Erfolg Magazin Ausgabe 03-2022
MICHAEL JAGERSBACHER: Herbert Grönemeyer – Mit 66 Jahren ist lange nicht Schluss DANIEL AMINATI: im Interview – Am Abgrund wuchsen ihm Flügel RAINER ZITELMANN: Steve Wonder – die lebende Soul-Legende HEIDI WEBER RÜEGG: Auslaufmodell Leistungskultur KARSTEN BROCKE: Brainset – wie wir werden, wer wir sind CARMEN UTH: Interview mit Jan Sosniok über Menschen als Magneten NEWS: Aktuelle News aus der Erfolgswelt BEST OF WEB: Schauen Sie doch mal online rein ERFOLG Magazin Top Experten ERFOLG Magazin Brand Ambassadors
MICHAEL JAGERSBACHER: Herbert Grönemeyer – Mit 66 Jahren ist lange nicht Schluss
DANIEL AMINATI: im Interview – Am Abgrund wuchsen ihm Flügel
RAINER ZITELMANN: Steve Wonder – die lebende Soul-Legende
HEIDI WEBER RÜEGG: Auslaufmodell Leistungskultur
KARSTEN BROCKE: Brainset – wie wir werden, wer wir sind
CARMEN UTH: Interview mit Jan Sosniok über Menschen als Magneten
NEWS: Aktuelle News aus der Erfolgswelt
BEST OF WEB: Schauen Sie doch mal online rein
ERFOLG Magazin Top Experten
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GRETA SILVER: STRAHLE DURCH DIE STÄRKUNG DEINES KÖRPERS
3/ 2022
JAN SOSNIOK
IM INTERVIEW
ÜBER ERFOLG
UND EMOTIONEN
STEVIE WONDER
DIE LEBENDE
SOUL-LEGENDE
Verleger
Julien Backhaus
über Verbesserung
DANIEL AMINATI
IM INTERVIEW ÜBER
BEHARRLICHKEIT UND
SELBSTREFLEXION
HERBERT
GRÖNEMEYER
ZUM 66. GEBURTSTAG BLICKEN WIR AUF
DIE KARRIERE DES KULT-MUSIKERS
BACKHAUS VERLAG 5 €
ÖSTERREICH 5,60 € |SCHWEIZ 8,00 CHF
Bilder: IMAGO / Future Image, Oliver Reetz
Editorial
Bild: Oliver Reetz
Julien Backhaus
Verleger und
Herausgeber
Noch mehr
Erfolg für Sie!
Das nächste Heft
erscheint am
23. Juni 2022
Es muss besser werden
Die Welt steht vor großen Problemen. Manche davon scheinen unüberwindbar.
In den letzten Monaten und Jahren haben wir viel
schreckliches erlebt. Kriege, Pandemie, Inflation, Naturkatastrophen,
Politikversagen. Ist es angebracht, jetzt über Erfolg zu sprechen? Ich
sage: mehr denn je. Die Tatsache, dass so einiges im Argen ist, lässt sich
nüchtern bestätigen – sicher auch betrauern. Aber da heraus kommen
wir nur, indem wir es besser machen. Der Evolution ist gar nicht daran
gelegen, das Rad immer neu zu erfinden. Es geht ihr viel mehr darum,
es immer besser zu machen. Alles und alle müssen immer besser werden
– auch wir Menschen natürlich. Gerade in Momenten der Fassungslosigkeit
wie einem Krieg oder einer Naturkatastrophe gilt es,
nach vorne zu schauen. Noch während wir versuchen, das aktuelle
Chaos zu beherrschen, sollten wir uns an die Arbeit machen, besser zu
werden. Damit wir künftige Ereignisse noch besser beherrschen
können.
Vielleicht kennen Sie die Erzählung von Sokrates, der mit einem Schüler
am Meeresufer entlang geht. Der Schüler fragt den Meister, wie er
auch so klug werden könne. Sokrates geleitet ihn ins Wasser und
drückt den Schüler so lange unter Wasser, bis er beinahe das Bewusstsein
verliert. Als Sokrates ihn wieder an die Wasseroberfläche kommen
lässt, schnappt der Schüler wie wild nach Luft. Der Meister fragte
den Schüler, was er sich unter Wasser am meisten gewünscht hatte.
»Luft zum Atmen«, sagte der Schüler. Sokrates entgegnete: »Wenn du
Wissen so sehr willst wie du eben Sauerstoff wolltest, kannst du so
weise werden wie ich.« Ob sich diese Geschichte tatsächlich zugetragen
hat, können wir nicht sagen. Aber sie verdeutlicht ein Problem, das
wir Menschen haben. Wir reagieren oft erst, wenn es schlimm ist.
Aber wir müssen stetig um diese Luft ringen. Wir müssen täglich so
hart wie nur möglich daran arbeiten, dass wir besser werden und die
Zukunft dadurch besser machen. Wir dürfen den Kopf nicht in den
Sand stecken, in der Hoffnung, das Problem wird uns nicht finden. Ihr
Hintern guckt schließlich immer noch raus. Das Problem wird Sie
finden. Und es wird nur umso schlimmer.
Ja, wir müssen über Erfolg sprechen. Denn nur, wenn wir als Individuum
und als Gesellschaft besser werden, kann auch die Zukunft
besser werden. Aber der Beginn liegt bei uns selbst. Änderst du dich
nicht, ändert sich gar nichts.
Viel Vergnügen beim Lesen
Ihr Julien Backhaus
Impressum
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Erfolg Magazin ISSN 25057342
Verlag Backhaus Verlag GmbH ist ein Unternehmen
der Backhaus Mediengruppe Holding GmbH,
Geschäftsführender Gesellschafter Julien Backhaus
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Chefredakteur (V. i. S. d. P.): Julien D. Backhaus
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Alle Rechte vorbehalten.
INHALT 3/2022
12
Herbert
Grönemeyer
Erfolg
Herbert Grönemeyer:
Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss
Michael Jagersbacher................................... 12
Am Abgrund wuchsen ihm Flügel
Daniel Aminati im Interview.......................... 30
Leben
Strahle durch die Stärkung deines Körpers –
Buchauszug von Greta Silver.......................... 8
Menschen als Magneten
Jan Sosniok im Interview mit Carmen Uth.....18
Story
Stevie Wonder – die lebende Soul-Legende
Dr. Dr. Rainer Zitelmann............................... 44
30
Daniel Aminati
im Interview
»TALENT ZU HABEN IST DAS EINE.
TALENT IST EINE WUNDERBARE
AUSGANGSPOSITION. WENN DU ABER
NICHT TÄGLICH AN DEINEM TALENT
FEILST, WIRD’S SCHWER AUF DAUER.«
Bilder: IMAGO / POP-EYE / Future Image / ZUMA Wire, Olaf Kroenke
4 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
ERFOLG
D A S L E S E N E R F O L G R E I C H E magazin
Wissen
Brainset – wie wir werden, wer wir sind
Karsten Brocke............................................. 40
Einstellung
Trau dich, groß und frei zu träumen –
Buchauszug von Veit Lindau......................... 26
»Achte auf deine Sprache« –
Buchauszug von Verleger Julien Backhaus.... 37
Auslaufmodell Leistungskultur
Heidi Weber Rüegg...................................... 43
18
Jan Sosniok: »Ich glaube, dass wir
Menschen wie Magneten sind.«
Sonstiges
News: Aktuelle News aus der Erfolgswelt....... 6
Best of Web:
Schauen Sie doch mal online rein................. 48
Die Erfolg Magazin Top Experten................. 49
Die Erfolg Magazin Brand Ambassadors....... 50
44
Stevie Wonder
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
5
News
NEWS
Oscar für Gerd Nefzer – eine Hollywood-Legende
aus Deutschland
»And the Oscar goes to… «, hieß es zum Montag, den 28. März
zum 94. Mal. Kurz darauf hielt Gerd Nefzer seinen zweiten Oscar
in den Händen. 2018 hatte er die Auszeichnung bereits für »Blade
Runner 2048« erhalten, dieses Jahr wurde er nun erneut dafür
geehrt, einer düsteren Zukunftswelt Leben einzuhauchen: Beim
diesjährigen Award-Liebling, dem Science-Fiction-Epos »Dune«,
wurde er für die Kategorie Visuelle Effekte ausgezeichnet. Damit
ist er einer von weniger als 50 Deutschen, die in der langjährigen
Geschichte des »Academy Award of Merit«, wie der Oscar richtig
heißt, eine solche Trophäe ihr Eigen nennen konnten. Eine Bilderbuchkarriere
in Hollywood – dabei war sein Lebensweg eigentlich
anders geplant, denn Nefzer ist gelernter Agrartechniker.
Erst durch seinen Schwiegervater, der einen Film-Auto-Verleih besitzt,
kommt der als Gerd Feuchter geborene, spätere Star mit der
Entertainment-Industrie in Berührung. Seine Aushilfstätigkeiten
bei der »Nefzer Special Effects« gefallen ihm so gut, dass er bald
darauf in die schwäbische Firma einsteigt – und später bis nach Babelsberg
expandiert. Bald wird auch Hollywood auf ihn aufmerksam
und so kommt es, dass Nefzer Special Effects für Blockbuster
wie »Stirb langsam« und »Die Tribute von Panem« kreiert. Der
endgültige Durchbruch gelingt dem heute 56-jährigen mit seiner
später Oscar-prämierten Mitarbeit an »Blade Runner 2049«: Hier
bleibt er vor allem für seinen Einfallsreichtum im Gedächtnis –
um eindrucksvolle Meereswellen zu erzeugen, griff er nicht etwa
auf Wellenmaschinen zurück, sondern ließ diese mittels Abrissbaggern
in einem großen Gastank entstehen. »Man muss immer
an das glauben, was man macht, und hart dafür arbeiten«, fasst
Nefzer sein Erfolgsgeheimnis gegenüber den »Stuttgarter Nachrichten«
zusammen. Dass er bei der Verleihung des Awards 2022
persönlich anwesend sein konnte, hat allerdings auch ein wenig
mit Glück zu tun: Erst am Freitag vor der Gala wurde er erstmalig
nach einer Corona-Erkrankung wieder negativ getestet.
ERFOLGSZITAT
Beyoncé
Jeden Tag neu auf Instagram
bei @erfolgmagazin
»Wenn alles perfekt wäre,
würdest du niemals lernen
und niemals wachsen.«
6 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
News
Foo Fighters:
Rekord bei den 64. Grammy Awards
Aktuelle News aus der Erfolgswelt
»Ein großes Konzert, bei dem zwischendrin Awards verliehen
werden« – so kündigte Moderator Trevor Noah die 64. Grammy
Awards, das musikalische Äquivalent zur Oscar-Verleihung, an.
Und tatsächlich rockten in der Nacht zum 4. April 2022 Pop-Größen
wie Billie Eilish und Lady Gaga die Bühne in der MGM Garden
Arena von Las Vegas – dorthin nämlich waren die ursprünglich
für Januar geplanten Awards nämlich verschoben worden.
25. März im kolumbianischen Bogotà leblos aufgefunden. Die
Todesursache wird derzeit noch ermittelt. Das Grammy-Komitee
ehrte das verstorbene Bandmitglied allerdings mit einem längeren
Video-Einspieler, der noch vor der »In Memoriam«-Rubrik gesendet
wurde.
Über die begehrte Trophäe in Form eines goldenen Grammophons
durften sich unter anderem Bruno Mars und Anderson
.Paak freuen: Sie erhielten die Auszeichnung »Song of the Year«
für ihr Lied »Leave the Door Open«. Als beste Newcomerin wurde
die erst 19-jährige Sängerin Olivia Rodrigo ausgezeichnet. Zudem
kann sie nun den Grammy für das beste Pop-Vocal-Album
ihr Eigen nennen.
Einen besonderen Erfolg feierten die Foo Fighters. Die Band um
den Ex-Nirvana-Drummer Dave Grohl gewann insgesamt drei
Preise – den für die beste Rock-Performance, den besten Rock-
Song und für das beste Rock-Album. Insgesamt fünfzehn Mal, so
oft wie keiner zuvor in der Geschichte des Grammys, wurde die
Band somit für die Kategorie »Best Rock Album« geehrt. Es ist ein
kleiner Trost für die Gruppe, die erst vor kurzem den unerwarteten
Tod ihres Drummers Taylor Hawkins verkraften musste und
die daher auch der Veranstaltung fernblieb. Hawkins wurde am
Bilder: IMAGO / Picturelux / Gonzales Photo / NurPhoto, Depositphotos / benhoudijk
Pünktlich zum Album-Release: Red Hot Chili
Peppers auf Hollywood Walk of Fame geehrt
Seit 1960 gibt es sie, heute gilt sie als eine der größten Auszeichnungen
für Prominente: Die Ehrung auf dem Hollywood Walk of
Fame. Mittlerweile zählt der Gehweg am Hollywood Boulevard
nun insgesamt 2.717 statt 2.716 Sterne, denn unlängst wurde
auch für die Red Hot Chili Peppers ein solcher in den Weg eingelassen.
Die Ehrung der Band auf dem berühmten Bürgersteig
war wohl schon länger geplant, wie Ana Martinez, eine Verantwortliche
für die Ehrungen auf dem Hollywood Walk of Fame,
der »NBC« zufolge berichtete: Laut ihr wurde der Stern für die
Red Hot Chili Peppers bereits im Jahr 2008 beschlossen. Dass es
am 31. März 2022 endlich soweit war, stellt sich für die Band aus
Kalifornien als ein besonders günstiges Timing heraus. Denn die
Ehrung kam gerade rechtzeitig zur Veröffentlichung des neuen
Studio-Albums »Unlimited Love« am 1. April – es ist ihr erstes seit
über fünf Jahren.
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
7
Leben
Um auch noch mit 75 Jahren
auf der Bühne zu strahlen,
macht Sängerin Cher
täglich Workouts.
STRAHLE
durch die Stärkung
deines Körpers
BUCHAUSZUG AUS »BRING DICH SELBST ZUM LEUCHTEN« VON GRETA SILVER
8 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Leben
Viele Menschen vergessen, sich zu bewegen – besonders bei zunehmendem Stress und Alter.
Die 74-jährige YouTuberin, Podcasterin und Autorin Greta Silver weiß, wie wichtig Bewegung für einen
starken, gesunden Körper und einen ausgeglichenen Geist ist. In ihrem neuen Buch gibt sie ihre Tipps
und Routinen an ihre Leserschaft weiter und setzt Impulse, den eigenen Körper wie einen Freund zu
behandeln – denn: »Unser Körper ermöglicht uns ein Leben auf dieser Erde.«
Bilder: IMAGO / POP-EYE, Depositphotos / VitalikRadko
Wie gut, dass sich die Erkenntnis,
dass ich mich
bewegen muss, wenn
ich nicht einrosten will,
doch irgendwann den
Weg ins Bewusstsein gebahnt hat. Das war
mit Ende fünfzig – früher, glaube ich,
wohl nicht.
Einige Jahre habe ich Pilates in einer
Gruppe gemacht und die Figuren von Tai-
Chi im Verein gelernt. Ich wusste vorher
nicht, dass man davon auch Muskelkater
bekommen kann. Bei mir im Garten hörte
ich dabei über meinen MP3-Player zwei
Ave-Maria-Versionen. Einmal gesungen
von Maria Callas, einmal eine, bei der
Geigen die »Stimme« übernehmen. Und
zu dieser Musik machte ich Tai-Chi. Wer
die Übungen kennt, ahnt, wie cool sich
das anfühlt, gleichzeitig, wenn die Geigen
in den höchsten Tönen jubeln, auch die
Hände oben zu haben für diese harmonischen
Übungen. Ein Urlaubsbild schießt
mir in den Kopf. In einem Hotel mit großem
Dachgarten zwischen den Kirchturmkuppeln
in Rom – unweit des Campo
de’ Fiori –, ein langes, weites rotes Kleid,
Ave Maria mit Kopfhörern auf den Ohren,
und dann ich alleine in aller Frühe mit
meinen Tai-Chi-Übungen. Ihr merkt
schon, das will auch jetzt wieder gelebt
werden. Bücher schreiben sind immer
auch meine eigenen Entdeckungsreisen.
Nordic Walking – als es noch peinlich
war, mit Stöcken zu laufen. Die Welle
schwappte von Finnland zu uns rüber,
und meiner ganzen Familie war es unangenehm,
wenn ich mit Stöcken auf die
Straße ging. Ich hatte im Sportgeschäft
gleich einen Kurs gebucht, wo wir bei den
Übungen gefilmt wurden und selbst erkannten,
was wir alles falsch machten.
Das hat mir sehr geholfen. 90 Prozent
unserer Muskeln kommen in Bewegung
bei diesem Sport, wenn wir es richtig machen
– nicht schlecht.
Yoga hat mich auch viele Jahre begleitet.
Neugierig geworden war ich auf meinen
Ayurvedareisen, wo ich Unterricht nahm.
Diese wenigen Übungen nahm ich auf CD
mit nach Hause und habe diese viele Jahre
durchgeführt. Ich erinnere mich an 15-
mal hintereinander den Sonnengruß – das
»Gewohnheiten, Routinen sind bei Bewegung
enorm wichtig. Ohne wird das nichts
bei mir. Ich brauche eine feste Regel.
Dann findet der Sport statt und Ende.«
war schon was. Ich blieb auf diesem
Niveau stehen, hatte keinen weiteren
Unterricht. Mache immer noch gerne den
Drehsitz, das Krokodil und den Hund und
baue diese Übungen ein, wenn ich eh auf
der Matte sitze und ein paar Turnübungen
mache – zum Beispiel: Sitzen. Mit ausgestreckten
Beinen die Füße umfassen und
mit der Stirn fast auf die Knie. Aber auch
Crunches für den Bauch tun gut. Die baue
ich immer mal wieder mit ein.
Kennt wohl noch jemand die Welle der »5
Tibeter«? Die hab ich über Jahre morgens
schon im Schlafanzug gemacht, sodass
sogar mein Hosenboden durchgewetzt
war von der Brücke. Ich habe mich schon
damals gewundert, wie eisern ich über
Jahre war, und dann hat irgendetwas mich
aus dem Rhythmus gebracht – und mir
fiel es sehr schwer, wieder in diese Gewohnheit
zu kommen. Gewohnheiten,
Routinen sind bei Bewegung enorm wichtig.
Ohne wird das nichts bei mir. Ich
brauche eine feste Regel. Dann findet der
Sport statt und Ende. Nicht jeden Tag neu
überlegen müssen, jetzt oder später oder
doch nicht – das ist unnötiger Stress. Ich
brauche Anker. Wenn ich morgens im
Bad die Uhr umbinde, mach ich anschließend
zehn Kniebeugen mit ausgestreckten
Armen nach vorne.
Meine Füße laufen nach dem Teekochen
schon von alleine direkt zu einem Platz
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
9
Leben
ins Wohnzimmer, wo ich Übungen für
meine Schultern mache. Denn ich sitze
hier am Schreibtisch oft wie ein Geier –
Schultern, Arme und Kopf vor. Ich weiß,
man kann auch mit geradem Rücken am
Schreibtisch sitzen, habe auch genau die
dazu passenden Möbel, aber trotzdem
häng ich hier manchmal so rum. Diese
Übungen sind also Gold wert, um den
durch die Geierhaltung möglicherweise
entstandenen Verspannungen entgegenzuwirken.
»Bring dich selbst
zum Leuchten«
von Greta Silver
224 Seiten
Erschienen: März 2022
Rowohlt Taschenbuch
ISBN: 978-3-499-00818-4
Meine Übungen sind ganz schnell gemacht.
Auf den Bauch legen, Oberkörper
leicht hoch und mit den ausgestreckten
Armen und Beinen paddeln. Das heißt,
die Handflächen gehen ganz schnell aneinander
vorbei. Wenn das zu schwierig
ist, klemm die Füße unter dem Sofa oder
dem Sessel fest und nimm nur den Oberkörper
und die Arme. Wichtig dabei ist,
den Kopf nicht in den Nacken zu nehmen,
sondern nach unten zu schauen.
100-mal.
Dann in Bauchlage mit angewinkelten
Armen den Oberkörper ganz weit nach
rechts, anschließend zur anderen Seite
ziehen, als wollte man schauen, was da
hinten los ist. Das mache ich 20-mal.
Dann noch die Handflächen nach unten
zeigen und neben dem Kopf kreisen
lassen.
20-mal in die eine und 20-mal in die andere
Richtung – meine Pilates-Lehrerin
nannte es: Orangen kullern. Das ist schon
alles auf dem Bauch. Dauert dafür auch
nur ein paar Minuten. Bei all diesen
Übungen spannt man nicht nur die Rückenmuskulatur
an, sondern auch gleichzeitig
die Bauchmuskeln.
Danach geht es bei mir aufs Trampolin.
»Ich mag Lars Amends Aufforderung, jeden
Tag mit zwei Tänzen zu beginnen – das gibt
tatsächlich eine andere Energie.«
Ich habe eines mit Gummischlaufen statt
der Stahlfedern. Das sei gesünder für die
Gelenke, heißt es. Natürlich lieben das
meine Enkelkinder ebenfalls. Dafür habe
ich es dicht an ein Bücherregal gestellt,
damit man sich dort festhalten kann,
wenn man das Gleichgewicht verliert.
Man muss auch gar nicht so wild darauf
springen oder laufen, es hilft auch schon,
etwas zu wippen und langsam anzufangen.
Dann entsteht eine klitzekleine
Schwerelosigkeit, die den Gelenken erlaubt,
sich kurz zu erholen. Sie sollten jedoch
nicht gestaucht werden, wenn die
Füße wieder landen. Mein Trampolin hat
einen Durchmesser von 1,25 Metern und
lässt sich schnell verstecken, wenn es
nicht genutzt wird.
Nun kommt meine große Leidenschaft
Tanzen ins Spiel. Ich mag Lars Amends
Aufforderung, jeden Tag mit zwei Tänzen
zu beginnen – das gibt tatsächlich eine
andere Energie. Da mir für öffentliche Ge-
10 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Leben
Die 74-jährige
YouTuberin,
Podcasterin und
Autorin Greta Silver
weiß, wie wichtig
Bewegung für einen
starken, gesunden
Körper und einen
ausgeglichenen
Geist ist.
Bilder: Depositphotos / nndanko.gmail.com / IgorVetushko, © www.lotta-fotografie.de, Cover: Rowohlt Taschenbuch
legenheiten ein Tanzpartner fehlt – ich
tanze zwar gerne, hab aber kaum Ahnung
von den einzelnen Schritten der verschiedenen
Tänze –, habe ich Zumba für mich
als eine tolle Alternative entdeckt. Da tanzt
unsere Lehrerin vor, und wir machen es
nach. Die fetzige Musik trägt uns 60 Minuten
am Stück und lässt uns nur kurz zur
Wasserflasche hechten, um dann sofort
wieder weiterzumachen. So verausgabe ich
mich sonst nicht beim Sport. Da brauche
ich jemanden, der mich da zieht.
Daher ja auch immer wieder der gute Rat,
sich mit einer Freundin zum Joggen oder
zu anderen Sportarten zu verabreden. Wobei
ich zugeben muss: Der Begriff Joggen
ist bei mir noch nie passend gewesen, dazu
laufe ich viel zu langsam, immer schon. Ich
ziehe mich dafür auch nicht groß um. Nur
die Laufschuhe müssen sein, die viel abfedern,
ansonsten geht das bei mir auch in
Jeans. Ich muss es so unkompliziert wie
möglich haben, damit ich einfach mache
und mich nicht groß vorbereiten muss. Ich
hatte eine Schwester, die sich schon montags
freute, dass sie in der Woche Tennis
spielen würde oder Golf. Das ist bei mir
nicht der Fall. Mich schickt mein Kopf,
und hinterher sage ich oft nach dem
Zumba: »War doch eigentlich ganz nett.«
Fahrradfahren durch den Wald, um den
See oder durch die Straße liebe ich auch –
mehr und mehr auch Spaziergänge, wo ich
mich über die Intensität der Vogelkonzerte
freue. Wie aus so kleinen Kehlen so eine
weit tragende Stimme kommen kann, mit
den feinsten Nuancen, ist mir ein Rätsel.
GRETAS ROUTINEN
• 10 Kniebeugen im Bad
• 400-mal Hula-Hoop im Schlafzimmer
• 100 kleine Bodenübungen nach dem Teekochen
• 10 Minuten Trampolin
• »Nach Büroschluss« – drei Mal die Woche auf der Matte Crunches, Kopf
auf die Knie, bei ausgestreckten Beinen Füße umfassen, die Yogaübungen:
Krokodil, Hund, Drehsitz.
• Täglich in den Pausen ein Spaziergang von mindestens 30 Minuten, ab und
zu mal Genuss-Joggen – so langsam, dass ich das Wort nicht benutzen
möchte.
• 1 x in der Woche Zumba im Verein
• Ab und an Fahrrad fahren
• Nordic Walking und Tai-Chi leben wieder auf.
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
11
Story Erfolg
Mit
66 Jahren
ist noch
lange
nicht
Bild: IMAGO / POP-EYE
Schluss
12
www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Erfolg Story
»RUHE GIBT'S
GENUG NACH
DEM TOD.«
– Herbert Grönemeyer
Bilder: IMAGO / DeFodi
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
13
Erfolg
»LACHE,
WENN'S
NICHT
ZUM
WEINEN
REICHT.«
– Herbert Grönemeyer
Der Mann, der auf den klingenden
Namen Herbert Arthur
Wiglev Clamor Grönemeyer
hört, hat am 12. April
seinen 66. Geburtstag gefeiert.
Er ist vor allem bekannt als Musiker,
doch darüber hinaus ist er Musikproduzent,
Komponist, Texter und Schauspieler.
Ein Mann, der die deutsche und internationale
Musikszene über Jahrzehnte geprägt
hat wie kein anderer. Es ist höchste
Zeit, sich mit seinem Leben und seinen
Impulsen für Erfolg in diesem Artikel
auseinanderzusetzen.
Theater und Musik – zwei Herzen
in einer Brust
Grönemeyer ist Sohn einer deutsch-baltischen
Krankenschwester und eines deutschen
Bauingenieurs. Dank seiner Familie
mütterlicherseits kam er sehr früh in Kontakt
mit Musik und erhielt bereits mit acht
Jahren Klavierunterricht. Dies versetzte
ihn später in die Lage, als Pianist im
Schauspielhaus Bochum neben seinem
Schulbesuch sein erstes Geld zu verdienen.
Auch mit dem Theater kam Grönemeyer
bereits früh in Berührung, als Musiker, als
Akteur und auch als Texter.
Nach seinem Abitur 1975 begann er mit
dem Studium der Musik- und Rechtswissenschaften
an der Ruhr-Universität in
Bochum, welches er jedoch nach fünf Semestern
abbrach. Im Jahr 1976 wurde Grönemeyer
musikalischer Leiter am Schauspielhaus
Bochum und spielte dort weitere
Theaterrollen, wie den Till Eulenspiegel,
den Prinzen Orlofsky in Johann Strauss’
»Die Fledermaus« und den Melchior in
Frank Wedekinds »Frühlings Erwachen«.
Der Ruf des Fernsehens und der Kinoleinwand
Ende der Siebziger war es also das Theater,
das Fernsehen und etwas später auch die
große Kinoleinwand, die Grönemeyer die
entsprechenden Bühnen boten, nicht die
Musik. Erste Fernsehrollen in ARD und
Co. waren die Folge, obwohl Grönemeyer
niemals Schauspielunterricht genommen
hatte. Seine Schauspielkarriere nahm
Fahrt auf, wohingegen seine musikalische
Karriere einfach nicht zünden wollte. Es
wurde sich sogar über seine Ambitionen
als Musiker lustig gemacht. Sein Solodebüt-Album
»Grönemeyer« erhielt die Goldene
Zitrone für das hässlichste Cover des
Jahres. Auch sein zweites Album »Zwo«
von 1981 war kein kommerzieller Erfolg.
Musikalisch floppte beinahe alles, was er
angriff.
Schauspielerisch gelang ihm allerdings ein
ernstzunehmender Durchbruch mit sei-
Bilder: asdf
14
www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Erfolg
Bilder: IMAGO / POP-EYE / 3S PHOTOGRAPHY
ner Rolle in Wolfgang Petersens »Das
Boot« von 1981. Grönemeyer spielte an
der Seite von Schauspielern wie Jürgen
Prochnow, Klaus Wennemann, Martin
Semmelrogge, Jan Fedder, Heinz Hoenig,
Claude-Oliver Rudolph, Sky du Mont und
Uwe Ochsenknecht.
Bochum
Erst 1984 gelang ihm der kommerzielle
Durchbruch mit dem Album »4630 Bochum«.
Es hielt sich 79 (!) Wochen in den
Top 100 der Musikalben in Deutschland.
Vor allem die Singleauskopplung »Männer«
machte den Künstler in ganz
Deutschland bekannt. Auch die Ballade
»Flugzeuge im Bauch« entwickelte sich zu
einem Klassiker deutschsprachiger Rockund
Popmusik und wird auch heute noch
regelmäßig im Radio auf und ab gespielt.
Grönemeyer war mit diesem Album im
Olymp der Musikbranche angekommen
und machte fortan keinerlei Anstalten,
diesen wieder verlassen zu wollen, im
Gegenteil.
Chaos und Schicksalsschläge
Am 20. Januar 1993 heiratete Grönemeyer
seine Lebensgefährtin Anna Henkel, mit
der er zwei Kinder bekam. Im Jahr der
Hochzeit erschien das Album »Chaos«. Es
gelangte auf Platz eins der deutschen Hitparade.
Die Albumtour besuchten in den
Folgemonaten weit über 600.000
Menschen.
Die zunehmende Bekanntheit von Grönemeyer
blieb auch internationalen Medien
nicht verborgen. Der Musiksender
»WENN DIE MEN-
SCHEN AGGRESSI-
VER WERDEN,
LIEGT DAS AUCH IN
DER VERANTWOR-
TUNG DER
POLITIK.«
– Herbert Grönemeyer
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
15
Erfolg
»MTV« lud Grönemeyer 1994 als ersten
nicht englischsprachigen Künstler in die
Fernsehsendung »MTV Unplugged« ein,
wo er seine Hits ohne elektronische Unterstützung
zum Besten gab.
1998 veröffentlichte Grönemeyer sein Album
»Bleibt alles anders«. Natürlich landete
auch dieses Werk auf Platz eins der
Charts und über 350.000 Menschen besuchten
die dazugehörige Tournee. Leider
wurde sie durch den Tod seines Bruders
am 1. November und den Tod seiner Frau
nur vier Tage später am 5. November
unterbrochen. Diese Schicksalsschläge
trafen Grönemeyer hart – er brauchte
über ein Jahr, um überhaupt wieder musikalisch
tätig sein zu können.
Mensch und Co.
Seiner verstorbenen Frau widmete er später
das Lied »Der Weg« auf dem Album
»Mensch« (2002). Es wurde noch vor der
Veröffentlichung aufgrund der Vorbestellungen
mit Platin ausgezeichnet. Letzten
Endes erhielt es 21-fach Gold und belegte
elf Wochen lang Platz eins der deutschen
Album-Charts. Die Single »Mensch« war
Grönemeyers bislang erfolgreichstes Lied,
mit dem er erstmals auf Platz eins der
deutschen Single-Charts landete. Das Album
verkaufte sich über 3,6 Millionen
Mal. Ein weiterer grandioser Erfolg nach
diesen schweren Schicksalsschlägen. Auch
alle darauffolgenden vier Alben landeten
auf Platz eins.
Auch live begeisterte Grönemeyer ein
internationales Millionenpublikum. Er
Der Autor
trat in Deutschland, Österreich, der
Schweiz, Italien, Belgien, den Niederlanden
und Luxemburg auf. Das bisher letzte
Album »Tumult« veröffentlichte der Musiker
2018. Als Fazit seiner musikalischen
Karriere bleibt festzuhalten, dass es elf
seiner Studioalben auf die Nummer eins
der Charts geschafft haben und über 15
Millionen Mal verkauft wurden.
Enormes gesellschaftliches Engagement
Herbert Grönemeyer nutzte seine Bekanntheit
stets dazu, gesellschaftspolitisch
aktiv zu sein und auf Missstände in unterschiedlichen
Bereichen hinzuweisen. So
organisierte er die »Band für Afrika«, die
Konzerte durchführte, um Gelder für diesen
Kontinent zu sammeln. Zusätzlich
engagiert er sich bei Greenpeace für den
Schutz der Arktis und der Weltmeere.
Seine politischen Botschaften richten sich
gegen jede Form von Rechtsradikalität
und gegen die Armut in allen Teilen der
Welt.
Seit Corona setzt sich Grönemeyer besonders
für Kunstschaffende und deren Angehörige
ein, um ihnen Ängste zu nehmen,
weshalb er eine Solidaritätsabgabe
von Reichen einfordert. Mit den so lukrierten
Geldern könnte man vielen Menschen
viel Leid ersparen, so der Sänger.
Witz, Talent, Durchhaltevermögen
und enormes Engagement
Auf diese vier Punkte könnte man wohl
die Karriere von Herbert Grönemeyer herunterbrechen,
wenn man wollte: Er hat
trotz vieler Rückschläge bewiesen, dass er
geduldig auf seine große Chance warten
kann. Er hat dabei stets an sich und an die
Musik geglaubt: »Ich glaube an die euphorisierende
Kraft der Musik.« An diese
glaubt er so sehr, dass er sie als Medium
für gesellschaftspolitische Statements
identifiziert. Daraus ergibt sich seine Lebensvision:
»Ich will irgendwann mal als
Künstler gelten, der für sein Land steht
und der dafür respektiert wird, was er
singt und sagt.«
Michael Jagersbacher ist Kommunikationstrainer,
Unternehmer und Buchautor. Auf seinem Blog
gibt er Tipps, wie man sympathischer wird und
mehr Profil erhält.
Angesprochen auf seine Routinen, Hitalben
zu schreiben, äußert er sich nur folgendermaßen:
»Musik schreibe ich völlig
ohne Plan, so wie ich mir die Zähne putze
oder ein Brot schmiere.« Vielleicht ist
diese »Planlosigkeit« auch sein Erfolgsgeheimnis,
weil er weiß, dass Gott sehr
oft über seine Pläne gelacht hat. Nach 66
Jahren können sie vermutlich beide
lachen.
Bilder: Karin Bergmann, IMAGO / Patrick Scheiber
16 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Erfolg
»›MÄNNER NEH-
MEN IN DEN ARM...
MÄNNER SIND
SCHON ALS BABY
BLAU…‹ – WEL-
CHEN SINN HAT
DAS DENN? ICH
HABE SÄTZE GE-
SCHRIEBEN, DIE
SIND EINFACH
STULLE.«
– Herbert Grönemeyer
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
17
Leben
Menschen
als Magneten
JAN SOSNIOK IM INTERVIEW MIT EMOTIONSEXPERTIN CARMEN UTH
ÜBER POSITIVE UND NEGATIVE GEFÜHLE, POTENZIALBEWUSSTSEIN,
SELBSTLIEBE, MOTIVATION UND ERFOLG.
Herr Sosniok, wir möchten
heute über Emotionen
sprechen. Denn gerade
jetzt ist Emotion natürlich
wirklich ein richtig heißes
Thema geworden. Als Schauspieler sind
Emotionen auch Ihr »Daily Bread«. Ganz
generell, wie stehen Sie zu Emotionen?
Welche Rolle spielt das für Sie in Ihrem
Leben?
Emotionen stehen an erster Stelle, weil
man tagtäglich damit zu tun hat. Und dann
immer so wechselhaft, dass man sich ja
auch nicht mal drauf verlassen kann. Man
kann abends gut gelaunt einschlafen und
morgens ist irgendwas quergelaufen und
man muss mit diesen Emotionen fertigwerden.
Da gibt es natürlich Menschen, die
mit einem zu tun haben und damit ebenfalls
umgehen müssen. Direkt die Familie.
Und somit sind natürlich Emotionen immer
ein interessantes Thema, auch bei mir
im Leben. Aber ich gehe mal davon aus,
dass es jedem anderen auch so geht.
Was sind denn so die drei wichtigsten
Emotionen, die Sie mögen?
Ich mag die Emotion des Empfindens für
Glück. Das ist eine sehr starke Emotion,
die viel beeinflusst. Ich muss aber auch sagen,
dass ich ebenso die Emotion zu schätzen
weiß, traurig zu sein, weil es auch ein
Zustand ist, der sehr inspirierend sein
kann; der auch einen zu sich nach innen
holt. Das Glück ist eher extrovertiert, während
Traurigkeit dann mehr eine Introvertiertheit
ausdrückt. Und ich mag natürlich
so die Emotion des allgemeinen Zustands,
weil die sich immer sicher anfühlt.
Sicherheit?
Nein gar nicht mal. Also die Sicherheit resultiert
daraus. Aber dieses Gefühl von
»alles ist gut«. Das bedeutet, dass ich weder
übermäßig euphorisch noch übermäßig
heruntergezogen bin, sondern mich in dieser
Grauzone bewege.
»Ich habe für mich erkannt,
dass es in Ordnung ist, sich
auch die Seiten anzuschauen,
die man nicht so mag.«
Das gibt dem Farbton Grau eine andere
Qualität. Ich möchte gern noch einmal
zurückkommen auf den Punkt der Traurigkeit.
Das ist etwas, womit die meisten
Menschen kämpfen, wenn sie traurig
sind oder wenn sie Wut im Bauch haben
oder wenn sie gefrustet sind. Die meisten
Menschen lehnen solche Emotionen ab
und fühlen sich damit nicht gut. Sie hingegen
sagen: Traurigkeit, das ist etwas
sehr Schönes. Sie haben gesagt, da gehe
ich nach innen, da bin ich introvertiert.
Was bedeutet es noch für Sie und wie haben
Sie es geschafft, Traurigkeit als etwas
Gutes betrachten zu können und es
wertzuschätzen?
Ich würde mich als einen spirituellen Menschen
bezeichnen, der sich schon auch mit
solchen Themen auseinandersetzt und
auch daran glaubt, dass es vieles gibt, was
wir als Menschen mit logischem Verstand
nicht verstehen – und trotzdem ist es da.
Ich sehe mich ein bisschen wie eine Tasse.
Eine Tasse kann man drehen. Es bleibt immer
dieselbe Tasse, egal wie ich sie drehe.
Und wenn ich diese Tasse einteile in bestimmte
Emotionszustände, dann ist diese
Tasse behaftet mit allen Emotionszuständen,
die wir haben. Und trotz alledem
schaue ich meist nur auf eine Emotion –
nämlich die, die mir gerade zugewandt ist.
Wir sind ja so ein bisschen wie ein Kristall
mit all unseren Facetten und es gibt natürlich
Facetten, die wir uns nicht so gerne
anschauen und sagen: »Nein, damit habe
ich nichts zu tun, das bin ich.«
Ich habe für mich erkannt, dass es in Ordnung
ist, sich auch die Seiten anzuschauen,
die man nicht so mag. Erstaunlicherweise
stellt man dann fest, dass man die eine
oder andere Seite hat, die nicht so schön
ist. Und trotzdem ist sie Teil von mir. Ich
akzeptiere sie und deswegen kann ich mich
dann in Traurigkeit suhlen und kann auch
in Selbstmitleid zergehen. Und ich finde es
nicht schlimm! Natürlich ist es für meine
Familie, insbesondere für meine Frau, die
natürlich an meinen emotionalen Zuständen
teilnimmt, auch eine große Herausforderung.
Aber ich kann dann auch sagen:
»Ja, ich bin jetzt eben auch irgendwie
Bild: Olaf Kroenke
18 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Leben
Als Tom Lehmann in der Fernseh-Soap »GZSZ«
spielte er sich 1994 bis 1998 in die Teenieherzen.
Als Anwalt bei »Danni Lowinski« holte er sich
2011 den Deutschen Fernsehpreis und den Deutschen
Comedypreis. Als Winnetou bei den Karl
May Festspielen in Bad Segeberg brachte er von
2013 bis 2018 Kinderaugen zum Leuchten. Zuletzt
war er an der Seite von Simone Thomalla in
der ZDF-Serie »Frühling« zu sehen. Auf deutschen
Bildschirmen und Bühnen sorgt Jan Sosniok
für einiges Gefühlschaos. Aber wie geht der
gefragte Schauspieler ganz privat mit Gefühlen
um? Carmen Uth hat nachgehorcht.
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
19
Dieser Hund hat
einen Beruf
Benno ist ein Therapiehund
Wenn Benno zur Tür ins Krankenzimmer hereinkommt, vergisst der zehnjährige
Jakob für eine ganze Weile, dass er Knochenkrebs hat. Benno weiß, wie das
geht. Denn er wurde über Jahre darin ausgebildet, Menschen in schwierigen
Lebenssituationen beizustehen.
Ihre Spende verändert Leben.
www.backhaus-stiftung.de
20 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Leben
schlecht drauf« oder »Lasst mich doch jetzt
mal in diesem Zustand«. Und sie schafft es
dann, mir wirklich das Gefühl zu geben,
dass ich so sein darf, wie ich will. Und in
dem Moment ist es dann für mich leichter,
auch da rauszukommen. Weil ich dann
ganz in Ruhe bin.
Jan Sosniok mit seiner Ehefrau
Nadine in München, 2020.
»Wenn wir immer nur im
ruhigen Gewässer treiben,
dann wird man irgendwann
auch lethargisch.«
Bild: IMAGO / Future Image
Es gibt auch die Situation, in der ich noch
mehr provoziert werde und eigentlich noch
mehr in diesen Zustand reinrutsche und es
für mich schwieriger wird, dort rauszukommen.
Ich habe eine Partnerin – meine
Frau – gefunden, die mir das sehr leicht
macht, meine eigene Facette zu betrachten
und damit zu leben und auch damit in
Ordnung zu sein. Traurigkeit ist eben ein
Teil von mir.
Man strahlt erst dann richtig, wenn man
eben diese Emotionen zulässt im Leben
und sie sogar, wie Sie es so schön machen,
auskostet und dadurch sogar noch Kraft
bekommt.
Ja genau, wir ziehen unheimlich viele Erfahrungen
daraus und entdecken auch
Dinge an uns, die vielleicht eine Weile unentdeckt
gewesen sind und dann irgendwann
hochschwappen. Und wenn man
bereit ist, zuzulassen, dass man nicht nur
immer ein guter Mensch ist oder auch
nicht nur immer gute Emotionen in sich
trägt, dann wird es eben auch leichter, Erkenntnisse
zu gewinnen und die Situationen,
mit denen wir vielleicht immer in
einer bestimmten Art und Weise umgegangen
sind, mal anders anzugehen. Auf einmal
hat man die Wahl: Gehe ich nach
rechts oder gehe ich jetzt mal nach links?
Sonst bin ich immer rechts gegangen. Und
dann habe ich immer dieses Ergebnis bekommen.
Und jetzt gehe ich mal nach
links, mal schauen, wo ich da hinkomme.
Das finde ich interessant. Es gelingt mir
nicht immer. Ich möchte mich jetzt gar
nicht als den weisen Mann darstellen, der
jetzt das Leben verstanden hat. Dafür gibt's
einfach immer noch tagtäglich viel zu viele
Situation, die auch für mich neu sind. Aber,
deswegen meinte ich eben dieses Gefühl
von: »Ich bin in der Grauzone, da muss
man sich nicht beschäftigen.« Da ist alles
cool. Und da lässt man sich einfach mal
treiben. Ich mag dieses Gefühl, wenn man
so in ruhigen Gewässern schwebt. Aber
natürlich ist es auch schön, wenn man mal
so in stürmische Gewässer kommt.
»Sie schafft es, mir wirklich das
Gefühl zu geben, dass ich so
sein darf, wie ich will.«
Warum ist das auch schön, in stürmische
Gewässer zu kommen?
Weil es ja sonst langweilig wäre. Wenn man
jeden Tag Fischsuppe ist, dann schmeckt
die irgendwann nicht mehr. Wenn wir immer
nur im ruhigen Gewässer treiben,
dann wird man irgendwann auch lethargisch.
Und dann weiß man, glaube ich,
auch den Zustand nicht mehr zu schätzen.
Deswegen braucht man diese emotionalen
asdf
Berg- und Talfahrten zwischendurch und
sie beinhalten ja auch Schönes. Das Gefühl
des Glücks. Und der besonderen Euphorie
als eine schöne Emotion, wenn man strahlt
und vor Kraft sprüht. Und natürlich dadurch
auch andere Menschen ansteckt,
inspiriert.
Aber ebenso wichtig ist es auch, mal so
ganz für sich zu sein in seiner kleinen
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
21
Leben
»Es gibt Dinge im Leben,
die mich ausmachen, die
mich beschreiben, auf die
ich sehr stolz bin und die mir
auch ungefähr eine Richtung
vorgeben.«
Höhle als Eremit – mit sich und seinen Gedanken
und seinen tragischen Dingen, die
man bewältigen muss.
Wie gehen Sie mit Ihrem Potenzialbewusstsein
um? Was bedeutet das für Sie?
Also erst einmal glaube ich, dass es da ist.
Dann glaube ich, dass man es erkennt,
wenn man auch schon eine Geschichte erlebt
hat, dass man sagen kann: »Okay, das
bin ich.« Als junger Mensch ist man noch
mit so vielen Optionen behaftet, dass man
das vielleicht noch gar nicht sagen kann.
Ich kann dann vielleicht sagen: »Ich bin
tendenziell eher ein mutiger Mensch« oder
»Ich bin sehr strebsam« oder »Ich bin eher
zurückgezogen«. Aber heute kann ich von
mir sagen: Es gibt Dinge im Leben, die
mich ausmachen, die mich beschreiben,
auf die ich sehr stolz bin und die mir auch
ungefähr eine Richtung vorgeben.
Ich muss nicht zum Musiker werden, wenn
ich kein Instrument spielen kann. Und
man muss auch nicht alle Dinge machen
im Leben, nur weil man sie an einem anderen
bewundert. Also ich habe meine Teile
im Leben, die mir ein starkes Selbstbewusstsein
geben, weil ich weiß, das kann
ich, und das mache ich gerne. Und es gibt
auch Dinge, die ich nicht gerne mache.
Und trotzdem sind sie Teil meines Lebens
und müssen auch gemacht werden. Und
auch das zählt zu meinem Bewusstsein,
weil ich ja ständig mit diesen Dingen zu
tun habe, dass ich zum Beispiel Papiere
sortieren muss. Und ich hasse es, am
Schreibtisch zu sitzen und Papiere zu sortieren.
Es ist eben der Teil meines Lebens,
der dazugehört. Natürlich könnte ich mir
draußen in der Welt jemanden suchen, der
das für mich macht. Meine Frau macht es
gerne. Aber ich will das nicht. Weil ich
auch so ein bisschen die Angst habe, die
Kontrolle über mich zu verlieren, wenn ich
auf einmal Dinge abgebe, die ich gar nicht
abgeben sollte, weil es meine Dinge sind.
Es sind meine Papiere. Auch wenn ich die
nicht gerne sehe, so bleiben es meine
Papiere. Und ich will schon auch wissen,
welches Papier ich in welche Richtung geschoben
habe, weil ich oft in die Situation
komme, dass ich brauche. Und wenn ich
nicht weiß, wer was wo hingetan hat, dann
muss ich suchen und Suchen ist immer
ganz schlimm für mich. Ich liebe Ordnung.
Und deswegen gehört es eben auch dazu.
Aber das ist eben ein Teil von mir. Und es
ist ein Teil meines Bewusstseins. Und ich
bin auch stolz darauf, dass ich auch das irgendwie
händeln kann. Dann gibt es eben
Dinge, die mir großen Spaß machen und
die ich bin. Das ist dann eben Jan. Und damit
gehe ich irgendwie ganz gut um.
Was hilft Ihnen denn, wenn Sie ein klares
Bild vor Augen haben, wo Sie hinmöchten,
Bilder: Olaf Kroenke, Thomas Niedermüller, IMAGO / Stefan Zeitz
22 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Leben
»Das
Großartige ist:
Das, was ich
am wenigsten
gerne mache,
erfüllt mich mit
dem höchsten
Stolz und
dem höchsten
Glück.«
Jan Sosniok mit Susan Sideropoulos
und Dieter Hallervorden bei der
Theater-Jahrespressekonferenz in
Berlin zur Vorstellung des Spielplans
Saison 2020-2021
dass Sie es dann auch wirklich durchziehen?
Und sei es jetzt nur dieses alltägliche
Beispiel mit den Papieren. Wie motivieren
Sie sich?
Ich versuche immer, Lösungen zu finden,
damit es für mich leichter wird. Die Lösung
könnte ja darin liegen, dass ich mir
einbilde, wenn ich immer regelmäßig
meine Papiere sortiere, dann ist der Berg
ganz klein und dann ist alles schnell von
der Hand. Es gelingt leider nicht immer so,
weil mich andere Dinge ablenken, die mir
Die Autorin
Dipl. Oec. Carmen Uth ist »EmotionsCoach,
-Expertin und -Journalistin«. Durch eine Transformation
mit »EmoPower®« verhilft sie ihren
Klienten zu mehr Handlungsstärke.
mehr Spaß machen. Darin finde ich mich
natürlich viel lieber wieder und vergesse so
die anderen Bereiche, die mir nicht so viel
Spaß machen. Infolgedessen wird der Berg
natürlich dann ein bisschen größer.
Ich habe jetzt hier ungeöffnete Post. Die
muss ich alle noch öffnen, lesen, Rechnungen
begleichen und was man eben alles so
machen muss. Der Berg ist schon ein bisschen
größer. Aber ich habe was Schönes
gemacht: Ich habe mir einen ordentlichen
Stapel da hingelegt. Also die Papiere liegen
nicht einfach auf dem Schreibtisch, sondern
sie sind schön aufeinandergestapelt.
Dadurch sieht es für mich sehr ordentlich
aus und auch einfacher anzugehen, weil ich
mir denke: »Mensch, dann greife ich nur
immer einen Brief und den nächsten.« Und
dann funktioniert es für mich. Oder ich
sage mir ganz konkret: »Okay, du musst
das jetzt wirklich machen. Es nützt nichts.
Es wird dir morgen genauso wenig Spaß
machen. Mach es dann heute.« Dann setze
ich mich auch hier hin und entdecke in
dem Moment, dass, wenn ich den ersten
Brief aufgemacht habe, den Computer
hochgefahren habe und die Seiten öffne,
die ich brauche, dann wird es auf einmal
leicht und dann kann ich mich sehr gut
konzentrieren. Ich kann mich gut konzentrieren
auf Dinge, die ich mache. Wenn ich
koche, dann koche ich, und wenn ich
Papiere sortiere, dann sortiere ich Papiere.
Ich bin dann nicht Multitasking-fähig und
ich will das auch nicht sein, weil ich mich
auf eine Sache konzentrieren will. Dann
»Es nützt nichts. Es wird dir
morgen genauso wenig Spaß
machen. Mach es dann heute.«
macht es mir Spaß. Es nervt mich auch,
wenn dann jemand reinkommt und von
mir irgendetwas anderes will. Das reißt
mich dann raus und ich muss mich wieder
neu organisieren, um diese Stimmung wiederzufinden.
Wenn ich aber so meinen
»Flow« gefunden habe, dann geht es mir
erstaunlicherweise leicht von der Hand.
Das Großartige ist: Das, was ich am wenigsten
gerne mache, nämlich Papiere sortieren,
erfüllt mich mit dem höchsten Stolz
und dem höchsten Glück, denn wenn ich
meinen letzten Zettel weggeheftet habe,
dann gehe ich hier mit schwellender Brust
heraus und denke mir: »Du bist der Tollste.
Du warst heute wieder richtig gut.« Und
dann gehe ich manchmal hier vorbei, gucke
einfach ins Büro und denke so: »Ja, der
Schreibtisch ist schon sehr ordentlich. Ja,
ich mag das, wenn da gar nichts draufliegt.
Das ist schön.« So gehe ich damit um.
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
23
Leben
Bild: IMAGO / Eventpress
»Wenn ich mich nicht selbst
liebe, kann ich andere Menschen
ja auch nicht lieben.«
Sie haben gesagt: »Darauf bin ich stolz.«
Das haben Sie mehrfach wiederholt. In
diesem Zusammenhang – was bedeutet
Selbstliebe für Sie?
Großes, natürlich. Eine große Überschrift.
Selbstliebe. Die braucht jeder, um auch mit
sich im Reinen zu sein. Denn wenn ich
mich nicht selbst liebe, kann ich andere
Menschen ja auch nicht lieben. Und ich
glaube, ich habe schon eine ganz ordentliche
Portion davon abgekriegt. Ich kann
natürlich bestätigen, dass sie manchmal
auch ein bisschen schwächer ist und ich
denke, ich bin der totale Versager und
nichts klappt, keiner will mich, keiner liebt
mich. Auch das gibt es. Das sind ja eben
diese emotionalen Zustände, in denen man
tagtäglich irgendwie rumschwirrt und
rumschwimmt. Aber im Prinzip weiß ich,
wer ich bin, und ich weiß, was ich kann.
Und ich kann mich auch dafür lieben. Und
ich kann mich auch für meine Seiten lieben,
die vielleicht nicht so schön sind, weil
sie ja trotzdem Teil von mir sind.
Noch eine Frage zum Abschluss. Glauben
Sie, es gibt eine Verbindung zwischen gutem
Umgang mit Emotionen und Erfolg?
Und wenn ja, was ist das?
Ich glaube, es gibt diese Verbindung insofern,
dass wir Menschen wie Magneten
sind. Und ich glaube, man kann diese Magneten
auch einstellen. Man kann dem
einen Wert geben. Wenn der Magnet einen
Wert von 30 hat, dann zieht er nur alles an,
was auch 30 hat. Wenn ich es schaffe, den
Wert höher zu stellen, dann ziehe ich
Dinge an, die einen höheren Wert haben.
Deswegen glaube ich, dass, wenn man
emotional stabil ist und, ich sage mal, im
Grünen schwimmt, wenn man es mal farblich
ausdrücken möchte – oder in Gelbem,
soll sich jeder eine Farbe aussuchen, die
sich positiv anfühlt –, dann zieht man eben
auch diese Dinge an. Ich glaube, das hängt
direkt damit zusammen. Und das kennen
wir alle.
Es liegt in unserem Auftrag, unsere Magneten,
wie auch immer man das ausdrücken
mag, mit dem besten Wert einzustellen, der
zur Verfügung steht.
»Ich glaube,
dass wir
Menschen
wie Magneten
sind. Und ich
glaube, man
kann diese
Magneten
auch
einstellen.«
24 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
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25
Einstellung
TRAU DICH,
GROSS UND FREI ZU
träumen
BUCHAUSZUG AUS »WUNDERWERK« VON VEIT LINDAU
26 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Einstellung
Bilder: Depositphotos / jamesteohart
Gibt es irgendetwas in deinem
Leben, was du dir wünschst,
wovon du mehr willst? Dann
ist jetzt der Zeitpunkt. Das
hier ist das Leben, das zu dir
spricht und dich auffordert: »Sag mir bitte
schön, was du willst.« Und an dieser
Stelle ist es ganz wichtig,
dass du nicht anfängst
mit so einer
kleinen Gurke von
Traum: »Es würde
reichen, wenn ich
vielleicht hundert
Euro mehr auf dem
Konto hätte«; »Wäre
schön, wenn ich
mal
eine Woche
Urlaub
machen
könnte«.
Sondern dass
du sagst: »Ich
lebe! Ich befinde
mich in einem 13,5 Milliarden Jahre
alten Kosmos. Ich habe keine Ahnung, wie
lange ich lebe. Aber ich kann denken, ich
kann fühlen und ich will das Maximum. Alles
andere wäre doch Wahnsinn.«
Ganz vereinfacht gesagt gibt es in deinem
Geist zwei Kräfte. Es gibt den Träumer und
es gibt den Umsetzer. Jeder von uns trägt
diese zwei Kräfte in sich. Der Träumer ist
der Erfinder und Verwalter deiner Visionen.
Der Umsetzer wiederum ist jene Kraft,
die deine Träume als Aufträge begreift.
Ohne dass du es eigens beschließen musst,
sorgt er dafür, dass deine Träume in die
Wirklichkeit überführt werden. Im Guten
wie im Schlechten.
Wenn du zum Beispiel träumst, dass dein
Leben total verkorkst ist; wenn du die Vorstellung
kultivierst, dass du nichts Gutes
verdient hast und aus deinem Leben nichts
mehr werden kann, dann sagt der Umsetzer
in dir: »Okay. Auftrag verstanden. Ich
kümmere mich darum!« Und dein Leben
wird verkorkst sein. An der Stelle sind wir
Menschen alle gleich: Der Träumer träumt
und der Umsetzer setzt um.
Ich möchte dich gleich zu einem Ritual einladen.
Ich möchte dich einladen, richtig
groß zu denken. Aber zuvor lass uns noch
darüber reden, warum so viele Menschen
so ein Problem damit haben, richtig groß
und frei zu träumen. Das ist wichtig, weil
ich bei meinen Klienten immer wieder feststelle,
dass sie manchmal sehr zaghaft bis
lustlos an das potenziell größte Abenteuer
ihres Lebens heranghen. Was ich dir hier
anbiete, ist nichts weniger als eine Revolution!
Wenn du Bock hast auf ein wesentlich
geileres Leben, auf mehr Geld, mehr Orgasmen,
mehr Selbstverwirklichung, mehr Erleuchtung,
steht dir das zur Verfügung! Ich
rede hier nicht von Hokuspokus. Das ist
auch kein Tschacka-Tschacka-Motivationstalk.
Ich schreibe nüchtern und zugleich
hellauf begeistert von deiner realen Kapazität,
Wunder in deinem Leben zu manifestieren.
Also warum denken nicht alle Menschen
frei und groß? Das habe ich mich oft
gefragt und hier sind die sieben maßgeblichen
Gründe.
Wir verkennen unsere Macht
Der erste und vielleicht wichtigste Punkt
ist, dass Menschen nicht verstehen, wie
powervoll sie sind. Uns wurde beigebracht,
uns wie kleine unbedeutende Rädchen in
einem riesigen Uhrwerk zu fühlen und zu
verhalten. Ein zentrales Anliegen dieses
Buches ist es, dir zu vermitteln, dass jedes
einzelne Gespräch, das du führst, etwas kreiert.
Jedes einzelne Gespräch. Jeder Monolog
mit dir selbst. Jeder Dialog mit einem
anderen. Du kannst nicht nicht kreieren.
Du kreierst heute entweder eine Wiederholung
von gestern oder etwas Neues. Du
kannst mit einer einzigen Idee die ganze
Welt beeinflussen. Und wenn du sagst:
»Veit, ich will gar nicht die Welt beeinflussen«,
dann beeinflusse dich selbst, beeinflusse
das Leben der Menschen, die dir am
Herzen liegen.
Es gibt dieses wunderschöne Zitat von
Marianne Williamson: »Unsere Angst ist
nicht, dass wir unzulänglich sind, unsere
tiefste Angst ist, dass wir eigentlich über
die Maßen machtvoll sind.« Das ist so
schmerzhaft schön wahr. Wenn wir unsere
Träume nicht leben, dann deshalb, weil wir
Angst vor unserer eigenen Macht haben.
Visionen sind die Tür zu dieser Macht. Visionen
zeigen dir, dass du viel powervoller
bist, als du denkst. Es ist ein Licht, vor dem
du erschrickst, nicht die Dunkelheit. Vielleicht
fragst du dich, was du dir anmaßt,
wenn du brillant, talentiert, großartig, fabelhaft
sein möchtest. Aber die einzig
spannende Frage ist doch: Warum nicht?
Wenn das Leben dich mit der Fähigkeit zu
Orgasmen ausgestattet hat, warum solltest
du keinen Orgasmus erfahren? Und das
möglichst oft. Wenn du kreativ denken
kannst, warum solltest du deine Kreativität
nicht entfalten? Wenn du lieben kannst,
warum solltest du deine Liebe zurückhalten?
Wenn es Schöpfung gibt, dann ist sie
nicht daran interessiert, dass du auf der
Zuschauerbank gelangweilt auf das Ende
wartest, sondern dass du in die Arena
kommst und Vollgas gibst.
»UNSERE ANGST
IST NICHT, DASS
WIR UNZULÄNG-
LICH SIND, UNSERE
TIEFSTE ANGST IST,
DASS WIR EIGENT-
LICH ÜBER DIE
MASSEN MACHT-
VOLL SIND.«
– Marianne Williamson
Das Gehirn ist ein Energiesparer
Der zweite Grund, warum Menschen nicht
frei und groß träumen, ist erschreckend
banal: Es ist energiesparender für dein Gehirn,
ein Bild anzunehmen, das dir vorgesetzt
wird, als ein eigenes zu entwickeln.
Also, wenn jemand zu dir kommt und sagt:
»Ich weiß, wie die Welt funktioniert – alles
großer Mist!« oder »Alles ist rosarot«, und
wenn das Bild einigermaßen schlüssig ist,
dann denkt dein Gehirn: »Okay. Warum
soll ich selbst noch darüber nachdenken?
Da spare ich mir doch meine Energie.«
Menschen, die so reagieren, sind geistige
Wiederkäuer*innen. Menschen, die sagen:
»Hey, der Fritz hat behauptet …«, »Der
Papst hat gesagt …«, »Die Bundesregierung
empfiehlt …«, »Man sollte …«, käuen einen
alten Gedanken wieder. Wir käuen wieder,
wenn wir das Gleiche sagen, was wir vor
fünf Jahren gesagt haben. Oder wenn wir
denken, dass wir heute nicht erfolgreich
sein können, da wir schon vor fünf Jahren
versagt haben. Das ist alles ein Wiederkäuen
von alten Erfahrungen und sehr bequem
für unser Gehirn. Um dir das Wiederkäuen
von Gedanken ein für alle Mal zu
vermiesen: Stell dir vor, du triffst dich mit
einem guten Freund. Während ihr euch
unterhaltet, öffnet er seinen Mund, holt
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
27
Einstellung
»Wunderwerk«
von Veit Lindau
192 Seiten
Erschienen: September 2021
Unum
ISBN: 978-3-8338-8108-4
einen alten Kaugummi raus und legt in dir
auf die Zunge. Du kaust ihn ohne Widerspruch
weiter, obwohl du weißt, dass er
vorher schon in tausend fremden Mündern
war. Du freust dich schon darauf, ihn deinem
Kind in den Mund zu schieben, wenn
es aus der Schule kommt. Ist das eklig? Ich
finde ja. Genau das machst du mit deiner
Großhirnrinde, wenn du nicht selbstständig
denkst. Pfui!
Falsche Lektionen aus der Kindheit
Der wahrscheinlich maßgeblichste Grund,
warum Menschen sich nicht erlauben, frei
zu träumen, ist, dass uns in der Kindheit
beigebracht wurde, wir seien es nicht wert.
Andere bereits auf Mittelmaß konditionierte
Geister haben uns beigebracht, wir
müssten uns bescheiden. Das ist crazy.
Wenn ich nicht an mich glaube, traue ich
mir natürlich auch keine großen Träume
zu. Wenn ich glaube, ich bin nicht gut genug,
habe ich keine Chance, die volle Flügelspanne
meines freien Geistes auszufahren.
Ein Adler, der gelernt hat, sich in
einerPinguinkolonie zu verstecken. Dabei
ist es im Grunde genommen andersherum:
Es ist der größte Verrat am Leben, nicht
groß zu träumen.
Falls du an Gott glaubst: Was meinst du
wohl, was Gott von dir will? Dass du mit
hängenden Schultern über die Erde läufst
und den schöpferischen Ferrari, den ER/
SIE/ES dir anvertraut hat, in der Garage
stehen lässt? Meinst du, dass die Quelle der
Schöpfung begeistert ist, wenn du beschließt:
»Ich werde mein Leben lang artig,
nett und unauffällig sein«? Oh, nein. Sie
wird dir irgendwann frustriert in den Hintern
treten und dir eine fette Krise schicken,
damit du endlich gezwungen bist,
deine Superpower zu aktivieren.
Angst vor Fehlern und Enttäuschung
Vierter Punkt, ganz wichtig: Wir erlauben
uns nicht zu träumen, weil wir uns vor
Fehlern und den damit verbundenen Erfahrungen
von Enttäuschung, Ablehnung,
Schuld und Scham fürchten. Ich habe
meine Ziele schon immer relativ großmäulig
rausposaunt, weil mich das verpflichtet
und anspornt. Dann ist mir aufgefallen,
dass es Leute gibt, die nur darauf warten,
dass ich einen Fehler mache. Natürlich tun
die Ablehnung der anderen und das eigene
innere Gericht weh. Wer lebendig ist, wird
mehr Fehler begehen.
Erinnerst du dich noch an das, was wir in
Part 3 über die zwei Mindsets gesagt haben?
Ein fixes Mindset hält sich an die Devise:
»Ich will keine Fehler machen.« Wenn
du keine Vision hast, kannst du keine Fehler
machen. Im Wachstums-Mindset sagst
du hingegen: »Fehler gehören dazu. Fehler
sind eigentlich geil, weil ich durch sie noch
mehr erfahre, wer ich bin.« Öffne dich für
Fehler und die damit verbundene Verletzbarkeit,
und du ööffnest dich für die wahre
Elementarkraft deines Lebens.
Widerstand gegen unbequeme Erfahrungen
Jetzt kommt eine ganz wichtige Sache für
die Spiris unter uns: ein subtiler Widerstand
gegen unbequeme Erfahrungen. In
der spirituellen Szene ist das Konzept
»Wünsch dir was vom Universum beziehungsweise
das »Gesetz der Anziehung«
weitverbreitet. Warum ist dieses Konzept
so verlockend? Weil es bequem ist. Doch
wir wissen heutzutage aus der Flowforschung,
dass der sch pferische Kreislauf
echter Flowerfahrungen auch unangenehme,
unbequeme Phasen braucht. Niemand,
der Fitness treibt, geht davon aus,
dass er beim ersten Training Topleistungen
erbringt und sich immer supertoll fühlt.
Nein, es gibt diese Momente, in denen alles
wehtut; erst hinterher fühlst du dich wieder
supergeil. Wenn du eine andere Sprache
erlernen möchtest, musst du Grammatik
und Vokabeln pauken. Aber wenn du dann
in dem anderen Land bist und dich mit den
Leuten in ihrer Sprache verständigen
kannst, hat sich die Anstrengung gelohnt.
Wenn ich dich jetzt verführen möchte, größer
zu denken, eine Vision zu empfangen
und deine Absicht zu formulieren, dann in
dem Wissen, dass du auf dem Weg dahin
auch Strecken erleben wirst, die frustrierend
sind. Weil du nicht weiterweißt, weil
es nicht schnell genug geht, weil du Dinge
dazulernen musst. Lass uns da wirklich
klar sein: Dieser Dehnungsprozess ist
manchmal ätzend unbequem. Eine Vision
zu empfangen und von ihr berauscht zu
sein ist keine Kunst. Diese Vision auf detaillierte
Ziele und Handlungen runterzubrechen
und dranzubleiben kann mühsam
sein. Aber es lohnt sich. Genau in diesen
heißen, herausfordernden Phasen wird
unser Charakter geformt und das Fundament
für die Ekstase gelegt, die wir dann
im Flow erfahren.
Angst vor Sichtbarkeit
Der nächste Grund ist Angst vor Sichtbarkeit.
Ganz, ganz wichtig. Wenn du dich
dazu bekennst, wer du wirklich bist und
was deine Vision eines guten Lebens ist,
stehst du plötzlich mitten in der Arena. Es
wird eine Menge Leute auf den Zuschauerbänken
geben, die denken: »Du bist ja ganz
schön frech, ich werde dich mal beobachten.«
Diese Menschen kompensieren ihr
eigenes fehlendes Spiel, indem sie über
andere lästern, sie kritisieren, ja sogar bekämpfen.
Damit musst du umgehen lernen.
Das ist der Preis.
Das Prinzip der Sichtbarkeit gilt auch im
privaten Bereich. Vielleicht bekennst du
dich in deiner Beziehung zu deiner Vision
und sagst: »Schatzi, mir fällt auf, dass die
WENN ICH GLAUBE, ICH BIN NICHT
GUT GENUG, HABE ICH KEINE CHANCE,
DIE VOLLE FLÜGESPANNE MEINES
FREIEN GEISTES AUSZUFAHREN.
28 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Einstellung
NATÜRLICH TUN DIE ABLEHNUNG DER
ANDEREN UND DAS EIGENE INNERE
GERICHT WEH. WER LEBENDIG IST,
WIRD MEHR FEHLER BEGEHEN.
Mulde unserer Couch, auf der wir beide
sitzen, wenn wir abends fernsehen, immer
tiefer wird. Ich will, dass wir es krachen
lassen. Ich will das Abenteuer. Ich will mit
dir auf den Mount Everest der Partnerschaft.«
Es kann sein, dass dies wie ein elektrischer
Blitz in deine*n Partner*in führt
und er oder sie sagt: »Danke, dass du es
aussprichst! Ja, mir fehlt das auch. Lass uns
gemeinsam nach den Sternen greifen,
Baby!« Es kann aber auch sein, dass er oder
sie mit Widerstand reagiert: »Sorry, da
steige ich aus. Ich finde die Mulde
bequem.«
Visionen positionieren uns. Wenn du erst
einmal klar weißt, wofür du stehst und wo
du hinwillst, wirst du zum Teil schmerzhaft
deutlich spüren, welche von deinen
Freund*innen gar nicht in dieselbe
Richtung unterwegs sind. Visio-
nen können dich manchmal echt einsam
machen. Ich will es nicht schönreden. Das
kann wehtun. Doch die gute Nachricht ist:
Du wirst nie wieder ganz allein sein. Denn
du wirst in deinem Einstehen für deine Vision
einen Menschen treffen, auf den du so
lange gewartet hast – dich! Und die zweite
gute Nachricht: Endlich können dich deine
wahren Weggefährt*innen erkennen.
Angst vor Erfüllung
Den siebten Grund habe ich selbst lange
nicht verstanden. Wir fürchten uns vor der
tatsächlichen Erfüllung unserer Wünsche.
Wieso könnte Erfüllung furchterregend
sein? Erinnere dich mal an die letzten Momente,
in denen du komplett erfüllt warst.
Was hat da gefehlt? Dein Ego!
Dein Ego hat keinen Zugang zu
wahrer Erfüllung. Es muss an
der Schwelle dahin sterben. Ego definiert
sich über Widerstand und Mangel. Dein
Ego braucht – um sich lebendig zu fühlen
– etwas, das nicht stimmt, etwas, das fehlt,
etwas, wonach es sich sehnen kann. Wenn
du also die tiefe Sehnsucht deiner Seele bejahst
und diese erfüllt wird, wird es innerlich
ganz still. Für deine Seele ist das der
perfekte Zustand, dort ist sie frei. Für dein
Ego hingegen ist es der Tod, denn es hat
keinen Zugang zur Erfüllung.
Und das Ego ist ganz schön gewieft. Es versucht
sich zu wehren, indem es Probleme
kreiert, die gar nicht wirklich existieren. Ich
habe auf meinem Weg gemerkt, dass ich –
als ich anfing, die ersten Phasen von Erfüllung
zu erleben –, aufpassen musste, mich
nicht selbst zu sabotieren.
Beobachte diesen Mechanismus mal bei dir
selbst. Er ist öfter aktiv, als du denkst. Plötzlich
kreierst du einen Streit. Du verletzt
dich. Du gibst unnötig Geld aus …
So, das also sind die sieben Gründe, die uns
(nicht wirklich) davon abhalten können,
wirklich groß und frei zu träumen und
diese Träume kühn und konkret zu manifestieren.
Ich habe sie dir nicht aufgeschrieben,
damit du sie als Ausrede benutzt, sondern
damit du sie enttarnen und wie lästige
Motten abschütteln kannst, während sich
der Titan, die Titanin der Schöpfung in dir
erhebt und beginnt, das Leben deiner Wahl
zu erschaffen.
Bilder: Depositphotos / jamesteohart, Lindau, Cover: Unum
»DEIN EGO WEHRT
SICH GEGEN ERFÜL-
LUNG. ES BRAUCHT
IMMER ETWAS,
WONACH ES SICH
SEHNEN KANN.«
– Veit Lindau
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
29
Erfolg
Seit über dreißig Jahren steht Daniel Aminati auf Bühnen und in Studios,
tanzt, singt, moderiert, motiviert und inspiriert – um die Menschen mit
seiner Freude anzustecken. Dabei war sein Leben nicht immer so unbeschwert,
wie man es gern glauben möchte. Jetzt hat der 48-Jährige eine
Autobiografie geschrieben, in der er die Licht- und Schattenseiten seines
Werdegangs beleuchtet und den Menschen hinter dem Entertainer offenbart.
30 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Erfolg
AM ABGRUND
WUCHSEN
IHM FLÜGEL
DANIEL AMINATI IM INTERVIEW ÜBER DIE SUCHE NACH WERTSCHÄTZUNG,
DIE KEHRSEITE DES ERFOLGES UND DIE HEILSAMKEIT VON SELBSTREFLEXION
Das Interview führte Johanna Schmidt.
Bild: IMAGO / Eventpress
Dein Start ins Leben war
nicht unbedingt erfolgversprechend
und deine Kindheit
alles andere als leicht.
Dein erster Schritt ins
Rampenlicht war ein Tanzschritt, da
warst du erst 15. Woher kam dein
Wunsch, auf der Bühne zu stehen?
Der Wunsch, auf der Bühne zu stehen, entsprang
der Lust an Freude. Meine Kindheit
war geprägt von sehr viel Aggressivität,
Hilf- und Lieblosigkeit. Das sind Umstände
und eine Energie, in der man nicht sein
möchte. Ich habe damals ganz viel Fußball
gespielt und wirklich Ewigkeiten auf dem
Bolzplatz verbracht, weil das für mich die
heile Welt war – bloß nicht zu Hause sein.
Mit elf, zwölf fing dann das Tanzen bei mir
an, eine große Bedeutung zu spielen. Damals
gab es die Hip-Hop-Bewegung und es
machte mir wahnsinnig viel Spaß, die
Menschen nachzuahmen, die mir auch äußerlich
ähnlich waren. Das waren vornehmlich
schwarze Kids, die in Amerika,
genauer gesagt in der Bronx, Breakdance
tanzten, rappten. Diese Welle, die damals
nach Deutschland rüberschwappte, hat
dazu geführt, dass einige Kumpels und ich
die Tanzschritte adaptierten. Das war
Freude, die wir da zum Ausdruck brachten,
und es hatte etwas Unbeschwertes. Ein
paar Jahre später wurden wir dann angesprochen,
der Mola (er wurde später unter
anderem als Moderator bei VIVA bekannt)
und ich, ob wir nicht Lust hätten, auf der
Bühne vor Publikum zu tanzen. Na klar
haben wir dieses Angebot angenommen.
Ein bisschen Geld gab es auch noch on top.
Das war der Start der Back groundtanz-
Karriere.
Des Weiteren gibt es noch diesen Satz: Der
Weg auf die Bühne ist günstiger als der
Weg zum Therapeuten. Da ist was Wahres
dran und traf definitiv auch auf mich zu.
Jeder möchte irgendwie beachtet und geschätzt
werden. Und durch das Tanzen
habe ich damals Wertschätzung erfahren.
Zuerst war aber Fußball dein Hobby.
Viele Jungs und inzwischen auch einige
Mädels haben den Traum, Fußballprofis zu
werden. Das war damals auch meiner.
»Der Weg auf
die Bühne ist
günstiger als
der Weg zum
Therapeuten.
Da ist was
Wahres dran
und traf definitiv
auch auf
mich zu.«
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
31
Erfolg
»Wenn du
erfolgreich
bist und die
Quote stimmt,
dann küssen
sie dir den
Allerwertesten.
Bleibt der
Erfolg aus,
bleibst du
unbeachtet.
The winner
takes it all.«
Mit zehn habe ich das erste Mal im Verein
und auch in Auswahlmannschaften gekickt
und durfte dann ab meinem fünfzehnten
Lebensjahr in der Junioren-Bundesliga
spielen. Deshalb war der Schritt in den
Profi-Kader nicht weit weg. In der A-Jugend
war ich beim FC Bayern. Wir hatten
einen großartigen Kader. Granaten wie
Didi Hamann, der dann auch bei Liverpool
spielte, Max Eberl, der bei Gladbach Manager
war, Harald Cerny, der österreichischer
Nationalspieler gewesen ist – sie alle waren
in der Mannschaft.
»Am Abgrund wachsen dir Flügel«
von Daniel Aminati
304 Seiten
Erschienen: April 2022
Ariston
ISBN: 978-3-424-20224-3
Sich in diesem Umfeld bewegen zu dürfen,
war großartig. Aber der Schritt in ein Profi-
Lager, der braucht dann einfach noch mehr
Fokussierung, noch mehr Konzentration.
Als ich siebzehn, achtzehn war, wurden
dann auf einmal andere Sachen auch für
mich interessant, wie zum Beispiel die
Bühne.
Also war das der nächste natürliche
Schritt für dich?
Nein. Ich beschreibe im Buch, dass, sobald
ich eine Ablehnung erhielt und ich mich
nicht wertgeschätzt fühlte, ich etwas Mimosenhaftes
an den Tag legte. Ich dachte
dann immer: »Warum der und warum ich
nicht?« Ich wurde dann eher unsicher, als
dass mich das bestärkt hätte. Bei den Bayern
musste ich öfter auf der Bank sitzen, als
mir lieb war. Und häufig musste ich in der
zweiten Mannschaft aushelfen.
Innerhalb der Mannschaft hatte ich den
Zuspruch und wurde wertgeschätzt, aber
eben nicht vom Trainer, der hat auf andere
Spieler gesetzt. So ist das manchmal im
Leben und das wird uns immer wieder begegnen,
dass wir das Gefühl nicht loswerden,
dass jemand anderes bevorzugt wird.
That’s life. Statt die Ärmel hochzukrempeln,
bin ich oft bockig weggelaufen oder
wurde aufmüpfig und musste so manchen
Verein verlassen. Also würde ich den
nächsten Step gar nicht als natürlichen
Schritt bezeichnen, sondern bin eher auf
die professionelle Bühne »gestolpert«.
Und auf der Bühne – oder in der Entertainment-Industrie
– kam diese Wertschätzung
dann leichter?
In allen Bereichen – überall wo Menschen
32 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Erfolg
Bilder: IMAGO / Lumma Foto / Future Image, Cover: Ariston
zusammentreffen – gibt es welche, die
einem wohlgesinnt sind oder eben nicht.
Selbst wenn du in der ersten Mannschaft
beim FC Bayern spielst, gibt es auch da
Momente, in denen so mancher hoch dotierter
Spieler spürt, dass der andere bevorzugt
wird. Der Trainer stellt 11 Spieler auf,
der Rest sitzt auf der Bank oder ist gar
nicht im Kader. Und auch auf der Bühne
ist das genauso.
»Die Beliebtheit eines Künstlers steigt und
fällt immer proportional zu seinen Verkaufszahlen.«
Und auch diesen Satz unterschreibe
ich. Wenn du erfolgreich bist und
die Quote stimmt, dann küssen sie dir den
Allerwertesten. Bleibt der Erfolg aus,
bleibst du unbeachtet. The winner takes it
all.
Es geht in dieser Welt nicht immer gerecht
zu. Aber irgendwie gleicht es sich
doch auch immer wieder aus. Es ist wichtig,
zu begreifen, sich in diesem »Lebensspiel«
nicht zu sehr von äußeren Faktoren
und Personen abhängig zu machen. Jeder
ist schlussendlich für seine eigene Zufriedenheit
und sein eigenes Glück verantwortlich.
Und gerade dann, wenn du
meinst, dich im Kreis zu drehen, geh unbeirrt
weiter. Im Übrigen: Du wirst es auch
nicht zu schätzen wissen, wenn immer alles
glatt läuft. Das gibt es nicht und das soll
es auch nicht. Denn nichts ist ohne sein
Gegenteil.
»Es ist wichtig, zu begreifen,
sich in diesem ›Lebensspiel‹
nicht zu sehr von äußeren
Faktoren und Personen abhängig
zu machen.«
Dann hast du so ziemlich alles ausprobiert,
was ein Mensch in der Entertainment-Industrie
tun kann: Tanz, Gesang,
Schauspiel, Modeln, Moderation – zuletzt
bist du ja auch im Fitnessbereich
sehr aktiv. War das dieses Weitergehen
und nach dem eigenen Glück suchen?
Oder war das doch eher eine Art Suche
nach dem, was funktioniert und dir
Ruhm und Anerkennung bringt?
Als ich damals das erste Mal auf der Bühne
stand, entsprang in mir nicht der Wunsch,
»Ich will jetzt ein Star werden«. Ich war
vielmehr froh, etwas machen zu können,
das mir Spaß bereitet hat. Ein schöner und
damals instinktiv wichtiger Ansatz. Ich
denke, dass Erfüllung nicht zwangsläufig
mit materiellem Erfolg einhergeht, sondern
mit dem, was dich wirklich beseelt,
was deine Leidenschaft ist. Das eine muss
das andere ja nicht ausschließen. Aber die
Freude sollte an erster Stelle stehen, um
wirklich langfristig erfolgreich zu sein. Ich
habe damals vieles Verschiedenes gemacht,
weil ich auch schauen musste, über die
Runden zu kommen. Ich habe keinen
Schulabschluss, keine Ausbildung, deshalb
habe ich auf unterschiedlichen Bühnen gestanden.
Der Weg vom Tanz in Richtung
Boyband war dann nicht so weit. Bühne ist
Bühne.
Es überrascht mich, wenn Menschen sagen:
»Mensch, was kannst du nicht alles?
Wow, das ist ja toll!« Für mich ist das gar
nicht so hochtrabend. Früher sind Entertainer
singend die Treppe heruntergekommen,
haben moderiert und noch kleine
Schauspiel-Einlagen gemacht. Das war
früher normal! Selbst eine Musicalausbildung
basiert darauf. Aber ich freue mich
natürlich, dass ich unbeirrt weitergegangen
bin, um das machen zu können, was
ich gemacht habe. Jetzt kann ich nach über
dreißig Jahren Bühnenerfahrung sagen:
Ich habe inzwischen was drauf. Und das
kann mir niemand nehmen.
Was, denkst du, war ausschlaggebend
für deinen Erfolg?
Der ausschlaggebende Punkt für Erfolg
ist Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit.
Dafür gibt es auch einen englischen
Ausdruck, und zwar »Grit«. Talent zu
haben ist das eine. Talent ist eine wunderbare
Ausgangsposition. Wenn du aber
nicht täglich an deinem Talent feilst, wird’s
schwer auf Dauer.
Zu deinem Erfolg gehörte aber auch
die Kehrseite: Egoismus, Drogen,
Schulden, Absturz. Wie hast du
dich da wieder rausgeholt?
Oft ist es leider so, dass wir erst
dann ein Bewusstsein für Dinge erlangen,
wenn wir auch die Kehrseiten
der Medaille
kennen. Aufgrund
meiner
tiefen Abstürze
habe ich ein anderes
Empfinden,
vielleicht
eine andere Dankbarkeit
dafür, was Höhen
für mich jetzt bedeuten. Menschen,
die besonders gelitten haben in
ihrem Leben, sind auch oft besonders
empfindsam und empathisch. Ich
habe an meinem tiefsten Punkt glücklicherweise
Strategien entwickelt, um
ja nie wieder in diese Hölle zurückzukehren.
Dann war es auch dieser »Grit«,
der dich da wieder rausgeholt hat?
»Jetzt kann ich
nach über dreißig
Jahren Bühnenerfahrung
sagen: Ich habe
inzwischen was
drauf. Und das
kann mir niemand
nehmen.«
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
33
Erfolg
In einem meiner ersten Speaker-Auftritte
habe ich meine Geschichte erzählt. Da gab
es unter anderem einen Satz, den ich vortrug:
»Wenn du mit dem Rücken zur Wand
stehst, ist das manchmal ganz ratsam, denn
du kannst nicht weiter zurück, du musst
nach vorne.« Irgendwann gibt es einen
Punkt in deinem Leben, an dem du dich
entscheiden musst: In welche Richtung will
ich gehen? Will ich weiter Opfer sein oder
»Wenn du dir deiner Schattenseiten
bewusst bist und ihnen
gegenüber vielleicht auch etwas
Gutes abgewinnen kannst,
dann ist das der erste Schritt in
die richtige Richtung. «
Daniel Aminati mit seinem
ersten Tennisschläger
will ich Schöpfer sein? Bei mir war der
eben angesprochene tiefste Punkt der, dass
ich mit dem Tod geliebäugelt habe. Das
klingt dramatisch und das war es auch. Ich
habe diese Zeit wahrscheinlich auch gebraucht,
um Kräfte zu entwickeln und um
an Wunder zu glauben, die ich aus mir
heraus manifestieren konnte. Deswegen
bin ich diesen Zeiten heute sehr dankbar,
so makaber das auch klingen mag. Wenn
du dir deiner Schattenseiten bewusst bist
und ihnen gegenüber vielleicht auch etwas
Gutes abgewinnen kannst, dann ist das der
erste Schritt in die richtige Richtung.
Jetzt hast du dein erstes Buch verfasst:
»Am Abgrund wachsen dir Flügel«. Was
hat dich dazu bewegt?
Der Grund, warum ich dieses Buch geschrieben
habe, ist zum einen ein Friedenschließen
mit dem und auch ein Anerkennen
dessen, was war. Ich bin
inzwischen sehr happy bin mit dem, der
ich geworden bin. Das war ein schmerzhafter
und langer Weg. Irgendwo nehme
ich mich mit diesem Buch selbst in den
Arm und sage: »Hey, das hast du gut gemacht,
Junge. Kompliment.« Dieses Buch
soll aber auch ein Mutmacher sein! Denn
Daniel Aminati mit seinen Eltern
und Geschwistern, bevor sich seine
Mutter von seinem Vater trennte
egal wie aussichtslos, traurig, schwer und
beschissen deine Situation gerade zu sein
scheint, es gibt immer Hoffnung, solange
du nicht stehen bleibst.
Wie war der Schreibprozess für dich?
War es nicht auch schwierig, alte Wunden
wieder aufzureißen?
Anfänglich habe ich mit einem Ghostwriter
gearbeitet. Aber es war nicht das, was
ich mir erhofft hatte. Es gab dann noch
einen zweiten Ghostwriter, der sich auch
noch einmal drangesetzt hat. Aber auch
das war’s nicht. Dann kam ich an den
Punkt, an dem ich feststellte und mir klar
wurde: Ich muss das selber machen.
Das hat zum einen dazu geführt, dass der
Erstellungsprozess länger gedauert hat,
und zum anderen, dass ich dann im Nachhinein
diesen Titel gewählt habe: »Am
Abgrund wachsen dir Flügel«. In den letzten
Jahren haben mich Zitate begleitet, die
ich mir immer wieder aufgeschrieben
habe. Das ging schon vor zwanzig Jahren
los, als ich mich entschieden habe, aus
meiner »Krise« herauszugehen. Ich habe
damals sehr viel gelesen. Diese Sätze waren
für mich kleine Wegweiser und
Leuchttürme.
»Wer noch nie am Abgrund stand, dem
können auch keine Flügel wachsen.« Dieses
Zitat stammt aus dem Film »Alexis
Sorbas«. Dieser Satz ist bei mir hängen
geblieben. Und da mein Leben – oder das
Leben so vieler von uns – eine Berg- und
Talfahrt ist, habe ich mir gedacht, das
spiegelt mein Leben ganz gut wider. Denn
ich habe Abgründe erleben müssen, weswegen
ich dann aber auch Flügel entwickeln
konnte.
Bilder:Privatarchiv Daniel Aminati
34 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Erfolg
War das Schreiben also auch eine Form
von Selbsttherapie?
Ja, der Schreibprozess war auch ein Stück
weit Selbsttherapie. Wir neigen häufig
dazu, Dinge wegzudrücken, wegzuschieben.
Wir leben komplett in der Ablenkung.
Wenn du raus auf die Straße gehst, wirst du
vollgeballert mit Geräuschkulissen, mit unaufmerksamen
Menschen, mit Reklame …
Ich glaube, dieser Prozess und noch einmal
abzutauchen in die eigene Geschichte und
in die Stille zu gehen, das war zwar heilsam,
aber wie so oft, wenn es heilsam wird,
musst du vorher durch tiefe Wunden. Das
Buch ist sehr ehrlich und transparent.
»Erfolg bedeutet für mich, sich
in seiner Haut wohlzufühlen.«
Deshalb hattest du dich dann auch dazu
entschieden, das noch einmal selbst zu
machen statt mit den Ghostwritern.
Absolut. Deswegen bin ich froh, dass ich
diesen Weg gegangen bin. Und vor allen
Dingen bin ich mir auch da treu geblieben.
Ich habe mir gedacht: »Klar, ich kann’s mir
einfach machen.« Das war der Gedanke am
Anfang. »Ich habe noch andere Projekte,
da lasse ich einen Ghostwriter ran, das ist
ja seine Profession. Ein Schriftsteller ist ein
Schriftsteller und wird das schon besser
machen als ich.« Aber sich dann irgendwann
zu sagen: »Okay, dann geh’ ich jetzt
»Wenn du es gut machen
willst, dann tu es. Auch wenn
es mühseliger ist als eine
andere Lösung.«
den beschwerlichen Weg.« Das ist wieder
diese Mentalität der Beharrlichkeit. Wenn
du es gut machen willst, dann tu es. Auch
wenn es mühseliger ist als eine andere Lösung.
Du wirst belohnt. Und für mich ist
dieses Buch, ob es sich jetzt großartig verkauft
oder nicht, jetzt schon ein Erfolg.
Weil es mein Buch ist und ich auf mein
Leben zurückblicke. Aber natürlich würde
ich mich freuen, wenn es viele lesen.
Nach all der Selbstreflexion – was bedeutet
Erfolg heute für dich?
Erfolg bedeutet für mich, sich in seiner
Haut wohlzufühlen. Das ist das schwerste
und das größte Ziel, das du im Leben erreichen
kannst. Ich fühle mich wirklich
wohl in meiner Haut. Das heißt nicht, dass
ich am Ende bin. Wenn wir lernen wollen,
werden wir bis ans Ende unserer Tage lernen.
Die ganze Geschichte der Menschheit
fußt auf zwei Säulen, auf Anstrengung und
Entwicklung. Ich folge also weiter munter
meinen Visionen und freue mich auf all
das, was ist und noch kommen wird.
Meditation gehört heute für ihn und
seine Verlobte Patrice Eva Fischer zur
täglichen Routine.
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
35
Erfolg
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36 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Einstellung
Arnold Schwarzenegger hat sich seine
Spracheigenheiten nie verbieten lassen.
»ACHTE AUF
DEINE SPRACHE«
JULIEN BACKHAUS HAT EIN BUCH ÜBER 50 DUMME LEBENS- UND KARRIEREREGELN
GESCHRIEBEN, DIE MAN BRECHEN MUSS, UM ERFOLG ZU HABEN.
AUSZUG AUS DEM NEUEN BUCH VON JULIEN BACKHAUS
Bilder: IMAGO / Future Image
Unsere Sprache – damit sind
hier Eigenheiten wie Stil,
Akzent, Dialekt und dergleichen
gemeint, nicht die
Landessprache als solche –
ist ein Ausdruck unserer individuellen
Persönlichkeit. In der Regel ist sie ein Anzeichen
für unsere Überzeugungen, unseren
Charakter und unsere Herkunft. Sie
sollten das nicht verleugnen. Sie dürfen
sich niemals dafür schämen, wer Sie sind.
Hören Sie manchmal Politiker sprechen
und denken sich dabei: »Was ist nur mit
dem? So redet doch niemand?« Sie haben
recht, so redet niemand, der sich selbst
treu ist. So redet jemand, der gelernt hat,
sich zu verstellen.
Sollte Ihnen jemand raten, mehr auf Ihre
Sprache oder Aussprache zu achten, will
er damit wahrscheinlich erreichen, dass
Sie sich besser in die Gruppe einfügen.
Die Aufgabe der eigenen Individualität
und Wahrhaftigkeit ist aber ein großer
Preis für ein Leben im Mittelmaß. Persönlichkeiten
wie Andy Warhol, Coco
Chanel oder Arnold Schwarzenegger haben
sich ihre Spracheigenheiten nie verbieten
lassen. Ganz im Gegenteil. Sie haben
ihre offene und manchmal seltsame
Art zu sprechen gezielt genutzt, um sich
von der Masse abzuheben. Das verlieh
ihren Botschaften umso mehr Gewicht.
Sie wurden deshalb zu so erfolgreichen
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
37
Einstellung
Der US-amerikanische Künstler Andy Warhol
war eine Leitfigur in der Pop-Art-Bewegung.
Bild: IMAGO / UIG, Cover: FinanzBuch Verlag
Figuren, weil sie keinen Hehl daraus
machten, wer sie sind.
Es gibt natürlich auch hier eine mögliche
Konsequenz, die viele scheuen. Wer nicht
bereit ist, sich anzupassen, kann von
einer Gruppe ausgeschlossen werden.
Denken Sie nur an die drei genannten
Persönlichkeiten Warhol, Chanel und
Schwarzenegger. Sie galten zu Beginn
ihrer Karrieren als Außenseiter. Schwarzenegger
wurde ständig für verrückt erklärt.
Erst, als er mit seinem österreichischen
Akzent Schauspieler in Hollywood
werden wollte, und später, als er sich für
den Posten des Gouverneurs von Kalifornien
bewarb. Doch die Leute wussten es
»Bullshit Rules:
50 Regeln, die Sie brechen
müssen, um Erfolg zu haben«
von Julien Backhaus
128 Seiten
Erschienen: Juli 2021
FinanzBuch Verlag
ISBN: 978-3-95972-489-0
zu schätzen, dass er sich nicht verstellte.
Das brachte ihm ein authentisches Image
ein und förderte seine Einzigartigkeit.
Sich von der Masse abzuheben, hat nun
mal auch große Vorteile. Die Botschaften
solcher Leute werden schneller wahrgenommen.
Diverse Untersuchungen haben
sogar herausgefunden, dass Fluchen
gesund ist und produktiver machen
kann. Sie müssen also keine Scheu davor
haben, mit Ihrer Wortwahl hier und da
über die Stränge zu schlagen. Sie wirken
dadurch nur umso ehrlicher. Auch wenn
manche Menschen die Stirn runzeln sollten,
werden sie Sie für Ihre Authentizität
res pektieren.
Sollte Ihnen
jemand raten,
mehr auf Ihre
Sprache oder
Aussprache
zu achten,
will er damit
wahrscheinlich
erreichen, dass
Sie sich besser
in die Gruppe
einfügen.
38 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Wissen
asdf
asdf
Bilder: asdf
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
39
Wissen
BRAINSET
WIE WIR WERDEN, WER WIR SIND
Wie und weshalb entscheiden
wir so, wie wir entscheiden?
Was macht
mich zur Persönlichkeit
und wieso entscheide ich
so und nicht anders? Spannende Fragen. Seit
vielen Jahrhunderten beschäftigen diese Fragen
Philosophen, Psychologen und seit wenigen
Jahrzehnten vor allem auch die
Neurowissenschaftler.
Die meisten Menschen offenbaren als Erwachsene
in dem, was sie fühlen, denken
und tun, über alle Veränderungen hinweg
ein nachweislich zeitlich überdauerndes
Muster; dies wird als Persönlichkeit bezeichnet.
Insbesondere sind die Gewohnheiten
eines Menschen typisch für seine Persönlichkeit.
Die Persönlichkeit wird geprägt durch
zwei sehr starke Tendenzen: Einerseits die
»Anlage« und andererseits die »Umwelt«.
Wir werden also genetisch – besser: epigenetisch
(bestimmt mit, unter welchen Umständen
welches Gen in der frühen Entwicklung
eines Menschen angeschaltet wird und wann
es wieder schweigsam wird) – und durch die
Umwelt, die auf uns einwirkt, geformt.
Demnach haben wir scheinbar eine Trennung
von Temperament und Charakter.
Diese Trennung und dieser uralte Streit lösen
sich nun langsam auf und in der modernen
Hirnforschung setzt sich die Erkenntnis
durch, dass sich genetische Vorbedingungen
und Umwelteinflüsse im Gehirn eines Menschen
unauflöslich miteinander verbinden
und dass es genau diese Verbindungen sind,
die unsere Persönlichkeit formen.
Und es gibt noch zwei weitere starke Tendenzen
in der Persönlichkeit: Auf der einen
Seite wollen wir auf jeden Fall Bestandteil
einer Gruppe sein und uns zugehörig fühlen
und andererseits haben wir den Hang zur
Autonomie, also alles entscheiden zu wollen,
wie wir es für uns selbst als richtig empfinden.
Ein Spagat, den es ständig zu lösen gilt.
Die meisten heutigen Persönlichkeitstests
gehen von fünf Grundfaktoren aus: Extraversion,
Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit,
DIE PERSÖNLICH-
KEIT WIRD GEPRÄGT
DURCH ZWEI SEHR
STARKE TENDEN-
ZEN: EINERSEITS
DIE »ANLAGE« UND
ANDERERSEITS DIE
»UMWELT«.
40 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Wissen
Neurotizismus und Offenheit/Intellekt. Sie
nennen sich die »Big Five« und wurden auf
der Basis der Ansätze des deutsch-britischen
Psychologen Hans-Jürgen Eysenck von den
Psychologen Costa und McCrae in den 80er-
Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelt
(Costa und McCrae, 1992).
Aus Sicht der Neurowissenschaften, die inzwischen
auch von den vielen Persönlichkeits-
und Entwicklungspsychologen mitgetragen
wird, hängt die Persönlichkeit eines
Menschen mit den individuellen Eigenschaften
seines Gehirns zusammen. Diese Ausführung
bedeutet gerade nicht, dass Persönlichkeit
etwas Unveränderbares und klar
genetisch Herbeigeführtes ist. Eher wird der
Charakter eines Menschen stark durch die
Umwelt und seine Einflüsse bestimmt und
dies in einem viel höherem Maße als bisher
angenommen.
Die Plastizität (Neuroplastizität) des Gehirns
ist nachweislich unser ganzes Leben aktiv
und verändert uns ständig durch die wirkenden
Umwelteinflüsse, unsere widerfahrenen
und damit auch abspeichbaren Erfahrungen
im deklarativen Gedächtnis (Wissensgedächtnis),
dem emotionalen Gedächtnis
(limbisches System) oder dem prozeduralen
Gedächtnis (automatisch erlerntem Gedächtnis).
Dies sorgt letztlich dafür, dass
unser Gehirn (insbesondere durch das limbische
vorbewusstliche Gedächtnis) immer
wieder andere oder auch neue emotionale
Bewertungen hervorruft.
Nach neuen oder auch zusätzlichen Informationen
und vor allem auch emotional besetzten
Erfahrungen wird daher unser Verhalten
maßgeblich ständig beeinflusst und
verändert. Damit wandeln sich auch Sichtweisen,
Wertestrukturen und auch eine Vielzahl
von Entscheidungen, die einen Menschen
und sein Leben selbst betreffen.
Der vielfach ausgezeichnete Hollywood-
Schauspieler Joaquin Phoenix ist dafür bekannt,
in seinen Rollen vollkommen zu verschwinden.
DIE PLASTIZITÄT DES GEHIRNS IST NACH-
WEISLICH UNSER GANZES LEBEN AKTIV
UND VERÄNDERT UNS STÄNDIG.
Bilder: IMAGO / Cinema Publishers Collection / MediaPunch, Sebastian Schwarz
Der Autor
Karsten Brocke ist Experte für Brainset®,
Wahl- und Kaufentscheidungen, Dozent und
Mitglied der Akademie für neurowissenschaftliches
Bildungsmanagement.
Für seine Oscar-preisgekrönte Rolle des
Jokers verlor er mehr als 20 Kilogramm
– eine brutale Diät, die ihn fast in den
Wahnsinn trieb – und studierte ein Buch
über die Psychologie von Attentätern.
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
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42 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Einstellung
Leonardo DiCaprio als Jordan Belfort
in »The Wolf of Wall Street«
AUSLAUFMODELL
LEISTUNGSKULTUR
Bilder: IMAGO / Mary Evans, Vera Ley
Nebst der Digitalisierung und
Flexibilisierung der Arbeitswelt
verändern sich die Bedürfnisse
der jungen Generationen.
Der Ruf nach
Kulturwandel wird laut. Die ausgeprägte
Leistungskultur, welche Leistung mit Präsenzzeit
gleichsetzt, den Konkurrenzkampf
fördert und sich auf »harte Fakten« konzentriert,
wird vom Erfolgs- zum Auslaufmodell.
Zwar hat uns diese Leistungskultur
viel Wohlstand eingebracht. Allerdings hat
sie auch zu steigenden Burnout-Raten und
sinkender Loyalität zum Arbeitgeber geführt.
Es ist an der Zeit für neue Wege in
der Arbeitswelt. Doch das Beschreiten
dieser neuen Wege wird erst möglich,
wenn die Führung sich dafür öffnet. Mit
diesem Beitrag lade ich Sie ein, Führung
neu zu denken und neu zu leben.
Der Gallup Engagement Index 2021
bringt es auf den Punkt:
• Dass die Loyalität der Mitarbeiter abgenommen
hat, liegt daran, dass die
Unternehmen ihre Führungsaufgaben
vernachlässigt haben.
• Dort, wo Führungskräfte deutliche
Defizite zeigen, haben Mitarbeiter
innerlich gekündigt, sind bereit für
einen Jobwechsel oder schauen sich
nach einem neuen Arbeitgeber um.
• Unternehmen, die sich um ihre Beschäftigten
nicht nur als reine
Arbeitskräfte, sondern als Menschen
gekümmert haben, profitierten von
einer wachsenden emotionalen Mitarbeiterbindung.
Was bedeutet das nun für die Führungsrolle?
Es bedeutet, dass wir neue Standards setzen
dürfen. Mitarbeitende sollten nicht
nur als Leistungserbringer, sondern in
ihrem ganzen Sein als Mensch gesehen
und so geführt werden. Es geht darum,
Teammitglieder nicht mehr kleinzuhalten,
sondern sie in ihr größtes Potenzial zu
führen. Die Talente sichtbar zu machen
und zu binden. Das ist auch die zentrale
Antwort auf den Fachkräftemangel.
Es geht darum, Teammitglieder
nicht mehr kleinzuhalten,
sondern sie in
ihr größtes Potenzial zu
führen.
Gelingen kann das, indem wir die starren,
engen Hierarchien verabschieden und
selbst organisierte Arbeitsformen einsetzen.
Damit wird Führung nicht mehr fix
an eine einzelne Person oder Funktion geknüpft,
sondern geteilt. Verantwortung
und Freiraum werden dort verortet, wo die
größte Expertise ist. Und das ist eben sehr
oft in den Händen der Mitarbeitenden und
noch viel häufiger in den Händen von
Teams.
Der Schritt von hierarchischen in selbst
organisierte Arbeitsformen bietet die
große Chance, das Potenzial der Mitarbeitenden
breiter zu nutzen und komplexe
Entscheidungen durch geteilte Verantwortung
breiter abzustützen. Dies führt nachweislich
zu einem erhöhten Beitragsdenken
und einer stärkeren Identifikation mit
dem Unternehmen.
Und was macht dann die
»bisherige« Führungskraft?
Sie kann dafür sorgen, dass eine gemeinsame
Vision für das Neue entsteht, und
einen Rahmen schaffen, in dem Innovation
und gemeinsames Lernen freudvoll
gelingen. In der Übergangsphase hat sie
vor allem eine große Aufgabe: alte Muster
loszulassen, Gewohntes zu verlernen und
das Neue mutig zu erkunden. Nicht alleine,
sondern im wertschätzenden
Miteinander.
Die Autorin
Heidi Weber Rüegg ist seit 2007 Geschäftsführerin
der Impact Development GmbH. Ihre
Vision ist es, Führungskräfte in zeitgemäße
Leadership zu begleiten.
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
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Story
Stevie Wonder
– DIE LEBENDE SOUL-LEGENDE
Elton John erklärte in einem
Interview mit dem Magazin
»The Rolling Stone«: »Ich
möchte es mal so sagen: Egal, wo
ich weltweit unterwegs bin, habe
ich immer eine Aufnahme von ›Songs in
the Key of Life‹ mit dabei. Für mich ist es
das beste Album, das je gemacht wurde.
Und es hinterlässt bei mir immer ein Gefühl
der Ehrfurcht, wenn ich es höre. Wenn
Menschen in den kommenden Jahrzehnten
und Jahrhunderten über Musikgeschichte
sprechen, werden die Namen Louis
Armstrong, Duke Ellington, Ray Charles
und Stevie Wonder fallen.«
Wonder hat weltweit über 100 Millionen
Platten verkauft, was ihn zu einem der
meistverkauften Musiker aller Zeiten
macht. Er hat 25 Grammy Awards gewonnen
– nur ein einziger Musiker, der klassische
Dirigent Sir Georg Solti, gewann mit
31 noch mehr Grammys (beide erhielten
auch den Lifetime Achieve Award). Wonders
Alben »Innervisions« (1973), »Fulfillingness'
First Finale« (1974) und »Songs in
the Key of Life« (1976) gewannen jeweils
den Grammy Award für das »Album of the
Year«, was ihn zum Rekordhalter für die
meisten »Album of the Year«-Auszeichnungen
macht. Er ist der einzige Künstler,
der den Preis mit drei Albumveröffentlichungen
in Folge gewann.
Dabei wuchs er in sehr schwierigen Familienverhältnissen
auf: Sein Vater Calvin
Judkins war meist arbeitslos und »verdiente«
sein Geld damit, dass er seine
Freundin Lula Mae Hardaway auf den Straßenstrich
schickte. Oft wurde sie von ihm
oder von Freiern geschlagen, einmal wurde
ihr dabei fast der Kiefer gebrochen. Am 13.
Mai 1950 brachte Lula, sie war damals 20
Jahre alt, Steven als drittes von sechs Kindern
auf die Welt. Schon zwei Monate vor
dem vorgesehenen Geburtstermin setzten
44 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Story
Bilder: IMAGO / ZUMA Wire / UPI Photo, Thomas Schweigert
die Wehen ein und sie bekam ein Baby, das
nur vier Pfund wog und nur in einem Inkubator
überleben konnte. Paradoxerweise
führte das, was ihm als Baby das Leben
rettete, auch zu seiner Erblindung: Er
wurde im Inkubator mit zusätzlichem
Sauerstoff versorgt, was zu einer sogenannten
Frühgeborenen-Retinopathie (ROP)
führte. Das ist eine seltene Netzhautkrankheit.
Betroffen sind Frühgeborene, bei
denen die physiologische Reifung der
Netzhautgefäße noch nicht abgeschlossen
ist. Stevie war also von Geburt an blind.
Der Vater nahm keine Rücksicht auf seine
Frau oder Stevie und schickte Lula bald
schon wieder auf den Strich. In einer Nacht
im Jahr 1953 schickte er sie raus auf die
Straße, sie solle ihm jetzt Zigaretten holen.
Sie weigerte sich. Er schlug ihr so fest ins
Gesicht, dass sie auf den Boden fiel, nicht
weit von ihrem schlafenden Baby. Er hob
sie vom Boden auf und schleuderte sie
durch die Wohnung, sodass sie mit ihrer
Nase gegen einen Tisch schlug und blutete.
Die drei Kinder wachten auf und schrien.
Lula wehrte sich, nahm ein Springmesser
und hielt es ihm an den Hals. Er versuchte,
das Messer wegzuschlagen, aber verletzte
sich dabei den Unterarm schwer, sodass er
blutete. Er verstand, dass sie es ernst meinte
und floh aus dem Haus. Später versöhnten
sich die beiden wieder, aber Lula stellte
zwei Bedingungen: Sie wollte die Stadt verlassen
und nach Detroit ziehen und sie
würde nicht mehr als Prostituierte
arbeiten.
Schon als Kind wurde Stevies Interesse an
der Musik geweckt, er spielte mehrere Instrumente
und sang im Kirchenchor. Einer
seiner Freunde, Ronnie White, kannte
einen der Helfer aus der Band Miracles von
Smokey Robinson, der Star der neu gegründeten
Plattenfirma Motown. Ronnie
bot Stevie an, ihn bei Motown vorzustellen
und beim ersten Termin fragte ihn ein Mitarbeiter,
ob er singen könne. Für Stevie
wurde Motown bald sein zweites Zuhause.
Der Autor
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist ein weltweit erfolgreicher
Autor, der mittlerweile sein 25. Buch veröffentlicht
hat: »ICH WILL. Was wir von erfolgreichen
Menschen mit Behinderung lernen können«.
»Wenn Menschen in den kommenden
Jahrzehnten und Jahrhunderten
über Musikgeschichte sprechen,
werden die Namen Louis Armstrong,
Duke Ellington, Ray Charles und
Stevie Wonder fallen.«
Er war oft den ganzen Tag dort, kam um 15
Uhr nach der Schule und blieb bis in die
Nacht. Er fiel auf, weil er den erfahrenen
Musikern nicht selten erklärte, wie sie
ihren Job tun sollten, wie sie singen oder
ein Instrument spielen sollten. Doch als sie
ihn singen und mit seinen Bongos spielen
hörten, waren sie begeistert und merkten
bald, dass die Blindheit kein Hinderungsgrund
war.
So wurde Stevie schon als Kind ein Star.
Bei den Live-Veranstaltungen elektrisierte
er die Zuhörer mit seiner spontanen Art.
Wenn Sie auf YouTube den Titel »Fingertips«
anschauen, eine Live-Aufnahme,
dann werden Sie Zeuge von Wonders erstem
großen Erfolg. Stevie wird nach dem
Auftritt von Marvin Gaye auf die Bühne
geführt und als 12-jähriges Genie vorgestellt.
Er fängt an, Bongo zu spielen und
fordert die Zuhörer auf »Clap your hands,
stamp your feet«. Dann beginnt er, Mund-
– ELTON JOHN
harmonika zu spielen und ruft: »Say
yeaaah! Say yeah! Yeah! Yeah!« Er spielte
immer weiter und seine Begeisterung
übertrug sich auf das Publikum. Nachdem
er von der Bühne geführt wurde, kam er
wieder, insgesamt spielte er acht Minuten.
Obwohl das unüblich war, entschloss sich
Motown, den Live-Mitschnitt als Single zu
veröffentlichen. Und die Entscheidung war
goldrichtig: Die Single schoss im August
1963 auf Platz eins der Billboard Charts
und auf Platz eins der R&B-Charts. »Fingertips«
wurde auch auf einer LP veröffentlicht
mit dem Titel: »Recorded Live: The 12
Year Old Genius«. Es wurde das erste
Nummer-eins-Album für Motown – und
es war das erste Mal, dass ein Sänger, der so
jung war, ein Nummer-eins-Album und
eine Nummer-eins-Single herausbrachte.
Laut Motown verkaufte sich die Single
über eine Million Mal.
Der frühe Erfolg begeisterte Stevie ebenso
wie seine Plattenfirma, aber sie machten
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
45
Story
sich auch Sorgen: Bald würde er in den
Stimmbruch kommen.
Es sollte fast genau zehn Jahre nach seinem
ersten Top-Hit »Fingertips« dauern, bis
Stevie Wonder seinen nächsten Nummereins-Titel
mit einer Single und einem Album
in den Pop-Charts erzielte. Das heißt
keineswegs, dass er in der Zwischenzeit
erfolglos war. Man kann sich vorstellen,
wie viel Geduld und Ausdauer für einen
jungen Künstler nötig sind, der mit zwölf
Jahren schon mit einem Top-Hit an die
Spitze der Charts katapultiert wurde und
dann fast ein Jahrzehnt warten musste, bis
er diesen Erfolg wiederholen konnte.
»Ich habe nicht das Ziel, die vorherigen
Alben zu übertreffen. Ich will
immer nur mein Bestes zu dem jeweiligen
Zeitpunkt geben. Und das
geht nur wegen der Unzufriedenheit
oder Zufriedenheit, die mich
dazu getrieben hat, ein besserer
Mensch zu werden.«
– STEVIE WONDER
Stevie Wonder verließ sich nicht auf andere,
sondern bewies die Kombination von
Ausdauer und Experimentierfreudigkeit,
die so ausschlaggebend dafür ist, dass man
Erfolg hat. Er war extrem lernbegierig und
fragte jeden, von dem er etwas lernen
konnte. Einer, der ihn damals aus der Nähe
beobachtete, berichtet: »Hey, wie machst
du dies, wie machst du jenes … Das machte
er bei jedem. Er war eine echte Nervensäge
– ich sage das im liebevollen Sinne, aber er
war einfach eine Nervensäge. So hat er alles
gelernt.«
Im Mai 1967 war es dann – fast – so weit
und mit »I Was Made to Love Her« kam er
auf Platz eins in den R&B-Charts und auf
Platz zwei der Pop-Charts. Dann kam Ende
1972, fast ein Jahrzehnt nach seinem ersten
Hit, der Song »Superstition« und schoss
auf Platz eins der R&B-Charts und auch
der Pop-Charts.
Nach seinem Nummer-eins-Erfolg mit
»Superstition« Ende 1972 folgte schon wenige
Monate darauf der nächste Nummereins-Hit
in den Pop-Charts: »You Are the
Sunshine of My Life«. In den Jahren 1974
bis 1977 gelang ihm drei Mal, was ihm vorher
fast zehn Jahre lang nicht mehr gelungen
war: Er landete mit den Singles »You
Haven’t Done Nothin’«, »I Wish« und »Sir
Duke« dreimal auf Platz eins der Pop-
Charts. 1974 und 1976 erreichte er auch
mit den Alben »Fulfillingness’ First Finale«
und »Songs in the Key of Life« die Nummer
eins bei den Langspielplatten.
Im November 1974 rief der Bürgermeister
von Los Angeles sogar einen »Stevie Wonder
Day« aus und das führende Magazin in
den USA, »Newsweek«, präsentierte ihn
auf der Titelseite mit der Headline »Stevie,
the Wonder Man«. Das Magazin »Time«
brachte eine große Geschichte über ihn mit
dem Titel »Black, Blind and on Top of the
Pop«.
Wonder war längst nicht mehr nur ein Sänger,
sondern schrieb auch Songs für andere
Stars wie George Benson, die Pointer Sisters
und Michael Jackson. Er komponierte
Hits für Aretha Franklin, sang Duette mit
Michael Jackson, Julio Iglesias und Ray
Charles, spielte Mundharmonika für den
Bilder: IMAGO / ZUMA Wire / UPI Photo, Cover: FinanzBuch Verlag
46 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Story
Er verließ sich
nicht auf andere,
sondern bewies
die Kombination
von Ausdauer und
Experimentierfreudigkeit,
die so
ausschlaggebend
dafür ist, dass man
Erfolg hat.
2014 würdigte Ex-Präsident Barack Obama
Stevie Wonder mit der höchsten zivilen Auszeichnung
der USA, der Freiheitsmedaille.
Superhit »There Must be an Angel« der
Eurythmics. Mit dem Ex-Beatle Paul Mc-
Cartney landete er im Frühjahr 1982 einen
Superhit: »Ebony and Ivory«.
Der Bassist Nate Watts berichtet, nach
einem anstrengenden Tag im Tonstudio sei
er gerade nach Hause gekommen und ins
Bett gegangen, als das Telefon klingelte.
Stevie Wonder war am Apparat und sagte,
er solle sofort zurück ins Studio kommen,
weil er unbedingt einen Song aufnehmen
wollte. Es war drei Uhr nachts.
Stevie Wonder wurde in den USA auch
durch seine politischen Aktivitäten bekannt.
Wonder führte eine Kampagne an,
die das Ziel hatte, den Geburtstag des Bürgerrechtlers
Martin Luther King in den
USA zum gesetzlichen Feiertag zu machen.
Für eine Unterschriftenkampagne wurden
sechs Millionen Unterschriften gesammelt,
die größte Petition dieser Art in der amerikanischen
Geschichte. Zunächst war diese
Idee abgelehnt worden, fand aber im November
1983 eine Zweidrittelmehrheit im
Kongress. Aus Sicht radikaler schwarzer
Aktivisten war Wonder nicht radikal genug.
Und einen schwarzen Rassismus, der
sich gegen Weiße richtete, verachtete er –
so wie sein Vorbild Martin Luther King –,
ebenso wie den gegen Schwarze gerichteten
Rassismus.
Mitte der 80er-Jahre war ein zweiter Höhepunkt
in der musikalischen Karriere von
Stevie Wonder mit Nummer-eins-Hits wie
»I Just Called to Say I Love You«, »Part-
Time Lover« und »That’s What Friends Are
For«. Im Oktober 1985 sollte er mit dem
Titel »Go Home« das letzte Mal unter die
Top Ten kommen. In den Jahren danach
»ICH WILL. Was wir von
erfolgreichen Menschen mit
Behinderung lernen können«
von Rainer Zitelmann
384 Seiten
Erschienen: Juni 2021
FinanzBuch Verlag
ISBN: 978-3-95972-469-2
wurde es ruhiger um ihn, aber immer wieder
hatte er spektakuläre Auftritte. 2007
und 2008 ging er nach zehnjähriger Pause
wieder auf eine Welttournee. Im Wahlkampf
2008 unterstützte er massiv Barack
Obama und trat auf dem Wahlparteitag
der Demokraten auf, bei dem Obama offiziell
zum Präsidentschaftskandidaten nominiert
wurde. Er sang bei einem Popkonzert
im Januar 2009 in Washington, mit
dem die Feiern zur Amtseinführung des
neuen Präsidenten begannen, und veröffentlichte
aus diesem Anlass den Song »All
About the Love Again«. Obama ehrte Stevie
Wonder 2009 mit einem Library of
Congress-Award.
Wonders Erfolgsgeheimnis war eine hohe
Arbeitsdisziplin, verbunden mit der Offenheit,
sich immer wieder neu zu erfinden,
mit neuen technischen Möglichkeiten
und musikalischen Stilmitteln zu experimentieren.
Seine Fans wollten immer wieder
die alten Titel hören und ihn auf eine
Rolle festlegen, aber er gab dem nur in
engen Grenzen nach. Was ihn antrieb, war
eine produktive Unzufriedenheit, die er
einmal mit diesen Worten ausdrückte:
»Für jedes meiner Alben, die ich gemacht
habe und die ich machen werde, gilt stets:
Ich habe nicht das Ziel, die vorherigen Alben
zu übertreffen. Ich will immer nur
mein Bestes zu dem jeweiligen Zeitpunkt
geben. Und das geht nur wegen der Unzufriedenheit
oder Zufriedenheit, die mich
dazu getrieben hat, ein besserer Mensch zu
werden.«
ERFOLG magazin . Ausgabe 03/2022 . www.erfolg-magazin.de
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Bilder: IMAGO / Offside Sports Photography / Simon Stacpoole Offside, Jan-Philipp Behr, IMAGO / Arnulf Hettrich, Depositphotos / lightpoet
48 www.erfolg-magazin.de . Ausgabe 03/2022 . ERFOLG magazin
Erfolg Magazin Top Experten
Führung mit klarem Kompass
TOP
EXPERTEN
Bild: Depositphotos/depositedhar
In 13 Kilometern Flughöhe kannst du nicht rechts ranfahren,
wenn es ein Problem gibt. Was zeichnet eine gute Führungskraft
über den Wolken aus? Ein Perspektivenwechsel.
Finde deinen Fokus
Der Job im Cockpit ist eigentlich sehr klar strukturiert und folgt
routinemäßigen Handlungsmustern. Eigentlich. Ein technischer
Defekt oder ein schwieriger Anflug bei schlechtem Wetter werfen
auch erfahrene Piloten plötzlich aus dieser Komfortzone. Das
passiert öfter, als Passagiere das vermuten würden und nein, es
trifft dann kein Autopilot die Entscheidung für uns. Plötzlich ist
alles anders: Der enorme Input der zahlreichen Instrumente, der
Zeitdruck und die Verantwortung für hunderte Menschenleben
– es gibt Situationen im Leben, auf die kannst du dich nicht vorbereiten.
Deshalb gibt es im Cockpit eine goldene Regel: Fly the aircraft!
Was auch immer da oben passiert, bleib ruhig und flieg’ die Kiste!
Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Plötzlicher Stress
blockiert unser rationales Denken. Die Kunst ist, einen Kontrollverlust
abzuwenden, indem man seinen Fokus wie einen Lichtstrahl
in Ruhe ausrichtet. Auf die eine, wichtige Sache.
Wenn auch in deinem Cockpit mal wieder alle Warnlichter und
Alarmglocken angehen, frage dich zuerst: Was ist in diesem Moment
wirklich wichtig? Um was geht es hier wirklich? Was ist
mein »Fly the aircraft«?
Mut zur Demut
Eine unterschätzte Tugend moderner Führung. Oder wie viel Demut
erkennst du aktuell auf der Welt? »Demut« stammt aus
dem Althochdeutschen »diemuoti« und bedeutet »Mut zum...
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Bei der Benennung von »Top Experten« handelt es sich um eine redaktionelle
Entscheidung des ERFOLG Magazins. Die Redaktion sichtet regelmäßig
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natürliche Personen können als »Top Experten« benannt werden.
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