SELTENE ERKRANKUNGEN
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EINE UNABHÄNGIGE KAMPAGNE VON MEDIAPLANET
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SELTENE
ERKRANKUNGEN
Die Waisen der Medizin
Ein Leben mit
Zwangspausen
Gerlinde Brück ist betroffen von
einer paradoxen Myotonie und spricht
über ihr Leben mit dieser seltenen
neurologischen Erkrankung.
NICHT VERPASSEN:
Polycythaemia vera
Blutkrebs mit 24: Wie die
Diagnose PV Martinas
Leben von heute auf morgen
komplett veränderte
Sichelzellkrankheit
Eine Herausforderung
für das deutsche
Gesundheitssystem
Seite 10 Seite 14 Online
GIST
Kai Pilgermann über sein
Leben mit dieser seltenen
Krebserkrankung
2
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VERANTWORTLICH FÜR DEN
INHALT IN DIESER AUSGABE
Miriam
Hähnel
"Vier
Millionen
Menschen in
Deutschland
haben eine
Seltene
Erkrankung.
Schenken Sie
ihnen Gehör!"
IN DIESER AUSGABE
13
Dem Tod näher als dem Leben
Dimitra hat EGPA und
erzählt von ihrem Leben mit
der Erkrankung.
16
Was ist mit unserem Kind?
Die Diagnose PFIC stellte
das Leben von Familie
Minich auf den Kopf.
Director Business Development Health:
Miriam Hähnel Geschäftsführung:
Richard Båge (CEO), Philipp Colaço
(Managing Director), Alexandra
Lassas (Head of Editorial & Production),
Henriette Schröder (Sales Director)
Designer: Juraj Príkopa
Mediaplanet-Kontakt: de.redaktion@
mediaplanet.com Coverbild: Privat
Alle Artikel, die mit “in Zusammenarbeit
mit“ gekennzeichnet sind, sind keine
neutrale Redaktion der Mediaplanet
Verlag Deutschland GmbH
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MediaplanetStoriesNorge
@Mediaplanet_germany
Please recycle
Die Belastungen sind
allgegenwärtig
Menschen mit Seltenen Erkrankungen trifft die aktuelle
weltpolitische und wirtschaftliche Lage besonders hart.
Eva Luise
Köhler
Schirmherrin
der Allianz
Chronischer
Seltener Erkrankungen
(ACHSE) e. V.
Fragen wir Menschen mit chronischen
Seltenen Erkrankungen,
was ihr sehnlichster Wunsch ist,
lautet die Antwort umgehend:
Mehr Forschung für Therapien, die
meinem Kind, meinem Partner oder
mir ein schmerzfreies und längeres
Leben, gar Heilungschancen
ermöglichen. Oder die zumindest
Erleichterung im täglichen Leben
bringen. Denn schauen wir genau
hin, hören zu, sprechen miteinander,
wird deutlich, welche enormen
Herausforderungen Betroffene im
Alltag meistern müssen. Sei es,
weil sie ihre Erkrankung immer
neu erklären und bei Behörden für
eine adäquate Versorgung kämpfen
müssen, weil Inklusion an Bildungseinrichtungen
nicht so klappt, wie
es wünschenswert und vor allem
notwendig wäre, oder weil sie zu
dem großen Teil derjenigen gehören,
die ihre Angehörigen zu Hause
pflegen und umsorgen.
Die Auswirkungen der aktuellen
weltpolitischen und wirtschaftlichen
Lage treffen diejenigen
besonders hart, die sowieso schon
zu den vulnerablen Gruppen in
unserer Gesellschaft gehören und
aufgrund einer chronischen Erkrankung
oft über geringere Einkommen
verfügen beziehungsweise höhere
Ausgaben stemmen müssen. Auch
die Corona-Pandemie hat deutliche
Spuren hinterlassen, die Belastungen
sind weiterhin allgegenwärtig.
Erst kürzlich berichtete ein Vater
aus dem Netzwerk der Allianz
Chronischer Seltener Krankheiten
(ACHSE) e. V., wie sehr die Pandemie
noch immer den Alltag der
Familie bestimmt: Zum Schutz der
kleinen Tochter, die an einer Neurodegeneration
mit Eisenablagerung
im Gehirn leidet, isolieren sie sich
weiterhin, denn die Folgen einer
Infektion sind wie bei vielen Seltenen
Erkrankungen nicht abschätzbar.
Das zehrt an den Nerven und
raubt Kraft. Betreuungspersonen,
die für Entlastung sorgen könnten,
fallen immer wieder aus.
Diese besonderen Belastungen in
der Versorgungssituation von Menschen
mit Seltenen Erkrankungen
während der Covid-19-Pandemie
untersucht gerade ein Team vom
Universitätsklinikum Hamburg,
unterstützt von der ACHSE in einer
wissenschaftlichen Befragung. Die
Eva Luise und Horst Köhler Stiftung
für Menschen mit Seltenen Erkrankungen
hat das Forschungsprojekt
ausgeschrieben und finanziert es,
um Versorgungslücken zu identifizieren
und wissenschaftlich fundiert
konkrete Hinweise für eine Verbesserung
zu erarbeiten. Unser Ziel sind
Strukturen, die umfassend sind und
langfristig greifen.
Und was greift im Alltag? Ein offenes
Ohr für die Sorgen und Nöte, das
Betroffene und Angehörige auch bei
der Beratung der ACHSE finden. Sie
steht ratsuchenden Menschen zur
Seite und bietet konkrete Hilfestellung.
Dabei kann sie auf ihr Netz aus
über 130 Selbsthilfeorganisationen
und deren krankheitsspezifisches
Wissen bauen. Die Selbsthilfe ist
eine wesentliche Säule in unserer
Gesellschaft. Sie verdient Anerkennung,
Aufmerksamkeit und bedarf
unserer Unterstützung.
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Seltene Erkrankungen – Die Herausforderungen für Betroffene mehren sich
Nina
Steinborn
Rehabilitationswissenschaftlerin,
ACHSE-Beraterin
für
Betroffene
und Angehörige
Text
Hanna
Sinnecker
Menschen mit Seltenen Erkrankungen
hatten durch die
Pandemie zusätzliche Herausforderungen
zu bewältigen. Hat
sich die Lage normalisiert?
Nein, für Betroffene ist die
pandemische Lage oftmals noch
immer herausfordernd. Einige
unter ihnen konnten z. B. keinen
ausreichenden Impfschutz aufbauen,
deshalb meiden sie auch
weiterhin Kontakte. Gleichzeitig
fühlen sie sich mit ihren bestehenden
Belastungen öffentlich nicht
wahrgenommen. Erkrankte leiden
aktuell zudem ganz besonders
unter den steigenden Preisen
für Lebensmittel und Energie,
da sie wegen eingeschränkter
Arbeitsfähigkeit ohnehin oft am
Existenzminimum leben. Und
auch unter geflüchteten Ukrainern
sind Betroffene, die z. B. spezielle
gesundheitsspezifische Bedarfe an
Unterkünfte aufweisen oder sich
in der hiesigen gesundheitsspezifischen
Versorgungslandschaft
nicht orientieren können.
Was sind die drängendsten
Probleme, mit denen sich die
betroffenen Menschen gerade
an die Beratung der ACHSE
wenden?
Sie finden häufig keine oder
unzureichende Informationen zu
ihrer Seltenen Erkrankung.
In diesem Fall sind unsere
über 130 Mitgliedsorganisationen
kompetente Ansprechpartner. Sie
verfügen über krankheitsspezifische
Expertise und können dabei
unterstützen, an Ärzte zu verweisen,
die sich speziell mit ihrer
Erkrankung auskennen. Außerdem
erhalten wir durchgehend
viele Anfragen von Menschen
mit unbekannter Diagnose, denn
Betroffene durchlaufen oft einen
jahrelangen Ärztemarathon. Die
ratsuchenden Personen unterstützen
wir mithilfe unseres großen
Netzwerks dabei, an entsprechende
Stellen zu gelangen.
Was muss geschehen, damit
Betroffene besser unterstützt
sind?
Es bedarf zugänglicher Patientenpfade
für nicht spezialisierte
Ärzte, aus denen hervorgeht,
welche Schritte im spezifischen
Fall zu verfolgen sind und an wen
sie verweisen müssen. Für
Menschen mit Seltenen Erkrankungen
ist das deutsche Gesundheits-
und Sozialsystem zudem
wie ein Dschungel, weil sich deren
Leistungsbezug aus mehreren
Sozialgesetzbüchern speist. Eine
Lösung dafür wäre die Implementierung
eines entsprechenden
Case-Managements oder auch
sogenannter Patientenlotsen.
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Seit 30 Jahren führend bei seltenen
Erkrankungen – seit 15 Jahren in Deutschland
Seit 30 Jahren engagieren wir bei Alexion uns jeden Tag für Menschen mit
schwerwiegenden seltenen Erkrankungen und ihre Familien, indem wir
lebensverändernde Therapien erforschen, entwickeln und verbreiten.
Weitere Informationen unter www.alexion.de
DE/CH/AT/UNB-U/0050
4
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Paramyotonie: Vom Leben in der
Dauerpause zum Leben mit Pausen
Die seltenen nicht-dystrophen Myotonien (NDM) treten in verschiedenen Formen
auf: Die ehemalige Lehrerin Gerlinde Brück, 59, leidet seit ihrer Jugend an einer
sogenannten paradoxen Myotonie (Paramyotonie) und berichtet im Interview, wie
die Krankheit sie über Jahre in die Dauerpause zwang, wie sie selbst auf die Diagnose
kam und wie sie dank der Behandlung heute ein Leben mit Pausen lebt.
Text Doreen Brumme
Gerlinde, wann traten bei
Ihnen erste Beschwerden
auf und wie sahen diese
aus?
Aus der Rückschau hatte
ich bereits als Teenager
erste Beschwerden, doch
damals hielt ich die „Schwächeanfälle“
für normal, für
wachstumsbedingt. Als
junge Erwachsene häuften
diese sich und ich wurde
aufmerksamer. Dabei konnte
ich Regelmäßigkeiten
beobachten, zum Beispiel,
dass die Schwächeanfälle
immer auftraten, wenn ich
lange Strecken ging, viele
Stufen stieg oder es kalt war.
Sie hielten zwischen einer
und drei Stunden an und
zwangen mich zu Pausen.
Beispielsweise war ich, als
ich einmal mit meinem
damaligen Freund eine
Kirmes besuchen wollte
und wir dazu einen Hügel
erklimmen mussten, nicht
dazu imstande. Mein Freund
zog und schob mich nach
oben. Dort angekommen,
musste ich mich lang
hinlegen – und erntete dafür
missbilligende Blicke: Die
Kirmesgäste vermuteten, ich
sei mittags schon betrunken.
Die Schwächeanfälle, teils
mit Lähmungen, wurden
in der Schwangerschaft mit
meinem Sohn mehr und
stärker. Mir ging es immer
schlechter.
Wann wurde die Diagnose
gestellt und was waren bis
dahin große Herausforderungen?
Ich habe viele Ärzte aufgesucht
und mein Leid
geschildert. Von Ratlosigkeit
über Fehldiagnosen,
Ungläubigkeit bis hin zur
nicht gerechtfertigten
Überweisung in die Psychologie
– ich habe alles erlebt.
Sicher lag das auch daran,
dass meine Erkrankung
selten und in ihrer Ausprägung
ungewöhnlich ist
– und so nicht unbedingt in
den Lehrbüchern auftaucht.
Genetische Untersuchungen
sprachen immer wieder
gegen alles Mögliche und
für nichts Konkretes. Immer
wieder ohne Diagnose nach
Hause zu gehen, das war
frustrierend. Das Gefühl,
nicht ernst genommen zu
werden, verletzte. Zumal ich
irgendwann nicht mehr in
der Lage war, meinen Beruf
als Lehrerin auszuüben.
Ich habe oft nur liegen
bleiben können oder musste
mich hinlegen. Weil ich bei
Ich wünsche
mir, dass Ärzte
uns Betroffenen
glauben und uns
und unserem
Leiden mit
echtem Interesse
begegnen.
meinem Sohn recht früh
Auffälligkeiten, darunter die
für NDM typische Steifigkeit
der Muskeln, wahrnahm,
begann ich, selbst zu recherchieren,
was die Ursache
unserer Beschwerden sein
könnte. Ein Zusammenhang
unserer Symptome lag für
mich auf der Hand. 2015 bin
ich draufgekommen: NDM.
Über den Verein Mensch &
Myotonie e. V. kam ich dann
schließlich zu einem Facharzt,
der sich mit meinem
Krankheitsbild auskannte.
2018 erhielt ich meine
Diagnose: Paramyotonie.
Mein Sohn wurde gleichfalls
damit diagnostiziert.
Wie werden Sie behandelt?
Ich nehme seit 2019 ein
Medikament, das eigentlich
ein Herzmittel ist und
bislang das einzige bei NDM
zugelassene ist. Es regelt
die für die Erkrankung
ursächlichen Ionenkanalprobleme
– braucht aber
eine enge kardiologische
Kontrolle. Für mich war und
ist das Mittel ein Gamechanger:
Mich hatten die
täglich wiederkehrenden
Schwächeanfälle über Jahre
täglich immer wieder ans
Bett gefesselt, mitunter
konnte ich nicht mal das
Handy zur Hand nehmen.
Ich lag da und wartete,
dass ich wieder zu Kräften
komme. Und so, wie ich
pausierte, pausierte alles um
mich herum: Arbeit, Social
Life, Haushalt. Ich schaffte
trotz Rollator kaum die
täglichen Gassirunden mit
den Hunden, zwang mich
aber dazu, denn Bewegung
ist ein Muss bei nichtdystrophen
Myoto nien.
Dank des Medikaments
kann ich heute für mich,
Hunde und Katze recht
gut sorgen – immer schön
langsam, immer in meinem
Rhythmus, immer mit
Pausen und leider immer
mit Rückenschmerzen.
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Was gibt Ihnen Lebensfreude?
Ich lese viel, lerne Hindi und
habe seit Kurzem ein Patenkind,
um das ich mich aus
der Ferne kümmere. Dessen
Briefe sind herzerfrischend.
Große Freude machen
mir meine Vierbeiner, die
Mischlingshunde Foxi und
Jack, die Katze Purzel, die
mir wahre Therapietiere
sind. Ich gehe mit den
dreien Gassi, komme so raus
und unter Menschen.
FOTOS: PRIVAT
Wenn Sie auf Ihren Weg mit
der Paramyotonie zurückblicken:
Was wünschen
Sie anderen Betroffenen
bezüglich Diagnose und
Therapie?
Ich wünsche ihnen, dass
ihre Ärzte ihnen glauben,
ihnen und ihrem Leiden mit
echtem Interesse begegnen,
die persönliche
Leidensgeschichte akzeptieren,
auch dann, wenn die
Symptome vom Lehrbuch
abweichen. Den Ärzten
wünsche ich mehr Mut zur
Lücke, keiner kann alles
wissen. Ein allzeit offenes
Ohr hilft uns Betroffenen,
eine ehrliche, klare Aussage
ebenso. Uns Betroffenen
wünsche ich mehr Forschungsgelder,
um neue
Therapien und Medikamente
zu entwickeln, die auf die
individuelle Krankheitsgeschichte
zugeschnitten
werden können.
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Weitere
informationen
unter:
menschund
myotonie.de
6
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Erwachsenwerden mit Seltener
Erkrankung
Seltene Erkrankungen sind in der Kinder- und Jugendmedizin gar nicht so rar!
Ungefähr 700.000 der unter 18-Jährigen in Deutschland sind betroffen.
Prof. Dr.
Helge
Hebestreit
Vorsitzender
der Kommission
Seltene
Erkrankungen,
Deutsche Gesellschaft
für
Kinder- und
Jugendmedizin
(DGKJ)
Der Grund: Ca.
70% der insgesamt
ca. 8.000
Erkrankungsbilder
manifestieren sich klinisch
bereits im Kindes- oder
Jugendalter. Die meisten
Seltenen Erkrankungen
verlaufen chronisch, die
Symptome nehmen im
Lauf der Jahre zu und viele
betreffen gleich mehrere
Organsysteme.
Eine möglichst frühzeitige
Diagnose ist für eine frühe
Behandlung und damit oft
für den weiteren Verlauf
entscheidend. In den letzten
Jahren hat hier die molekulargenetische
Diagnostik wie
z. B. die Untersuchung der
gesamten Erbinformation
(Ganzexom- oder Genomsequenzierung)
enorme
Fortschritte gebracht.
Auch in der medizinischen
Versorgung haben
sich neue Wege etabliert:
In den bundesweit mehr
als 30 Zentren für Seltene
Erkrankungen wird für
diese besonderen Patientinnen
und Patienten
neben den pädiatrischen
Spezialist*innen ein ganzes
Team aus weiteren Berufsgruppen
wie z. B. aus der
Psychologie, Kinderkrankenpflege,
Diätberatung
oder Sozialarbeit aktiv, um
die Kinder bestmöglich
zu unterstützen und zu
begleiten. Für die Familien
der Patient*innen entstehen
jedoch häufig weite Wege zu
den Fachzentren, da diese
(etwa für Mukoviszidose,
seltene Hormonstörungen,
seltene neuromuskuläre
Erkrankungen oder seltene
Stoffwechselstörungen)
überregional und zum Teil
bundesweit aufgestellt sind.
Wie bei anderen chronischen
Erkrankungen auch
müssen betroffene Kinder
schon sehr früh lernen,
mit der Krankheit umzugehen.
Je nach Erkrankung
erhalten sie daher bereits
im Vorschul- oder Grundschulalter
Schulungen, um
mit ihren gesundheitlichen
Bedürfnissen und Grenzen,
mit der Medikation
und mit Therapieplänen
zurechtzukommen. Mit
zunehmendem Alter werden
sie dann schrittweise auf das
Verlassen der pädiatrischen
Versorgung vorbereitet – die
Überleitung in die Erwachsenenmedizin
ist aber nicht
auf den 18. Geburtstag fixiert,
sondern ein oft langjähriger
Prozess, der weit früher
beginnt und bis in das junge
Erwachsenenalter hineinreichen
kann. „Transition“
bezeichnet diesen Prozess,
der strukturiert und begleitet
werden muss, z. B. von
spezialisierten Lots*innen.
Sie können verhindern, dass
die Betreuung der Jugendlichen
auf dem Weg in die
neuen Versorgungsformen
unterbrochen wird oder ganz
abbricht und damit gesundheitliche
Schäden entstehen.
Knapp 15 % der Kinder im
Alter bis 17 Jahre sind in
Deutschland von einer
chronischen oder Seltenen
Erkrankung mit speziellem
Versorgungsbedarf betroffen
und benötigen somit einen
solchen strukturierten
Transitionsprozess. Bei der
Umsetzung der Transition
entsteht ein hoher personeller
Aufwand, insbesondere
in den Versorgungsstrukturen
der Pädiatrie. Zudem
bringt der Transfer von
jungen Menschen mit einer
Seltenen Erkrankung eine
weitere Herausforderung
mit sich, denn in der
Erwachsenenmedizin ist ihr
spezielles Krankheitsbild oft
kaum bekannt. Wichtig ist
daher auch, eine*n
kompetente*n
Ansprechpartner*in in der
Erwachsenenmedizin zu
finden. Die Gesundheitskompetenz
der
Patient*innen selbst ist hier
unverzichtbar, um die
eigenen Interessen und
Bedürfnisse wahrnehmen
und vertreten zu können.
Dies zu ermöglichen und zu
fördern, zählt auch zu den
Aufgaben und Herausforderungen
der heutigen
Medizin. Als innovativer
Versorgungsansatz werden
für Menschen mit Seltenen
Erkrankungen auch
altersgruppenübergreifende
Strukturen geschaffen, die
den Transitionsprozess
erleichtern.
Weitere
Informationen
unter:
dgkj.de
Kyowa Kirin ist ein weltweit tätiges
biopharmazeutisches Unternehmen,
das dort unterstützen möchte, wo
es bislang keine ausreichenden
Behandlungsmöglichkeiten gibt.
Hierzu zählt unter anderem der
Bereich der seltenen Erkrankungen.
Das Unternehmen wurde in Japan
gegründet und entwickelt seit dieser
Zeit innovative Therapien in den
Bereichen Nephrologie, Neurologie,
Onkologie und Immunologie. Die
Forschungs- und Entwicklungsarbeit
sowie die Wirkstoffproduktion stützen
sich dabei auf Verfahren der Spitzen-
Biotechnologie aus eigenem Hause.
Das Unternehmen gilt als Pionier in
der Behandlung des nur selten auftretenden
Phosphatdiabetes – einer
zumeist vererbten, lebenslangen
Störung des Phosphatstoffwechsels,
welche die Gesundheit von Knochen,
Muskeln, Sehnen und Gelenken der
Betroffenen beeinträchtigen kann.
Ein weiterer Schwerpunkt ist der Einsatz
therapeutischer Antikörper zur
Behandlung seltener onkologischer
Erkrankungen.
Kyowa Kirin verfolgt ein klares Ziel:
sämtlichen Menschen, mit denen
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XLH: Wenn dem Körper Phosphat fehlt
XLH ist eine seltene Störung des Knochenstoffwechsels, die X-chromosomal vererbt wird und zu
einem Phosphatmangel führt. Wir sprachen mit Sabrina Hauck*, die selbst betroffen ist und zwei
erkrankte Kinder hat.
Frau Hauck, wann und wie
hat sich die Erkrankung bei
Ihnen geäußert?
Seit ich sechs Wochen alt war
wurde ich in der Orthopädie
einer Uniklinik behandelt.
Rein orthopädisch. Zuerst
war es die Hüfte, dann, als
ich - sehr spät - mit dem
Laufen begann, entwickelten
sich sofort die für eine
XLH-Erkrankung typischen
X-Beine. Die Verkrümmung
der Knochen wird durch den
für XLH charakteristischen
Phosphatmangel verursacht.
In der Klinik wurde diese
mit vielen Korrekturoperationen
begradigt, doch
zunächst ohne dauerhaften
Erfolg. Ohne Medikation, die
eine Diagnose voraussetzt,
werden die Knochen schnell
wieder krumm, man bleibt
klein und hat weiterhin
starke Schmerzen. Auch
können z.B. Schwerhörigkeit,
Schädeldeformationen oder
Zahnprobleme auftreten. Die
Krankheitslast ist enorm.
Wie wurden Sie dann behandelt?
Ich bekam große Mengen
an Phosphat und Vitamin D,
die ich verteilt über den Tag
einnehmen musste. Meine
Knochen waren ab diesem
Zeitpunkt wesentlich stabiler,
ich hatte weniger Schmerzen
und war insgesamt viel fitter.
Seit einigen Monaten bekomme
ich ein Medikament, das
bei Erwachsenen nur alle vier
Wochen verabreicht werden
muss.
Auch Ihre beiden Kinder
sind betroffen: Wie wirkt
sich die Erkrankung auf
Ihren Familienalltag aus?
Unsere Kinder wurden
früh diagnostiziert und
behandelt. Dennoch haben
sie Symptome: Körperlich
wirkt sich die Erkrankung
bei unseren Kindern sehr
unterschiedlich aus. Ein
Kind hatte schon im Kleinkindalter
die XLH-typischen
Zahnprobleme, in Form
von Abszessen, Fisteln und
Zahnverlusten. Das andere
Kind ist zahngesund, hat
aber eine Muskelschwäche
und ist körperlich nicht so
belastbar. Für die Kinder und
uns als Familie waren und
sind die zahllosen Termine
bei Ärzten und Therapeuten,
und die stets ermüdenden
Verhandlungen mit der
Krankenkasse, sehr quälend.
Das Anderssein durch die
Erkrankung belastet die Kinder
zudem. Die Umstellung
auf das neue Medikament,
das bei Heranwachsenden
alle zwei Wochen verabreicht
werden muss, führte gerade
bei unseren Teenagern zu
einer verbesserten Lebensqualität.
Trotzdem kann die
Therapie nicht alles verhindern.
Das Leben mit XLH ist
weiter beschwerlich und von
Schmerzen geprägt.
Welche Rolle spielt für Sie
die Vernetzung mit anderen
Betroffenen?
Für meine Kinder war es
wichtig, andere betroffene
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Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit der Kyowa Kirin GmbH entstanden.
Kyowa Kirin engagiert sich für Menschen
mit seltenen Erkrankungen
KKI/DE/KKI/0363
es sich im Austausch befindet, ein
Lächeln zu schenken – nicht nur durch
die Entwicklung neuer Wirkstoffe, sondern
auch durch gelebte Partnerschaften,
konsequenten Umweltschutz
und ein positives Arbeitsumfeld für
sämtliche Mitarbeiter. Das Unternehmen
sucht weltweit den Austausch
mit Betroffenen und Beteiligten, um
gemeinsam und kontinuierlich bessere
Antworten auf Patientenbedürfnisse
zu finden. Das Unternehmen wird
sich auch zukünftig für eine bessere
Zukunft einsetzen, getrieben von dem
Ansporn „Make people smile“.
*Name von
der Redaktion
geändert
Kinder kennenzulernen.
Für uns als Eltern spielt
der Austausch eine ebenso
wichtige Rolle: Man kann
Vergleiche ziehen, Informationen
austauschen, sich
Tipps geben. Und natürlich
stärkt der Zusammenhalt
sehr: dadurch, dass man
plötzlich zu Vielen ist, hat
diese seltene Erkrankung
eine viel größere Aufmerksamkeit
bekommen, wir
sprechen nun mit einer
starken Stimme.
Die Patientenorganisation
Phosphatdiabetes e.V. ist eine
Gemeinschaft von Betroffenen
und Angehörigen, die
Informationen bereitstellt, Hilfestellung
anbietet und durch
persönlichen Erfahrungsaustausch
im Umgang mit der
Erkrankung unterstützt. Die
Belange aller Altersstufen –
von Kindern, Jugendlichen
und Erwachsenen – finden
Beachtung.
Weitere Informationen unter:
www.phosphatdiabetes.de
Weitere
Informationen
unter:
www.kyowa
kirin.com
8
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Therapielinien für
GIST – Die Krankheit
kontrollieren
Prof. Dr. med.
Sebastian Bauer,
Leiter des Sarkomzentrums
am
Westdeutschen
Tumorzentrum der
Universitätsklinik
Essen
Gastrointestinale Stromatumoren (kurz GIST) sind
sehr seltene Weichteiltumoren (Sarkome), die im
Magen-Darm-Trakt entstehen. In Deutschland
erkranken pro Jahr ein bis zwei von 100.000
Menschen, die meisten sind bei Diagnosestellung 60
Jahre alt oder älter. Prof. Dr. med. Sebastian Bauer,
Leiter des Sarkomzentrums am Westdeutschen
Tumorzentrum der Universitätsklinik Essen, der
auch im Vorstand der Deutschen Sarkom-Stiftung
ist, erklärt, was die Herausforderungen bei der
Behandlung von GIST in späten Stadien sind.
Text Miriam Barbara Rauh
FOTO: FRANK PREUSS
Was sind die besonderen Herausforderungen
bei GIST im
Verlauf der Erkrankung?
Die Therapien wirken bei vielen
Patient*innen nur eine begrenzte
Zeit, da sich Resistenzen entwickeln.
Hier muss man dann die
Therapie wechseln. Spätere Therapielinien
sind oft weniger gut
verträglich und wirken kürzer als
die Erstlinientherapie. Insgesamt
haben wir derzeit vier zugelassene
Therapien zur Verfügung.
Eine weitere Herausforderung
ist die flächendeckende spezialisierte
Versorgung betroffener
Patient*innen. Es gibt nicht viele
Ärzt*innen in Deutschland, die
GIST im Schwerpunkt behandeln.
In den erfahrenen Zentren
können, meist in Absprache mit
den Behandler*innen vor Ort, die
einzelnen Therapiesequenzen
immer wieder länger ausgereizt
werden – mit Konsequenzen für
Lebensqualität und -dauer der
Betroffenen. Das Angebot von klinischen
Studien zu GIST ist hier
meist der wichtigste Indikator für
besondere Expertise.
Wie sieht die Prognose derzeit
aus, und hat sich diese in den
vergangenen Jahren geändert?
Als ich 1999 mein Examen
machte, gab es noch keine
Therapien für diese Erkrankung,
Patient*innen mit GIST sind in
dieser Zeit meist innerhalb von
ein bis zwei Jahren verstorben.
Das hat sich in den letzten 20
Jahren dramatisch geändert.
Heute haben wir Medikamente,
mit denen ein Teil der Betroffenen,
etwa 10 Prozent, sogar eine
nahezu normale Lebenserwartung
hat. Jede weitere Therapielinie
dient dazu, die Zeit ohne
Beschwerden durch den Tumor
und natürlich die Lebenserwartung
zu verlängern.
Wie äußert sich GIST bei den
Betroffenen insbesondere in
späten Stadien?
„Späte Stadien“ bedeutet in
der Regel hier eine gestreute
Erkrankung in die Leber oder das
Bauchfell. Beschwerden durch den
Tumor entstehen hier meist eher
durch Verdrängung von gesundem
Gewebe – das ist anders als bei den
häufigen Karzinomen im Bauchraum.
Wenn der Tumor in den
Schleimhautbereich hineinwächst,
können Patient*innen eine Blutung
bekommen, die sie entweder
im Stuhlgang bemerken oder die
sich über eine Blutarmut zeigt.
Eine Zunahme des Bauchumfangs,
Gewichtsverlust, Leberfunktionsstörungen
oder Darmverschluss
Weitere Informationen
zur Arbeit der
Deutschen
Sarkom-
Stiftung
finden Sie
unter:
sarkome.de
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treten meist erst am Ende
der Krankheit auf – was eine
überwiegend ambulante
Betreuung erlaubt.
Welche Behandlungsoptionen
gibt es? Wie ist
deren Stellenwert?
Chemotherapie spielt bei
GIST keine Rolle, es werden
ausschließlich zielgerichtete
Therapien angewendet.
GIST gehört zu den
Krebserkrankungen, deren
Krankheitsmechanismus
erstaunlich gut bekannt ist.
Das Treiberprotein lässt sich
sehr effektiv medikamentös
hemmen. Das Imatinib wirkt
am längsten und ist am
besten verträglich und daher
der Standard am Anfang.
Sobald Patient*innen
auf Imatinib nicht mehr
ansprechen, muss man auf
eine andere Therapielinie
umsteigen. Die Zweit- und
Drittlinien-therapien sind im
Mittel deutlich kürzer wirksam,
bevor sich Resistenzen
bilden. An dieser Stelle wird
derzeit viel geforscht, man
versucht, die Ausbildung von
Resistenzen hinauszuzögern
oder sogar zu verhindern.
Wie oben erwähnt, beobachten
wir bei 10 Prozent der
Patienten keine Resistenzen
mit Imatinib, und Betroffene
haben möglicherweise eine
normale Lebenserwartung.
Allerdings lässt sich das
nicht vorhersagen.
Bei der Therapie spielen
für Patient*innen in den
verschiedenen Phasen
der Erkrankung nebst
der Wirksamkeit auch
die Verträglichkeit und
Lebensqualität wichtige
Rollen. Wie sieht es bei
den Behandlungsoptionen
gerade in den späteren
Stadien aus?
Imatinib ist eine der am
besten verträglichen
Tumortherapien überhaupt.
Viele Patient*innen
können trotz Therapie ein
normales Leben führen, zur
Arbeit gehen, sogar Leistungssport
ist für manche
Betroffene möglich. Die
breitere Wirksamkeit der
zweiten und dritten Therapielinie
geht leider auch mit
stärkeren Nebenwirkungen
einher. Betroffene haben
dann beispielsweise mit
Entzündungen der Mundschleimhaut
zu kämpfen
oder mit Entzündungen von
Händen und Füßen. Beides
beeinflusst den Alltag der
Patient*innen deutlich. Hier
gilt es, die Dosis möglichst
individuell zu optimieren.
Im letzten Jahr wurde
erstmals ein Medikament
speziell für die GIST (als
Viertlinientherapie) entwickelt,
Ripretinib. Es hat einen
deutlichen Überlebensvorteil
und verbessert sogar die
Lebensqualität gegenüber
keiner Therapie. Das ist ein
wichtiger Schritt, um die
Zahl der Patient*innen, die
mit GIST ein normales Leben
führen können, weiter zu
steigern.
Haben Sie eine Empfehlung
für Betroffene?
Ich empfehle Patient*innen,
sich mit anderen Betroffenen
zu vernetzen. Die
Deutsche Sarkom-Stiftung
bietet ideale Möglichkeiten
dafür. Jede*r GIST-
Patient*in sollte zudem zu
Beginn der Erkrankung
einmal in einer Schwerpunktsprechstunde
vorstellig
werden und bei aktiver
Therapie auch regelmäßig
vorstellig werden.
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Deciphera –
inspired by patients, driven by science
Deciphera ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Entdeckung, Entwicklung und das
Inverkehrbringen wichtiger neuer Medikamente konzentriert, um das Leben von Menschen mit Krebs zu
verbessern. Der Firmenname „Deciphera“ leitet sich aus dem englischen Wort „decipher“, auf Deutsch
„ergründen, entschlüsseln“, ab.
Deciphera hat sich zum Ziel gesetzt, Tyrosinkinasen zu untersuchen und Schlüsselstellen für den Ansatz
innovativer Medikamente zu identifizieren. Das Unternehmen nutzt die firmeneigene Switch-Control-
Kinaseinhibitor-Plattform und die umfassende Expertise seiner Mitarbeiter:innen in der Biologie der
Kinasen zur Entwicklung eines breiten Portfolios innovativer Therapieansätze insbesondere im Bereich
von fortgeschritten Gastrointestinalen Stromatumoren (GIST).
GIST sind seltene maligne Tumoren aus der Gruppe der Weichteilsarkome. Gen-Mutationen in den
Tyrosinkinasen KIT oder PDGFRA treiben das Tumorwachstum. GIST können in jedem Alter auftreten. Das
mittlere Alter für den Ausbruch liegt bei etwa 60 Jahren. Etwa die Hälfte der Patienten:innen haben bereits
bei Diagnosestellung Metastasen. Entstehende Sekundärmutationen führen auch unter Therapie beim
fortgeschrittenen GIST zu einem Progress – daher der Bedarf nach neuen Medikamenten mit innovativen
Wirkansätzen.
®
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Es dreht sich alles
um Rot-Weiß!
Martina erhielt die Diagnose Polycythaemia vera (PV), ein seltener Blutkrebs
der Gruppe der Myeloproliferativen Neoplasien (MPN), im Jahr 2007. Typisch
für die Erkrankung ist eine Überproduktion roter Blutkörperchen, die viele
Symptome verursachen kann und so die Diagnose erschwert. Untypisch ist,
dass die PV mit Martina eine Frau traf, die erst 24 Jahre alt war.
Text Doreen Brumme
Martina, wann merkten
Sie, dass gesundheitlich
etwas nicht stimmt, und
welche Beschwerden hatten
Sie?
Nach meiner Ausbildung
zur Krankenschwester im
Jahr 2003 hatte ich immer
wieder Kreislaufbeschwerden:
Herzrasen, Schwindel.
Als „Frau vom Fach“ ließ ich
meine Blutwerte regelmäßig
testen – die waren immer
wieder auffällig: Mein Körper
produzierte ständig zu
viele rote Blutkörperchen.
Eine Knochenmarkpunktion
brachte 2007 mit der Diagnose
Polycythaemia vera die
Gewissheit: Ich hatte eine
Form von chronischem Blutkrebs.
Dass die Krankheit
in so jungen Jahren auftrat,
überraschte meine Hausärztin,
an die der Facharzt
die Diagnose weitergereicht
hatte. Sie kannte sie nur bei
Älteren, kniete sich dann
aber ins Thema rein und ich
fühle mich bei ihr – neben
der zusätzlichen Betreuung
durch eine Uniklinik – bis
heute gut aufgehoben. Auch
ich war überrascht, auf meiner
To-do-Liste fürs Leben
stand doch noch so viel!
War es für Sie ein Vorteil,
dass Sie selbst im Krankenhaus
arbeiteten?
Einerseits schon: Mein
medizinischer Hintergrund
ließ mich von Anfang an
verstehen, was mit mir
los ist, was die Therapien
bedeuten. Ich stellte die
richtigen Fragen, analysierte
meine Blutwerte selbst.
Auch die Kommunikation
mit dem Krankenhaus als
Arbeitgeber fiel leichter. Ich
traf auf Verständnis, musste
nicht viel erklären. Andererseits
sah ich im Krankenhaus,
in dem ich damals
arbeitete, die teils sehr
bösen Gesichter von Krebs
ungeschminkt. Der Krebs
trübte die Aussicht auf mein
Leben dramatisch, ich verzichtete
beispielsweise sehr
bewusst auf Kinder, weil
ich um sämtliche mögliche
Komplikationen wusste,
versorgte ich doch immer
wieder schwer kranke und
auch sterbende Patient*innen.
Was kam nach der Diagnose?
Meine seltene Form von
Blutkrebs behielten wir nach
dem Prinzip „watch and
wait“ im Auge: Ich musste
alle drei Monate zur Blutkontrolle.
Es ging immer um
die Frage: Wie viele rote, wie
viele weiße Blutkörperchen
habe ich und wie hoch ist
der Hämatokrit? Parallel
setzte ich die Antibabypille
ab, um die Thrombosegefahr
zu senken, die bei PV wegen
des Überschusses roter
Blutkörperchen eh schon
sehr hoch ist. Die daraufhin
einsetzende Monatsblutung
war regelmäßig sehr stark,
was sich als ein glücklicher
Umstand herausstellte: Sie
diente mir als „natürlicher
Aderlass“. Eine Zeit lang ging
es mir ok, die Symptome
gingen zurück, ich arrangierte
mich mit meiner chronischen
Krebserkrankung: Ich
war immer sportlich, achtete
jetzt besonders auf einen
gesunden Lebensstil.
2013 waren die Symptome
zurück, neue kamen
hinzu und blieben bis heute:
Nachtschweiß, Muskel- und
Knochenschmerzen, Eisenmangel,
Konzentrationsstörungen,
Kurzatmigkeit bis
Atemnot, Fatigue, Sehstörungen.
Ich reduzierte
meine Arbeitszeit, wechselte
nach einer Fachweiterbildung
schließlich an den
Schreibtisch und mehrmals
den Arbeitgeber. Heute
arbeite ich in Teilzeit im
Staatsdienst. Darüber bin
ich echt froh, denn meine
Vorgesetzten sind Mediziner,
ich kann in Gleitzeit
und auch im Homeoffice
arbeiten. Letzteres weiß ich
immer öfter zu schätzen,
denn selbst ein kurzer Gang
fällt mir inzwischen oft
schwer. Ich komme immer
häufiger an den Punkt:
„Scheiße, das geht doch
nicht mehr!“ Ich habe mittlerweile
eine medikamentöse
Therapie angefangen und
bin viel engmaschiger in
medizinischer Betreuung.
Wie kommen Sie aus
solch düsteren Momenten
heraus?
Ich mache Achtsamkeitsübungen,
Meditation, Yoga.
Ich setze auf die kleinen
Dinge des Lebens: einen
gemütlichen Abend mit meinem
Lebensgefährten, einen
kurzen Spaziergang, eine
Auszeit auf dem Balkon. Ich
male. Und natürlich genieße
ich die Vorteile, die die
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Martina
PV-Patientin
Digitalität mit sich bringt. Statt selbst
zu lesen, höre ich gerne Podcasts.
Statt viele Menschen persönlich
zu treffen, treffe ich sie im Internet.
Das ist für mich als chronisch
Krebskranke in Coronazeiten schon
vorteilhaft gewesen, moduliert doch
das Medikament, das ich nehme,
mein Immunsystem. Und wenn es
mal ganz düster wird, dann hilft mir
meine Psychotherapeutin da raus.
Auch der Austausch mit anderen
Betroffenen im Selbsthilfeforum des
MPN-Netzwerks tut mir sehr gut.
Was hilft seitens der Medizin, aber
auch seitens des Umfeldes, damit
Sie und andere Betroffene den
Alltag meistern?
Meinen Blutkrebs sieht man mir
nicht an. Das bringt mich bei
Nichtmedizinern regelmäßig in die
Rechtfertigung, insbesondere bei
Behördengängen. Es frustriert schon,
dass ich mich als chronisch Krebskranke
auf dem Arbeitsmarkt unter
Wert verkaufen musste, das aber
hinnehme, um überhaupt arbeiten
zu können. Die bürokratischen
Schritte bis zur Teilerwerbsrente
kamen mir wie hohe Hürden vor,
aber ich bin letztendlich sehr froh,
dass ich diese finanzielle Unterstützung
bekomme. Von der Medizin
wünsche ich mir, dass sie mich ernst
nimmt, meine Krankheit erforscht
und stets weiter an neuen Therapien
und Medikamenten arbeitet. Ich bin
natürlich sehr dankbar, dass ich ein
Medikament bekomme, das die
Krankheit in Schach hält. Aber es
sind bei den derzeit verfügbaren
Therapien natürlich auch Nebenwirkungen
möglich, die nicht unerheblich
sein können. Von meinem
privaten Umfeld und vor allem von
meinem Freund bin ich auf viel
Rücksicht und Verständnis für die
Ups and Downs meines Wohlgefühls
angewiesen – und zugleich möchte
ich nicht nur die Krebskranke sein:
Ich bin immer noch Partnerin,
Freundin, Sportbegeisterte, Künstlerin
und mehr.
MPN-
NETZWERK
– EIN NETZ,
DAS TRÄGT
Das mpn-netzwerk e. V. ist
eine Selbsthilfeinitiative für
Menschen mit Myeloproliferativen
Neoplasien (MPN) und
ihre Angehörigen. Wir stellen
fundierte, allgemein verständliche
Informationen zu MPN-
Erkrankungen zur Verfügung
und bieten Patient*innen
und deren Angehörigen die
Möglichkeit, sich miteinander
auszutauschen und zu
vernetzen. Zudem arbeiten
wir eng mit einschlägigen
Expert*innen für die MPN-
Erkrankungen zusammen,
um die Forschung weiter
voranzutreiben. Weitere Informationen
finden Sie unter:
www.mpn-netzwerk.de
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Komorbiditäten bei ANCAassoziierter
Vaskulitis
Text Klaus Heinz-Wagner
Klaus Heinz-
Wagner
Vorsitzender
Vaskulitis e.V.
Die beschriebenen Erkenntnisse
hinsichtlich der Therapie
einer ANCA-Vaskulitis,
zu denen auch die Eosinophile
Granulomatose mit
Polyangiitis (EGPA) gehört,
und der damit verbundenen
Komplikationen verdeutlichen
den Zusammenhang
zwischen einer ANCA-
Vaskulitis und dem erhöhten
Risiko des Auftretens
von Begleiterkrankungen
(sog. Komorbiditäten). Die
absolute Notwendigkeit
einer immunsuppressiven
Therapie bei Patienten und
Patientinnen mit einer
ANCA-Vaskulitis machen
die daraus resultierenden
Konsequenzen unumgänglich.
Daher sind die Prophylaxe
sowie die Früherkennung
möglicher Komplikationen
im Rahmen der immunsuppressiven
Therapie
essentiell, um Betroffene vor
weiteren Belastungen, die
das Ergebnis verschlechtern,
zu bewahren. In dieser Arbeit
liegt der Fokus auf den
Glukokortikoiden, die in der
Therapie zur Anwendung
kommen und einen Einfluss
auf den Glukosestoffwechsel
haben.
Eine schwedische bevölkerungsbezogene
Kohortenstudie ergab,
dass im Vergleich zur
Allgemeinbevölkerung
(alters- & geschlechterangepasste
Referenzgruppe)
ANCA-Vaskulitis Patienten
und Patientinnen höhere
Raten ärztlicher Konsultationen
aufgrund auftretender
Begleiterkrankungen
aufweisen. Ursächlich
hierfür seien unter anderem
immunsuppressive Medikamente,
welche zur Therapie
der ANCA-Vaskulitis
eingesetzt werden und das
Auftreten von Komorbiditäten
prädisponieren.
Lange Zeit wurde die
Mortalität aufgrund kardiovaskulärer
Ereignisse bei
ANCA Vaskulitis Patienten
und Patientinnen unterschätzt.
Darunter fallen vor
allem Erkrankungen wie
die arterielle Hypertonie,
ischämische Herzerkrankungen
sowie Myokardinfarkt.
Es wird daher eine
regelmäßige Einschätzung
kardiovaskulärer Risikofaktoren
und Anpassung der
Medikation zur Behandlung
einer Hypertonie, einer
Hypercholesterinämie sowie
eines Diabetes mellitus
empfohlen. Psychologische
Erkrankungen, Osteoporose
sowie ein Diabetes mellitus
können ebenfalls als Begleiterkrankung
im Rahmen
einer ANCA-Vaskulitis
auftreten.
Das Vorkommen einer
arteriellen Hypertonie und
eines Diabetes mellitus
könnten sich als direkte
Folge der Nierenschädigung
durch die ANCA-Vaskulitis
bzw. als Konsequenz der
langfristigen Glukokortikoid-Therapie
erklären.
Die ANCA-Vaskulitis stellt
zudem einen wichtigen
prädisponierenden Faktor
für das Vorkommen thromboembolischer
Ereignisse
(tiefe Venenthrombose,
Pulmonalarterienembolie)
dar – insbesondere im
Rahmen von Episoden der
Behandlung einer aktiven
Vaskulitis.
Ein erhöhter Kreatinin-
Basiswert sowie die Beteiligung
der Haut und des
Gastrointestinaltrakts im
Rahmen einer ANCA-Vaskulitis
sollen laut kürzlich
durchgeführten Analysen
von der Europäischen
Gesellschaft für Vaskulitis
zum Risiko thromboembolischer
Ereignisse beitragen.
In aktiven Krankheitsphasen
von ANCA-Vaskulitis Patienten
und Patientinnen sind
entscheidende Gerinnungsparameter
beeinträchtigt.
Es zeigt sich eine Erhöhung
der Thrombozytenzahl,
des D-Dimer-Wertes (Der
D-Dimer-Wert ist also ein
Laborwert, der Veränderungen
in der Blutgerinnung
aufzeigt) sowie des Fibrinogens.
In Phasen der
Remission zeigen sich
unter anderem höhere
Konzentrationen des Faktor
VIII sowie des endogenen
Thrombinpotentials. Infolge
der Hyperkoagulabilität sind
ANCA-Vaskulitis Patienten
und Patientinnen daher
einem höheren Risiko
thromboembolischer Ereignisse
ausgesetzt.
Was ist der Unterschied
in der Behandlung
bei Multimorbidität &
Komorbidität?
Komorbidität: Das
Auftreten zusätzlicher
Erkrankungen im Rahmen
einer definierten
Grunderkrankung.
Multimorbidität: Das
gleichzeitige Auftreten
mehrerer Krankheiten bei
einem Betroffenen.
Weitere Unterstützung
finden Betroffene und deren
Angehörige bei dem bundesweit
tätigen Verein
„Vaskulitis e. V.“:
Hauptstraße 6
54526 Landscheid/Eifel
Tel.: 06575-9014995
Fax.: 06575-903794
Weitere Informationen unter
info@vaskulitisverein-rlp.
de www.vaskulitisvereinrlp.de
Dimitra
EGPA-
Patientin
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit der GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG entstanden.
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Ich war dem Tod näher als dem Leben
Text
Franziska
Manske
Dimitra, du hast die seltene
Erkrankung EGPA. Wie hat sich
die Erkrankung bei dir bemerkbar
gemacht?
Als ich neun Jahre alt war, habe ich
plötzlich schweres Asthma bekommen
und niemand konnte sich
erklären, woher das kam. Anfangs
wurde eine Allergie vermutet, aber
auch mit verschiedenen Therapien
wurde es nicht besser.
Wie ging es dann weiter?
Nach dem Asthma bekam ich
2011 meine erste Perikarditis, eine
Entzündung des Herzbeutels. Das
wurde mit Kortison behandelt.
Dadurch wurde es besser, dann
kam jedoch 2012 eine Darmentzündung
hinzu und Anfang 2013
eine Lungenentzündung und
erneut eine Perikarditis – da war
ich dann gesundheitlich komplett
am Ende. Insgesamt waren bei
mir Lunge, Herz, Darm und die
Nerven von der EGPA betroffen.
Du warst jahrelang kerngesund.
Plötzlich kommt ein gesundheitlicher
Tiefschlag nach dem
anderen. Wie bist du damit
umgegangen?
Mir ging es krankheitsbedingt so
schlecht, dass ich nicht mehr viel
davon weiß. Ich habe diese Zeit
wie im Delirium erlebt, selbstständig
konnte ich fast gar nichts
mehr machen. Es gab Momente,
in denen ich Angst hatte, zu
sterben. Doch ich habe sie dann
immer wieder verdrängt, denn
zu sterben war keine Option – ich
wollte leben. Teilweise war ich
dem Tod näher als dem Leben.
Als ich 2013 ins künstliche Koma
versetzt wurde, hatten mich die
Ärzte abgeschrieben. Zehn Tage
verbrachte ich in diesem Zustand.
Die richtige Diagnose ist die halbe Miete
Wie hast du dich zurück ins
Leben gekämpft?
Als ich aus dem Koma erwacht
bin, war ich blind, weil meine
Sehnerven geschädigt waren.
Obwohl ich nichts sah, war ich
total positiv gestimmt. Ich habe
gespürt, wie überglücklich meine
Familie in diesem Moment war,
dass dies einfach auf mich übergangen
ist. Kurz darauf kam dann
auch die Diagnose und aus dem
jahrelangen Leid wurde endlich
wieder Leben.
Nun bekomme ich seit einiger
Zeit ein Biologikum, das mein
Freund mir einmal im Monat
spritzt. Das hat mir mein Leben
zurückgegeben. Ich bin komplett
beschwerdefrei und kann ein
völlig normales Leben führen
– dafür bin ich jeden Tag
dankbar.
Etwa 400 verschiedene Erkrankungen gehören zum rheumatischen Formenkreis. Darunter auch die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis
(EGPA) und das hypereosinophile Syndrom (HES). EGPA und HES werden häufig erst Monate nach Symptombeginn diagnostiziert. Zeit, in der die
Grunderkrankung voranschreitet und die Lebensqualität der Betroffenen immer mehr leidet, bis hin zum tödlichen Verlauf.
Prof. Hellmich, Ihre Klinik ist spezialisiert
auf systemische-rheumatische
Erkrankungen, wie EGPA und HES.
Was macht die Diagnose so schwierig?
Das liegt sowohl an der Seltenheit wie auch
der Heterogenität der Krankheitsbilder. Die
ersten Anzeichen reichen von allgemeiner
Müdigkeit, Fieber, Muskelschmerzen bis
hin zu Hautveränderungen oder Herzbeschwerden.
Bei EGPA tritt in frühen Phasen
häufig ein Asthma auf, manchmal begleitet
von Nasenpolypen. Treten weitere Beschwerden
auf, kann es einige Zeit dauern,
bis ein Zusammenhang auffällt. Meist
pendeln Betroffene zwischen Hausarzt und
verschiedenen Fachärzten, bis der Krankheitsprozess
erkannt wird und sie beim
Spezialisten landen. In dieser Zeit nimmt die
Lebensqualität der Betroffenen kontinuierlich
ab und die unterschwellig lodernden
Entzündungsprozesse können schon zu oft
irreparablen Organschäden geführt haben.
Wie kommen die Betroffenen zur richtigen
Diagnose?
Entscheidend ist, erst mal an die Möglichkeit
einer seltenen Erkrankung zu denken,
z.B. wenn eine chronische Entzündung
mehrerer Organe vorliegt, die nicht auf
Antibiotika anspricht. Ein wichtiger Punkt
ist dann sicherlich die interdisziplinäre
Zusammenarbeit. Die Kollegen müssen
sich über die Befunde austauschen und
ihre Puzzleteile zusammenlegen. Bzgl. der
Diagnose selbst kann im ersten Schritt ein
Blutbild zur Analyse von Biomarkern wie
Eosinophilen, Entzündungswerten etc. Hinweise
geben. Diese Ergebnisse sollten um
bildgebende Verfahren ergänzt werden. Je
nach betroffenem Organ kann auch eine
Gewebeprobe weiteren Aufschluss geben.
Dazu ist immer die Überweisung in eine
Spezialklinik ratsam.
Gibt es Behandlungsmöglichkeiten für
diese seltenen Erkrankungen?
Seltene Erkrankungen sind generell ein
schwieriges Feld, da es wenige Studiendaten
und nicht viele zugelassene Behandlungsoptionen
gibt. Die herkömmliche
Strategie besteht darin, die körpereigene
Abwehr mit Kortikosteroiden und/oder Immunsuppressiva
runterzufahren. Da wir sie
im Alltag zur Abwehr von Bakterien, Viren
oder Parasiten aber brauchen, wandelt
man hier auf einem sehr schmalen Grat.
Moderne Wirkstoffe wie Biologika bieten
die Möglichkeit, spezifischer in die pathologischen
Prozesse einzugreifen. Dabei
handelt es sich um Antikörper, die einzelne
Entzündungsprozesse blockieren können.
Für die Betroffenen von Erkrankungen wie
EGPA und HES stellen diese modernen
Technologien eine wichtige Perspektive
dar. Doch alles beginnt eben mit der richtigen
Diagnose.
Prof. Dr. Bernhard
Hellmich
Klinik für Innere
Medizin, Rheumatologie
und
Immunologie, EU-
Referenzzentrum
für Autoimmunvaskulitiden
(ERN-RITA),
Medius Kliniken,
Kirchheim-Teck,
Deutschland
NP-DE-MPL-ADVR-220015
14
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„Mehr darüber sprechen“
Die Sichelzellkrankheit ist weltweit eine der am häufigsten vorkommenden Erberkrankungen.
Besonders Menschen in Afrika, dem Nahen Osten, dem Mittelmeer- und dem indischen Raum oder
mit Wurzeln in diesen Regionen können betroffen sein. In Deutschland hingegen ist die Krankheit
zwar noch recht selten, aber die Zahl der Betroffenen steigt. Ging man Ende der Neunziger Jahre von
350 Patient*innen aus, schätzt man die Zahl heute auf 3.500. Wir sprachen mit Carmen Aramayo-
Singelmann über die Notwendigkeit einer angemessenen Versorgung Betroffener und über die
zusätzlichen Hürden, mit denen sich viele Patient*innen hierzulande konfrontiert sehen.
Carmen
Aramayo-
Singelmann
Assistenzärztin
an der
Kinderklinik
(Hämatologie-Onkologie)
der
Universität
Essen und
Leiterin der
Sprechstunde
für
Patienten mit
der Sichelzellkrankheit
Text Miriam
Barbara Rauh
Frau Aramayo-Singelmann,
Sie behandeln unter
anderem Patient*innen, die
an der Sichelzellkrankheit
leiden. Was passiert bei
der Erkrankung im Körper
Betroffener und wie wirkt
sie sich konkret aus?
Die Krankheit ist vielfältig.
Betroffene haben sowohl
chronische als auch akute
Gefäßverschlüsse und leiden
dadurch an wiederkehrenden
Schmerzkrisen. Es
können Schlaganfälle und
akutes Organversagen vorkommen.
Die Erkrankung
kann Schäden am gesamten
Körper hervorrufen.
Welche Therapiemöglichkeiten
gibt es, um die Erkrankung
zu therapieren,
wo können sich Betroffene
behandeln lassen?
Eine Heilung ist derzeit nur
mithilfe einer Stammzellentransplantation
möglich.
Die aktuellen zugelassenen
Therapien für Betroffene mit
einer Sichelzellkrankheit
werden eingesetzt, um der
Symptomatik der Erkrankung
vorzubeugen, wie zum
Beispiel den schmerzhaften
vaso-okklusiven Krisen. Als
Therapeutikum ist z. B. ein
Zytostatikum seit 2007 in
Europa zugelassen, das bei
Kindern ab zwei Jahren eingesetzt
werden kann. Es gibt
seit Kurzem zwei weitere
Medikamente für Patienten,
die ab 12 bzw. 16 Jahren in
Deutschland zugelassen
sind.
Können Betroffene unter
Therapie ein normales
Leben führen?
Nein, leider nicht. Es sind
regelmäßige ärztliche
Kontrollen notwendig, und
Krankenhausaufenthalte
sind durch die akuten Komplikationen
sehr häufig. Um
diese akuten Komplikationen
zu vermeiden, müssen
Betroffene auf manche
Aktivitäten verzichten.
Da die Therapien
von erfahrenen
Fachmediziner*innen eingesetzt
werden: Erreichen
diese Therapiemöglichkeiten
die in Deutschland
lebenden Patient*innen?
Gibt es Unterschiede
zwischen Kindern und
Erwachsenen, zwischen
Stadt und Land?
Alle Patient*innen in
Deutschland können von
den verfügbaren Therapien
profitieren. Hier ist es
wichtig, daran zu arbeiten,
sowohl alle betreuenden
Kolleg*innen als auch die
Patient*innen über diese
Therapien zu informieren.
Für Betroffene, die auf dem
Land leben und von niedergelassenen
Ärzten betreut
werden, würde es das sehr
vereinfachen, von den neuen
Therapien zu profitieren.
Wir empfehlen, etwa einmal
im Jahr für verschiedene
Untersuchungen in ein
multidisziplinäres Zentrum
zu kommen, z. B. nach
Essen, Köln, Ulm, Berlin,
Hamburg oder Heidelberg.
Darüber hinaus versuchen
wir, möglichst viel mit niedergelassenen
Kolleg*innen
zusammenzuarbeiten. Eine
Rolle spielt auch das Alter –
mit 16 Jahren hat man mehr
Therapiemöglichkeiten als
jüngere Betroffene.
Patient*innen mit einer
Sichelzellkrankheit haben
häufig afrikanische,
arabische, indische oder
mediterrane Wurzeln. Mit
Lesen Sie mehr auf www.seltenekrankheiten.de 15
welchen Herausforderungen
sehen sich Betroffene zusätzlich
zur Krankheitslast in Deutschland
konfrontiert?
Wenn man in ein neues Land
kommt, sich ganz neu einlebt und
die Sprache noch nicht spricht,
vielleicht auch traumatische
Erlebnisse auf einer Flucht hatte,
hat man an sich genug damit zu
tun. Für Außenstehende ist kaum
vorstellbar, wie schwer es für die
Familien ist, wenn noch eine
chronische Erkrankung hinzukommt.
Oft wissen Familien auch
zunächst gar nicht, was ihnen oder
ihren Kindern fehlt. Hürden des
Gesundheitssystems, mit strikten
Vorgaben, machen die Situation
nicht leichter. Wer neu in einem
fremden Land ist, kennt die Besonderheiten
des jeweiligen Gesundheitssystems
noch nicht und wird
dann vielleicht wieder nach Hause
geschickt, weil eine Überweisung
fehlt oder man verspätet eingetroffen
ist. Wir geben uns in der
Ambulanz der Uniklinik Essen alle
Mühe, das Bewusstsein im ganzen
Team für diese besondere Situation
zu schärfen. Und auch Wege
aufzuzeigen, wie man sich notfalls
ohne Sprache verständigen kann.
Manchmal helfen gezeichnete
Symbole wie Sonne und Mond
weiter, um das Einnehmen von
Tabletten zu erklären.
Patient*innen berichten, dass
viele Ärzte in Deutschland die
Krankheit nicht kennen oder sie
unterschätzen und dass sie sich
von deutschen Ärzten häufig
nicht verstanden fühlen. Aus
Ihrer ärztlichen Sicht: Was muss
sich ändern, damit Betroffene
sowohl fachmedizinisch als
auch diversitätssensibel versorgt
werden können?
Die Krankheit muss ins Licht,
damit Betroffenen geholfen werden
kann. Die Sichelzellkrankheit
zählt zwar noch immer zu den
seltenen Erkrankungen – aber sie
ist längst nicht mehr so selten,
dass sie einem nicht begegnet.
Es gibt immer mehr betroffene
Patient*innen, Informationen
müssen schnell und ortsunabhängig
verfügbar sein.
Wir sind dabei, ein Netzwerk aufzubauen,
eine Online-Plattform,
auf der sich niedergelassene
Kolleg*innen informieren und
uns Fragen stellen können.
Es ist wichtig, insgesamt mehr
über die Erkrankung zu sprechen,
sich an die Medien zu wenden,
auch in den Sozialen Medien
präsent zu sein. Die Erkrankung
darf nicht länger ein Tabu sein. Es
hilft den Familien, besonders den
Kindern, wenn sie wissen, dass
sie nicht allein sind.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit der Global Blood Therapeutics Germany GmbH entstanden.
Die Sichelzellkrankheit fordert unser Gesundheitssystem heraus
Die Sichelzellkrankheit
ist eine seltene Erkrankung,die
ihren Ursprung im
subsaharischen Afrika hat.
Sie entsteht aufgrund einer
genetischen Mutation des
Hämoglobins, die Überlebensvorteile
gegenüber
dem Malariaerreger bietet.
Heute betrifft sie Menschen
in vielen Teilen der Welt.
Nach Afrika kommt die
Krankheit besonders häufig
im arabischen Raum, im Mittelmeerraum
oder in Teilen
Südostasiens vor. Auch hat
sie schon sehr früh durch
den Sklavenhandel auf den
amerikanischen Kontinent
Einzug gefunden. In den
Vereinigten Staaten leben
mehr als 100.000 Menschen
mit der Sichelzellkrankheit –
meist African Americans.
Mittlerweile leben auch
in Deutschland ca. 3.200
Menschen mit der Sichelzellkrankheit.
Sie ist hier
„neu“ und sie trifft an vielen
unterschiedlichen Stellen
auf unsere komplex differenzierte
Versorgung. So
zeigt sie wie im Brennglas,
wo unser Gesundheitssystem
auch jenseits der überfälligen
Entwicklung neuer
therapeutischer Optionen
wachsen muss.
Die Krankheit ist in der
Medizin in Deutschland
noch nicht angekommen.
Betroffene fühlen sich von
den Behandelnden nicht verstanden,
nicht ernst genommen
oder sie erleben sogar
Diskriminierung. Oft wird
lange nach kompetenten
Behandler:innen gesucht.
Ärzt:innen hingegen beklagen
kulturelle Hürden in der
Behandlung und auch sie
benötigen Unterstützung.
An der Sichelzellkrankheit
wird man ablesen können,
ob Deutschland in der
Lage ist, sein oft exzellentes
Gesundheitssystem
diversitätssensibel und für
die Anforderungen des 21.
Jahrhunderts zu gestalten.
Hintergrund
Die Sichelzellkrankheit ist
eine schwere, erbliche Krankheit
der roten Blutkörperchen.
Sichtbarster Ausdruck sind
krisenhaft auftretende extreme
Schmerzen bei einem Teil
der Patient:innen. Weniger
sichtbar sind die durch die
chronische Anämie ausgelösten
Endorganschäden,
die zu einer bis zu 30 Jahre
verkürzten Lebenserwartung
führen können. Trotz der
Krankheitsschwere und des
lange verstandenen Krankheitsmechanismus
waren
bisher nur begrenzt Therapien
verfügbar.
2011 wurde Global Blood
Therapeutics (GBT) in
Kalifornien mit der Mission
gegründet, moderne Therapien
für die Sichelzellkrankheit
zu entwickeln. Auch darüber
hinaus und in Deutschland
engagiert GBT sich dafür,
dass die Krankheit und die
von ihr Betroffenen die
Aufmerksamkeit bekommen,
die sie verdienen.
Weitere Informationen unter:
www.gbt.com/de/
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So leben wie ein ganz normales Kind
Was ist mit unserem Kind? Diese Frage stellte sich Familie Minich, als ihre neugeborene Tochter
ohne erkennbaren Grund Schmerzen hatte, nicht essen wollte und unruhig war. Die Diagnose, PFIC,
Progressive Familiäre Intrahepatische Cholestase, eine seltene genetisch bedingte Lebererkrankung,
stellt den Alltag der Familie auf den Kopf. Über den Weg, mit der Erkrankung zu leben, erzählt Erika
Minich im Interview.
Text Miriam
Barbara Rauh
Frau Minich, wann ist Ihnen
aufgefallen, dass Ihr Kind
Beschwerden hat?
Nach der Geburt hatte unsere
Tochter eine Gelbsucht
– was normal sein kann,
aber diese dauerte deutlich
länger an. Dann bekam ich
Probleme beim Stillen, sie
hatte Hunger, wollte aber
nicht trinken und schien
Schmerzen zu haben. Sie
war insgesamt unruhig
und kratzte sich, schon mit
etwa zwei Monaten. Auch
hat sie wenig zugenommen
und wuchs kaum. Mit vier
Monaten bekam sie sehr
heftiges Nasenbluten,
wir sind dann mit ihr ins
Krankenhaus gefahren. Dort
wurde unserer Tochter Blut
abgenommen, die Werte
waren schlecht. Da wussten
wir, dass etwas Grundlegendes
nicht stimmt.
Wie ging es Ihnen als Eltern,
nachdem die Diagnose
gestellt wurde?
Wir hatten ja zunächst
gedacht, unser Kind sei
gesund, und dann wird
sie als Notfall in die Klinik
geschickt – das war ein
Ausnahmezustand, es war
schlimm für unsere Familie.
Als Krankenschwester wusste
ich, was eine Leberzirrhose
bedeutet. Das eigene
Kind, das wachsen muss
und fröhlich sein sollte,
betroffen zu sehen, war
sehr heftig. Ich hatte viele
Fragen. Auch wie wir als
Familie den Spagat schaffen,
wussten wir zunächst nicht.
Wo haben Sie medizinische
und persönliche Unterstützung
bekommen?
Die Überweisung zur MHH
(Medizinische Hochschule
Hannover) war ein Glücksfall.
Dort wurden wir
aufgefangen, beruhigt und
fachlich sehr kompetent
über die Erkrankung aufgeklärt.
Wir haben großes
Vertrauen zur MHH. Das
hat uns geholfen, unseren
Weg zu finden und zu gehen.
Auch unsere Familien und
gute Freunde haben uns
sehr unterstützt und die
Kirchengemeinde, in der wir
aktiv sind.
Wie wirkt sich die Erkrankung
auf Ihren Familienalltag
aus?
Das Schlimmste ist der Juckreiz.
Damit unsere Tochter
überhaupt schlafen konnte,
musste ich bei ihr liegen und
ihre Arme und Beine streicheln.
Sie konnte nicht mehr
zum Kindergarten, weil sie
so müde war, und später
nicht zur Schule. Ich habe
in dieser Zeit auch kaum
Schlaf bekommen. Auch war
sie komplett zerkratzt und
blutete, ihre Beine sind ganz
vernarbt. Hinzu kam der
Vitaminmangel durch den
gestörten Gallenfluss. Dazu
kamen die Gerinnungsstörungen,
sie hatte starkes
Nasenbluten, das nicht
stillbar war. Schließlich
konnte sie immer weniger
essen, über zweieinhalb Jahre
musste ich sie künstlich
über eine Sonde ernähren.
Bis zur Transplantation.
Wie geht es Ihrem Kind nun
unter Therapie?
Als wir gemerkt haben, so
geht es nicht weiter, die
Leber gibt auf, hat das MHH
reagiert und eine Lebertransplantation
durchgeführt. Das
war ihre einzige Überlebenschance.
Wir sind unglaublich
dankbar, dass es funktioniert
hat. Unsere Tochter
bekommt Medikamente und
es gibt auch immer mal
wieder Termine im Krankenhaus,
aber im Moment kann
sie so leben wie ein ganz
normales Kind.
Der Verein Leberkrankes
Kind e. V. ist ein Netzwerk
für Familien leberkranker
und lebertransplantierter
Kinder. Hier finden betroffene
Familien Informationen
über Krankheitsbilder und
Unterstützungsmöglichkeiten
und können sich mit anderen
betroffenen Familien austauschen.
Weitere
Informationen
unter:
www.leber
krankeskind.de
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Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Albireo Pharma entstanden.
Ursachen und
Behandlungsmöglichkeiten bei PFIC
DE-BV-22-00031 8/29/2023
Herr Prof. Ganschow, was
sind die Ursachen und das
charakteristische Merkmal
der Progressiven Familiären
Intrahepatischen
Cholestase (PFIC)?
Die Ursache der PFIC ist
ein Gendefekt, meist zeigt
sich die Erkrankung bereits
bei betroffenen Säuglingen
oder Kleinkindern. Die
PFIC ist eine progressive,
sehr seltene Lebererkrankung,
der Störungen im
Galletransport der Leber
zugrunde liegen. Diese verursachen
einen Gallestau,
der häufig zu erheblichen
Funktionsstörungen der
Leber und in vielen Fällen
zur Notwendigkeit einer
Lebertransplantation führt.
Ohne effektive Behandlung
in einem erfahrenen Zentrum
ist die Überlebensrate
deutlich reduziert.
Welche Symptome gehen
mit einer PFIC-Erkrankung
einher?
Quälender und unstillbarer
Juckreiz ist ein sehr weit
verbreitetes Symptom.
Betroffene Kinder kratzen
sich oft an den Beinen,
Armen oder am Kopf
blutig und leiden dadurch
massiv. Der Juckreiz führt
zusätzlich zu schweren
Schlafstörungen.
Gelbsucht ist ein weiteres
Zeichen dafür, dass
der Galletransport gestört
ist. Zusätzlich fallen
betroffene Kinder durch
schwere Wachstums- und
Entwicklungsstörungen auf.
Grund dafür ist die gestörte
Funktion der Leber und eine
unzureichende Aufnahme
von Fetten und fettlöslichen
Vitaminen über den Darm.
Auch auf die Eltern hat
die Erkrankung des Kindes
schlimme Auswirkungen.
Bei ihnen liegt durch die
hohe Betreuungsbedürftigkeit
des Kindes nachts
eine massive Schlafstörung
vor. Sie berichten über
verminderte psychische und
körperliche Gesundheit,
eine verringerte Leistungsfähigkeit
sowie Beeinträchtigungen
im Beruf, den
sozialen Beziehungen und
ihrer finanziellen Situation.
Bitte erörtern Sie die in der
Vergangenheit zur Verfügung
stehenden Therapieoptionen.
Viele Behandlungen zielten
in erster Linie darauf ab, den
Juckreiz zu lindern – meist
ohne Erfolg. Neben dem Einsatz
von Medikamenten, die
nicht für die PFIC zugelassen
sind, können auch Operationen
durchgeführt werden.
Bei einer chirurgischen
Galleableitung wird zum
Beispiel die Gallenflüssigkeit
durch die Bauchwand in
einen Beutel abgeleitet, den
das Kind dauerhaft außen
am Körper tragen muss. Bei
fortschreitender Lebererkrankung
oder auch wenn
der Juckreiz unerträglich
wird, verbleibt als letzte
Behandlungsoption nur eine
Univ.-Prof.
Dr. med.
Rainer
Ganschow
Direktor der
Klinik und
Poliklinik für
Allgemeine
Pädiatrie am
Universitätsklinikum
Bonn
Weitere
Informationen
unter:
www.albireo
pharma.com
Transplantation der Leber.
Dieser sehr schwerwiegende
Eingriff belastet die betroffenen
Familien meist stark. Sie
müssen lebenslang Medikamente
einnehmen, die das
Immunsystem unterdrücken,
damit der Körper die
fremde Leber nicht abstößt.
Welche Durchbrüche gab
es hier aus Ihrer Sicht in
den letzten Jahren hinsichtlich
der Therapie der
PFIC?
Seit 2021 gibt es ein von der
Europäischen Arzneimittelbehörde
(EMA) zugelassenes
Medikament zur Behandlung
der PFIC. Dieses kann
in vielen Fällen den Gallestau
lösen und dadurch
innerhalb weniger Wochen
bis Monate eine deutliche
Verringerung der Beschwerden
bewirken.
Da in Deutschland die
Kosten für neue Medikamente
sofort nach der
Zulassung von den gesetzlichen
Krankenkassen
erstattet werden, bekommen
Patienten mit seltenen
Krankheiten in der Bundesrepublik
neu zugelassene
Medikamente in der Regel
lange vor ihren Leidensgenossen
in anderen europäischen
Ländern.
Insbesondere bei dem neuen
Präparat zur Behandlung
der PFIC ist das zum Vorteil
der Patienten, denn es ist
ein gut verträgliches und in
vielen Fällen effektives
Präparat.
18
Lesen Sie mehr auf www.seltenekrankheiten.de
Beeinträchtigung des
Sehvermögens:
Auch an LHON denken
LHON, die Lebersche hereditäre Optikus-Neuropathie,
ist eine erbliche Erkrankung des Sehnervs. Durch eine
Mutation werden Nervenzellen geschädigt, was zu schwerer
Sehbehinderung führen kann. Wir sprachen mit Prof.
Dr. Wolf Lagrèze, Leitender Arzt an der Augenklinik des
Universitätsklinikums Freiburg sowie Universitätsprofessor
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, über die
Erkrankung und neue Behandlungsansätze.
Prof. Dr. Lagrèze, wie
häufig tritt LHON auf?
Als seltene Erkrankung
hat sie eine Häufung von
weniger als 1 zu 2.000. Man
schätzt, dass es jährlich
etwa 50 Neuerkrankungen
in Deutschland gibt und
insgesamt etwa 3.000
Betroffene.
Wer erkrankt?
Etwa 80 Prozent der
Betroffenen sind Männer.
Das typische Erkrankungsalter
liegt bei 25 Jahren,
Lesen Sie mehr auf www.seltenekrankheiten.de 19
wir sehen aber insgesamt
Neupatient*innen im Alter
von zwei bis 80 Jahren.
Man schätzt, dass ca. 15
Prozent Kinder und Jugendliche
sind, der Rest sind
Erwachsene.
Was macht die Diagnostik
der Erkrankung so
schwer?
An sich ist die Diagnose
nicht schwer zu stellen
– aber man muss an die
Erkrankung denken. Die
Krux bei seltenen Erkrankungen
ist, dass sie oft nicht
bedacht werden, weil das
Häufige naheliegender ist.
Oft dauert es Monate, selten
Jahre, bis Betroffene die
richtige Diagnose erhalten.
Oft wird die LHON mit
einer Sehnerventzündung
verwechselt.
Welche Behandlungsmöglichkeiten
gibt es?
Aktuell steht ein zugelassenes
Medikament zur
Verfügung mit dem Inhaltsstoff
Idebenon. Diese orale
Therapie zielt nicht spezifisch
auf eine bestimmte
Mutation ab, sondern soll
den Elektronentransport
der Atmungskette in den
Mitochondrien verbessern.
Leider garantiert die
Behandlung nicht jedem
Betroffenen eine Sehverbesserung
– es gibt eine
Spontanerholungschance,
die aber durch die Gabe
des Medikaments erhöht
wird. Für eine Gentherapie
wird derzeit die Zulassung
geprüft.
Wie wird eine Gentherapie
bei der Behandlung von
LHON am Auge durchgeführt?
Ein Virusvektor schleust per
Injektion in den Glaskörper
des Auges eine intakte Kopie
des defekten Gens in die
Nervenzellen der Netzhaut
ein. Diese Kopie dient als
Vorlage für die Produktion
des Enzyms ND4 (NADH-
Dehydrogenase-4). Auf diese
Weise erzeugen die Mitochondrien
wieder Energie
und sichern die Versorgung
der Nervenzellen, damit diese
Seheindrücke zum Gehirn
weiterleiten können. Allerdings
kommt die Therapie
nur für die Mutation 11778
infrage, die jedoch ca. ¾ der
Fälle von LHON ausmacht.
Prof. Dr. Wolf
Lagrèze
Leitender
Arzt an der
Augenklinik
des Universitätsklinikums
Freiburg sowie
Universitätsprofessor
der Albert-
Ludwigs-
Universität
Freiburg im
Breisgau
Welche Vorteile sprechen
für die Gentherapie am
Auge?
Die Behandlung ist technisch
einfacher als andere
Gentherapien im hinteren
Augenabschnitt, da der Vektor
nicht unter die Netzhaut
injiziert wird, sondern in den
Glaskörper, ähnlich einer
Behandlung der Makuladegeneration.
Im Vergleich zu
Idebenon hat die Gentherapie
bei der Mutation 11778 eine
höhere Seherholungsrate. Es
ist eine einmalige Behandlung,
die abgesehen von einer
kurzzeitigen Entzündungsreaktion
im Augeninneren gut
vertragen wird. Wurde in ein
Auge injiziert, verbesserten
sich in Studien meist beide
Augen. Das Genprodukt war
im Tierexperiment auch
im nicht injizierten Auge
nachweisbar.
Allerdings sollte die
Erkrankung möglichst bald
nach Ausbruch behandelt
werden, im Idealfall etwa
innerhalb eines halben
Jahres, da die Chancen, dass
die Nervenzellen sich
erholen, mit der Zeit
abnehmen.
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und Patienten mit Leberscher hereditärer Optikusneuropathie
(LHON) und Retinitis pigmentosa.
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Bedarf in dieser sehr seltenen Erkrankung angegangen.
Von der European Medicine Agency wird
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(LHON) entwickelt wird. Der gentherapie-basierte
Ansatz ist so konzipiert, dass beide Augen mittels
einer einzigen intravitrealen Injektion behandelt werden.
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Therapiekandidaten eine Behandlung zur Wiederherstellung
des Sehvermögens bei Patienten, die an Retinitis
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Foto: Guido Werner