosiven Spätwerk das gleißende
Licht Afrikas nach Europa. Licht als Farbe
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
und Farbe als Licht zu begreifen, wird in
ihren Werken zu einem künstlerischen Ereignis,
zu einer dramatischen Kraft. Lavaströme
von Farben und eine geradezu trunken
machende rhythmisch fließende Bewegung
durchströmen die Bildgefüge.
Mit der herausragenden Intensität ihrer
Gemälde reiht sich Baumgarte in die Genealogie
der großen Koloristen des 20. Jahrhunderts
ein. Reisen durch zahlreiche afrikanische
Länder waren für sie der Motor, um je -
ne Farbimpressionen freisetzen zu können,
denen sie unter dem verhangenen Himmel
ihrer deutschen Heimat nicht begegnen konn -
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
159
te. Baumgartes Kunst läßt sich weder auf
Genremalerei noch auf irgendeine narrative
oder beschreibende Kunst reduzieren: Das
Erlebnis des afrikanischen Lichts hinterließ
bei ihr einen ähnlich einschneidenden Eindruck
wie die Sonne der Provence bei Vincent
van Gogh, wie insgesamt das Licht Südfrankreichs
bei den Fauves um 1905.
Athi-Patra Ruga
In die Ausstellung von Ruth Baumgarte
integriert, finden sich zwei großformatige
Ta pisserien und eine Zeichnung von Athi-
Patra Ruga. Die Porträts des südafrikanischen
Künstlers geben keine realen Personen
wieder, vielmehr handelt es sich um hybride
Gestalten, die häufig feste Zuschreibungen
von Klasse, Ethnie und Geschlecht unterlaufen.
Athi-Patra Ruga ist der diesjährige Preisträger
der Ruth Baumgarte Stiftung und folgt
damit William Kentridge, Michael Armitage,
Nan Goldin, Mona Hatoum u. a. Ruga, der
1984 in Umtata (Südafrika) geboren wurde,
lebt zwischen Johannesburg und Kapstadt.
In seinem multimedialen Werk, das neben
Tapisserien und Zeichnungen auch Glasbilder
und Performances umfaßt, verfolgt er
eine opulente, schillernd bunte Ästhetik.
Mittels der Aneignung von westlichen Kontexten
und Stilrichtungen wie dem Expressionismus
vermischt er in seinem Werk verschiedene
kulturelle Einflüsse.
Ruga versucht in Auseinandersetzung mit
der postkolonialen Geschichte und der Anti-
Apartheid-Bewegung der 1950er-Jahre die
Traumata der Vergangenheit aus einem Ort
der Distanz zu betrachten. Er imaginiert ein
gleichwertiges Südafrika ohne Rassismus,
das jenseits persönlicher Trauer und subjektiver
Abwehr existiert.
Der Strom der Zeit
In dem Triptychon, das aus den Gemälden
„Sogar der Elefant stirbt innerhalb eines
© Privatbesitz Ruth Baumgarte
Ruth Baumgarte, Rückkehr, 1994, Öl auf Leinwand
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
160
Tages“, „Feuerwende“ und „Der Strom der
Zeit“ besteht, kreisen auf der linken Arbeit
Geier vor einer giftig gelben Landschaft,
während auf dem rechten Bild Adler auf
Felsformationen thronen und in der Mitte
Frauen Reisig sammeln. Alle Szenerien finden
vor einem dramatisch kolorierten Himmel
statt und lassen sich als ein Verweis auf
die blutige Geschichte Südafrikas lesen. Traditionell
gilt die Frau als Dreh- und Angelpunkt
für das Leben und Überleben auf dem
afrikanischen Kontinent. Die beiden symbolisch
aufgeladenen Flügeltafeln verkörpern
mit Geiern und Adlern die Antipoden Leben
und Unsterblichkeit. Große Bedrohung und
der Eindruck einer latenten Gefahr für die
Frauen ist offensichtlich. Der mißtrauische
Blick der Protagonistin betont die unheimliche
Bildatmosphäre.
African Beat I & II
Bis in ihr Spätwerk beschäftigten Baumgarte
die künstlerischen Möglichkeiten, Fi -
guren mittels einer dynamischen Bildkomposition
in Bewegung zu versetzen. Im Zentrum
der großformatigen Arbeiten African
Beat I und II steht der Tanz und die Ekstase.
Bewegte Körper fügen sich zu einer arabesken
energiegeladenen Collage. Der Rhythmus
der Bilder wird von einem vibrierenden
Hell-Dunkel-Kontrast und der Verschränkung
zahlreicher Techniken wie Gouache, Pastellkreide,
Kohle und Bleistift bestimmt.
Burning Sky
Burning Sky zählt zu den späteren Ölgemälden
aus Baumgartes Afrika-Zyklus, als
die Künstlerin verstärkt Menschen in infernoartigen
Landschaften auf der Flucht zeigt.
Dabei strukturiert sie den Raum spannungsreich
in mehrere Ebenen und verwebt die
Figuren mit dem natürlichen Umraum. Der
Himmel brennt wie Feuer und taucht die
Um gebung in ein apokalyptisch leuchtendes
Rot. Die Figur gleicht einer modernen Interpretation
des Titanen Atlas aus der antiken
Mythologie, der das Himmelsgewölbe auf
seinen Schultern zu tragen scheint.
Anatomical Landscape II
Das fast abstrakte Gemälde Anatomical
Landscape II wird von einer kaum erkennbaren
Rückenfigur dominiert. Der Körper des
Dargestellten verschmilzt vollkommen mit
der Landschaft. Baumgarte modulierte ihre
Bilder nahezu plastisch, vergleichbar mit Paul
Cezanne, der seine Gemälde durch das Ne -
beneinandersetzen von Farbflächen konstruierte.
© Kunststiftung Ruth Baumgarte
Ruth Baumgarte, Misunderstanding, 1993, Öl auf Karton
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
Werkverzeichnis in drei Bänden
Das künstlerische Gesamtwerk der gegen -
ständlich und expressiv arbeitenden Künstlerin
wird auf der Grundlage neuester wissenschaftlicher
Forschungen und mit einem auf
Vollständigkeit angelegten Verzeichnis in
einer opulenten dreibändigen Ausgabe präsentiert.
Ebenfalls wird das bisher noch un -
erforschte Kapitel der Illustrationsgeschichte
im Frühwerk der Künstlerin eröffnet.
Der Essayband verortet mit seinen biografischen,
kunst- und kulturhistorischen
Beiträgen Ruth Baumgartes Œuvre erstmals
und umfassend in der deutschen Kunstgeschichte.
Hinzutreten Betrachtungen über
die besondere, jahrzehntelange Beziehung
der Künstlerin zu Afrika und darüber, welche
Wechselwirkungen es zwischen ihren
Werken und der Filmografie zu entdecken
gibt. Weitergehend wird ihr gesamtes bildkünstlerisches
Werk aus acht Jahrzehnten im
zweiten Band chronologisch aufgeführt. Der
umfangreiche dritte Band des Werkverzeichnisses
gibt auch einen vollständigen Überblick
über die frühen Nachkriegs-Illustrationen
der Künstlerin.
n
https://www.albertina.at/
https://de.wikipedia.org/wiki/Ruth_Baumgarte
https://www.hirmerverlag.de/de/titel-1-1/ruth_baumgarte-2248/
Ab 27. Jänner 2023 in der Albertina zu sehen:
„Dürer, Munch, Miró – The Great Masters
of Printmaking“ ein grandioses Ausstellungsduett
zur Druck grafik der letzten sechs
Jahrhunderte.
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
Die Heidi Horten Collection
Das Heidi Horten Museum im vormaligen erzherzoglichen Kanzleigebäude liegt
in prominenter Lage im Herzen Wiens zwischen Staatsoper, Albertina und
Burggarten – Ausstellung LOOK von 21. Oktober 2022 – 16. April 2023
161
© Heidi Horten Collection
Heidi Goëss-Horten in den 1980er-Jahren
In einem Innenhof gelegen, wurde das ehemalige
Verwaltungsgebäude, erbaut 1914
von Erzherzog Friedrich, nach dem Entwurf
von the next ENTERprise architects in rund
20 Monaten in ein Museum für moderne und
zeitgenössische Kunst verwandelt.
Drei Ausstellungsebenen, die durch freischwebende
Treppen verbunden sind, bieten
auf rund 1.500 m² großzügige Ausstellungsflächen.
Ein Atelier mit Terrasse ist kreativen
Vermittlungsaktivitäten gewidmet, die
Heidi Goëss-Horten ein großes Anliegen
waren. Ein besonderer Ort im Museum mit
historischem Bezug ist der Tea Room: Ge -
staltet von den Künstlern Markus Schinwald
und Hans Kupelwieser, lädt er BesucherInnen
ein, in den Kosmos der Sammlerin einzutauchen
und nach dem Museumsbesuch zu
entspannen. Ein kleiner Museumsgarten eignet
sich zur Aufstellung von Skulpturen der
Sammlung und bildet eine unerwartete
Ruheinsel im Getriebe der Stadt.
Heidi Goëss-Horten stellte 2018 einen
relevanten Teil ihrer Kunstsammlung für die
Ausstellung „WOW! The Heidi Horten Collection“
im Leopold Museum zur Verfügung
und gewährte damit einer breiten Öffentlichkeit
zum ersten Mal Einblick in ihre Sammlungstätigkeit.
Die überwältigende Resonanz
auf die Ausstellung ließ in ihr den Wunsch
wachsen, die Kunstsammlung für alle Interessierten
dauerhaft zugänglich zu machen
und für kommende Generationen zu erhalten.
Mit dem Museum lädt Heidi Goëss-Horten
die BesucherInnen zu einer neuen Art
des Kunstgenusses und der Teilhabe an ihrer
außergewöhnlichen Sammlung ein. An dieser
Stelle sei auch erwähnt, daß sich die Heidi
Horten Collection im Gegensatz zu anderen
Privatsammlungen ausschließlich aus eigenen
Mitteln finanziert.
Der Aufbau der Privatsammlung nahm
seinen Anfang in den 1990er-Jahren nach
Helmut Hortens Tod. Helmut Horten erwarb
in den 1960er- und 1970er-Jahren einzelne
wenige frühe Werke Pablo Picassos, Emil
Noldes und Marc Chagalls für die Wohnsitze.
Heidi Goëss-Horten ersteigerte zunächst
auf eigene Initiative bei Auktionen, bald ließ
sie sich von Agnes Husslein-Arco fachlich
be raten und konnte so in rund 35 Jahren eine
der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen
schaffen.
Heidi Goëss-Horten hat unternehmerisches
Geschick bewiesen, indem sie in
Kunst investiert hat, welche eine bedeutende
Wertsteigerung erfahren hat. Die Kunstsammlung
in ihrer heutigen Gestalt ist im
überwiegenden Teil auf die Sammlungstätigkeit
sowie das damit verbundene Gespür und
Geschick der Sammlerin Heidi Goëss-Horten
zurückzuführen.
Ziel von Heidi Goëss-Horten war es, die
Kunstsammlung langfristig zu erhalten und
für alle Interessierten im neuen Privatmuseum
zugänglich zu machen. Betrieb und Er -
haltung des Museums sind auch nach ihrem
Tod langfristig abgesichert. Sie verstarb am
12. Juni 2022, nur wenige Tage nach der grossen
Eröffnung ihres Museums, im Kärtnter
Maria Wörth im Alter von 81 Jahren. „Ich se -
he mein Museum als Ort des Entdeckens, des
sinnlichen Erlebens, des Kunstgenießens –
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
162
denn genau das war und ist die Kunst bis
heu te für mich: ein unverzichtbarer Genuß!
Ich wünsche mir, daß die Menschen, die mein
Museum besuchen, dieses Gefühl genauso
erleben“, sagte sie über ihr Herzensprojekt.
Die erste Themenausstellung ab Herbst
2022 widmet sich unter dem Titel LOOK der
Museumsgründerin selbst und stellt einen
wesentlichen Gesichtspunkt ihrer Sammlung
in den Fokus: Frauenbildnisse und Aspekte
von Weiblichkeit.
LOOK
© Heidi Horten Collection/Bildrecht, Vienna, 2022
Das Bild der Frau und der Blick auf Frauen.
Dieses Wechselspiel bildet einen Schwer -
punkt in der Heidi Horten Collection. Die
erste Themenausstellung des Museums ist so
auch als Hommage an die Stifterin zu lesen
und widmet sich diesem Aspekt in der perspektivischen
Gegenüberstellung von Kunst
und Mode, Image und Images. In thematisch
gegliederten Kapiteln wirft die Ausstellung
Streiflichter auf dieses inspirierende Spannungsverhältnis.
Das Spektrum der gezeigten
Kunst reicht vom 18. Jahrhundert bis zur
Gegenwart, von glamourösen Diven, modernen
Frauen der Avantgarde, kontemplativen
Porträts und psychologisierenden Weiblichkeitsdarstellungen
über Accessoires mit Fe -
tischcharakter und Aktbildnissen bis hin zu
feministischen Gegenpositionen. Die in der
Ausstellung gezeigten Werke gehörten zum
direkten Lebensumfeld der Sammlerin, zeigen
ihre sehr persönliche Auswahl und spiegeln
in gewisser Art und Weise Seiten ihrer
starken und selbstbewussten Persönlichkeit.
LOOK ist keine „Modeausstellung“, dennoch
gehen Kunst und Mode auch durch das
Mitwirken des Modedesigners Arthur Arbesser
eine neue Beziehung – einen intimen
Dialog – ein.
Angelika Loderer, Untitled (Shoes),2016
© Heidi Horten Collection
Friedrich von Amerling, Der Brief, 1837
Das erste Kapitel der Ausstellung
kreist thematisch um Stars und Glamour in
der Kunst – in der Heidi Horten Collection
ist dieser Aspekt vor allem durch zentrale
Werke von Andy Warhol vertreten. Warhol –
„Papst“ der Pop-Art und Meister in der Kreation
seines glamourösen Selbstbildes – verfügte
aufgrund eigener Erfahrungen über ein
feines Gespür für die oft tragischen Schattenseiten
des Berühmtseins, die den zumeist
weiblichen Stars der Celebrity Gesellschaft
und des Films vielfach zum Verhängnis wurden.
In der Heidi Horten Collection finden
sich ikonische Porträts von den berühmtesten
Protagonistinnen wie Liz Tailor, Farah
Diba, Jacky Kennedy und natürlich Marilyn
Monroe, die selbst in diesem bereits exklusiven
Ensemble eine Sonderstellung einnimmt.
Die Zurschaustellung von Glamour und
Starkult gehen bei Warhol oftmals einher mit
deren Dekonstruktion und der Offenlegung
von Zerbrechlichkeit – wie dies etwa die
Siebdrucke der berühmten Diven eindrucksvoll
demonstrieren.
Ein weiteres Kapitel
steht ganz im Zeichen des Aufbruchs in die
Moderne und dem damit einhergehenden
Wandel des Bildes der Frau z.B. in der bürgerlichen
Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen.
Anschaulich wird diese Transfor-
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
© Heidi Horten Collection
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Egon Schiele, Damenbildnis (Wally), 1912
mation beispielsweise an Lyonel Feiningers
Doppelporträt Die Hochzeitsreise (1908), das
den Künstler und seine Frau Julia zeigt. Klei -
dung und Aussehen des Paares lassen auf
eine emanzipierte Haltung schließen, Ge -
schlechterrollen und Attribute werden aufgebrochen.
Ein gegensätzliches, traditionelleres
Bild liefert August Mackes Gemälde
Zwei Frauen vor dem Hutladen (1913). Der
Künstler vermittelt in seinem Werk keine
Details, sondern vielmehr einen bestimmten
Gesellschaftsstil, der sich in den flanierenden
Figuren mit extravaganten Hüten widerspiegelt.
Eine zentrale Arbeit dieses Kapitels
ist Commedia (Montparnasse Blues, 1925)
von Kees van Dongen. Das Werk verkörpert
alle Facetten der „Roaring Twenties“, und
damit auch ein modernes Frauenbild, wie an
der idealtypischen Darstellung der beiden
Figuren mit Kurzhaarfrisur – ein Zeichen der
Befreiung – und selbstbewußter Pose er -
kennbar wird.
Die Entwicklung des Porträts
steht im Mittelpunkt eines weiteren Kapitels
und markiert Brüche und Übergänge dieser
Disziplin – zwischen Rollenporträt und antiker
Paraphrase. Die Ausstellung spannt
einen Bogen vom träumerischen Blick von
© Heidi Horten Collection, Foto: www.kunst-dokumentation.com /Manuel Carreon Lopez
Kultur
Friedrich von Amerlings unbekanntem jungen
Mädchen bis hin zum völlig deformierten
Gesicht von Bacons Study for Portrait of
Henrietta Moraes. Amerling und Bacon stehen
sich in ihrer Porträtauffassung diametral
entgegen, weisen aber dennoch offenkundige
Gemeinsamkeiten auf: Beide sind fest in
ihrer Zeit und in ihrem gesellschaftlichen
Milieu verwurzelt und haben sich ganz der
Skizzenset von Yves Saint Laurent
163
Suche nach einem spezifischen Ausdruck
verschrieben. Anhand der Beispiele aus der
Heidi Horten Collection läßt sich die Entwicklung
des Porträts über drei Jahrhunderte
verfolgen, von der Darstellung einer Person
in ihrer ganz eigenen Individualität bis hin
zum allgemeingültigen Bild des Menschen:
Alexej von Jawlensky zeigt den Menschen
als vergeistigtes Wesen, Niki de Saint Phalle
als eine irdisch-weltliche Frau und Gerhard
Richter in seinem Verschwinden.
Der male gaze, also der objektifizierende
männliche Blick auf die Frau, dominiert die
Kunstgeschichte bis weit ins 20. Jahrhundert
hinein und spiegelt die gesellschaftlich tief
verwurzelte Ungleichheit der Geschlechter
wider. Mit der zweiten Welle der Frauenbewegung
Ende der 1960er-Jahre stellten sich
weibliche Kunstschaffende gegen tradierte
Geschlechterrollen sowie gegen Stereotypisierung
und Sexualisierung der Frau. Frauenbildnisse
entstehen nun aus der Perspektive
der Frau selbst. Der weibliche Körper so -
wie am Körper getragene, weiblich konnotierte
Gegenstände wie Kleidungsstücke und
Schuhe werden zum Vehikel und künstlerischem
Material, mit dem sich gesellschaftliche
Mißstände aufzeigen und Gegenmodelle
schaffen lassen. In der Ausstellung wird die -
se Entwicklung mit Arbeiten von Birgit Jürgenssen,
Gudrun Kampl oder Michèle Pagel
belegt. Schließlich zeigt die Ausstellung auch
eine Reihe von Aktbildern, die ausschließlich
von männlichen Künstlern stammen und
deren Blick auf Frauen zeigen. Gesammelt
wurden diese Werke allerdings von einer
Frau. Die ausgestellten Arbeiten bilden eine
Zeitspanne von 100 Jahren ab und geben so
einen Überblick über die Entwicklung des
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
164
© Heidi Horten Collection, Foto: www.kunst-dokumentation.com /Manuel Carreon Lopez
Givenchy, Modell 90 / 1981,
Abendkleid, Bustier aus schwarzem Samt
© Heidi Horten Collection, Foto: www.kunst-dokumentation.com /Manuel Carreon Lopez
Christian Dior, Modell 59 / 1981.
Abendkleid aus changierendem Seidentaft
Genres – von Edgar Degas‘ Rückenakt Torse
de femme (1886) bis zu Tom Wesselmans
Sitting Monica aus dem Jahr 1986. Dazwischen
finden sich berühmte Aktbildnisse des
Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner
Weiblicher Akt mit Badezuber (1912) oder
die während einer Performance entstandenen
Anthropometrien von Yves Klein, der schonungsloser
als jeder andere über das Verhältnis
von Maler und Modell sprach, indem er
postulierte, seine Modelle seien „seine Pinsel“.
Die präsentierten Bilder von Frauen, wie
sie sich zeigen und wie sie gesehen werden
und welche Gegenbilder von Künstlerinnen
geschaffen wurden, spiegeln gesellschaftliche
Vorstellungen und Normen. Dagegen
bie tet die Mode ein Experimentierfeld, um
Rollen aufzubrechen oder auch zu stabilisieren.
Seit dem 19. Jahrhundert wird Mode als
Paradigma der modernen Kultur verstanden
und ist das beherrschende Modell für das Hier
und Jetzt, für Zeitgeist, Gesellschaft und
deren Wandel. Kleidung ist textiles Medium
der Kommunikation, sie verbirgt und legt
gleichermaßen offen, dient der Selbstdarstellung,
ebenso wie dem Schutz und der Verhüllung
des Körpers.
So präsentiert die Ausstellung Haute-
Couture-Kleider von Christian Dior, Hubert
de Givenchy, Yves Saint Laurent, Jean Patou
und Jean-Louis Scherrer, die sich Heidi Horten
exklusiv schneidern ließ, um sie bei ge -
sellschaftlichen Anlässen zu tragen. Die Aus -
stellung zeigt neben 22 Roben auch Originalzeichnungen
mit Stoffmustern von Mode -
entwürfen, die sich Heidi Horten von den
Couturiers bzw. ihren Ateliers aus Paris
schicken ließ. Bestellscheine und Korres -
pondenz mit den Modemachern geben dar -
über hinaus einen Einblick in Heidi Hortens
persönliche Vorstellungen, die bei der Anfertigung
der Kleider berücksichtigt wurden.
Zu den Anproben fuhr sie gelegentlich auch
nach Paris. Wie Heidi Horten in ihren Kleidern
gewirkt haben könnte, welche Ausstrahlung
sie hatte oder welche Haltung in
solchen Kleidern angenommen werden
mußte, zeigt die auf die Museumswand projizierte
Videoarbeit, die der Designer Arthur
Arbesser und die Videokünstlerin Rosa Lisa
di Natale entwickelt haben.
Schließlich wird der von der Ausstellung
offenlegte Blick ins Private durch die Präsentation
von Preziosen und kostbaren Näh-
Necessaires in der Vitrine des Tea Rooms
erweitert. Heidi Horten zeigte Zeit ihres Le -
bens Interesse für Handarbeit. Dieses Interesse
gab den Anstoß für eine umfangreiche
Sammlung von Kostbarkeiten en miniature.
LOOK spielt pointiert mit der Bedeutung
von Aussehen und Erscheinungsbild im
Spannungsverhältnis von Privatheit und Öf -
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
165
© Heidi Horten Collection/Bildrecht, Vienna, 2022
Andy Warhol, Nine Multicolored Marilyns (Reversal Series),1979-1986
fentlichkeit sowie von Identität und Selbstverständnis.
Gleichzeitig versteht sich der Ti -
tel auch als eine Einladung, die unterschiedlichen
Facetten der Sammlung wie auch
ihrer Sammlerin auf eine sinnliche Art und
Weise zu betrachten. Die Ausstellung wurde
von Agnes Husslein- Arco gemeinsam mit
Heidi Goëss-Horten zu Lebzeiten geplant.n
https://hortencollection.com/
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
Tilla Durieux
Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen – Ausstellung im
Leopold Museum Wien von 14. Oktober 2022 bis 27. Februar 2023
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© Akademie der Künste, Berlin, Tilla-Durieux-Archiv, Nr. 248_5, Foto: Akademie der Künste, Berlin, Tilla-Durieux-Archiv, Nr. 248_5
Das Leopold Museum widmet dem
gefeierten Theater- und Filmstar Tilla
Durieux (1880–1971) die erste umfassende
Ausstellung. Durieux war sowohl moderne
Frau der 1920er-Jahre als auch politisch en -
gagierte Zeitgenossin, deren Rollen ebenso
vielfältig waren wie die Liste jener Künst -
lerInnen, denen sie Modell saß – unter ihnen
Auguste Renoir, Lovis Corinth, Franz von
Stuck, Max Slevogt, August Gaul, Emil Or -
lik, Ernst Barlach, Olaf Gulbransson, Max
Oppenheimer, Oskar Kokoschka, Frieda
Riess, Charley Toorop, Sasha Stone, Lotte
Jacobi und Mary Duras. Die Präsentation
geht erstmals der Faszination auf den Grund,
welche die gebürtige Wienerin und Wahlberlinerin
bereits auf ihre ZeitgenossInnen ausübte,
und folgt anhand von Bildnissen quer
durch alle Medien den Spuren dieser schillernden
Persönlichkeit.
Alexander Binder, Tilla Durieux, 1924–27
Geburtsstunde eines Stars
und erste private Porträts
Tilla Durieux, geborene Ottilie Helene
Angela Godeffroy, kam in Wien als Tochter
eines Chemieprofessors und einer Pianistin
in einer gutbürgerlichen Familie zur Welt.
Sie beschrieb ihr Elternhaus im noblen Wiener
Währinger Cottage als lieb- sowie freudlos
und flüchtete schon früh in eine Fantasiewelt.
Als 16jährige, ein Jahr nach dem Tod
ihres Vaters, beschloß sie – gegen den Willen
ihrer Mutter – Schauspielerin zu werden.
Nach einer Schauspielausbildung in Wien
schaffte sie es über Stationen in Olmütz 1902
und Breslau 1903 schließlich nach Berlin zu
Max Reinhardt ans Deutsche Theater. Im be -
kannten Schauspielensemble erhielt die
Nachwuchskünstlerin kleinere Engagements,
bis der gefeierte Star Gertrud Eysoldt (1870–
1955) erkrankte, Durieux für sie einsprang,
deren Hauptrolle in Oscar Wildes Stück Sa -
lome übernahm und brillierte – dies sollte
die Geburtsstunde der legendären Bühnenfigur
Tilla Durieux sein. Über die Jahre hinweg
spielte sie in allen wichtigen Häusern
Europas und stellte sich gerne – nicht nur auf
der Bühne, sondern ab 1914 auch vereinzelt
vor den Kameras der Stummfilm-Ära – herausfordernden
Rollen. Ihren Durchbruch als
Film- schauspielerin erlebte sie allerdings
erst nach dem Zweiten Weltkrieg.
Als Durieux 1902 ihren ersten Ehemann
Eugen Spiro (1874–1972) in Breslau kennen -
lernte, standen beide am Beginn ihrer Karrieren.
Der Maler und Grafiker – er hatte an der
Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe
studiert und seine Ausbildung als
Meisterschüler von Franz von Stuck (1863–
1928) in München abgeschlossen – führte
sie an die bildende Kunst heran. Aus Spiro
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© Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien © Bildrecht, Wien 2022
und Durieux wurde ein Paar, das in Berlin
Hochzeit feierte. In der Ausstellung im Leopold
Museum ist zu sehen, wie der Künstler
seine Frau aus unmittelbarer Nähe im privaten
Umfeld porträtierte und so Momente des
vertrauten gemeinsamen Glücks festhielt. Die
Ehe wurde jedoch 1905 geschieden, nachdem
Durieux den Kunsthändler und Verleger Paul
Cassirer kennengelernt hatte.
KünstlerInnenkreis um Cassirer und
Durieux – Entstehung zahlreicher
Auftragsporträts
Cassirer, ab 1910 Durieux‘ Ehemann, aus
einer wohlhabenden, einflußreichen Familie
stammend, förderte die bereits erfolgreiche,
ehrgeizige Schauspielerin und führte sie in
die Kunst- und Literaturkreise Berlins ein.
Ne ben Künstlern wie Max Liebermann, Lo -
vis Corinth, Max Slevogt, August Gaul,
Ernst Barlach oder Leo von König gehörten
im Laufe der Jahre ebenso Kulturschaffende
wie die Schauspielerin Tilly Wedekind und
Theater- autor Frank Wedekind, der Pianist
Leo Kestenberg, die Dichterin Else Lasker-
Schüler, der Schriftsteller Heinrich Mann, der
Sammler und umtriebige Chronist Harry Graf
Kessler, der Verleger Samuel Fischer, die
Kunstschriftsteller Julius Elias, Julius Meier-
Graefe, Max Osborn oder der Kritiker Alfred
Kerr zu dieser illustren Runde.
Von Gesprächen mit dem zur Zeit der
Porträtsitzungen bereits kranken Auguste Re -
noir (1841–1919), dessen Porträt als Leihgabe
aus dem Metropolitan Museum in New
Eugen Spiro, Dame mit Hund (Tilla Durieux), 1905
© Akademie der Künste, Berlin, Tilla-Durieux-Archiv, Nr. 213_1, Foto: Akademie der Künste, Berlin, Tilla-Durieux-Archiv, Nr. 213_1 © Stiftung Stadtmuseum Berlin
Harry Croner, Tilla Durieux und Ernst Ginsberg in Robespierre, 1963
York angereist ist, fühlte sich Tilla Durieux
hingegen tief berührt, und auch Ernst Barlach
(1870– 1938) stand der Künstlerin mit
der Zeit nahe. Nicht nur auf Papier oder Lein -
wand wurde sie verewigt, sondern auch in
vie len plastischen Arbeiten sämtlicher medialer
und materieller Ausformungen. Das
Leopold Museum zeigt Skulpturen etwa von
Ernst Barlach, Hermann Haller oder Hugo
Lederer.
In Berlin führten Cassirer und Durieux
einen Haushalt mit großen Abendgesellschaften,
an der holländischen Küste luden
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sie zur Sommerfrische. Von der Notwendigkeit
seines Einsatzes überzeugt, meldete sich
Cassirer 1914 zum Fronteinsatz, Durieux ar -
beitete als Krankenschwester in Berlin und
ließ diese Tätigkeit fotografisch dokumentie -
ren. Beide quittierten jedoch bald den Dienst
und kämpften fortan für den Frieden. Auch
im Schweizer Exil ab 1917 versammelte das
Ehepaar einen Kreis von Kulturschaffenden
und Intellektuellen um sich.
Rollenporträts und Theaterfotografien
Während viele der privaten Porträts in
Auftrag gegeben wurden, zählte das Posieren
in Theaterrollen oder in Zivilkleidung zu
den Begleiterscheinungen eines SchauspielerInnenlebens.
Für die diversen Rollenporträts
als Salome oder Potiphars Weib, welche
in der Präsentation im Leopold Museum zu
sehen sind, bildeten die ausführenden KünstlerInnen
Durieux in Aktion ab, für Franz von
Stucks (1863–1928) unterschiedliche – eben -
falls in der Ausstellung präsentierte – Versionen
der Circe hingegen posierte die Schauspielerin
im Atelier vor der Kamera wie auch
vor der Leinwand. Daß Stucks Circe heute zu
den bekanntesten Bildnissen Durieux’ zählt,
ist dessen Talent für die Vermarktung von
Reproduktionen geschuldet.
Erfolgreiche Inszenierungen in der
Presse und Schattenseiten medialer
Aufmerksamkeit
Mit wachsendem Erfolg wurde Tilla Durieux
zu einer Person des öffentlichen Lebens,
deren Rezeption sie aktiv gestaltete: Für
Zeitschriften wie Die Bühne, Moderne Welt
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oder Sport im Bild inszenierte sie sich als
Dame von Welt, suggerierte nachzueifernde
Sehnsuchtsbilder, zeigte sich als unerschrokkene
Pilotin und Modeikone oder gewährte
in Homestorys intime Einblicke in ihr Le -
ben. Doch auch die Schattenseiten der medialen
Aufmerksamkeit mußte Durieux kennenlernen:
Die Ehe mit Cassirer war geprägt
von unzähligen Konflikten, seine psychischen
Probleme wurden durch die Erfahrungen
des Ersten Weltkrieges an der Front verstärkt.
Nachdem Tilla Durieux 1926 die
Scheidung einreichte, unternahm Paul Cassirer
einen Selbstmordversuch, an dessen Folgen
er bald darauf starb. Sein tragischer Tod
entwickelte sich zu einem Skandal, in der
Klatschpresse wurde die Schauspielerin zum
todbringenden Racheengel stilisiert. Nach
dem Suizid Cassirers zog sich Durieux eine
Zeitlang weitestgehend von der Bühne zu -
rück. Zur emotionalen Stütze wurde bereits
in der Zeit vor Cassirers Suizid der Industrielle
Ludwig Katzenellenbogen (1877–
1944), der 1930 Durieux‘ dritter Ehemann
werden sollte
Der Star als Paradebeispiel für
die sogenannte »Neue Frau«
In den 1920er-Jahren galt der Star als Pa -
radebeispiel für die sogenannte „Neue Frau“.
Ein Wandel im Scheidungsrecht, die Industrialisierung,
der Zugang zu Hochschulen
für Frauen, ein mit dem ersten Weltkrieg einhergehender
Mangel an männlichen Arbeitskräften,
das Wahlrecht für Frauen im Großteil
Europas und modische Neuerungen, wie
die endgültige Ablegung des Korsetts, führten
zur maßgeblichen Modernisierung des
Frauenbildes. Künst- lerinnen wie Charley
Toorop, Martel Schwichtenberg oder die Fo -
tografinnen Lotte Jacobi und Frieda Riess
befaßten sich mit Durieux als „Neue Frau“
auf Papier oder Leinwand. Im Alltag war es
jedoch weiterhin meist die Frau, die Geringverdienerin
war und sich um Haus- halt und
Kinder kümmerte – die „Neue Frau“ blieb
vorerst eine Modeerscheinung.
© Deutsches Theatermuseum München Foto: Deutsches Theatermuseum, München, Inv. Nr. II 35621(ID 219507)
Becker & Maass, Berlin, Tilla Durieux als Salome in dem gleichnamigen Stück, 1903
Soziales und politisches Engagement,
erneut Exil während des Zweiten
Weltkriegs
Als Schauspielerin blieb Tilla Durieux
bis zum Beginn der nationalsozialistischen
Schreckensherrschaft in Deutschland aktiv.
Sie zeigte sich nicht nur künstlerisch, sondern
auch in sozialen wie politischen Fragen en -
gagiert: Begleitet von Leo Kestenberg (1882–
1962) trug sie vor dem Ersten Weltkrieg in
den Berliner Arbeitervierteln Klassiker der
Literatur vor. Im Zuge dessen lernte sie Rosa
Luxemburg (1871–1919) kennen, die sie
während deren Gefängnisaufenthalt finanziell
unterstützte. In den Wirren der Münchner
Räterepublik versteckte sie den wegen
Hochverrats gesuchten sozialistischen Revolutionär
und Schriftsteller Ernst Toller (1893–
1939). Während des Ersten Weltkrieges richteten
Paul Cassirer und sie in ihrer Berliner
Wohnung zwischenzeitlich einen „Mittags -
tisch für unbemittelte Künstler“ ein. Gemein -
sam mit Ludwig Katzenellenbogen unterstützte
sie Erwin Piscator (1893–1966) bei
der Finanzierung seiner Avantgardetheater-
Bühne und der Übernahme der Leitung des
Theaters am Berliner Nollendorfplatz. Nach
ihrer Flucht aus dem faschistischen Deutschland
beteiligte sich Durieux von Zagreb aus
an der Widerstandsbewegung.
Wie ihre beiden ersten Ehemänner war
auch Katzenellenbogen jüdischer Abstammung.
Als er sein Vermögen verlor, war es
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© Privatsammlung, Foto: Leopold Museum, Wien
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Max Slevogt, Die Schauspielerin Tilla Durieux als Kleopatra, 1907
Kultur
Durieux, die ihr Leben und später ihre Flucht
durch Gastspielauftritte sowie den Verkauf
von Schmuck und Bildern finanzierte. Ab
1933 zählten Prag, Ascona, Opatija – wo sie
das Hotel Cristallo betrieben – und schließlich
Zagreb, wo sich heute noch ein Teil von
Durieux‘ Sammlung im Stadtmuseum befindet,
zu den Stationen ihrer Flucht. Die Schau -
spielerin gab Gastspiele in Ländern, die sie
bereisen durfte und unterrichtete im Salzburger
Mozarteum.
Trotz mehrerer Versuche ge lang dem
Ehepaar die Flucht in die USA nicht. In Ab -
wesenheit von Durieux wurde Katzenellenbogen
nach Berlin verschleppt, wo er 1944
starb.
Späte Darstellungen, Auftritte
und das Erbe Durieux‘
Ab 1952 spielte Tilla Durieux wieder zö -
gerlich in Berlin Theater, 1955 kehrte sie
nach Deutschland zurück. Bis kurz vor ihrem
Lebensende war sie für Film, Hörfunk, Fernsehen
und vor allem für das Theater tätig,
ohne zu einem Ensemble zu gehören. Sie re -
konstruierte ihre frühere Sammlung anhand
von Fotografien, bereiste Ausstellungen, in
denen ihre Porträts gezeigt wurden, und hielt
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Vorträge sowie Lesungen aus ihren Memoiren.
Als Interviewpartnerin gab sie sich als
auskunftsfreudige Zeitzeugin und auch als
Bildmotiv war die Grande Dame des deutschen
Schauspiels nach wie vor gefragt.
Nachdem sie Ende der 1920er-Jahre mit dem
Schlüsselroman Eine Tür fällt ins Schloß
nach Cassirers Suizid eine Abrechnung mit
dessen Familie verfaßt hatte, vollendete sie
1954 ihre Memoiren unter dem Titel Eine
Tür steht offen.
Am 21. Februar 1971 verstarb Tilla Du -
rieux 90jährig in Berlin. Neben zahlreichen
Bühnenauftritten, Dreharbeiten, Gastspielen,
Lesungen und Vorträgen bis ins hohe Alter
ordnete Durieux ihren Nachlaß und be -
stimmte so selbst über das Bild ihrer eigenen,
bemerkenswerten Persönlichkeit, wie es
sich heute rekonstruieren läßt.
Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin
und ihre Rollen zeigt rund 233 Werke, darunter
14 Gemälde, 81 Arbeiten auf Papier
und 84 Fotografien. Begleitend zur Ausstellung
ist ein Katalog in deutscher und engli -
scher Sprache mit Beiträgen von Stephan
Dröschel, Daniela Gregori, Hannah Reisinger,
Aline Marion Steinwender und einem
Pro log des Direktors des Leopold Museums,
Hans-Peter Wipplinger, erschienen.
Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin
und ihre Rollen entstand in Kooperation mit
dem Georg Kolbe Museum, wo die Berliner
Version der Ausstellung ab Mai 2023 zu se -
hen sein wird, und dem Berliner Archiv der
Akademie der Künste, welches seit 1977 den
Nachlaß der Schauspielerin bewahrt. n
https://www.leopoldmuseum.org/
© Leopold Museum, Wien, Foto: Lisa Rastl
Ausstellungsansicht „Tilla Durieux – eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“
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Kultur
Kaiserschild Walls of Vision
Im Rahmen des Projekts »Kaiserschild Walls of Vision« werden Gemälde aus der
Kunstsammlung der Kaiserschild-Stiftung von Streetart-KünstlerInnen neu und
zeitgenössisch interpretiert und auf Fassaden im öffentlichen Raum aufgebracht.
Hans Riegel, HARIBO-Miteigentümer
und Stifter der Kaiserschild-Stiftung,
war begeisterter Kunstsammler. Aufgabe der
Stiftung ist es, diese Sammlung zu pflegen,
zu erhalten und Werke daraus der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen. Mit „Kaiserschild
Walls of Vision“ möchte die Stiftung
ihre Kunstsammlung nun in neue Kontexte
setzen. „Besonders interessant ist es mitzuerleben,
wie zeitgenössische KünstlerInnen
ihren Blick auf Gemälde aus dem 16. oder
17. Jahrhundert richten, wie sie mit dem
kunsthistorischen Hintergrund umgehen und
wie sie das Werk technisch und stilistisch an
der Wand umsetzen“, so Sanda Sonnleitner,
Geschäftsführerin der Kaiserschild-Stiftung.
Die erste Interpretation dieser Art entstand in
Wien, in der Schäffergasse 2, an einer Fassade,
die von home4students zur Verfügung ge -
stellt wurde.
Grundlage für die Interpretation
Grundlage für die Interpretation ist das
Gemälde „Dorfstraße mit Drehleierspieler“
aus dem 17. Jahrhundert von Adriaen van
Ostade, das sich als Leihgabe in der Alten
Galerie in Graz befindet. In diesem Werk ist
vor einem schrägperspektivisch erfaßten
Bauernhaus ein Drehleierspieler zu sehen,
um den ein kleines Publikum steht und der
auf Gaben hofft. Van Ostade hat sich der
Darstellung des Bauern- und Handwerkermilieus
gewidmet, räumte aber auch jenen
Menschen einen besonderen Platz in seinem
Werk ein, die erwerbslos und auf die Hilfe
ihrer Mitwelt angewiesen sind. „Dass die
Umsetzung des Themas des 17. Jahrhunderts
in die heutige Zeit so gut funktioniert, zeigt,
wie präsent Geschichte ist und diese sich
doch immer wiederholt“, so Karin Leitner-
Ruhe, Chefkuratorin der Alten Galerie.
Foto: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner
Gemälde „Dorfstraße mit Drehleierspieler“ aus dem 17. Jahrhundert von Adriaen van Ostade,
das sich als Leihgabe in der Alten Galerie in Graz befindet
Das Künstlerduo Jana&Js
Das Künstlerduo Jana&Js hat sich in seiner
Neuinterpretation am Motiv van Ostades
orientiert, die Szene aber zeitgenössisch aufbereitet
und in ihrem unverkennbaren Stil
dargestellt. Das so entstandene Werk trägt den
Titel „Dorfplatz mit Ukulelespielerin“. Es
hat eine ähnliche Struktur und zeigt die gleiche
Anzahl an Personen in nahezu gleichen
Positionen wie das Werk von Adriaen van
Ostade. Statt der drei Männer sind die Er -
wachsenen in der Szene bei Jana&Js aber
Frauen. Adriaen van Ostade hat seine Heimatstadt
Harleem zeitlebens nicht verlassen
und Motive aus seiner unmittelbaren Umgebung
gewählt. Auch Jana&Js haben sich für
„Dorfstraße mit Ukulelespielerin“ von ihrer
unmittelbaren Umgebung inspirieren lassen.
Der Dorfplatz in der Szene befindet sich in
der kleinen Stadt, in dem das Künstlerduo
und einige der abgebildeten Personen leben.
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Somit spannen Jana&Js einen künstlerischen
Bogen von van Ostades Blick auf die Strassen
des niederländischen Harleem im 17.
Jahrhundert in die heutige Zeit.
Starke Unterscheidung
Ein interessanter Umstand für die Arbeit
des Künstlerduos war auch, daß sich die
Dimensionen der beiden Werke stark unterscheiden:
„Dorf straße mit Drehleierspieler“
ist 25,7 x 20,7 cm groß, während „Dorfplatz
mit Ukulelespielerin“ 15,6 x 7,9 m umfaßt.
Das Entstehen der Neuinterpretationen im
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Foto: Jana_Js
öffentlichen Raum ermöglicht es, die Kunstwerke
barrierefrei zu besichtigen und den
Schaffensprozeß mitzuerleben. Diese Fassade
wurde in Kooperation mit dem Verein
Calle Libre umgesetzt.
Weitere Interpretationen
Ausgangspunkt für weitere Interpretationen
sind Werke niederländischer Meister, die
als Dauerleihgabe der Kaiserschild-Stiftung
an die Alte Galerie in Schloß Eggenberg in
Graz gingen. Die Alte Galerie hat dies 2019
zum Anlaß genommen, eine Ausstellung zu
konzipieren, die sich in 15 Räumen den zentralen
Themen des Zeitalters zwischen 1500
und 1800 widmet.
Unter dem Titel „Zwischen Tanz und Tod“
werden Werke zu Krieg, Vertreibung, Religion,
Mobilität, Glück und Überfluss
gezeigt. Aus der Sammlung der Kaiserschild-Stiftung
geben Werke von Grif fier,
Kaiserschild Walls of Vision Neuinterpretation
van Goyen, van Ruysdael oder Lingelbach
Einblick in damalige Lebenswelten in der
Stadt und auf dem Land.
„Unser Haus freut sich sehr über die Ko -
operation mit ,Kaiserschild Walls of Vision‘
– geht damit doch alte Kunst zeitgenössisch
interpretiert in die breite Öffentlichkeit!“, so
Paul Schuster, Leiter von Schloß Eggenberg
und der Alten Galerie.
Das Universalmuseum Joanneum
ist Österreichs ältestes und zweitgrößtes
Museum. Es wurde 1811 von Erzherzog Jo -
hann dem Land Steiermark mit dem Auftrag
gestiftet, Zeugnisse der Natur, Kunst und
Kultur des Landes zu sammeln und zu erforschen,
um damit die geistige und technologische
Entwicklung der Steiermark aktiv zu
fördern.
Heute umfassen die 20 Sammlungen des
Universalmuseums Joanneum rund fünf
Millionen Objekte. Als Gedächtnis und Realienarchiv
der Steiermark bilden sie eine
vielseitige Grundlage für unsere Ausstellungen,
die an 14 architektonisch wertvollen
Standorten präsentiert werden. Die universale
Vielfalt der Sammlungen werdem genutzt,
um über fachliche und geografische Grenzen
hinweg aktuelle Fragen im wissenschaftli -
chen und künstlerischen Kontext zu diskutieren.
Das Universalmuseum Joanneum ist ein
Museum, das seinen BesucherInnen Wissen
zugänglich macht und damit kritische Reflexion
fördert. Auf dieser Grundlage verstehen
sich das Universalmuseum Joanneum als
wichtiges gesellschaftliches Handlungsfeld,
welches das intellektuelle und kulturelle
Bewußtsein in der Steiermark als einen Teil
Europas mitbestimmt.
n
https://www.museum-joanneum.at/
https://www.kaiserschild-stiftung.at/
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Kultur
Menschheitsdämmerung
Malerei der Zwischenkriegszeit 1918–38 und Reflexe der Gegenwart aus den
Sammlungen Leopold Wien und MMKK – 21. November 2022 bis 19. Februar 2023
Die Ausstellung „Memnschheitsdämmerung.
Malerei der Zwischenkriegszeit
1918–38 und Reflexe der Gegenwart“, die
im Museum Moderner Kunst Kärnten/
MMKK und im kärnten.museum zu sehen
ist, wurde vom MMKK kuratiert und in Zu -
sammenarbeit mit dem kärnten.museum
organisiert und finanziert.
Sie basiert auf einer Auswahl von elf
malerischen Positionen der Zwischenkriegszeit,
die das Leopold Museum in Wien aus
eigenen Beständen in der gleichnamigen Ex -
position im Jahr 2021 präsentiert hat. Diese
Inhalte wurden nach Kärnten übernommen,
durch Werke aus der Kunstsammlung des
MMKK erweitert und im diskursiven Ge -
genüber zu einer neuen Schau geordnet, die
die Auseinandersetzung mit der Malerei der
Zwischenkriegszeit in verschiedenen, den
Menschen und seine Existenz betreffenden
Themenbereichen vertieft, die dem MMKK
und dem kärnten.museum laut ihren herkömmlichen
inhaltlichen Bestimmungen zu -
geordnet sind.
Der Ausstellungstitel bezieht sich auf eine
Anthologie expressionistischer Lyrik, die
Kurt Pinthus 1919 herausgab und die heute
als Standardwerk des literarischen Expressionismus
gilt. „Die bildende Kunst dieser
Jahre zeigt dieselben Motive und Symptome,
zeigt das gleiche Zersprengen der alten
Formen und das Durchlaufen aller formalen
Möglichkeiten bis zur Konsequenz völliger
Auflösung der Realität, zeigt den gleichen
Einbruch und Ausbruch des Menschlichen
und den gleichen Glauben an die lösende,
bindende Macht des menschlichen Geistes,
der Idee“, schreibt Pinthus in seinem Vorwort.
So kann die Malerei des Expressionis -
mus, die in der Zwischenkriegszeit in Österreich
umfänglich Ausdruck findet, in idealer
Weise auf das literarische Werk Bezug nehmen.
So wie Kurt Pinthus seine Gedichte nach
dynamischem, motivischem Zusammenklingen
anordnet, treffen auch die Bilder in der
Ausstellung aufeinander; kontrapunktisch er -
gänzt aus der Sammlung des MMKK durch
solitäre Werke aus der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts und danach, von 19 weib lichen
Kunstschaffenden, jenem Geschlecht, das in
der Zwischenkriegszeit unerwähnt blieb.
© Courtesy Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK, Foto: F. Neumüller
Franz Wiegele, Abschied von der Jugend,1932/1938/1941, Öl auf Leinwand, 105 x 70 cm
Damit wird nicht nur eine notwendige Korrektur
vollzogen sowie die Brücke zur mo -
dernen und zeitgenössischen Kunst geschlagen,
sondern zugleich die Thematik der
Menschheitsdämmerung in die Gegenwart
transportiert, wo sie heute, angesichts der
brisanten gesellschaftlichen Situation, wieder
von allergrößter Aktualität ist.
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Zur Ausstellung erscheint im Verlag
Johannes Heyn eine umfangreiche Publikation
mit Texten von Matthias Boeckl, Igor
Pucker, Manfred Wagner, Christine Wetzlinger-Grundnig
und Hans-Peter Wipplinger in
deutscher und englischer Sprache. n
https://mmkk.ktn.gv.at/
http://www.verlagheyn.at/buch/detail/menschheitsdaemmerung/
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Kultur
Der Weltkünstler
Gustav Klimt ist online
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Peter Weinhäupl und Sandra Tretter, das
Direktorium der Klimt-Foundation, präsentierten
mit ihrem Forschungsteam am die
erste Gustav Klimt-Datenbank. Die multimediale
Datenstruktur ist das erste Online-
Portal, das – neben dem künstlerischen
Œuvre des Jugendstilmalers – auch sein privates
und öffentliches Leben im künstlerischen
und gesellschaftspolitischen Netzwerk
seiner Zeit sichtbar macht. Ein besonderes
Feature dieser Plattform sind außerdem erste
digitale Verzeichnisse zu Klimts Gemälden,
Fotografien und Autografen von, an und über
den Künstler. Das komplexe Datenarchiv
umfaßt derzeit mehr als 2.000 Datensätze so -
wie umfangreiches Text- und Bildmaterial
und wird kontinuierlich erweitert. Die Klimt-
Database ist damit die wichtigste Online-
Quelle für die Forschung und Recherche
rund um Gustav Klimt und seine Zeit, insbesondere
die Epoche „Wien 1900“.
„Es ist uns ein wichtiges Anliegen, das
Werk und das Wirken Gustav Klimts zu vermitteln.
Mit der neuen Datenbank setzen
wir – nach einer Flut an kunsthistorischen
und populärwissenschaftlichen Publikationen
– neue Maßstäbe in der Digitalisierung
und Aufbereitung von wissenschaftlichen In -
halten und Quellen und unterstützen damit
weltweit die Klimt-Forschung“, so Peter
Weinhäupl, Direktor der Klimt-Foundation.
Datenbank mit Mehrwert
für viele Zielgruppen
Im Zentrum der Datenbank-Entwick -
lungsarbeit – mit einer Dauer von rund fünf
Jahren – stand für das gesamte Forschungsteam
die möglichst umfangreiche Erfassung
und Darstellung des Werkes von Gustav
Klimt. Dies führte neben neu gewonnenen
Erkenntnissen auch zur gelegentlichen Revidierung
bisher publizierter Annahmen. Die
Klimt-Datenbank wird darüber hinaus weitere
Erkenntnisgewinne ermöglichen und so -
mit die Klimt-Forschung entscheidend bereichern.
Abgesehen von diesen wichtigen Aspekten
geht es der Klimt-Foundation auch dar -
um, die Lebenswelt des Künstlers, die Welt
Die Klimt-Foundation präsentierte das erste
virtuelle Gedächtnis über den Jugendstilkünstler
Foto: dform.at
der Wiener Moderne mit all ihren Phänomenen,
Errungenschaften und Persönlichkeiten
zu präsentieren und erfahrbar zu machen. Die
Gustav Klimt-Datenbank zeichnet sich da -
mit im Vergleich zu Datenbanken anderer
internationaler KünstlerInnen insofern aus,
als zahlreiche redaktionelle Artikel und Beiträge,
chronologisch oder thematisch sortiert,
abrufbar sind. Außerdem zählen die Vernetzungsebenen
innerhalb der Website zu den
Stärken der Datenbank, die viele Querverweise
und weitergehende Recherchen erlauben.
Der populärwissenschaftlich aufbereitete
Informationsbereich ist für alle Interessierten
zugänglich, der Forschungsbereich mit
Volltextsuche nach einer einmaligen, kostenlosen
Registrierung benützbar. Die Datenbank
ist mit der umfangreichen Aufarbeitung
und Kommentierung sowie genauen Verzeichnissen
sowohl für KuratorInnen, WissenschaftlerInnen
und Studierende von In -
teresse als auch als Informationsplattform für
Personen, die mehr über den Künstler
Gustav Klimt oder die Epoche „Wien 1900“
erfahren möchten und MedienvertreterInnen
gedacht. Wichtigstes Ziel der Klimt-Datenbank
ist es, die Zusammenhänge und Verbindungen
in Klimts Werk, Leben und Umfeld
erstmals gebündelt vor Augen zu führen und
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
damit neue, beachtenswerte Aspekte öffentlich
zugänglich zu machen.
Weitere Ausbaustufen
der Datenbank geplant
Neben der laufenden Aktualisierung und
Ergänzung der heute gelaunchten, zu 100
Prozent aus Eigenmitteln finanzierten Da -
tenbank, wird bereits an der englischen Version
gearbeitet, die 2023 online gehen soll,
darüber hinaus sind die Aufbereitung von
didaktischem Material für Lehrpersonal so -
wie ein umfangreiches Ausstellungsverzeichnis
geplant. Im Jahr 2024 wird der Forschungsbereich
„Gemälde“ um Werkkom -
men tare und aktuelle Provenienzen erwei -
tert.
„Wir möchten die erste Anlaufstelle für
Themen rund um Gustav Klimt und seine
Zeit sein. Ein digitales Klimt-Lexikon mit
zeitgemäßem Interface, das kulturwissenschaftliche
Informationen multimedial und
innovativ aufbereitet und stetig erweiterbar
ist. Das bewußt magazinhafte Layout spricht
sowohl ein breites Kulturpublikum als auch
die Forschungscommunity an und ist weltweit
auf Handy-, Tablet- oder Desktopdisplays
abrufbar“, so Sandra Tretter, stv. Di -
rektorin der Klimt-Foundation. n
https://www.klimt-database.com/
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Wien ist eine stolze Stadt. Und sie hat wohl allen Grund dazu,
wie zahlreiche und regelmäßige internationale Studien zeigen.
Und Wien kann auch stolz sein auf seine Musik, die in allen Genres
vertreten ist und vielfach internationales Renommé ge nießt. Und es
gibt wohl keine Hauptstadt auf der ganzen Welt, die in so vielen
Liedtexten besungen wird. Alles in Ordnung also. Oder?
Leider ist es nicht ganz so, denn das Wienerlied hat in den vergangenen
Jahrzehnten – vor allem in der Wienerstadt selbst – massiv an
Stellenwert verloren. Wie es dazu kam? Nun, dafür gibt es einige
Gründe.
Aus Zeiten, wo die Abendunterhaltung vornehmlich beim typischen
Heurigen, beim Vierterl Wein stattfand, gehörten Schrammeln
und Wienerlied sozusagen zum Inventar. Fröhliche Urständ feierte es
zu Zeiten der unzähligen Wien-Filme mit Annie Rosar, Susanne von
Almassy, Hans Moser, Paul Hörbinger, Fritz Imhoff und vielen anderen.
Alles ging ins Kino und man hörte Wienerlieder, interpretiert von
den VolksschauspielerInnen und Publikumslieblingen. Auch das
Radio hatte damals noch Zeit fürs Wienerische.
Dann brach eine Zeit an, in der es im (Wiener) städtischen Bereich
einfach nicht mehr „in“ war, bodenständige Musik zu hö ren. Man
wollte modern sein und sich von dem „Gedudel“ und der „Jammerei“
der El tern und Großeltern abheben. Hörte man als Halbwüchsiger –
übrigens damals wie heu te – Volksmusik, wurde man von Gleichaltrigen
bestenfalls mitleidig angesehen. Hier ist das Wienerlied nicht
alleine, was die Sache an sich nicht besser macht: Eine bestimmte
Personengruppe zieht in der (Fernseh-)Öf fentlichkeit genauso gerne
und regelmäßig wie untergriffig über alles her, was Abermillionen
Menschen Freude bereitet. Ob sie nun Helene Fischer, Hansi Hinterseer
oder Florian Silbereisen heißen, sie erreichen mit einer einzigen
ihrer im Fernsehen übertragenen Sendung mehr ZuhörerInnen wie
die, die sich darüber verächtlich zeigen – und solche Einschaltziffern
wahrscheinlich in ihrer gesamten Laufbahn nicht erlangen werden.
Was auch einmal gesagt werden muß.
Mit dem Tod des Publikumslieblings und begeisterten Wienerliedinterpreten
Heinz Conrads kam das Aus der Radiosendung „Was
gibt es Neues“ und mit und dem Ende des „Seniorenclubs“ war das
Wienerlied in traditioneller Form aus dem „Äther“ geworfen. Wer im
April 1998 darauf gehofft hatte, es würde sich eines der auf Sendung
gegangenen Privatradios in Wien bodenständiger Musik widmen,
wurde enttäuscht: deren Pro grammie rung richtete sich großteils mit
junger Musik an junges Publikum oder mit Ol dies an die ein oder
zwei Generationen da vor. Im Fernsehen wars nicht anders, das eine
oder andere Mal singt Andi Borg ein Wie nerlied im Rahmen einer
deutschen Mu sikshow. Ein kleiner Wiener Stadtsender bringt eine
von Sängerin Agnes Palmisano un terstützte Serie, in der sie selbst
„dudelt“, wie diese traditionelle Art zu singen in Wien genannt wird,
und in der sie InterpretInnen des Wienerlieds verschiedener Stile präsentiert:
mitunter das „neue“ Wienerlied, das das Wienerische wieder
entdeckt hat und durch andere, vielleicht zügigere Rhythmen und
teils moderne Textinhalte auch neues und junges Publikum anspricht.
Großer Einsatz fürs Wienerlied
Wer sich um das „klassische“ Wienerlied be sonders bemüht – und
das seit vielen Jahren –, sind der Wienerlied-Musiker Erich Zib und
seine Tochter Marion Zib-Rolzhauser. Sie treten ge meinsam und in
Kultur
Neues Wienerlied-Magazin
»Österreich Journal« – https://kiosk.oesterreichjournal.at
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verschiedenen Formationen auf, gestalten und produzieren regelmässige
Radiosendungen, die von vielen Stationen auf der ganzen Welt
ausgestrahlt werden, stellen einen No ten dienst zur Verfügung und
Marion Zib-Rolzhauser betreibt einen Mu sikshop mit umfangreicher
CD-Auswahl. Dort gibt es auch eigene Bücher wie „Wienerlieder
von gestern und heute“ Band 1 als Neuauflage mit 125 und Band 2
mit 118 alten und neuen Wienerliedern notiert für Harmonika mit Gi -
tarrenakkorden und Text. Dazu gibt es jeweils eine dazugehörige 3er-
CD mit über 70 Titeln aus dem jeweiligen Buch von verschiedensten
Interpreten mit insgesamt vier Stunden Spielzeit. Und jetzt hat
Marion auch die einzige Wienerlied-Zeitschrift vor der Einstellung
bewahrt.
Neues Magazin
Nach dem Tod des Herausgeber wäre „Wienerlied aktuell“ nach
30 Jahren vielen treuen LeserInnen abhanden gekommen. Doch
Marion Zib-Rolzhauser hat sich dazu entschlossen, es mit dem neuen
Titel „Wienerlied Magazin“ und neuer Gestaltung herauszugeben. Es
berichet über aktuelles Geschehen, Historisches, beinhaltet einen um -
fangreichen Terminkalender – und kann in Österreich per Post, im
Aus land einfach in Form eines pdf abonniert werden. mm
Finden Sie hier alle Informationen dazu und zum umfangreichen
Shop-Angebot:
https://radiowienerlied.at/
© Radio Wienerlied Musikverlag
Marion Zib-Rolzhauser mit der ersten Ausgabe des neuen Magazins
ÖSTERREICH JOURNAL NR. 205 / 19. 12. 2022
Kultur
Der Japanische Garten
im Schloßpark Schönbrunn
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Seit November gibt es auf Youtube ein elfminütiges Video über den einzigen der
rund 500 japanischen Gärten weltweit, der ohne japanische Hilfe und nur von
Österreichern umgesetzt wurde.
Der Japanische Garten befindet sich in
der Nähe des Eingangs zum Tiergarten
Schönbrunn. Er wurde im Jahr 1913 von
österreichischen Gartenbauspezialisten an -
ge legt. Es gibt auch andere in Wien: den
Takasaki-Garten in Oberlaa, den Setagaya
Park in Döbling, den Tora-San-Park in Do -
naustadt und den Garten der Berufsschule
für Floristik und Gartenbau in Kagran.
Michael Mössmer (Kamera, Musik und
Schnitt) hat sich für den in Schönbrunn ent -
schieden, da er nämlich der einzige der rund
500 japanischen Gärten weltweit ist, der
ohne japanische Hilfe und nur von Österreichern
umgesetzt wurde.
Berichten zufolge soll er nach den Vor -
stellungen des Erzherzogs Franz Ferdinand
angelegt worden sein. Der Thronfolger hatte
im Rahmen seiner Weltreise1892/1893 Ja -
pan besucht und war vom Kinkaku ji Tempel
in Kyoto tief beeindruckt. 1912 reisten k. und
k. Gärtner zur internationalen Gartenschau
nach London und kehrten, von der japani -
schen Gartenkunst be eindruckt, nach Wien
zurück. Schon ein Jahr darauf errichteten sie
den kleinen Garten beim Palmenhaus.
Während der beiden Weltkriege ist der
Garten dann völlig unter Efeu verschwunden
und es hatte sich niemand mehr darum ge -
kümmert, bis 1996 eine japanische Delegation
das Denkmal des Japanforschers und
Sammlers Freiherr Heinrich von Siebold im
Schloßpark besuchte.
Eine in Wien lebende Japanerin bemerkte
dabei durch Zufall eine Stelle, die seltsame
Unebenheiten aufwies und japanisches Flair
verströmte. Sie berichtete ihrem in Japan
lebenden Vater Eishin Harada, einem ausgewiesenen
Fachmann für japanische Gär -
ten, von dem vermutlichen Fund in Wien…
Deutsche Fassung:
https://youtu.be/Vb8yW1nYzFc
Englische Fassung:
https://youtu.be/c0-PbdoogsY
Französische Fassung:
https://youtu.be/oE4SLs9skYo
Eine japanische Fassung ist in Arbeit und
für Februar 2023 geplant.
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